Küsse niemals einen Playboy!

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Der reiche Playboy Gabriel Diaz ist Lucys einzige Hoffnung! Tatsächlich sagt er ihr spontan seine Hilfe zu, als ihre Eltern in finanziellen Schwierigkeiten stecken. Aber er nennt auch sogleich den Preis dafür: Lucy soll ihm eine zärtliche Liebesnacht schenken! Ihr stockt der Atem. Wie kann Gabriel es wagen? Spontan hasst sie ihn - und ist doch ungewollt fasziniert von seiner unwiderstehlich männlichen Ausstrahlung. Kaum hat Gabriel ihr einen ersten Kuss gestohlen, muss sie sich eingestehen, dass ihr verräterischer Körper sich bereits nach mehr sehnt …


  • Erscheinungstag 01.04.2014
  • Bandnummer 2121
  • ISBN / Artikelnummer 9783733700492
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

„Das müsst ihr mir noch einmal erklären.“ Lucy Robins blickte fragend zwischen ihren Eltern hin und her und versuchte zu verstehen, was ihr gerade mitgeteilt worden war.

„Nicht jetzt, Freddy!“, sagte sie zu dem Mops, der sich vor ihr auf den Rücken gelegt hatte und ‚tot‘ spielte, um ihre Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen.

Beim Anruf ihrer Mutter hatte sie sofort gewusst, dass etwas nicht stimmte. Celia Robins rief ihre Tochter sonst nie während der Arbeit an.

Das große Gartencenter innerhalb des Botanischen Gartens war ein sehr entspannter Arbeitsplatz. Lucy arbeitete dort halb als Gärtnerin und halb als Künstlerin, denn als Grafikerin hatte sie die Illustration eines Pflanzenbuches übernommen. Sie hatte gerade eine sehr empfindliche Orchidee umpflanzen wollen, als der Anruf ihrer Mutter kam. „Liebes, könntest du vielleicht nach Hause kommen? Es gibt da etwas Dringendes …“

Jetzt starrte sie die zusammengesunkene Gestalt ihres Vaters an. „Was heißt das, du bist in Schwierigkeiten?“

Nicholas Robins, so rund und klein wie seine Frau groß und schlank war, sah seine Tochter zaghaft an. „Ich habe mir vor ein paar Jahren von der Firma unerlaubterweise Geld geliehen. Nicht viel. Als deine Mutter ihren Schlaganfall hatte. Ich glaubte, wir würden sie verlieren, und wollte ihr einen Traum erfüllen. Die Kreuzfahrt, die sie sich schon immer gewünscht hat. Ich konnte gar nicht mehr klar denken …“

Damals hatte er erzählt, er hätte unerwartet einen Bonus erhalten. Lucy hatte ihm geglaubt und sich für ihn gefreut.

„Ich wollte ihr etwas Besonderes bieten. Und ich dachte, wenn ich mir nur ein wenig borge, kann ich es zurückzahlen, bevor man etwas merkt. Kaum zu glauben, dass ich so dumm war.“

Lucy warf einen besorgten Blick auf ihre Mutter. Celia Robins war eine zerbrechliche Frau. Der Schlaganfall hatte ihre Kraft aufgezehrt. Lucy und ihr Vater lebten in ständiger Furcht, sie könnte noch einen erleiden.

„Ich dachte doch nicht, dass sich irgendetwas ändern würde, nachdem GGD uns übernommen hatte“, fuhr ihr Vater mit zitternder Stimme fort. „Vor der Übernahme war ich der einzige Buchhalter, doch sie brachten ein Team von Finanzprüfern mit. Eine Zeit lang konnte ich alles noch geheim halten, und ich hatte auch schon begonnen, das Geld zurückzuzahlen. Aber heute Morgen riefen sie mich ins Büro und sagten mir, es gäbe Unregelmäßigkeiten, und ich sollte besser Urlaub nehmen, bis die geklärt wären …“

Lucy wusste nicht, was sie sagen sollte. Ihr Vater war kein Betrüger, doch jeder Richter würde das ganz anders sehen. Für rührselige Geschichten und Entschuldigungen war da kein Platz. Jedenfalls nicht bei GGD.

