Komm zu mir, komm in mein Bett!

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Hilfe kann Annie wirklich dringend gebrauchen! Und als der gut aussehende Cowboy Luke McCall ihr anbietet, sie auf der Ranch zu unterstützen, sagt sie sofort Ja. Denn sie spürt: Sie will diesen Mann - auf dem Feld, im Haus und ... im Bett!


  • Erscheinungstag 19.09.2024
  • ISBN / Artikelnummer 9783751535519
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Ein weiterer sonniger Tag in Brooklyn. Hochsaison für Ganoven. Seufzend starrte Annie Corrigan aus dem schmalen Fenster ihres Büros, das sie sich mit drei weiteren Polizisten teilte. Noch einen Bericht schreiben, und dann würde sie wieder da draußen sein und sich mit ihrem Kollegen über die passende Einstellung der Klimaanlage im Streifenwagen in die Haare kriegen.

Ihr Telefon klingelte. Sie unterdrückte ein Gähnen, während sie den Hörer abnahm. „Sergeant Corrigan.“

„Hi, Baby, ich bin’s.“

Sie schloss die Augen. Ihre Kehle war plötzlich wie zugeschnürt. „Was willst du?“

„Spricht man so mit seinem …“

„Erzähl mir bloß nicht …“ Unwillkürlich wurde ihre Stimme lauter. Dann fuhr sie leiser fort: „… sie haben dich wieder festgenommen.“

„Hör zu, Annie, ich wollte letzte Woche anrufen und dich zum Abendessen einladen, aber ich hatte so viel zu tun. Du weißt doch, wie das ist.“

Es hatte sich nichts geändert. Niemals würde sich etwas ändern. Glaubte er wirklich, dass sie noch länger auf seine Lügen hereinfallen würde? „Du sollst mich doch nicht während der Arbeit anrufen.“

„Ich bin da in so eine Sache reingerutscht, Kleines. Aber diesmal war es wirklich nicht meine Schuld, das schwöre ich dir.“

Resigniert schüttelte Annie den Kopf. Es war nie seine Schuld. „Ich habe jetzt keine Zeit.“

„Aber, Baby, du wirst mich doch nicht übers Wochenende im Knast schmoren lassen.“

„Bis bald, Pop“, sagte sie und legte auf.

Lange starrte sie auf das Telefon. Innerlich kochte sie vor Wut, und das nagende Schuldgefühl ließ sie nur noch wütender werden. Wie oft hatte sie schon eine Kaution für ihn bezahlt? Ihr schwer verdientes Geld für ihn eingesetzt? Ein gutes Wort für ihn eingelegt? War er jemals für sie da gewesen? Er hatte ihr immer nur Lügen erzählt. Über Annies Mutter. Über alles.

„Montag ist Anmeldeschluss, und du hast dich immer noch nicht gerührt.“ Lisa zog einen Stuhl an Annies überquellenden grauen Metallschreibtisch heran und rückte ihr Holster und ihre Waffe zurecht, ehe sie sich Annie gegenübersetzte. „Was ist denn nun damit?“

„Nicht jetzt, okay?“

Besorgt sah Lisa sie mit ihren blauen Augen an. „Was ist los?“

Annie wusste nur zu gut, dass Lisa sich nicht mit einem Kopfschütteln abspeisen lassen würde. Sie war ihre beste Freundin, die Schwester, die sie nie gehabt hatte – und eine unglaubliche Nervensäge. „Es war Larry.“

„Sitzt er wieder?“

„Ja.“

„Vergiss ihn.“

Annie seufzte. „Ja.“

„Und wag es ja nicht, dich schuldig zu fühlen.“

„Ich? Wie kommst du denn darauf? Ich bin doch nicht seine Mutter. Er ist derjenige, der alles vermasselt hat.“ Trotzdem fühlte sie sich schuldig, denn sie hasste ihn ebenso sehr, wie sie ihn liebte. Den Hass empfand sie vor allem, weil sie sich nach einer Familie sehnte und nach Fürsorge, die sie niemals erlebt hatte. „Reden wir über etwas anderes.“

Lisa zögerte. Es war offensichtlich, dass sie gern weiter darüber gesprochen hätte. Doch dann hellte sich ihr Gesicht auf. „Zum Beispiel über die Polizeiprüfung?“

Gereizt blickte Annie ihre Freundin an. Noch so ein heikles Thema. „Ich habe mich noch nicht entschieden.“

„Warum nicht? Du würdest sie doch mit links schaffen.“

„Ich möchte nicht auf die coole Uniform verzichten.“

Lisa lachte. „Ja, die Kerle halten uns für scharf.“

Annie lächelte säuerlich. Entweder standen die Männer auf Uniformen, oder sie nahmen vor ihnen Reißaus. Dazwischen gab es nicht viel. Deshalb ging Annie meistens freitagabends mit Lisa ins Kino und spielte samstags mit ihren Freunden im Stadtpark Softball.

