Küsse niemals deinen Playboyboss!

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Sebastiano Castigliones hungrige Blicke lassen Jurastudentin Poppy sinnlich erschauern. Dabei will sie Karriere machen - und darf nicht über eine Affäre mit dem Playboyboss stolpern! Doch als Sebastiano ihr drei Wünsche gewährt, wenn sie am Wochenende seine Braut spielt, kann sie einfach nicht Nein sagen. Ein Fehler? Sie weiß, dass er sie nur als seriöses Alibi braucht, damit sein Großvater ihm den Firmensitz überträgt. Aber kaum überrascht er sie mit einem leidenschaftlichen Kuss, schafft sie es nicht länger, ihm zu widerstehen …


  • Erscheinungstag 19.06.2018
  • Bandnummer 2340
  • ISBN / Artikelnummer 9783733710217
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Sebastiano warf einen kurzen Blick auf die Rolex an seinem Handgelenk und betrat die SJC Towers.

Seit mehr als zwei Jahren hatte er auf diesen Tag gewartet. Endlich würde sein dickköpfiger Großvater nachgeben und ihn zum Chef des Familienclans ernennen.

Bert, Chef der Security, stand am Empfang und nickte ihm zu. Dass sein Boss am Sonntagmorgen zur Arbeit erschien, wunderte ihn nicht.

„Haben Sie gestern das Spiel gesehen, Boss?“, fragte er grinsend.

„Schadenfreude ist eine sehr unschöne Eigenschaft“, erwiderte Sebastiano.

Bert grinste noch breiter. „Ja, Sir!“

Solche kleinen Sticheleien machten Sebastiano Spaß. Seiner Meinung nach verhielten die meisten Menschen sich ihm gegenüber viel zu devot. Es war schließlich nicht sein Verdienst, dass er ein privilegiertes Leben führte. Er war in dieses Leben hineingeboren worden.

„Das nächste Mal haben Sie sicher mehr Glück“, fuhr Bert fort und heuchelte Mitleid.

„Wenn Ihre Mannschaft das nächste Mal wieder gewinnt, kürze ich Ihr Gehalt, Bert“, erwiderte Sebastiano im Spaß und steuerte auf den Lift zu.

Sebastiano trat in die Aufzugkabine und drückte den Knopf zu seinem Stockwerk. Hoffentlich hatte seine Assistentin Paula die Unterlagen herausgesucht, die er seinem Großvater vorlegen wollte. Der hatte seinen Besuch erst in letzter Minute angekündigt.

Dass der alte Mann zögerte, ihm die Geschäftsleitung zu übertragen, lag nicht daran, dass er an seinen Fähigkeiten zweifelte. Nein, er wollte, dass sein Enkel endlich eine schöne donna fand, die dann die Mutter seiner zahlreichen bambini werden konnte. Sein einziger Lebensinhalt sollte nicht die Arbeit sein! Sebastiano hegte den Verdacht, dass nonna ihm diesen Floh ins Ohr gesetzt hatte.

„Wie kann ich dir eine leitende Position geben, wenn du schon jetzt zu wenig Zeit zum Entspannen hast?“, hatte sein Großvater vor einem Monat am Telefon gefragt. „Deine Großmutter und ich wollen dich glücklich sehen. Ich kann nicht in Ruhe sterben, wenn ich dich nicht versorgt weiß.“

„Ich kann sehr gut selbst auf mich aufpassen“, hatte Sebastiano erwidert. „Außerdem stirbst du nicht. Zumindest nicht sofort.“

Aber seine Großeltern waren nun einmal Italiener der altmodischen Sorte, und wenn es keine nette Frau gab, die ihn bekochte und ihm das Bett wärmte, führte er in ihren Augen ein einsames und bedauernswertes Leben.

Doch für Sebastiano hingegen gab keinen Tag, an dem er sich nicht eine neue berufliche Herausforderung wünschte. Liebe? Ehe? Beides setzte einen Grad an Intimität voraus, den er nicht zulassen konnte.