Gabriel Garcia Diaz hieß der Kerl, der GGD gegründet hatte. Rücksichtslos, kalt und brillant war es ihm gelungen, innerhalb von acht Jahren den Elektronikmarkt zu beherrschen. Er war der Hai im Karpfenteich. Und einen Hai kümmerte ein kleiner Fisch wie ihr Vater nicht.

Ihr brach der Schweiß aus. Die letzten zwei Jahre lang hatte sie versucht, Gabriel Diaz aus ihrem Gedächtnis zu streichen. Aber jetzt holte die Vergangenheit sie ein und zerstörte die brüchige Schutzmauer, die sie gegen die beunruhigende Erinnerung an ihn errichtet hatte.

Ihre Begegnung war rein zufällig gewesen. In der Stadt sprach man damals über nichts anderes als die Übernahme von Sims Electronics durch GGD.

Lucy hatte gerade ihren Job im Gartencenter bekommen, und alles andere war ihr egal gewesen. Sie liebte Pflanzen, sie liebte es, draußen zu arbeiten, und außerdem gab es noch etwas, das sie feiern konnte. Man hatte ihr angeboten, für das geplante Buch über die seltenen exotischen Pflanzen, die in den großen Gewächshäusern des Botanischen Gartens kultiviert wurden, die Illustrationen zu entwerfen.

So hatte sie völlig vergessen, dass der Chef von GGD angekündigt hatte, in die Stadt zu kommen. Aufgeregt war sie auf ihr Rad gesprungen, um ihrem Vater von dem Auftrag zu berichten. Die Eltern wussten, wie sehr sie darauf brannte, ihr Diplom von der Kunsthochschule unter Beweis zu stellen.

Erst als sie die schwarze Luxuslimousine und den Konvoi aus großen Wagen auf dem Parkplatz vor der Firma sah, erinnerte sie sich daran, dass heute der große Tag war.

Alle Angestellten von Sims hatten sich vor dem Gebäude im hellen Sonnenschein versammelt. Auf dem leeren Platz in der Mitte, umgeben von einem Kreis bedrohlicher Männer in dunklen Anzügen, stand ein Mann, der buchstäblich alle anderen überragte.

Er zog Lucys Blick auf sich. Selbst aus sicherer Entfernung konnte sie die Kraft seiner Persönlichkeit deutlich spüren. Abgesehen von seiner Aura war er der bemerkenswerteste Mensch, der ihr je unter die Augen gekommen war. Groß, mit rabenschwarzem Haar und einem markanten, perfekt geschnittenen Gesicht, verlieh ihm seine bronzefarbene Haut etwas atemberaubend Exotisches. Er war außergewöhnlich schön, wie die Statue eines griechischen Gottes.

Während der hochgewachsene Mann samt Entourage auf den Eingang des Gebäudes zuging, war ihr Vater ein wenig abseits geblieben. Lucy ergriff die Gelegenheit und fuhr schnell zu ihm, um ihm die gute Neuigkeit zu erzählen.

Später hätte sie nicht sagen können, wieso Mr Diaz sie bei dem ganzen Rummel überhaupt entdeckt hatte. Hatte er sie fortradeln sehen, oder funkte er einen seiner Lakaien an, die allzeit bereit draußen bei den Autos warteten? Jedenfalls dachte sie sich nichts dabei, als dieser bullige Kerl im Anzug sie fragte, wer sie wäre und was sie auf dem Firmengelände zu suchen hätte.

Sie wusste nicht, ob es gegen die Regeln verstieß, mit einem der Angestellten zu sprechen, dessen Interesse doch hundertprozentig seinem Chef gelten sollte. Also erzählte sie ihm, sie würde im Gartencenter arbeiten und müsste den Blumenschmuck wegen des heutigen Besuchs kontrollieren.