„Mir gefällt es hier.“ Bequem. Vertraut. Sicher. Alles, was Annie im Leben wollte. „Was soll das überhaupt bringen?“

„Warte, lass mich mal überlegen … Was klingt besser: Sergeant Corrigan oder Detective Corrigan? Ganz zu schweigen von einer beträchtlichen Gehaltserhöhung.“

„Warum machst du eigentlich nicht die Prüfung?“, konterte Annie.

„Und blamiere wieder meinen Vater? Nein, danke. Ich habe ja kaum den Sergeant geschafft. Selbst da bin ich beim ersten Mal durchgefallen.“

Das alte Argument. Dagegen kam sie nicht an. Annie hatte nie verstanden, warum Lisa so wenig Selbstvertrauen hatte. Ihr Vater war zwar ein hochdekorierter Police Captain, aber er und Mrs. O’Brien hatten sie immer unterstützt und viel Verständnis gezeigt – Eltern, von denen jedes Kind träumt. Annie hatte es mit eigenen Augen gesehen, denn die Hälfte ihrer Teenagerzeit hatte sie bei ihnen gelebt.

Natürlich war Annies Großtante Marjorie immer für sie da gewesen. Bei ihr hatte sie sich anlehnen können, sie hatte ihr immer zugehört, nie Vorwürfe gemacht. Meistens hatten sie nur telefoniert. Leider. Sie lebte auf einer kleinen Farm in Texas, wo Annie als Kind manchen Sommer verbracht hatte.

„Ehrlich, Annie, du wärst verrückt, wenn du es nicht versuchst. Selbst Sanders und Jankowski machen die Prüfung.“ Lisa gab sich keine Mühe, die Stimme zu senken, als sie hinzufügte: „Dabei können diese Schwachköpfe kaum ihren Namen buchstabieren. Du hast doch ihre Beurteilungen gesehen. Denen können sogar Erstklässler aus der Highschool das Wasser reichen.“

„Lisa!“ Verstohlen schaute Annie sich um. Hoffentlich hatte niemand im Raum das mitbekommen. Obwohl alle genauso über die beiden dachten. „Du bist doch auch gern auf Streife. Wieso willst du dann nicht verstehen, dass mir das auch Spaß macht?“

„Weil ich es besser weiß.“

Vielsagend sah Annie auf ihre Uhr. „Deine Schicht hat vor drei Minuten angefangen.“

Lisa raffte ihr dunkelblondes Haar zu einem Pferdeschwanz zusammen und band es fest, während sie aufstand. „Wer kümmert sich ums Essen?“

„Warum fragst du das immer, wenn du an der Reihe bist?“

Lisa grinste. „Für den Fall, dass du es mal vergisst.“

„Wir sind hier nicht im Wellness-Hotel.“

Rick Thomas, Lisas Partner, winkte ihr ungeduldig zu. Lisa reagierte mit einer nicht sehr höflichen Geste. Dann wandte sie sich noch einmal an Annie. „Ich bringe uns heute Abend etwas aus dem Schnellimbiss mit.“

„Aber bitte nicht wieder Cheeseburger.“

„In Ordnung.“

Annie blickte Lisa hinterher. Sie sah in ihrer blauen Uniform wirklich toll aus. Lisa gehörte zu jenen Frauen, die alles essen konnten, ohne jemals ein Gramm zuzunehmen. Es war nicht leicht, mit ihr das Zimmer zu teilen, da sie ständig ungesunde Fertiggerichte mit nach Hause brachte, denen man nur schwer widerstehen konnte.

