Küss mich in der Toskana!

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Der berühmte Fernsehstar Leo Zacharelli ist der Traum aller Frauen – nur für Amy ist er einfach bloß ihr bester Freund seit Kindertagen. Bis ihre Hochzeit mit einem anderen Mann scheitert und sie mit Leo in die Toskana reist. Plötzlich knistert es heftig zwischen ihnen …


  • Erscheinungstag 12.12.2024
  • ISBN / Artikelnummer 9783751532594
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

„Bereit?“

Mit Fingerspitzen leicht wie Schmetterlingsflügel strich er ihr die Strähne aus der Stirn. Seine Stimme war ihr so vertraut wie die eigene, aber seine Frage schickte ihren Magen in den freien Fall.

Ein einziges Wort nur, aber es warf eine Million unbeantworteter Fragen auf. Dessen war Leo sich aber bestimmt nicht bewusst. Fragen, die sie sich in den letzten Monaten hätte stellen müssen. Aber irgendwie war sie nie dazu gekommen.

War sie bereit?

Für die Hochzeit, ja. Jedes Detail war perfekt geplant, nichts dem Zufall überlassen, dafür hatte ihre patente Mutter schon gesorgt. Aber für die Ehe, für den Rest ihres Lebens mit Nick?

Die Orgel erklang, mischte sich mit dem Vogelgezwitscher und den leisen Stimmen der versammelten Gäste.

Die Ouvertüre zu ihrer Hochzeit. Nein, zu ihrer Ehe.

Kleiner Unterschied, riesige Bedeutung.

Von der Tür her warf Amy einen Blick in das Kirchenschiff, sah die lächelnden Gesichter in den Reihen, all die Augenpaare, die erwartungsvoll zu ihr hinsahen. Sie alle wollten Zeugen werden, wie sie Nick heiratete.

Heute.

Jetzt gleich.

Ihr Herz stockte. Die maßgeschneiderte Korsage schien plötzlich viel zu eng, raubte ihr die Luft.

Ich kann das nicht …

Keine Wahl. Zu spät, um noch kalte Füße zu kriegen. Wenn sie ihre Meinung hätte ändern wollen, hätte sie das vor Monaten tun müssen, bevor sich diese riesige Maschinerie in Gang gesetzt hatte. Die Kirche war voll besetzt, das Essen vorbereitet, der Champagner kalt gestellt. Und Nick stand vorn am Altar und wartete auf sie.

Wunderbarer, lieber, anständiger Nick, der in den letzten drei Jahren immer für sie da gewesen war. Ihr Freund, Begleiter und Beistand. Ihr Lover. Und ja, sie liebte ihn, wirklich …

Genug, um ihn zu heiraten? Bis dass der Tod sie schied? Oder einfach nur, weil es der einfachste Weg war?

Du kannst es noch immer aufhalten. Noch ist es nicht zu spät.

Doch, es war viel zu spät. Sie würde Nick heiraten. Heute.

Eine seltsame Ruhe überkam sie, so als wäre der Autopilot in ihr angesprungen, um den freien Fall zu stoppen.

Diese kleine Stimme in ihrem Kopf aber interessierte das nicht im Geringsten.

Reicht es dir wirklich, zu wissen, dass er ein guter Ehemann und Vater sein wird?

Natürlich reichte es. Das war nur das berüchtigte Lampenfieber der Braut in der letzten Minute. Nick war … völlig in Ordnung.

In Ordnung? Du meinst: solide, verlässlich, sicher? Aber kein Feuerwerk? Keine Chemie? Was ist aus den Funken geworden?

Sie weigerte sich, noch länger auf die Stimme zu hören. Es gab wichtigere Dinge als Funken. Vertrauen. Treue. Respekt. Chemie wurde eindeutig überbewertet.

Woher willst du das wissen? Das hast du doch nie erfahren. Und wenn du jetzt Nick heiratest, wirst du es auch nie erfahren.

Sie verschloss sich der Stimme, sperrte sie zurück in die sichere Kiste, lockerte den verkrampften Griff um den Brautstrauß und straffte die Schultern. Dann lächelte sie Leo mit ihrem strahlendsten Lächeln an.

„Ja“, antwortete sie fest, „ich bin bereit.“

Dieses Lächeln raubte Leo den Atem.

