Komm und küss mich, Boss!

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Beim Blick in Matt Daltons tiefblaue Augen wird der schüchternen Computerexpertin Lauren schlagartig klar: Der sexy Tycoon ist der geheimnisvolle Fremde, der sie einst zu einem unvergesslich heißen Kuss verführte. Jetzt muss sie ihm aber widerstehen, denn er ist ihr neuer Boss!


  • Erscheinungstag 07.01.2023
  • ISBN / Artikelnummer 9783751521338
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Lauren Taylor stieg aus dem Taxi und lächelte überrascht. In ihrer Kindheit hatte an dieser Stelle ein sechsstöckiges Gebäude mit einer Bankfiliale im Erdgeschoss gestanden, doch nun ragte hier ein moderner Büroturm aus Stahl und Glas in den Himmel.

Vorfreude erfasste sie. Der Job war als Notfall hereingekommen – ganz dringend, was in der Regel eine spannende Herausforderung bedeutete.

Als ihr Chef sie am Montagmorgen anrief, hatte sie zuerst ablehnen wollen. Immerhin hatte sie endlich eine Woche wohlverdienten Urlaub durchgesetzt. Sie freute sich darauf, Zeit für sich zu haben … ins Kino zu gehen, im Park zu lesen und Spaziergänge an der frischen Luft zu machen. Erst als ihr Boss ihr eine zusätzliche Woche Urlaub sowie einen dicken Bonus versprach, sagte sie zu, den Auftrag zu übernehmen. Es gab Schlimmeres als ein paar Tage Adelaide im März.

Dummerweise hatte ihr Flug aus Sydney Verspätung gehabt, sodass es schon drei Uhr nachmittags war, als sie endlich in ihrem Hotel eincheckte und sich ein Taxi rief.

Die Dalton Corporation befand sich im achtzehnten Stockwerk. Das schicke Entree passte zu dem Gebäude, doch leider war die Rezeption vollkommen verwaist. Lauren blickte auf drei Türen, die allesamt verschlossen waren.

Unschlüssig griff sie nach ihrem Handy und suchte nach der Nummer, die sie vorhin angerufen hatte, da hörte sie einen lauten Knall aus dem zweiten Raum, dem ein unterdrückter weiblicher Fluch folgte.

Lauren klopfte und öffnete die Tür.

Eine blonde Frau stand über einen Schreibtisch gebeugt und blätterte einen Papierstapel durch. Ein Aktenordner und dessen Inhalt lagen auf dem Fußboden verstreut. Die Frau blickte zu Lauren hoch.

„Sie wollen bestimmt zu Mr. Dalton“, sagte sie hoffnungsvoll. „Tut mir leid wegen des Chaos hier. Normalerweise bin ich organisierter. Die letzte Tür links. Klopfen Sie einfach an und viel Glück!“

Die Worte lösten ein ungutes Gefühl in Lauren aus. Instinktiv glättete sie ihr Haar und ihre Kleidung, ehe sie der Anweisung folgte und an die nächste Tür klopfte. Die tiefe männliche Stimme, mit der kurz darauf „Herein!“ gerufen wurde, ging ihr durch und durch.

Der Mann hielt ein Handy ans Ohr gepresst. Ohne aufzublicken, bedeutete er ihr, einzutreten und auf dem Stuhl vor seinem Schreibtisch Platz zu nehmen. Matthew Dalton stand definitiv unter Druck. Er trug weder Jackett noch Krawatte, die obersten Hemdknöpfe waren offen, und sein dichtes kastanienbraunes Haar sah so aus, als wäre er bereits etliche Male mit der Hand hindurchgefahren. Er machte sich unaufhörlich Notizen, während er hin und wieder knappe Kommentare abgab.

Lauren setzte sich und sah von seinem großen schweren Schreibtisch aus dunklem Holz zu den bodentiefen Fenstern hinüber, die einen tollen Blick über die Adelaide Hills boten. Von den weichen Ledersesseln an den Fenstern bis hin zur eingebauten Bar und der sündhaft teuren italienischen Kaffeemaschine war alles darauf ausgerichtet, die Macht und den Erfolg ihres Besitzers zu unterstreichen.