Annie stand auf und bahnte sich einen Weg zwischen den Schreibtischen hindurch, um sich noch einen Kaffee zu holen. Sie unterdrückte ein Gähnen, als sie an Captain Hansens Büro vorbeikam. Nachdem sie seit mehr als fünf Jahren nachts gearbeitet hatte, fiel es ihr schwer, sich an die Tagschicht zu gewöhnen. Aber sie hatte den Dienst wegen der Abendschule tauschen müssen, die sie unbedingt besuchen wollte. Leider gehörte der Unterricht zu den Höhepunkten ihrer Freizeit.

Ärgerlich stellte sie fest, dass jemand die Kanne geleert hatte, ohne neuen Kaffee aufzusetzen. Sie schüttete Pulver in den Filter und füllte die Karaffe mit Wasser. Während sie wartete, bis der Kaffee fertig war, betrachtete sie den Kalender an der Wand.

Das Datum vom Montag war eingekreist – letzter Termin für die Prüfung zum Detective. Als ob sie diese Erinnerung nötig gehabt hätte. Außer Lisa, die ihr damit ständig in den Ohren lag, redete Mr. O’Brien ebenfalls dauernd davon, und ihr vorgesetzter Captain hatte ihr eingeschärft, nur ja nicht so dumm zu sein, sich diese Karrierechance entgehen zu lassen.

Nun gut, den ersten Prüfungstermin hatte sie verpasst. Nicht absichtlich. Damals hatte sie kurz vor der Abschlussprüfung des Colleges gestanden und sich auf die letzten Klausuren vorbereiten müssen. Außerdem – warum sorgten sich alle so sehr um ihre Karriere? Es ging sie doch gar nichts an. Wenn sie bleiben wollte, wo sie war, dann war das allein ihre Entscheidung.

„Corrigan!“

Sie steckte den Kopf aus der Kaffeeküche. Lieutenant Potter stand vor ihrem Schreibtisch, den Telefonhörer in der Hand.

„Anruf für dich“, sagte er und legte den Hörer auf die Tischplatte.

Ärgerlich nahm sie ihren leeren Becher und eilte ans Telefon. Hoffentlich war es nicht noch ein Privatgespräch, vor allem nicht ihr Vater, obwohl jeder im Revier inzwischen wusste, dass er ein Nichtsnutz war. Über Steve Witherspoon wussten sie auch Bescheid – und wie dieser Winkeladvokat sie über den Tisch gezogen hatte. Diese Demütigung machte ihr mehr zu schaffen als alles andere.

Verdammt, ihre Kollegen schienen tatsächlich alles voneinander zu wissen. Das Revier war die reinste Klatschbörse. Deshalb hielt sie sich von den anderen meistens fern oder unternahm etwas allein mit Lisa.

Sie griff zum Hörer und bellte ihren Namen in die Sprechmuschel.

„Annie?“ Die Stimme klang unsicher, war aber unverkennbar.

„Tante Marjorie?“

„Grundgütiger, Mädchen! Meldest du dich immer so?“

Annie sank auf ihren Stuhl. Plötzlich hatte sie einen Eisklumpen im Magen. In Texas war es kurz nach sechs Uhr morgens. „Ist alles in Ordnung?“

„Natürlich.“ Ihre Tante zögerte. „Abgesehen von einer Kleinigkeit … sag, Liebes, hast du noch Urlaubstage übrig?“

„Was ist denn los, Tante Marjorie?“

„Du weißt, ich würde dich nicht fragen, wenn es nicht wichtig wäre.“

„Erzähl’s mir.“

Tante Marjorie schwieg. Nur ihr schwaches Atmen war zu hören. „Mein Arzt besteht auf ein paar unsinnigen Tests. Die kann er natürlich nicht in seiner Praxis machen. Deshalb muss ich nach Houston.“

Sofort nahm Annie einen Kugelschreiber und drehte ein Blatt Papier auf die unbeschriebene Seite. „Was für Tests?“

„Für Herz und Lunge. Dabei funktionieren beide ausgezeichnet. Sonst würde ich wohl kaum mit dir reden, oder?“

Annie lächelte. Tante Marjorie war immer resolut gewesen. Knapp fünfundachtzig Jahre alt und seit einundfünfzig Jahren Witwe, war sie so dickköpfig, wie eine Frau nur sein konnte, die so lange allein gelebt hatte. Annie liebte sie abgöttisch. „Der Arzt muss doch einen Grund haben, Tante Marjorie. Soll ich mal mit ihm reden?“