Ein wenig Distanz zu den anderen zu halten, hatte ihm jahrelang gute Dienste geleistet. Er sah keinen Grund, daran etwas zu ändern. Und wenn er in manchen Nächten einsam war und mit einem Drink in der Hand die glitzernden Lichter irgendeiner Stadt betrachtete, in der er sich gerade befand, dann war es halt so.

Er war im besten Mannesalter. Gerade hatte er Englands größten Stahl- und Betonanbieter aufgekauft! Es gab keinen besseren Zeitpunkt, um die Führung von Castiglione Europa zu übernehmen.

Er musste nur noch seinen eigensinnigen nonno davon überzeugen, endlich in den Ruhestand zu gehen und auf dem Familiensitz in Amalfi mit seiner heiß geliebten Frau den Lebensabend zu genießen. Dann – und nur dann – konnte Sebastiano wiedergutmachen, was er seiner Familie vor fünfzehn Jahren angetan hatte.

Gedankenverloren knipste er das Licht in der Chefetage an. Da hörte er, wie eine Nachricht auf seinem Handy einging. Auf dem Weg zu seinem Büro schaltete er die Kaffeemaschine ein und las dann die Nachricht. Paula war mit ihrem Mann in der Notaufnahme! Verdacht auf gebrochenen Knöchel. Die von Sebastiano angeforderte Akte war noch in ihrem Computer. Das hatte ihm jetzt gerade noch gefehlt!

Hoffe, es ist nichts Ernstes, schrieb er zurück. Danach trug er Paulas Laptop in sein Büro. Aber als er ihn hochfuhr, tauchten so viele bunte Icons auf dem Desktop auf, dass es ihm vor den Augen flimmerte. Den dringend benötigten Ordner konnte er nirgendwo entdecken.

Großartig, wirklich großartig!

Poppy warf einen Blick auf ihre Micky-Maus-Armbanduhr und stöhnte. Sie musste los. Ihr Bruder wartete schon. Simon wurde immer unruhig, wenn sie zu spät kam. Außerdem war bei ihrer Nachbarin Maryann, der wundervollen Frau, die für sie beide die Mutter ersetzte, Multiple Sklerose festgestellt worden. Ein schrecklicher Schlag für eine innerlich wie äußerlich so schöne Frau. Poppy hatte ihr heute eine kleine Freude machen wollen.

Sie überflog noch einmal das Schriftstück, das sie ihrem Boss morgen vorlegen wollte. In einer Woche war ihr Praktikum bei SJC International zu Ende, und sie hatte sich vorgenommen, noch einmal so richtig zu glänzen. Vielleicht würde man ihr dann sogar nach Abschluss ihres Jurastudiums einen Job anbieten. Allerdings nur, wenn sie bei den Chefs so richtig Eindruck schindete. Und der oberste Chef war Sebastiano Castiglione. Bis jetzt hatte sie mit ihm persönlich noch keinen Kontakt gehabt. Aber sie sah ihn öfter mit der Haltung eines Mannes in einer wichtigen Mission durch die Gänge eilen.

Sie ertappte sich dabei, wie sie von seinem verboten guten Aussehen träumte. Rasch rief sie sich in Erinnerung, dass er auch den schlechten Ruf besaß, der genau zu diesem Aussehen passte. Sie legte die Akten wieder zurück in den Schrank und fuhr den PC herunter. Viel lieber hätte sie heute Morgen von zu Hause aus gearbeitet, denn sie war absolut kein Morgenmensch. Doch der Laptop, den sie für die Universität benutzte, war uralt. Auf ihm konnte sie das Programm, mit dem sie arbeitete, nicht benutzen.

Poppy reckte sich und wollte gerade gehen, als ihr Blick auf ein Buch fiel, das sie sich letzte Woche von Paula geliehen hatte. Morgen würde ein hektischer Tag werden, also war es besser, es ihr jetzt gleich zurückzugeben.