Wann war sie erwachsen geworden? Wann hatte sich das leicht pummelige, ungeschickte Mädchen, das sich ständig an seine Fersen geheftet hatte, in diese faszinierend schöne Frau verwandelt? Da drehte er sich nur für fünf Minuten um, und schon …

Es waren fünf Jahre. Eine Menge Wasser war seitdem unter der Brücke hindurchgeflossen, das galt für sie beide. In seinem Falle viel zu viel, noch dazu trübe und verschmutzt von Reue und Bedauern.

Er legte die Hand an ihre blasse Wange und spürte ihr Beben. Natürlich, sie war nervös. Verständlich an ihrem Hochzeitstag. Ein verdammt ernstes Versprechen. Er wusste, wie ernst.

„Du bist wunderschön, Amy.“ Er sah in die grauen Augen der Frau, die er als Mädchen so gut gekannt hatte, aber von der er jetzt überhaupt nichts mehr wusste. „Nick kann sich wirklich glücklich schätzen.“

„Danke.“

Sie sah ihn an, und er bemerkte das unsichere Flackern in ihren Augen, das Lächeln, das plötzlich ein wenig wankte. Kurz nur, aber Leo runzelte die Stirn. Zweifel? Na endlich. An dem Mann, den sie heiraten wollte, war nichts verkehrt. Leo mochte ihn, aber … die beiden zusammen? Da sprühten keine Funken, da gab es nichts Elektrisierendes. Aber möglicherweise wollte sie das ja auch gar nicht, vielleicht suchte sie ja nur nach Stabilität …

Vielleicht aber auch nicht.

Er nahm ihre Hand. Ihre Finger waren eiskalt und zitterten. Das verstärkte seine Sorge, und er drückte leicht ihre Finger.

„Amy, versteh das nicht falsch, aber es ist die Frage, die dir auch dein Vater gestellt hätte … Bist du dir absolut sicher? Denn wenn nicht, kannst du dich noch immer umdrehen. Es ist dein Leben. Nur du hast darüber zu bestimmen, niemand sonst.“ Er sprach leise und eindringlich, weil es wichtig war, dass sie verstand. „Tu es nicht, wenn du ihn nicht tief und wahrhaftig liebst. Ich spreche aus eigener Erfahrung … es ist die Garantie für ein Desaster, wenn man den falschen Menschen aus den falschen Gründen heiratet.“

Ein Schatten huschte über ihre Augen, doch dann, nach einem unmerklichen Zögern, erwiderte sie den Druck seiner Finger. „Natürlich bin ich mir sicher. Absolut.“

Sie wirkte nicht überzeugt. Aber es war nicht seine Entscheidung, sondern allein ihre. Und dieser Schatten in ihrem Blick … er konnte genauso gut der Trauer geschuldet sein, weil ihr Vater nicht mehr hier war, um sie dem Bräutigam am Altar zu übergeben.

Es geht dich nichts an, wen sie liebt. Als ob du der Experte wärst. Und sie hätte es auch viel schlechter treffen können.

Leo holte tief Luft und bot ihr den Arm. Sie starrte darauf, hob dann das Kinn und hakte sich bei ihm ein, während sie einen Blick zurück über die Schulter zu ihren Brautjungfern warf.

„Es geht los.“ Ihr Lächeln wirkte hölzern, aufgesetzt, aber das würde sicherlich niemandem auffallen.

Es geht dich nichts an, sagte er sich noch einmal. Trotzdem zog sich sein Magen zusammen. Er konnte doch die Zweifel in ihren grauen Augen sehen …

Schon ewig kannte er sie, hatte sie vor Hunderten von Kratzern bewahrt, sowohl im wörtlichen als auch übertragenen Sinne. Sie war immer sein bester Freund gewesen. Zumindest bis sein Leben so verrückt geworden war und ihrer Freundschaft ein Ende gesetzt hatte. Er konnte unmöglich zulassen, dass sie den Fehler ihres Lebens beging …

Tu es nicht, Amy, bitte, überlege es dir noch einmal.

„Noch ist es nicht zu spät.“ Er beugte den Kopf zu ihr und sagte es so leise, dass nur sie es hören konnte.

„Doch, ist es“, murmelte sie, dann riss sie sich zusammen und setzte lächelnd den ersten Schritt in das Mittelschiff.

Verdammt.

Leo schluckte und führte sie gemessenen Schrittes auf den Altar zu.

Mit jedem Meter wurden ihre Beine bleierner, das ungute Gefühl immer drückender. Kälte drang ihr bis ins Mark.