„Ich bräuchte dich eher, um auf meine Farm aufzupassen, Liebes. Nur für eine Woche, bis ich hier wieder rauskomme. Am meisten mache ich mir Sorgen um die Küken.“

„Aus dem Krankenhaus? Du bist schon dort?“

„Ich bin gerade hier angekommen“, antwortete Tante Marjorie kleinlaut. „Aber zieh jetzt keine voreiligen Schlüsse. Mir geht es gut. Nur um die Farm mache ich mir Sorgen. Ich möchte nicht, dass die Tiere verhungern.“

„Du hast doch gar nicht mehr so viele, oder?“

„Ein paar Milchkühe. Etwa zwei Dutzend Legehennen.“

„Was ist mit Chester?“, erkundigte Annie sich. Im Stillen hatte sie bereits beschlossen, direkt ins Krankenhaus und nicht auf die Farm zu fahren. Chester war Mädchen für alles und ein guter Freund von Marjorie, so lange Annie zurückdenken konnte. Er kümmerte sich bestimmt um die wenigen Tiere, die noch da waren.

„Liebes, seine Arthritis ist ganz schlimm geworden, und außerdem ist er nicht mehr der Jüngste.“

Annie seufzte. Soweit sie sich erinnerte, war der Mann acht oder zehn Jahre jünger als Tante Marjorie. „Gut, ich komme ins Krankenhaus, und dann werde ich …“

„Annie, ich brauche dich auf der Farm. Nicht hier. Verflixt.“ Das Piepen medizinischer Apparate im Hintergrund ließ Annies Herz schneller schlagen. „Ich muss jetzt aufhören.“

„Warte. In welchem Krankenhaus bist du denn …?“

Es klickte, und dann ertönte das Freizeichen. Hektisch suchte Annie nach einem Telefonbuch. Als Erstes würde sie einen Flug buchen und dem Captain sagen, dass sie ein paar Urlaubstage brauchte. Chester wusste bestimmt, in welchem Krankenhaus Tante Marjorie lag.

Annies Blick fiel auf das Blatt Papier in ihrer Hand. Ein Anmeldeformular für die Prüfung zum Detective. Potter hatte es vermutlich mitgebracht, als er an ihr Telefon gegangen war. Langsam ließ sie die Luft aus ihren Lungen entweichen, während sie das Blatt zerknüllte und in den Papierkorb warf. Tante Marjorie war wichtiger.

Luke McCall hatte ein besonderes Talent dafür, aus dem Nichts aufzutauchen und ebenso schnell wieder zu verschwinden. Er parkte seinen Pick-up auf einem freien Platz vor dem Quick Trip, stellte den Motor ab und blickte sich um, während er seine schmerzende Schulter bewegte. Es tat höllisch weh. Ächzend kletterte er aus dem Wagen.

Um elf Uhr nachts war in dem Lebensmittelladen nichts mehr los – genau, wie er es erhofft hatte. Statt nach Hasting’s Corner zu fahren, hatte er kehrtgemacht und war vierzig Meilen aus der Stadt herausgefahren, nachdem er gesehen hatte, dass auf der Ranch seines Großvaters Licht brannte. Seabrooks Auftragskiller warteten also schon auf ihn.

Er schnaubte verächtlich, als er an die Ironie des Schicksals dachte, das ihn in diese Zwangslage gebracht hatte. Hätte er geahnt, dass Joanne die Frau des alten Seabrook war, dann hätte er die Finger von ihr gelassen. Verdammt, sie war jung genug, um dessen Tochter zu sein. Ein dummer Fehler. Ein schwerwiegender obendrein, denn jetzt hatte Luke auch noch die Polizei auf dem Hals. Seabrook hatte genügend Geld, um Luke eine Menge Schwierigkeiten zu machen.

Die Glocke über der Tür klingelte, als er eintrat. Ohne von dem Papier aufzuschauen, auf das sie gerade etwas notierte, sagte die Frau hinter der Theke: „Wir haben geschlossen.“

Luke nahm den Stetson ab und strich sein Haar zurück, als die Frau aufsah. „Tut mir leid, Ma’am. Da habe ich wohl das Schild übersehen.“

Sie blinzelte, schob den Bleistift hinters Ohr und musterte ihn von oben bis unten. Ihre rubinroten Lippen verzogen sich zu einem Lächeln. „Na schön, Cowboy, schließen Sie die Tür hinter sich ab, und holen Sie sich, was Sie brauchen.“

Luke nickte ihr zu, ehe er seinen Hut wieder aufsetzte. „Vielen Dank, Ma’am.“ Sein Lächeln verschwand, sobald er sich umdrehte, um die Tür abzuschließen. Allmählich irritierte es ihn, von den Frauen angestarrt zu werden wie ein Unterwäschemodel.