Normalerweise hatte sie keinen Zugang zu den heiligen Hallen der Chefetage. Aber da ihr direkter Vorgesetzter ihr seinen Ausweis geliehen hatte, war das kein Problem.

Kurz entschlossen nahm sie das Buch und ging zum Lift. Von ihrem zwölften Lebensjahr an war sie im Heim aufgewachsen und hatte sich von Anfang an um ihren zehn Jahre jüngeren Bruder gekümmert, der von Geburt an taub war. Zusammengekauert vor einem Heizstrahler in der Paddington Station hatte Maryann sie und Simon vor acht Jahren gefunden. So hatten sie eine zweite Chance bekommen. Und Poppy war wild entschlossen, diese Chance zu nutzen.

Sie betrat den Lift und drückte den Knopf zur Chefetage. Dann wartete sie geduldig, bis die Tür sich wieder öffnete, ging über den dicken Teppich zu Mr. Castigliones Vorzimmer und genoss einen Moment lang den beeindruckenden Blick auf London. Man hatte das Gefühl, als könnte einen hier oben nichts und niemand etwas anhaben. Doch war man erst wieder unten, konnten die Dinge einen nicht nur berühren, sondern auch zerstören.

Tief in düstere Erinnerungen versunken, zuckte sie erschrocken zusammen, als eine tiefe männliche Stimme plötzlich wild fluchte.

Mit klopfendem Herzen drehte Poppy sich um, aber es war niemand zu sehen. Ein weiterer Fluch ertönte. Er kam aus dem Büro des obersten Chefs.

Poppy war schon immer neugieriger gewesen, als gut für sie war. Also huschte sie zur offenen Tür von Mr. Castigliones Büro und sah ihn höchstpersönlich am Fenster stehen. Ihr stockte der Atem bei seinem Anblick.

Kraftvoll, ungebärdig. Atemberaubend gut aussehend. Mit einer Hand raufte er sich die schwarzen Locken. Für einen Italiener war er ziemlich groß und muskulös, einfach ein Prachtexemplar von Mann. Oder wie Maryann gerne sagte: „Geschaffen zum Vernaschen.“

Als hätte er ihre Anwesenheit gespürt, fuhr er herum. Der Blick seiner strahlend grünen Augen traf Poppy mitten ins Herz, und einen Moment lang vergaß sie zu atmen.

„Wer, zum Teufel, sind Sie?“

„Ich … ich bin eine Praktikantin.“ Poppy räusperte sich. „Poppy. Poppy Connolly. Ich arbeite für Sie.“

Er musterte sie von Kopf bis Fuß. „Seit wann gelten Jeans und Pullover als angemessene Bürokleidung?“

Poppy wurde rot. „Heute ist Sonntag“, erwiderte sie. „Ich habe nicht erwartet, dass jemand hier ist.“

„Stimmt, und warum sind Sie dann hier?“

„Ich wollte eine Präsentation für Mr. Adams fertig machen. Er sagte, es wäre schon in Ordnung, wenn ich herkäme.“

Er zog eine dunkle Braue hoch. „Ein bisschen viel Hingabe für die Firma, was?“

„Nicht, wenn man vorwärtskommen will“, erwiderte sie. „Nach meinem Examen möchte ich gerne hier arbeiten. Flexibilität und Engagement sind zwei der Dinge, durch die Praktikanten auffallen können.“

„Und was sind die anderen?“

„Pünktlichkeit und arbeiten, als wäre es ein richtiger Job. Außerdem …“

„Ja?“

„…sich so anzuziehen, dass man Erfolg hat.“

Sein Blick wanderte zu ihren alten Jeans, und Poppy wand sich vor Verlegenheit. Seit sie hier war, träumte sie davon, wie es sein würde, diesen Mann kennenzulernen, der eine Art Firmengott zu sein schien. So hatte sie es sich allerdings nicht vorgestellt.

„Zumindest eine Sache haut nicht so recht hin“, kommentierte er spöttisch.

Ihr Herz schlug doppelt so schnell wie sonst, während sie krampfhaft überlegte, wie sie die Situation retten konnte.