Was tust du hier?

Am Altar stand Nick und blickte ihr entgegen. Zweifelnd?

Noch ist es nicht zu spät.

Leo löste seinen Arm von ihrem, trat einen Schritt zurück, und sie fühlte sich … verlassen.

Das hier war ihr Hochzeitstag. Es sollte der glücklichste Tag ihres Lebens sein.

War es aber nicht.

Prüfend sah sie Nick an. Nein, auch für ihn war es kein glücklicher Tag. Kurz drückte er ihre Hand. Aber es fühlte sich alles so falsch an, so absolut verkehrt.

Was tust du hier nur? Warum? Für wen?

Die letzten Töne der Orgelmusik verklangen. Der junge Pastor begann mit der Hochzeitszeremonie, aber Amy hörte die Worte nicht. Sie wurden übertönt von dem dröhnenden Hämmern ihres Herzens und dem Rauschen in ihren Ohren.

Bis er sagte: „Wer übergibt die Hand dieser Frau diesem Mann auf ewig in den heiligen Bund?“, und Leo vortrat, um ihre Hand in Nicks zu legen.

Der liebe, anständige, solide Nick, der sie zur Frau nehmen, Kinder mit ihr haben, mit ihr alt werden wollte …

Doch Nick zögerte. Er zögerte auch, als der Pastor ihn fragte, ob er Amy zu seiner Frau nehmen wolle, bevor er dann doch mit einem ergebenen Lächeln „Ich will“ antwortete.

Der Pastor richtete sich an sie, doch sie hörte nicht wirklich zu, sah Nick forschend in die Augen, suchte dort nach der Wahrheit … und fand nur Pflichtgefühl. „Willst du? Willst du wirklich?“, wisperte sie ihm zu. „Denn ich bin mir nicht sicher, ob ich das kann.“

Hinter sich hörte sie Leo nach Luft schnappen, nahm die Unruhe und das Raunen in den Bänken wahr, und dann lächelte Nick sie an – das erste echte Lächeln seit Wochen.

Er zog sie in seine Arme und drückte sie an sich, und das Beben in seiner breiten Brust hätte ein unterdrücktes Lachen sein können. „Das hast du dir aber wirklich für die letzte Sekunde aufgespart, Liebling“, flüsterte er ihr ins Ohr.

Die Anspannung in ihrem Innern löste sich auf, als hätte man einen Ballon mit einer Nadel angestochen. „Ja, nicht wahr? Es tut mir wirklich leid, Nick, aber ich kann das nicht.“

„Ich weiß. Es fühlt sich einfach nicht richtig an. Ich hatte gedacht, wenn wir erst hier stehen … aber so ist es nicht. Besser jetzt als später.“ Er senkte die Arme und sah über ihre Schulter. „Zeit, zu gehen, Liebling.“ Seine Lippen verzogen sich zu einem traurigen kleinen Lächeln. „Leo wartet auf dich.“ Er küsste sie sacht auf die Wange. „Werde glücklich, Amy.“

Sie sah das Bedauern und die Erleichterung in seiner Miene, und Tränen stiegen ihr in die Augen. „Ja, du auch“, wünschte sie ihm leise, dann raffte sie ihr Kleid und rannte zur Kirche hinaus.

Sie hatte es tatsächlich getan. War vor der Katastrophe weggerannt, so schnell sie es mit diesen lächerlich hohen Absätzen konnte.

Leo sah ihr nach, bemerkte, wie ihre Mutter und die Brautjungfern ihr nacheilten, verfolgte mit, wie Nick auf die Bank hinter ihm sank, als hätte man die Fäden einer Marionette durchgeschnitten. Da erst wurde ihm klar, dass er der Auslöser für all das war.

Er holte tief Luft, setzte sein medienwirksamstes Lächeln auf und drehte sich zu der entsetzten Hochzeitsgesellschaft um.

„Ladies und Gentlemen, wie es aussieht, wird es heute keine Hochzeit geben. Ich muss gestehen, ich habe keine Ahnung, was das Protokoll für einen solchen Fall vorsieht, aber … im Festzelt stehen Essen und Getränke bereit, und Sie alle sind herzlich eingeladen, sich daran gütlich zu tun, bevor Sie sich auf den Nachhauseweg machen. Der Chefkoch soll angeblich ganz hervorragend sein.“

Ein leises Lachen lief durch die bis dahin vor Schreck erstarrte Gesellschaft, und die Atmosphäre lockerte sich. Leo nickte seinem Vater zu, der die Geste erwiderte, dann zog er sein Handy hervor und instruierte das Catering-Team, sich bereitzuhalten. Ein kurzer Gruß an den verdatterten Pastor, dann verließ Leo mit ausholenden Schritten die Kirche, um Amy zu suchen.