„Dauert nicht lange“, sagte er, während er durch den Gang zur Kühltheke lief. Dabei spürte er die Blicke der Frau förmlich auf seinem Rücken.

„Lassen Sie sich Zeit!“, rief sie ihm nach. „Ich packe nur noch meinen Papierkram zusammen. Ist mal ’ne schöne Abwechslung, sich von einem großen, starken Mann zum Auto begleiten zu lassen.“

Luke atmete tief aus. Mehr als das würde er auch auf keinen Fall tun. Er nahm ein Sixpack aus dem Kühlschrank, überlegte kurz und tauschte es gegen einen Zwölfer-Pack Bier aus. Wenn er Glück hatte, konnte er sich eine Woche lang in der verlassenen alten Ranch verstecken, bis der Sheriff herausfand, dass er sie vor sechs Monaten geerbt hatte. Vorsichtig, um seine verletzte Schulter zu schonen, trug er das Bier, drei Pakete Wurst und zwei Brote zur Kasse.

„Gehen Sie auf eine Party?“, fragte die Frau mit einem Blick auf seine Einkäufe.

„Nein, Ma’am.“ Er holte seine Brieftasche hervor und wartete, dass sie seine Lebensmittel zusammenzählte.

„Wenn Sie mich noch einmal Ma’am nennen, Cowboy, werde ich Sie versohlen.“

Er zog einen Mundwinkel hoch, als er ihr schelmisches Grinsen sah. „So viel älter als Sie bin ich doch gar nicht.“ Sie steckte die Wurst und das Brot in eine Tüte. „Aber keine Bange – ich habe einen Mann und zwei fast erwachsene Söhne. Trotzdem wird man ja wohl noch einen Blick riskieren dürfen.“

„Nehmen Sie sich lieber in Acht, Ma’… Darling“, sagte er. „Es ist spät, niemand mehr im Laden. Und ich bin ein Fremder.“

Sie nahm ihm das Geld aus der Hand. „Ich dachte erst, Sie seien aus der Gegend, aber ich habe mich wohl geirrt. Außerdem sehen Sie mir nicht so aus, als hätte ich von Ihnen etwas zu befürchten.“ Sie zwinkerte ihm zu, als sie ihm das Wechselgeld gab. „Ich sehe es in Ihren Augen. Anständige Männer haben so einen gewissen Blick.“

Luke schnaubte verächtlich. Sie hatte ja keine Ahnung, wie sehr sie sich irrte. Da konnte sie jeden in Hasting’s Corner fragen. „Soll ich Sie jetzt hinausbegleiten?“, fragte er, während er seine Einkäufe einsammelte.

Sie lächelte. „Gehen Sie nur, schöner Fremder. Ich brauche noch ein paar Minuten, um diese Zahlen hier auf die Reihe zu kriegen.“

Luke zögerte, doch sie kam um die Theke herum und scheuchte ihn hinaus. Als sie ihn überholte, um ihm die Tür aufzuschließen, fiel ihr Blick auf seine Gürtelschnalle, die er vor drei Jahren gewonnen hatte. „Hey, sind Sie etwa Rodeoreiter?“

Er nickte und hatte es auf einmal sehr eilig, fortzukommen, bevor sie weitere Fragen stellen konnte. Doch es war zu spät. Er hätte ihr erzählen sollen, dass sie seinem Bruder gehörte.

„Müsste ich Sie vielleicht kennen?“

„Nee.“

„Na ja, immerhin haben Sie diese Schnalle gewonnen. Das ist doch schon was. Wie heißen Sie denn?“

„Tom Black.“

„Hm, wir sind begeisterte Rodeofans. Aber Ihr Name sagt mir gar nichts. Tut mir leid.“

„Kein Problem. Ich habe gerade mit Rodeo angefangen.“

Ihr ungläubiger Blick traf ihn wie ein eiskalter Guss. Er wusste, dass er viel zu alt war, um noch zu reiten, geschweige denn ein Anfänger zu sein.