Dennoch war die Rezeption nicht besetzt, und die blonde Frau hatte angespannt gewirkt. Wie schlimm stand es wohl um diese Firma?

Normalerweise fiel es Lauren nicht schwer, alle Geräusche um sich herum zu ignorieren. Doch heute gelang es ihr einfach nicht, das tiefe Timbre des Mannes ihr gegenüber auszublenden. Seine Stimme schien ihre Haut zu streicheln und löste ein ungewohntes Kribbeln in ihrem Bauch aus. Sie zwang sich, ruhig ein- und auszuatmen. Dabei zählte sie innerlich die Sekunden, die verstrichen.

Dann warf ihr der Mann, den sie für einen völlig Fremden hielt, einen kurzen Blick zu, und urplötzlich wurde sie von einem eisigen Schaudern erfasst und in jene Nacht vor zehn Jahren zurückkatapultiert.

Es war bei einem Dinner nach einem Wohltätigkeitsturnier der australischen Studenten-Fußball-Liga hier in Adelaide gewesen. Das Ganze war von verschiedenen Universitäten des Landes organisiert worden. Nur wenige professionelle Spieler waren zugelassen, und ihre Eltern hatten darauf bestanden, dass die ganze Familie mitkam, um den ältesten Bruder zu unterstützen, der den Bundesstaat Victoria vertrat.

Auf der lauten Veranstaltung schien es von aufreizend gekleideten jungen Frauen nur so zu wimmeln, die sich an athletische junge Männer heranmachten, von denen viele an den steifen Kragen ihrer Anzüge herumnestelten. Mit sechzehn war Lauren zwar nur zwei bis drei Jahre jünger als der Rest von ihnen, doch sie errötete jedes Mal und begann zu stottern, wenn einer der Jungs sie ansprach.

Deshalb flüchtete sie aus dem heißen, überfüllten Saal in eine versteckte Ecke am Ende des langen Balkons. Hinter großen Topfpflanzen verborgen, blickte sie über den Fluss und wünschte sich in ihr Hotelzimmer oder lieber noch zurück nach Melbourne. Alles wäre besser als diese Veranstaltung.

„Warum so allein? Tanzt du nicht gern?“

Der Mann, dem die raue Stimme gehörte, war groß. Und nah. Viel zu nah. Die Lichter der Stadt hinter ihm tauchten sein Gesicht in den Schatten.

Sie wich zurück. Selbstverliebte junge Männer wie ihn, die sich nur für Sport, Training, Ernährung und die Frauen, die von solchen Aktivitäten angezogen wurden, interessierten, kannte sie zur Genüge.

„Ich habe gesehen, dass du auf den Balkon geflüchtet bist.“ Sie registrierte den leichten Geruch nach Bier in seinem Atem. Als er einen Schritt auf sie zumachte, überlagerte sein Aftershave, das nach frischer Meeresbrise duftete, den Alkohol. Nein, er war nicht betrunken, allenfalls ein wenig angeheitert.

„Wir haben gewonnen, du solltest feiern. Du hältst doch zu Süd-Australien, oder?“, hakte er leicht verunsichert nach.

„J…ja.“ Mein Gott, wie schwer war es, dieses kleine Wort auszusprechen? Warum war ihr Mund plötzlich so trocken und ihre Kehle wie zugeschnürt? Und warum log sie? Schließlich war ihr das Spiel völlig egal.

Er beugte sich vor. „Ich habe zwei Tore geschossen. Dafür habe ich mir doch sicher einen kleinen Preis verdient.“

Er war wie all die anderen. Ihre Enttäuschung machte sie schnippischer als gewöhnlich.

„Ich bin sicher, dass du da drinnen nicht enttäuscht wirst.“

„Aber ein schwer erreichbarer Preis ist viel wertvoller, meinst du nicht auch?“

Ehe sie antworten konnte, bedeckte er ihre Lippen auch schon mit seinen.