Das Telefon unterbrach ihr verlegenes Schweigen.

„Lassen Sie mich das machen“, sagte sie hastig und versuchte, so routiniert wie möglich zu wirken.

Bevor er antworten konnte, war sie schon an seinem Schreibtisch und schnappte sich den Hörer. „Hier ist Mr. Castigliones Büro“, meldete sie sich, ganz resolute Chefsekretärin.

Ihr Lächeln schwand, als sie die tränenerstickte Stimme einer Frau am anderen Ende der Leitung hörte. Sie sprach mit starkem Akzent, sodass Poppy nur ein paar Satzfetzen verstand. Auf jeden Fall verlangte die Anruferin nach Sebastiano.

„Einen Augenblick, bitte“, sagte Poppy und hielt ihrem Boss den Hörer hin. „Es ist für Sie.“

„Ach, wirklich?“, meinte er und zog wieder einmal die Brauen hoch.

Poppy nickte unsicher. „Soll ich fragen, wer …“

Doch er beachtete sie gar nicht mehr. „Ja?“, sagte er stattdessen in den Hörer.

Poppy sah, wie sein Gesicht ernst wurde, und wandte den Blick ab. Ihr fiel auf, dass das rote Licht an der Kaffeemaschine leuchtete. Offenbar hatte er sich gerade einen Kaffee machen wollen, bis jetzt aber nicht die Zeit dafür gefunden.

Nun gut, dann würde sie das jetzt erledigen und damit ein paar Pluspunkte sammeln. Wahrscheinlich kam der Anruf von seiner derzeitigen Freundin. Oder doch eher von seiner Ex, da die Frau so weinte? Seine vielen Eroberungen lieferten Stoff für den Bürotratsch. Genau wie die teuren Schmuckstücke, die Paula in seinem Auftrag kaufen musste, und die er als Abschiedsgeschenke an die jeweiligen Damen verteilte.

Poppy wollte nur noch nach Hause, dort nach Simon sehen, Maryann in die Arme nehmen und ihr einen Tee machen. Rasch ging sie zur Kaffeemaschine. Als sie einige Zeit später einen vollen Becher neben den Firmenchef abstellte, telefonierte der immer noch. Müde strich er sich über den Kopf und griff dann plötzlich nach ihrer Hand.

Poppy erstarrte zur Salzsäule. Gebannt blickte sie auf die gebräunten Finger, die die weiche Innenseite ihres Handgelenks streichelten. Ihr blieb die Luft weg, als lustvolle Gefühle wie Pfeile durch ihren Körper jagten. Erschrocken blickte sie ihren Chef an. Sie hätte schwören können, dass er ihre heftige Reaktion bemerkt hatte. So, wie er sie mit seinen grünen Augen ansah!

Poppy bekam weiche Knie. Das durfte doch nicht wahr sein! Dieser Mann war nicht nur ihr Chef, er telefonierte auch noch mit einer anderen Frau, während er sie streichelte!

Mistkerl!

Und ihr gefiel es auch noch! Verärgert riss sie ihre Hand weg und warf dabei prompt den Kaffeebecher um. Der flog über den Schreibtisch, und sein Inhalt landete auf dem blütenweißen Hemd ihres Chefs.

Sebastiano schrie auf und stieß eine beachtliche Anzahl italienischer Flüche aus. „Was, zum Teufel, soll das?“

„Ich … Sie …“ Poppy griff schnell nach einer Packung Papiertaschentücher, die auf einem Aktenschrank lag, und fing an, mit einem Tuch auf seiner Brust herumzuwischen. Als er abwehrend die Hände ausstreckte, sah sie, dass der Kaffee auch auf den Schritt seiner Hose gespritzt war. Ohne lange zu überlegen, wischte sie dort ebenfalls, bis Sebastiano wieder ihr Handgelenk packte.

Diesmal allerdings nicht, um ihre Hand zu streicheln.