„Fahren Sie vorsichtig, ja?“, sagte sie, während sie die Tür öffnete und hinter ihm abschloss. Da er voll bepackt war, nickte er ihr zum Abschied nur zu, als sie ihm nachwinkte, und verstaute seine Einkäufe in dem ramponierten weißen Pick-up.

Während er in den Sitz sank, rückte er seinen Hut zurecht. Unvermittelt tauchte das Bild seines Großvaters vor seinem inneren Auge auf. Manchmal vermisste Luke ihn doch. Der Kerl konnte zwar hart und unnachgiebig sein, aber er war der einzige Vater, den er jemals gehabt hatte. Sein leiblicher Vater war getürmt, ehe Luke Laufen gelernt hatte. Er wollte keine Kinder, keine Verantwortung, hatte er allen erzählt. Und dann war er abgehauen.

Jetzt, da Luke älter war, verstand er ihn. Er mochte auch keine Fesseln, aber er würde bestimmt nicht seine Frau und ein Baby zurücklassen. Niemals. Aber er hatte sich nun mal für Rodeo entschieden, und er machte keine Kompromisse. Außerdem gab es nichts, was er hätte bedauern müssen.

Nach und nach gingen die Lichter im Supermarkt aus. Als die Tür geöffnet wurde, richtete Luke sich auf. Er wartete, bis die Ladenbesitzerin ihren blauen Kombi erreicht und die Tür geöffnet hatte, ehe er den Motor seines Pick-ups startete.

Erst als sie im Wagen saß und die Scheinwerfer eingeschaltet hatte, legte er den Gang ein. Sie hupte und winkte ihm zu, während sie rückwärts aus der Parklücke rollte. Er steuerte den Highway an und fuhr Richtung Hasting’s Corner, ohne zu wissen, was er dort tun sollte – außer schlafen. Wenn er sich erst einmal ausgeruht hatte, käme er vielleicht auf eine Idee, wie er am besten Kontakt mit Joanne aufnehmen konnte.

Und wenn er lange genug in Deckung blieb, würde Seabrook sich vielleicht beruhigen und einsehen, dass Luke das Preisgeld von einer Million Dollar nicht gestohlen hatte. Er bewegte die schmerzende Schulter und zuckte zusammen, als er einen Stich im Nacken spürte. Selbst wenn er einen Monat brauchte, bis er aus diesem Schlamassel heraus war, würde es noch dauern, bis er wieder auf einem Bullen sitzen konnte. Das würde frühestens in Houston der Fall sein – selbst wenn es das letzte Mal wäre. Es ging schließlich um Geld. Zum Teufel mit den Prognosen der Ärzte.

Als er die vertraute Straßengabelung erreichte, bog er rechts nach Hasting’s Corner ein. Die schmale, mit Schlaglöchern übersäte Straße zog sich meilenweit durch das Flachland. Ohne Straßenlaternen und Mondlicht war es zu dunkel, um irgendetwas zu erkennen, aber er erinnerte sich an den Weg, obwohl er erst zweimal hier gewesen war, seitdem er als Sechzehnjähriger sein Zuhause verlassen hatte.

Je weiter er fuhr, desto hügeliger und interessanter wurde die Landschaft. Hier wohnte dieser Bastard Seabrook. In einer großen weißen Prachtvilla auf einer Seite des Hügels, die zum See lag. Der selbst ernannte Rodeokönig regierte die Gegend, mächtig, rücksichtslos und hinterlistig. Pech für Luke, dass dieser Mistkerl ausgerechnet in diesem Teil von Texas leben musste.

In der Ferne blinkte ein Licht auf. Luke sah es in dem Moment, als er den Scheitelpunkt der lang gezogenen Kurve erreichte. Es war ein Wagen. Noch weit entfernt zwar, aber die Warnblinkanlage war unverkennbar.

„Verdammt!“

Er verlangsamte das Tempo und überlegte, ob er anhalten sollte. Zehn Meilen außerhalb dieser Stadt konnte es durchaus jemand sein, den er kannte.

Wer immer es sein mochte – er oder sie musste doch ein Handy haben. Jeder hatte heutzutage eins. Und wenn nicht – zehn Meilen waren auch nicht die Welt. Man konnte sie zu Fuß bewältigen. Als er näher kam, erkannte er einen kleinen roten Ford, dessen rechter Hinterreifen im Straßengraben steckte. Aber weit und breit kein Mensch zu sehen. Gut. Problem gelöst.