Und Lauren war nicht in der Lage, sich zu rühren. Sie konnte an nichts anderes denken als an das Gefühl seines Mundes auf ihrem.

Der Drang, den Kuss zu erwidern – ihn dazu zu bringen, den Kuss sogar noch zu vertiefen –, erschütterte sie in ihren Grundfesten. Und es jagte ihr eine Heidenangst ein. Die schnellen Küsse von den Jungs, die nur freundlich sein wollten, waren immer sanft und nett, lösten niemals ein emotionales Erdbeben in ihr aus.

Warum seufzte sie jetzt? Und warum klammerte sie sich an ihn? Wieso versuchte sie, ihm noch näher zu kommen, und erwiderte seinen Kuss? Allerdings nur, bis seine Zungenspitze Einlass verlangte. Da verfiel sie in Panik.

Hastig riss sie sich von ihm los, floh zurück in den Ballsaal und auf einen Stuhl hinter ihren Eltern und anderen Erwachsenen in einer abgelegenen Ecke des Raums. Während sie ein Glas Eiswasser hinunterstürzte, um ihren trockenen Hals zu benetzen, konnte sie sich nur an ein Paar umwerfender mitternachtsblauer Augen erinnern. Das war alles, was sie gesehen hatte, als das Licht kurz auf sein Gesicht gefallen war.

Es waren dieselben mitternachtsblauen Augen, die noch vor einem Moment kurz zu Lauren herübergeschaut hatten.

Warum war sie sich so sicher? Sie wusste es einfach.

Ob er sie erkennen würde? Er hatte an jenem Abend den einen oder anderen Drink gehabt, und es war dunkel gewesen. Endlich hatte Lauren einen Grund, ihrer Mutter dafür dankbar zu sein, dass sie ihr den Tipp gegeben hatte, zum Friseur zu gehen. Seitdem waren ihre von Natur aus lockigen Haare zwei Nuancen dunkler. Ein schicker Stufenschnitt gab der halblangen Mähne Form. Das und ein dezentes Make-up hatten ihr Äußeres dramatisch verändert.

Vor zehn Jahren war sie nicht mehr als ein naiver Teenager gewesen, der beim ersten unschuldigen Kuss in Panik verfiel und flüchtete. Dass er damals schon über viel mehr Erfahrung verfügt hatte, war klar, und seitdem hatte er sicherlich etliche willige Frauen in seinem Bett gehabt. Immerhin war er mit seinen fantastischen Augen, dem markanten Kinn, den dichten Wimpern und dem sinnlichen Mund ein extrem attraktiver Mann.

Wann immer er zu ihr herüberschaute, senkte sie den Kopf, denn sie war noch nicht bereit für einen direkten Blickkontakt. Mit großer Mühe zwang sie sich dazu, gleichmäßig und ruhig zu atmen.

Matt Daltons Aufmerksamkeit sollte einzig auf seinen Gesprächspartner gerichtet sein. Stattdessen ließ er den Blick immer wieder zu der brünetten Frau ihm gegenüber wandern, die ihn höflich ignorierte. Als er sie das erste Mal erblickt hatte, hatte er ein Flattern im Magen bemerkt.

Sofort registrierte er das schöne Profil und die wunderschönen brünetten Locken. Wenn sie den Blick nicht gesenkt hätte, hätte er auch die Farbe ihrer Augen erkannt.

Mist! Er bat seinen Gesprächspartner, die letzten zwei Zahlen zu wiederholen. Während er sie auf einem Block notierte, blendete er die Frau gegenüber konsequent aus. Nachdem er das Telefonat beendet hatte, heftete er alle Blätter zusammen und verstaute sie in einer Schublade.

Jetzt konnte er sich auf seine Besucherin konzentrieren, und zwar eher auf ihre professionellen Fähigkeiten als auf ihre äußere Erscheinung. Die hohe Summe, die er ihrem Chef für ihre Dienste zahlte, wäre nur dann gerechtfertigt, wenn sie herausfand, was, zur Hölle, mit dem Computersystem der Firma los war.