„Im Wandschrank hinter Ihnen hängt ein frisches Hemd. Holen Sie es.“

Poppy sah ihn an, fing seinen wütenden Blick auf und spürte, wie sie wieder rot wurde. Die Luft zwischen ihnen schien zu flimmern und zu knistern wie an einem heißen Sommertag.

„Geht das vielleicht heute noch?“, fragte er ungeduldig.

„Natürlich.“ Hastig holte sie das Hemd aus dem Schrank und riss die Plastikhülle auf. Der Anblick, den ihr Chef ihr bot, als sie sich umdrehte, traf sie allerdings völlig unvorbereitet. Er stand da und wischte sich den nackten Oberkörper mit ein paar Papiertaschentüchern trocken. Du lieber Himmel, hatte der Mann Muskeln! Was für einen perfekt geformten, braun gebrannten Oberkörper er besaß! Dunkle Haare bedeckten die Brust, verjüngten sich zu einer feinen Linie, die wie ein Pfeil nach unten zeigte …

„Sie … Sie haben da einen roten Fleck auf der Brust“, stammelte sie. „Soll ich Ihnen eine Salbe holen?“

„Nein! Ich möchte nicht, dass Sie überhaupt noch irgendetwas für mich tun“, stieß er hervor.

„Okay.“ Poppy hielt ihm das Hemd hin und wandte ihr brennend rotes Gesicht ab. „Es tut mir leid“, brachte sie mühsam hervor. „Normalerweise bin ich nicht so ungeschickt. Aber als Sie … Tut mir wirklich leid.“

„Das glaube ich Ihnen“, erwiderte er nur.

Stoff raschelte, und Poppy drehte sich wieder um. Sebastiano war dabei, sich das Hemd in die Hose zu stopfen. Sie hätte lieber nicht gewusst, was sich unter dem Hemd verbarg. Jetzt würde ihr das Bild von diesem Traumbody nicht mehr aus dem Kopf gehen. Stumm sah sie zu, wie er die Manschetten glatt zog und die Krawatte umlegte.

„Wenigstens hat die Krawatte nichts abbekommen“, meinte sie schüchtern.

Sein Blick verriet deutlich, was er von ihrer Bemerkung hielt. „Soll mich das damit aussöhnen, dass Sie mir Kaffee übergeschüttet haben?“

„Ich habe Ihnen nichts übergeschüttet“, widersprach sie heftig. „Sie haben mein Handgelenk gestreichelt, während Sie mit Ihrer Freundin telefonierten!“

„Und deswegen müssen Sie mich von oben bis unten mit Kaffee vollspritzen?“

„Das habe ich ja nicht absichtlich getan“, erwiderte sie. Obwohl er es ihrer Meinung nach eigentlich verdient hatte. „Sie sollten froh sein, dass er nicht heiß war.“

„Er war heiß.“

Poppy biss sich auf die Lippe und sah zu, wie er mit seiner Krawatte kämpfte, sie schließlich fluchend herunterriss und von Neuem begann. Ihr Ärger schwand. Irgendwie war es entwaffnend, wenn ein Mann von seinem Kaliber Probleme mit einem unschuldigen Stück Stoff hatte. „Soll ich Ihnen helfen?“

Wieder streifte sie der Blick seiner grünen Augen. „Ich finde, Sie haben schon genug angestellt.“

Sie zeigte demonstrativ ihre Hände. „Sehen Sie … kein Kaffee.“

Noch nicht einmal der Hauch eines Lächelns spielte um seine verführerischen Lippen. Schade, dass ein so gut aussehender Mann keinen Sinn für Humor besaß.

Vielleicht war jetzt der richtige Moment zu gehen.