Schließlich fand er sie in dem großen gemieteten Bentley, umringt von ihrer Mutter und den Brautjungfern. „Amy?“ Er zog die Tür auf und steckte den Kopf in den Fond. Sie sah so verloren aus, stand eindeutig unter Schock, aber sie würde darüber hinwegkommen. „Fahren Sie sie nach Hause“, bat er den Chauffeur. „Ich komme mit dem eigenen Wagen nach.“

Sie hatte es getan.

Sie hatte die Maschinerie angehalten und war weggerannt – vor Nick, vor der verplanten Zukunft, vor allem, was ihr Leben ausgemacht hatte. Sie fühlte sich verloren. Unzählige Gedanken wirbelten ihr durch den Kopf, keinen davon bekam sie zu fassen. Sie wusste weder, was sie denken, noch, was sie fühlen sollte.

Eigentlich fühlte sie gar nichts. In ihrer Brust war nur Leere, ein großes schwarzes Loch.

Immer noch besser als die erdrückende Gewissheit, das Falsche zu tun.

Aber nicht viel.

Sie riss sich den Schleier aus den Haaren, konnte ihn nicht schnell genug loswerden. Am liebsten hätte sie sich auch hier und jetzt aus dem Kleid geschält. So wie sie das Bedürfnis gehabt hatte, schnellstmöglich aus der Kirche herauszukommen. Aus diesem Wagen. Aus dem Land?

Ein hysterisches Lachen arbeitete sich ihre Kehle hinauf, wollte sich in einem Tränenausbruch entladen, aber sie drängte es zurück, riss sich eisern zusammen. Nicht jetzt. Noch nicht.

„Ist alles in Ordnung mit dir, Liebes?“ Ihre Mutter sah sie besorgt an, und Amy stieß einen bebenden Seufzer aus. Zumindest behielt ihre Mutter die Nerven und wurde nicht melodramatisch. Zwar war ihre Mutter noch nie der überspannte Typ gewesen, aber man konnte nie wissen. Schließlich hatte sie es noch nicht miterlebt, dass die einzige Tochter vor der eigenen Hochzeit Reißaus nahm.

„Ja, es geht mir gut. Und es tut mir wirklich schrecklich leid, Mum.“

„Das muss es nicht. Das ist das erste Vernünftige, was du seit Monaten getan hast.“

Amy starrte ihre Mutter an. „Ich dachte, du magst Nick.“

„Das stimmt auch, er ist ein so netter Mann. Aber nicht der Richtige für dich. Da sprühen überhaupt keine Funken zwischen euch.“

Nicht auch noch sie. Ihre Mutter verbündete sich also mit ihrem Alter Ego, das ihr sagte, sie hätte schon viel früher die Reißleine ziehen müssen. Oder Nick hätte es tun müssen. Oder sie beide. Oh, was für eine Katastrophe!

Als sie zu Hause angekommen waren, hielt der Chauffeur den Wagenschlag auf. Mit gerafftem Kleid kletterte Amy aus dem Wagen und wurde von ihrer Mutter und den Brautjungfern in das Haus geschoben, das sie vor Kurzem noch als Braut auf dem Weg in eine angenehme, stabile Ehe verlassen hatte.

Und was war sie jetzt? Die Braut, die sich nicht traut?

Ein schreckliches Klischee.

„Ich muss aus diesem Kleid raus“, murmelte sie, als sie die Schuhe von den Füßen kickte und sich dann zur Treppe drehte, um in das Refugium ihres Zimmers zu fliehen.

„Ich komme mit“, beschloss ihre Mutter. Gemeinsam mit den beiden Brautjungfern war sie direkt hinter ihr. Sie erstickten sie mit ihrer Fürsorge.