„Miss Lauren Taylor?“ Er zog ein neues Dokument hervor.

Als sie sich ihm direkt zuwandte, begegnete er ihrem misstrauischen Blick.

Sofort bedauerte er den Blickkontakt, denn er spürte Verlangen in sich aufkeimen, das er schnellstens unterdrücken musste. Frauen, egal, wie sie aussahen, standen für die nähere Zukunft nicht zur Debatte. Wahrscheinlich sogar länger nicht. Verrat und Untreue machten einen Mann vorsichtig.

„Ja“, erwiderte sie zögernd und mit einem merkwürdigen Unterton in der Stimme.

Lauren Taylor trug einen schicken grauen Hosenanzug mit einer weißen Bluse und nur wenig Make-up. Angesichts ihres exzellenten Rufs hätte er erwartet, dass sie extrem selbstbewusst auftreten würde, doch er spürte eine gewisse Verunsicherung ihrerseits. Lag es an ihren immer nur kurzfristigen Beschäftigungen oder an der absoluten Geheimhaltungspflicht, die man ihr auferlegt hatte, dass sie scheinbar gern Distanz zu ihren Auftraggebern wahrte?

Nein, das hier ging tiefer. Es war etwas Persönliches. Rasch ermahnte er sich, dass er sich einzig und allein dafür interessieren sollte, ob sie in der Lage sein würde, sein berufliches Problem zu lösen.

„Ich bin Matt Dalton. Ich habe Ihren Chef kontaktiert, weil man mir gesagt hat, dass Sie zu den besten Computerexperten des Landes gehören. So hat sich zumindest mein Freund ausgedrückt, der Sie empfohlen hat. Hat er übertrieben?“

Eine feine Röte überzog ihre Wangen, und dem Ausdruck ihrer haselnussbraunen Augen nach zu urteilen, freute sie sich über das Kompliment. Innerlich stöhnte er, weil er sich schon wieder von ihrer Schönheit ablenken ließ.

„Ich würde nicht … ich scheitere selten.“ Sie zuckte leicht die Schultern, so als würde das ihr Selbstbewusstsein stärken.

Er nickte. „Dann hoffe ich, dass dies nicht einer der seltenen Fälle ist, in denen Sie es tun. Wie viele Informationen hat man Ihnen bereits zugeschickt?“

„In der E-Mail hieß es, dass es einige Unregelmäßigkeiten gibt, die eine bereits durchgeführte Rechnungsprüfung nicht klären konnte.“

„Es gab sogar zwei Prüfungen – eine interne und eine externe. Die auffindbaren Fehler wurden behoben, aber niemand konnte die Störfälle, oder wie immer man es nennen möchte, erklären. Ich brauche schnelle Antworten.“ Bevor der Zustand seines Vaters an die Öffentlichkeit drang und hier alles zusammenbrach.

„Dürfte ich die Berichte sehen?“ Wieder dieses Zögern, das nicht zu der hervorragenden Reputation passte, die sie genoss. Allerdings musste er zugeben, dass sie seinem Blick standhielt.

„In der obersten Schublade des Schreibtischs, den Sie nutzen werden, befindet sich eine Auflistung dessen, was von Ihnen erwartet wird, sowie verschiedene Ordner. Ich nehme an, dass Sie sich Passwörter merken können?“

Sie runzelte die Stirn, was ihm deutlich machte, dass er sich sehr herablassend anhören musste. Ob er zu harsch wirkte? Wahrscheinlich hatte sie keinen allzu guten ersten Eindruck von ihm gewonnen.

„In den vergangenen zwei Jahren gab es unter den Mitarbeitern eine hohe Fluktuation. Manchmal wurden die Neuen gar nicht richtig eingearbeitet. Erst vor Kurzem habe ich herausgefunden, dass Passwörter aufgeschrieben und in offenen Schubladen aufbewahrt wurden.“ Mehr Informationen wollte er ihr erst einmal nicht geben.