„Können Sie mit einem Mac umgehen?“ Er deutete auf den PC auf seinem Schreibtisch. „Ich muss eine Datei ausdrucken, bevor mein Großvater hier auftaucht.“

Poppy leckte sich die trockenen Lippen. „Natürlich.“ Dann setzte sie sich in seinen Sessel und legte die Finger auf die Tastatur. „Wie heißt die Datei?“

Er beugte sich vor, und der Duft nach Sandelholz kitzelte ihre Nase. „Wenn ich das wüsste, verehrte Praktikantin, hätte ich es doch wohl schon selbst erledigt, oder?“

„Ja, natürlich.“

„Es hat etwas mit Castiglione Europa zu tun. Oder der Abkürzung CE.“

Poppy überflog die Dateien auf dem Bildschirm, konnte aber nichts entdecken. Da fiel ihr Blick auf etwas Interessantes.

„Wollen Sie eigentlich heiraten?“, fragte sie und warf ihm einen kurzen Blick zu.

„Nein. Warum?“

„Nur so. Paula hat hier einen Ordner mit dem Namen Unternehmen Heirat angelegt, aber das hat wahrscheinlich mit dieser Wette zu tun.“

„Dieser was?“

Es wäre besser gewesen, jetzt den Mund zu halten, aber sein drohender Gesichtsausdruck ließ ihr keine Wahl. „Mit dieser Wette“, erklärte sie fröhlich. „Sogar ich habe mitgekriegt, dass Ihr Großvater Sie drängt, endlich zu heiraten. Na ja, einige von der Rechtsabteilung nennen es eben Unternehmen Heirat. Aber keine Sorge, niemand glaubt, dass Sie es tun werden. Für Sie gibt es wohl nichts Schlimmeres als die Ehe, was?“

„Doch. Den Tod.“

Sein grimmiger Ton ließ Poppy lächeln. „Ich glaube, Ihr Großvater will nur, dass Sie die Liebe kennenlernen.“

„Es freut mich, dass Sie das glauben.“ Er beugte sich über sie. „Klicken Sie auf diesen Ordner da, und öffnen Sie ihn.“ Sein Arm streifte ihren, und Poppy hatte Mühe, sich zu konzentrieren. „So, und jetzt drucken Sie das aus.“ Er richtete sich auf und fluchte wieder.

Poppy hob den Kopf und sah, dass er erneut an seiner Krawatte zerrte.

„Ich weiß wirklich, wie man eine Krawatte bindet“, murmelte sie.

„Okay.“ Resigniert ließ er die Hände sinken. „Ich gehöre Ihnen.“

Poppy fühlte, wie ihr Gesicht glühte, und rief sich rasch in Erinnerung, was passiert war, als sie das letzte Mal einen Mann attraktiv gefunden hatte. Und wie die Geschichte für sie und ihren Bruder ausging.

Die demütigende Erinnerung half ihr. Mit zitternden Fingern griff Poppy nach den Enden der Krawatte und gab sich alle Mühe, den Dreitagebart auf dem markanten Kinn zu übersehen. Ihr Chef war groß, und sie musste sich auf die Zehenspitzen stellen. So nahe bei ihm, spürte sie seine Wärme und roch seinen männlichen Duft. Am liebsten hätte sie sich an ihn gekuschelt und die Nase an seiner Brust vergraben, nur, um noch intensiver diesen Duft riechen zu können.

Poppy sah, wie er schwer schluckte, als ihre Finger seine Haut berührten. „Welchen Knoten wünschen Sie?“, fragte sie. Plötzlich klang ihre Stimme ungewohnt dunkel und rauchig.

„Welche Knoten kennen Sie denn?“ Auch seine Stimme schien ihr jetzt tiefer und rauer zu sein als zuvor.

„Alle.“

„Alle?“

Sie wagte einen Blick und sah, dass er sie mit halb geschlossenen Augen betrachtete.

„Wie viele gibt es denn?“

„Ich kenne achtzehn.“

„Achtzehn.“ Er ließ ihren Blick nicht los. „Wissen Sie ihre Namen?“

„Ja. Soll ich sie aufzählen?“

„Nein.“ Er lachte kurz. „Allem Anschein nach haben Sie das schon öfter gemacht. Glücklicher Mann!“

„Nein, Schaufensterpuppe.“ Sie korrigierte die Länge der Krawattenenden und formte eine Schlinge. „Während der Highschool zog ich von Zeit zu Zeit Schaufensterpuppen an.“

Er verzog die Lippen zu einem kleinen Grinsen. „Glückliche Schaufensterpuppen.“

Die Krawatte rutschte ihr aus den Fingern, und ohne es zu wollen, legte Poppy die Hände auf seine Brust. Sie fühlte seinen Herzschlag, stark und hart. Hatte ihn gerade ein Schauer überlaufen?