„Mum, ich brauche ein paar Minuten für mich allein.“

Die drei blieben wie vom Donner gerührt stehen, drei Augenpaare sahen sie besorgt an, suchten nach Anzeichen, ob sie eine Dummheit begehen würde. Nein, vor der Dummheit hatte sie sich in letzter Sekunde gerettet. Oh Nick, es tut mir so leid

„Ist wirklich alles in Ordnung mit dir?“

„Ja, Mum. Ganz sicher. Ehrlich.“

Noch immer rührten die drei sich nicht. Reglos sahen sie zu ihr hoch, wie sie da auf der Treppe stand, so als wüssten sie nicht, was sie jetzt tun sollten, nachdem das so sorgfältig geplante Tagesprogramm ausgefallen war.

„Soll ich dir eine Tasse Tee nach oben bringen, Liebes?“

Tee. Natürlich. Das Allheilmittel. Aber es würde ihrer Mutter etwas zu tun geben. „Ja, das wäre nett, Mum. Aber es hat keine Eile.“

„Ich stelle Wasser auf.“

Ihre Mutter und die Brautjungfern verschwanden in der Küche, und Amy schaffte es bis in die Sicherheit ihres Zimmers, bevor die ersten Tränen über ihre Wangen rollten.

Seltsam, dass sie weinen konnte, wenn sie doch nichts fühlte außer Leere. Das musste die Anspannung sein, die sich löste …

In einem Bausch von weißem Tüll glitt Amy mit dem Rücken an der Tür auf den Boden und ließ den Tränen freien Lauf.

Er musste unbedingt zu ihr.

Wenn der Ausdruck in ihren Augen da in dem Bentley ein Anhaltspunkt gewesen war, konnte er sich denken, in welchem Zustand sie sich befand.

Er bremste den Wagen auf der Auffahrt zu Hause ab, und nachdem er nach dem Baby gesehen hatte, ging er durch das Törchen im Zaun auf Amys Grundstück und klopfte an die Hintertür.

Amys Mutter ließ ihn ein und umarmte ihn. „Oh Leo, ich bin so froh, dass du hier bist.“ Für einen Moment wankte ihre Haltung.

„Wie geht es ihr?“, erkundigte er sich sofort.

„Ich habe keine Ahnung. Sie ist oben. Uns wollte sie nicht dabei haben. Ich habe frischen Tee aufgegossen und wollte ihr gerade eine Tasse bringen.“

„Die nehme ich mit. Das ist alles meine Schuld.“

„Wieso deine Schuld?“

Er lächelte schmal. „Weil ich sie gefragt habe, ob sie sich sicher sei.“

Jill drückte ihm einen Kuss auf die Wange. „Dem Himmel sei Dank. Ich hatte nicht den Mut dazu. Hier, bring ihr den Tee. Und hole sie da oben aus dem Zimmer raus. Sie muss sich das Schauspiel nicht auch noch ansehen.“

Er nickte. Amys Zimmer lag zum Nachbargrundstück hinaus. Dort steuerte jetzt der Strom der Gäste auf das Festzelt zu, das auf dem Rasen vor seinem Elternhaus aufgestellt worden war. Sie feierten eine Hochzeit, die nicht stattgefunden hatte.

Er stieg die Treppe hinauf und klopfte an Amys Zimmertür.

Das musste ihre Mutter sein.

Amy lehnte den Hinterkopf an die Tür und unterdrückte den Schluchzer. Sie war jetzt nicht in der Lage, ihrer Mutter gegenüberzutreten. Niemandem.

„Amy? Darf ich reinkommen?“

Leo. Ihre Mutter musste ihn nach oben geschickt haben.

Der Türknauf drehte sich, die Tür drückte sich vorsichtig in ihren Rücken. Aber sie konnte sich nicht rühren, wollte es auch gar nicht. Sie wollte sich hier oben verstecken und in Ruhe darüber nachdenken, was sie jetzt mit sich und ihrem Leben anfangen sollte.

„Amy, lass mich rein. Ich bringe dir Tee.“

Es waren der Tee und seine völlig normale Stimme, die sie zur Seite rutschen ließen, sodass er sich durch den Türspalt schieben konnte.

Er hockte sich vor sie hin, studierte für eine Weile das Chaos, das sich auf ihrem Gesicht spiegelte, reichte ihr den Teebecher und hielt ihr eine Schachtel Kleenex hin.

Der Mann kommt immer vorbereitet, dachte sie, und der nächste Schwall Tränen stürzte aus ihren Augen.