„Die meisten Fehler gehen auf nicht korrekt eingegebene Daten zurück“, fuhr Matt fort, „und auf den amateurhaften Versuch, das wieder zurechtzubiegen. Es dürfte nicht so schwer zu finden und zu korrigieren sein, wenn Sie wissen, was Sie tun.“

„Aber das müsste doch Ihr Buchhalter …?“ Kurz hob sie die Hand, ließ sie dann aber wieder in den Schoß sinken. „Warum wurden sie nicht rechtzeitig behoben?“

Verdammt, sie war schlau. Und nervös.

„Der langjährige Buchhalter ist schon vor einer Weile gegangen, danach kamen ständig neue – einer schlechter als der andere.“

Ihre Augen weiteten sich vor Überraschung. Für den Bruchteil einer Sekunde blitzte eine Erinnerung in seinem Gedächtnis auf. Als sie den Mund öffnete, kam Matt ihren Worten rasch zuvor.

„Ich möchte, dass Sie vom Juli 2014 bis zum heutigen Tag alles prüfen. Alles, was Ihr Chef an Equipment verlangt hat, befindet sich in dem angrenzenden Büro. Wie schnell können Sie anfangen?“

Wieder war er zu barsch, aber er musste unbedingt herausfinden, was da vor sich ging. Und zwar je früher, desto besser.

„Wenn ich mir die Räumlichkeiten jetzt ansehe, dann kann ich morgen früh anfangen“, erwiderte sie. „Wir haben nicht allzu viel Zeit, da es wegen Ostern nur eine kurze Arbeitswoche ist.“

„Reichen Ihnen zwei Tage?“

„Das bezweifle ich, wenn ich schon der letzte Strohhalm bin. Am Wochenende habe ich eine Familienveranstaltung in Melbourne, aber danach komme ich zurück.“ Bei ihr klang es so, als wäre es eher eine lästige Verpflichtung als ein fröhliches Wiedersehen.

„Das ist akzeptabel.“ Langsam erhob er sich.

„Es gibt einen Unterschied zwischen menschlichen Fehlern und Vorsatz. Wonach soll ich suchen?“, fragte Lauren Taylor.

Er sank zurück auf den Stuhl. Verdammt, sie war zu schlau.

Lauren hatte schon früher mit kritischen Situationen in Firmen zu tun gehabt, und sie erkannte Verzweiflung, auch wenn sie gut verborgen wurde. Dieser Mann steuerte auf einen Zusammenbruch zu. Seine Muskeln waren angespannt, die Lippen zusammengepresst, und die Augen blickten müde. All das deutete auf extremen Stress hin.

Außerdem irritierte ihn ihre Frage. Das hieß, dass er selbst schon an Betrug gedacht hatte – vermutlich von jemandem, dem er vertraute.

„Ich werde keine Garantien geben, die ich nicht halten kann“, erklärte sie. „Ich kann nur versprechen, mein Bestes zu geben. Es hilft, dass die offensichtlichen Fehler bereits korrigiert wurden.“

Da entspannte er sich ein wenig. Es reichte allerdings nicht ganz zu einem Lächeln.

„Danke.“

Matt Dalton erhob sich zu seiner vollen Größe, ließ den Stuhl ein wenig zurückrollen und deutete auf die Tür zur Linken.

„Da durch.“

Lauren griff nach ihrer Tasche, um ihm zu folgen. Insgeheim wünschte sie sich, zu den Frauen zu gehören, die kein Problem damit hatten, täglich auf Killerabsätzen herumzulaufen. Oder dass sie ein paar Zentimeter größer wäre. Dass sie den Kopf in den Nacken legen musste, um ihm ins Gesicht schauen zu können, verschaffte ihm einen Vorteil. Als er abrupt stehen blieb und sich umdrehte, schnürte sich ihr die Kehle zu, weil sie den Duft seines vertrauten Aftershaves wahrnahm. Es konnte doch sicherlich nicht dasselbe sein, das er schon vor zehn Jahren benutzt hatte, oder? Dennoch erkannte sie es, weil sie es nie vergessen hatte.