Plötzlich war da wieder dieser warme, männliche Duft, der sie einhüllte, und sie musste schlucken. „Also, welchen wollen Sie?“, brachte sie mühsam hervor.

„Machen Sie einfach einen Windsorknoten.“

„Den mögen die meisten Männer am liebsten.“

„Soll das heißen, ich bin wie die meisten Männer, Miss Connolly?“

„Nein. Es ist nur der größte, und die meisten Männer, die Krawatten tragen, möchten einen großen Knoten.“

„Vielleicht gefällt es auch den meisten Frauen, wenn die Männer einen großen Knoten tragen.“ Seine Stimme klang tief, und seine Brust hob und senkte sich unter ihren mit einem Mal gar nicht mehr geschickten Fingern. „Würden Sie mir da zustimmen?“

Diese Unterhaltung wollte sie lieber nicht weiterführen. Er schien doch tatsächlich mit ihr zu flirten! Entschlossen konzentrierte sie sich darauf, ihr Werk zu beenden. „Ich weiß es nicht, Mr. Castiglione. Ich treffe mich nicht mit Männern, die Krawatten tragen.“ Tatsache war, dass sie sich nie mit einem Mann traf.

„Nein?“

„Nein.“

„Was tragen denn Ihre Dates?“

„Nichts. Ich meine …“ Sie wurde knallrot und strich hastig seinen Kragen glatt. „So. Fertig.“

„Einen Rat noch, Miss Connolly.“ Er wartete, bis sie ihn ansah, bevor er fortfuhr. „Sollten Sie hier einen Job bekommen, dann stellen Sie nie einen Anruf zu mir durch, ohne vorher festzustellen, wer dran ist.“

„Auch nicht, wenn die Person weint?“

„Dann schon gar nicht.“

Poppy fragte sich, ob er wirklich so herzlos war, wie behauptet wurde. Unwillkürlich wanderte ihr Blick zu seinem Mund. Man erzählte sich, dieser Mann könnte eine Frau im Bett damit völlig verrückt machen. Wie würden sich seine Lippen wohl anfühlen, wenn sie ihn jetzt küsste? Rau oder weich?

„Wieso haben Sie überhaupt mein Handgelenk festgehalten?“, fragte sie angriffslustig. „Bei dem Telefonat?“ Er hatte sie dabei so zärtlich gestreichelt, dass sie jetzt noch den Druck seiner Finger zu spüren glaubte.

„Keine Ahnung.“ Er sah sie mit seinen grünen Augen an. Es war ein heißer, hungriger Blick. Poppy war wie gelähmt. Sie war es gewöhnt, dass Männer sie wahrnahmen, ja sogar attraktiv fanden. Doch dass sie selbst darauf mit solch einer Erregung antwortete, das war ihr neu. Dieses überwältigende Verlangen, zu …

„Scusa, Sebastiano, sono in anticipo?“

Eine tiefe, heisere Stimme riss Poppy aus ihren lustvollen Gefühlen.

2. KAPITEL

„Nein, du bist nicht zu früh, Nonno“, sagte Sebastiano und trat einen Schritt von Poppy weg. „Miss Connolly hat mir nur geholfen, meine Krawatte zu binden.“

Poppy wandte sich um und schenkte der sehr viel älteren Ausgabe ihres gut aussehenden Chefs ein zaghaftes Lächeln.

„Nonno, das ist Poppy Connolly. Poppy, das ist mein nonno, auch bekannt unter dem Namen Signor Castiglione oder Giuseppe.“

Buongiorno, come stai? Es freut mich, Sie kennenzulernen.“ Sein Großvater strahlte.