Gerade als er an dem Wagen vorbeifuhr, bemerkte er sie – eine Frau, schlank, mit langen dunklen wehenden Haaren. Sie stand im Licht der Scheinwerfer.

Mist. Er konnte sie unmöglich hier draußen sich selbst überlassen.

Andererseits …

Er wendete den Pick-up.

2. KAPITEL

„Verflixt!“

Annie schlug nach dem vierten Moskito, der sie in den vergangenen zwei Minuten attackiert hatte, und sah dem vorbeifahrenden Pick-up hinterher. Zu dumm, dass sie ihre Waffe nicht dabeihatte, um auf die Reifen zu schießen! Gerade als sie ihre Tasche holen und sich auf den Weg machen wollte, wendete der Pick-up.

Sie stieß einen erleichterten Seufzer aus. Der Fahrer konnte natürlich auch ein Mörder sein. Ein entsetzlicher Gedanke. Aber nein, das hier war das Hinterland von Texas und nicht Brooklyn. Nicht dass sie leichtsinnig war. Aber zehn Meilen durch die Dunkelheit zu laufen war auch keine besonders kluge Entscheidung.

Jetzt hielt der weiße Pick-up neben ihr. Sie sah den Fahrer erst, als er sich hinüberbeugte und die Beifahrertür öffnete. Obwohl das Innenlicht nur schwach war, konnte sie seine lebhaften blauen Augen sehen.

„Sieht ganz so aus, als hätten Sie ein Problem, Darling“, sagte er gedehnt. Sein verführerisches Lächeln jagte ihr unwillkürlich einen Schauer über den Rücken.

„Könnten Sie meinen Wagen vielleicht aus dem Graben ziehen?“

„Nein. Zu dunkel. Außerdem habe ich kein Seil. Aber ich kann Sie in die Stadt bringen. Da gibt es zwei Tankstellen.“

„Haben die denn jetzt noch geöffnet?“

„Nein. Steigen Sie ein.“

„Warten Sie. Ich hole nur meine Tasche.“ Noch ehe sie die Wagentür öffnen konnte, war er ausgestiegen und stand neben ihr. Seine rechte Schulter berührte ihre Brust, als er an ihr vorbeigriff und die Tasche vom Rücksitz nahm. Sie trat einen Schritt zurück. Um das Gleichgewicht nicht zu verlieren, hielt sie sich unwillkürlich an seinem Oberarm fest. Durch den Stoff seines blauen Westernhemds spürte sie seine straffen Muskeln. Hastig zog sie die Hand fort und räusperte sich verlegen.

„Für eine Frau haben Sie aber wenig Gepäck“, meinte er, während er die schwarze Nylontasche herauszog. „Richtig angenehm.“

„Richtig chauvinistisch.“

„Ich spreche nur aus Erfahrung.“ Wieder schenkte er ihr ein verführerisches Lächeln.

Ihre linke Wade juckte, als sei etwas in ihr Hosenbein gekrochen. Vermutlich war es gar nichts, aber sie bückte sich und kratzte sich durch den Jeansstoff. „Ich heiße übrigens Annie Corrigan.“

Er zögerte. „Luke. Wo wollen Sie denn hin?“

„Nach Hasting’s Corner. Genauer gesagt, zur Farm meiner Tante auf der anderen Seite der Stadt.“

„Wie heißt sie?“

„Marjorie Wilson.“

„Ach, die Witwe.“

„Sie kennen sie?“

Entweder hatte er sie nicht gehört, oder er ignorierte ihre Frage. Er öffnete die Beifahrertür des Pick-ups, wartete, bis sie eingestiegen war, schloss die Tür, verstaute die Tasche im Kofferraum und setzte sich ans Steuer.

„Sie ist im Krankenhaus.“

Autor

Debbi Rawlins
Endlich daheim – so fühlt Debbi Rawlins sich, seit sie mit ihrem Mann in Las Vegas, Nevada, lebt. Nach viel zu vielen Umzügen beabsichtigt sie nicht, noch ein einziges Mal den Wohnort zu wechseln. Debbie Rawlins stammt ursprünglich aus Hawaii, heiratete in Maui und lebte danach u.a. in Cincinnati, Chicago,...
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