„Ich muss mich entschuldigen. Ich hätte Ihnen zumindest einen Kaffee anbieten sollen. Möchten Sie …?“

„Nein, vielen Dank.“ Je eher sie seiner Gegenwart entkam, desto besser. Dann konnte sie endlich frei durchatmen und sich wieder sammeln. „Sie sind offensichtlich sehr beschäftigt.“

Seine offenkundige Erleichterung unterstrich noch einmal, unter welcher Anspannung er stehen musste.

„Und wie! Ich kann nur hoffen, dass Sie bald Antworten finden.“

Er öffnete die Tür und drängte sie in den Raum. Die leichte Berührung seiner Finger auf ihrem Rücken ließ sie erschauern. Es war eine unwillkommene Reaktion und dennoch merkwürdig erregend.

Die Einrichtung des kleineren Raums spiegelte jene in seinem Büro wider. Lauren umrundete den Schreibtisch und sah sich den Computer mit den zwei Bildschirmen an. Matt Dalton folgte ihr und blieb außer Reichweite stehen.

„Wie lautet das Passwort?“, erkundigte sie sich.

Er nannte es ihr. Während sie den Computer hochfuhr, entnahm er einer Schublade einen blauen Ordner und legte ihn auf dem Schreibtisch ab.

„Brauchen Sie sonst noch etwas?“

„Ja, eine Kopie des Berichts und einen Notizblock.“

„Büromaterial finden Sie in dem Aktenschrank“, erklärte er. „Der Kopierer befindet sich in Joannes Zimmer.“

„Die blonde Dame?“

„Ja, im Moment haben wir leider keine Rezeptionistin. Falls Sie irgendwelche Fragen zu Ihren Aufgaben haben, wenden Sie sich an mich. Wenn es um Bürodinge geht, ist Joanne Ihre Ansprechpartnerin oder einer der anderen fünf Angestellten.“

Damit ging er hinaus und gab ihr nicht einmal die Chance, sich zu bedanken. Nur den Duft nach frischer Meeresbrise ließ er zurück. Ob er jeden so behandelte?

Am liebsten hätte Lauren gegen den Schreibtisch getreten. Doch dann rief sie sich in Erinnerung, dass sie schon mit unfreundlicheren Auftraggebern fertig geworden war. Weil sie jedes Mal von Anfang an klarmachte: Wenn man ihr keinen Respekt entgegenbrachte, ging sie.

Aber diesmal war es der persönliche Aspekt gewesen, der sie derart aus der Fassung gebracht hatte, dass sie sogar den Eindruck vermittelte, sie würde an ihren eigenen Fähigkeiten zweifeln. Na, sie würde es Matt Dalton schon zeigen! Morgen würde sie wieder die perfekte und fokussierte Computerexpertin sein.

Rasch holte sie sich einen Schreibblock aus dem Schrank, überflog die ausgedruckten Dateien des Ordners und verbrachte zehn Minuten damit, sich einen ersten Überblick über die Computerdaten zu verschaffen. Die wenigen sachbezogenen Notizen, die sie dabei machte, würden ihr am nächsten Tag Zeit sparen.

Mit dem Prüfungsbericht in der Hand probierte sie die Tür aus, die zum Korridor führte, musste aber feststellen, dass sie verschlossen war. Daraufhin kehrte sie in Matt Daltons Büro zurück. Dafür, dass sie angeheuert worden war, seine Probleme zu lösen, hätte sein Blick wirklich freundlicher sein können.

„Ich kopiere das hier noch schnell, und dann gehe ich. Ab wann ist das Büro morgen früh geöffnet?“ Sie gab sich höflich-distanziert, ganz wie er auch. Die Schmetterlinge in ihrem Bauch konnte und würde sie beherrschen.

„Ich bin ab sieben Uhr hier. Brauchen Sie einen Fahrer?“

„Darum kümmere ich mich selbst.“

„Gut.“ Er wandte sich wieder seinen Papieren zu.

Damit schien sie entlassen zu sein. Lauren drehte sich um. Ehe sie mit den Kopien in Matt Daltons Büro zurückkehrte, rief sie sich ihre oberste Regel ins Gedächtnis: Trenne Berufliches strikt von Privatem!