Leo setzte sich neben sie auf den Boden und zog sie tröstend in die Arme. „Amy, du dummes Ding. Alles kommt wieder in Ordnung.“

„Wirklich? Wie denn? Was soll ich denn jetzt machen?“, murmelte sie erstickt an seiner Schulter. „Ich habe meinen Job gekündigt, mein Apartment … Wir wollten doch ein Haus zusammen kaufen und Kinder haben … und ich sollte nur noch als freiberufliche Fotografin arbeiten und … Ich habe kein Leben mehr, Leo. Alles ist weg. Ich habe einfach alles weggeworfen. Ich muss komplett verrückt sein!“

Arme Amy. Tröstend wiegte er sich mit ihr hin und her, und etwas tief in ihm rührte sich. Es musste jener Teil sein, der sie jahrelang vor den Konsequenzen ihres impulsiven Handelns beschützt hatte. „Ich glaube nicht, dass du verrückt bist, im Gegenteil. Das ist seit Langem das Vernünftigste, was du getan hast.“

Sie hob den Kopf. „Wieso hat jeder außer mir es gewusst? Wie kann ich so blind sein?“

„Du bist nicht blind. Er ist ein netter Kerl, nur eben nicht der Richtige für dich. Und ehrlich gesagt, er sah mir auch nicht so aus, als hättest du ihm das Herz gebrochen.“

Sie dachte wieder an die Erleichterung, die sie in Nicks Augen hatte aufleuchten sehen. Sicher, da war auch Trauer gewesen, aber keine Verzweiflung. „Er wollte wahrscheinlich einfach das Anständige tun.“

Leo wandte das Gesicht ab. „Ja, vermutlich. Aber glaube mir, das funktioniert nie.“

Für einen Moment war sie vom eigenen Elend abgelenkt. „War es das, was du getan hast? Das Anständige?“

Ein Muskel zuckte in seiner Wange. „So was in der Art, ja. Trinkst du den Tee jetzt oder nicht?“

Sie fasste den Becher mit beiden Händen und nippte. Dann seufzte sie schwer.

„Geht es wieder?“

Sie nickte. Ja, sie würde wieder in Ordnung kommen. Solange sie vorerst keine Entscheidungen treffen musste, denn dazu war sie im Moment ganz eindeutig nicht in der Lage.

Sie lehnte sich wieder an die Tür. „Ich fühle mich einfach nur … ich weiß nicht … als ob ich mir nicht mehr trauen kann. Als würde ich mich selbst nicht mehr kennen. Ergibt das Sinn?“

„Absolut. Das habe ich schon hinter mir.“

Sie drehte den Kopf und musterte sein Gesicht. In seiner Miene fand sie nur Verständnis und Sorge, weder Anklage noch Verurteilung. Leo tat, was er schon immer getan hatte – er half ihr aus der Misere, in die sie sich selbst hineinmanövriert hatte. „Leo, kannst du mich hier rausholen? Ich will nicht hierbleiben, nicht nach alldem …“

„Aber sicher. Dazu bin ich ja da.“

„Um mich zu retten? Du armer Kerl. Du hast sicher gedacht, das hättest du endgültig hinter dir, nicht wahr?“

„He, alte Gewohnheiten lassen sich schwer ablegen“, neckte er sie gutmütig.

Sie brachte sogar ein kleines Lächeln zustande, dann sah sie an sich herab und ließ den Blick über ihn wandern. Den Frack hatte er ausgezogen, die Krawatte gelockert. Die aufgerollten Ärmel des weißen Hemdes gaben den Blick auf muskulöse gebräunte Unterarme frei. Über seine kräftigen Hände zogen sich unzählige dünne blasse Narben, „Koch-Hände“, so nannte er sie immer. Aber die Narben hatten die holde Weiblichkeit nie abgeschreckt, Leo lagen die Verehrerinnen reihenweise zu Füßen.

„Vorher sollten wir uns aber wohl besser umziehen“, sagte sie.

„Ich dachte eigentlich, dass ich gut in dem Frack aussehe.“

Ja, das fand sie auch, aber Leo sah immer gut aus. „Tust du auch, aber wenn die Presse dich so sieht, wirst du morgen überall die Schlagzeilen lesen können, dass der gefeierte Chefkoch und Liebling der Nation wieder heimlich geheiratet hat.“

Seine Miene wurde düster, und Amy hätte sich treten mögen, dass sie ein so heikles Thema aufgebracht hatte.

„Eher friert die Hölle ein, bevor ich mich noch einmal auf so etwas einlasse.“

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