Poppy, immer noch ganz benommen von der Vorstellung, wie es wohl wäre, von ihrem Chef geküsst zu werden, murmelte eine Begrüßung. Dabei überlegte sie, ob es wohl sehr unhöflich wäre, jetzt einfach kehrt zu machen und die Flucht zu ergreifen.

Während sie noch nachdachte, klingelte Sebastianos Handy. Er warf einen Blick auf das Display. „Nonno, scusa un momento.“

Poppy lächelte seinem Großvater zu und versuchte, an der Situation zu retten, was zu retten war. „Möchten Sie etwas trinken? Kaffee vielleicht? Oder Mineralwasser?“

„Nein, danke.“ Signor Castiglione nahm schmunzelnd in einem der Sessel Platz. „Wie lange kennen Sie meinen Enkel schon?“

„Oh, noch nicht lange. Ungefähr seit fünf Wochen.“ Wenn man es genau nahm, seit noch nicht einmal einer Stunde.

„Er ist ganz schön anspruchsvoll, nicht wahr? Er braucht eine feste Hand.“

Bei der Vorstellung, jemand könnte Sebastiano Castiglione mit fester Hand führen, musste Poppy fast lachen. Trotzdem gab sie seinem Großvater recht. „Absolut!“

„Aber Sie werden mit ihm fertig, si?“

„So würde ich das nicht sagen“, wich sie seiner Frage aus. „Ihr Enkel ist sein eigener Herr.“

„Lassen Sie ihm nicht immer seinen Willen. Das ist nicht gut für ihn.“

Poppy schenkte dem reizenden alten Mann ein verschmitztes Grinsen. „Ich werde es mir merken“, murmelte sie und dachte daran, dass sie ihren Boss wohl kaum noch einmal zu Gesicht bekommen würde.

Zugegeben, er war der bestaussehende Mann, der ihr je über den Weg gelaufen war. Groß, breitschultrig und mit dieser Aura von Macht, die jeden zu warnen schien, der es mit ihm aufnehmen wollte.

Was sie ganz bestimmt nicht tun würde. Sie war eher ein Mädchen, das die Finger von den allzu attraktiven Männern ließ. Das eigentlich von jedem Mann die Finger ließ. Denn sie hatte ihre Zukunft genau geplant. Und der Plan sah vor, die Karriereleiter zu erklimmen und nicht über einen gut aussehenden und von sich mehr als überzeugten Business-Typen zu stolpern!

Verstohlen sah sie zu Sebastiano hin. Leider blickte er genau in diesem Moment in ihre Richtung. Sofort schoss etwas Heißes durch ihre Adern, ein Gefühl, als hätte sie Fieber. Sein Blick verriet ihr, dass er auch dieses Mal ihre geheimsten Gedanken erriet.

„Sei la persone guista“, sagte sein Großvater lächelnd und nickte.

„Was ? Äh … ja.“ Poppy sah den alten Mann erleichtert an, dessen Worte den unerwünschten Zauber seines Sohnes brachen. „Gut, also …“ Sie fuhr sich mit der Zunge über die trockenen Lippen und wandte sich um. In dem Moment machte Sebastiano einen Schritt auf sie zu, sodass sie unvermittelt sehr dicht beisammenstanden. „Entschuldigung.“ Sie trat rasch von ihm weg. „Ich … werde Sie jetzt allein lassen. Nett, Sie kennengelernt zu haben, Signor Castiglione.“

Autor

Michelle Conder
<p>Schon als Kind waren Bücher Michelle Conders ständige Begleiter, und bereits in ihrer Grundschulzeit begann sie, selbst zu schreiben. Zuerst beschränkte sie sich auf Tagebücher, kleinen Geschichten aus dem Schulalltag, schrieb Anfänge von Büchern und kleine Theaterstücke. Trotzdem hätte sie nie gedacht, dass das Schreiben einmal ihre wahre Berufung werden...
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