Den Schwur zu erneuern war leicht. Ihn auch einzuhalten, wenn sie in diese hypnotischen blauen Augen schaute, schon deutlich schwerer. Besonders als Matt Dalton bei der Verabschiedung doch tatsächlich lächelte!

Übertrieben fest drückte Lauren im Aufzug auf den Knopf fürs Erdgeschoss. Sie war wütend auf sich selbst, weil sie das Lächeln erwidert hatte. Der Reiz sollte darin liegen, das Problem im Computersystem zu finden, und nicht darin, davon zu träumen, dass … Nein, sie würde von gar nichts träumen. Ganz besonders nicht von mitternachtsblauen Augen, einem markanten Kinn oder einer sanften Berührung, die ihre Sinne verwirrte.

2. KAPITEL

Matt starrte auf den offenen Türdurchgang. Es erstaunte ihn, dass er derart auf eine Frau reagierte, die so gar nicht dem extrovertierten, selbstsicheren Typus entsprach, den er sonst bevorzugte. Nervös fuhr er sich mit den Fingern durchs Haar. Sie kannten sich doch gar nicht, warum also stand da jedes Mal, wenn er ihrem Blick begegnete, ein kritischer, fast tadelnder Ausdruck in ihren Augen? Es hätte seine Haltung ihr gegenüber nicht beeinflussen sollen, aber er wusste, dass er nicht besonders zuvorkommend gewesen war.

Die Dalton Corporation steckte aber auch in immensen Schwierigkeiten. Seine einzige Chance bestand darin, Lauren Taylor zu vertrauen – zumindest auf beruflicher Ebene. Persönlich hatte er wenig Grund, ihr oder irgendeiner anderen Frau zu vertrauen. Zumal ihr Verhalten darauf hindeutete, dass sie ihn für irgendeinen Übergriff abstrafte, den jemand anders begangen hatte. Ob sie eine ähnliche Enttäuschung erlebt hatte wie er?

Sofort kam ihm das Bild einer dunkelhaarigen Frau in den Sinn. Jegliche Zuneigung, die er für Christine empfunden haben mochte, war in dem Moment verpufft, als er entdeckt hatte, dass sie ihm untreu war. Daraufhin hatte er ihre Beziehung umgehend beendet. Gott sei Dank wusste niemand, dass er sie eigentlich hatte heiraten wollen.

Mittlerweile kam es ihm ungeheuer dumm vor, zu glauben, gemeinsame Freunde und ein ähnlicher Lebensentwurf wären eine ausreichende Basis für eine moderne Ehe. Im Moment konnte er sich nicht vorstellen, diesen lebensverändernden Schritt jemals wieder in Betracht zu ziehen.

Matt stieß einen tiefen Seufzer aus, dann verbannte er beide Frauen aus seinem Kopf. Er musste noch unzählige E-Mails lesen und beantworten. Außerdem hatte er seiner Mutter versprochen, zum Dinner zu kommen. Geistesabwesend streckte er den Arm nach seinem Becher aus. Was er jetzt brauchte, war ein gehöriger Koffeinschub.

Fast zwei Stunden später fuhr Matt vor dem Haus seiner Eltern vor, schaltete den Motor aus und sammelte sich für den Abend, der vor ihm lag. Matt bedauerte es, dass er den Respekt vor seinen Eltern verloren hatte. Und nicht nur das – als er vor neun Jahren nach Hause gekommen war und die Unterhaltung seiner Eltern belauscht hatte, da war auch ein Teil von ihm gestorben.

„Ich nehme an, deine aktuelle Geliebte ist genauso leichtgläubig wie ihre Vorgängerinnen und hofft auf eine Zukunft mit dir. Wie viele noch, Marcus?“, hatte seine Mutter damals gefragt.

„Männer sind nicht für die Monogamie gemacht“, erwiderte sein Vater. „Wenn du die Scheidung willst, musst du dich darauf einstellen, deinen Lebensstandard gehörig runterzufahren.“

Autor

Bella Bucannon
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