Später am Tag hatte sie dann ihre erste Begegnung mit Gabriel Diaz. Sie beugte sich gerade über ihr Rad, um das Schloss aufzuschließen, und als sie sich aufrichtete, stand er vor ihr. Zwei Leibwächter warteten im Hintergrund an einem glänzenden schwarzen Auto. Noch nie hatte sie ein solches Bedürfnis verspürt, einen Menschen anzustarren. Als könnte sie nicht genug bekommen von seiner exotischen Schönheit. Aus der Nähe war er noch atemberaubender. Und als er sprach, hatte seine Stimme einen tiefen, dunklen Klang. Er fragte sie nach ihrem Namen, sagte, sie wäre ihm aufgefallen. Und dass er eigentlich nicht vorgehabt hätte zu bleiben. Aber jetzt würde er eine Ausnahme machen … um sie auszuführen …

Lucy war sprachlos gewesen, verwirrt und auch ein wenig erschrocken. Welcher Mann sprach so mir nichts dir nichts eine fremde Frau an und sagte ihr, er würde sie zum Essen einladen? Und das auch noch in einem Ton, der keinen Widerspruch duldete?

Bei seiner Weltgewandtheit, seinem umwerfend guten Aussehen und dem sinnlichen Blick dieser rabenschwarzen Augen wurde ihr ganz schwindlig. Doch sie hatte seine Einladung spontan abgelehnt. Was sollte ein Mann wie er von jemandem wie ihr schon wollen? Aber kaum war ihr die Frage durch den Kopf geschossen, hatte sie auch schon die Antwort gewusst: Sex.

Sie war praktisch sofort in Deckung gegangen und hatte auch für den Rest der Woche jede Einladung abgelehnt, obwohl Unmengen von Blumen – sehr teure Blumen – und ein goldenes Armband, das sie sich weigerte anzunehmen, bei ihr eintrafen. Persönlich war er nicht mehr bei ihr aufgetaucht, aber das ununterbrochene Bombardement, das sie mürbe machen sollte, hatte sie verwirrt und sie noch in ihrem Entschluss bestärkt, weiterhin unsichtbar zu bleiben. Schließlich schickte sie ihm eine SMS, dass sie einen Freund hätte und er sie in Ruhe lassen solle.

Das hatte er dann auch.

Komischerweise war sie nach dem jähen Ende aller Aufmerksamkeiten wochenlang mit einem seltsam leeren Gefühl herumgelaufen. Nach und nach hatte sie sich aber wieder gefangen und die Erinnerung an ihn beiseitegeschoben.

Die Arbeit im Gartencenter ließ ihr auch kaum Zeit, um über die eigenartige Wirkung nachzudenken, die er auf sie gehabt hatte. Und die Büros, in denen ihr Vater arbeitete, hatte er auch nicht wieder besucht. Wenn die Modernisierung und Expansion für Sims auch von riesiger Bedeutung war, so war die Firma doch nur ein kleines Rädchen in einem Mammutunternehmen.

Lucy sah ihre Eltern an. Ganz offensichtlich befürchteten sie, dass alles, was sie kannten, aus den Fugen geriet. Und in Lucys Kopf tauchte das Bild von Gabriel Diaz auf als ein finsterer Racheengel.

„Vielleicht könnte ich euch helfen“, bot sie ihnen an. „Ich meine, ich verdiene ganz gut. Ich könnte auch fragen, ob man mir einen Vorschuss auf meine Illustrationen zu dem zweiten Buch geben könnte …“

„Das hilft nichts, Schatz.“ Nicholas schien der Verzweiflung nahe. „Ich habe versucht, ihnen alles zu erklären. Ich habe ihnen angeboten, das Geld von meinem Gehalt abzuziehen, bis alles bezahlt ist. So würden sie ihr Unternehmen nicht führen, sagten sie. Ein Fehler, und du bist draußen.“

„Und hast du auch mit Mr Diaz persönlich gesprochen?“ Als Lucy seinen Namen aussprach, lief ihr unwillkürlich ein Schauer über den Rücken, und sie erinnerte sich wieder an den Blick dieser faszinierenden dunklen Augen.

„Leider nein“, seufzte ihr Vater. „Ich bat, ihn sprechen zu dürfen, aber das Ganze ist nicht wichtig genug, um ihn mit hineinzuziehen.“

„Und was geschieht jetzt?“ Lucy wagte es kaum, die Frage zu stellen. Aber sie unterdrückte tapfer ihre Tränen. Ihre Eltern waren auch so schon verzweifelt genug.

„Im besten Fall“, gestand ihr Vater, „verlieren wir das Dach über dem Kopf. Im schlimmsten …“

Das Schlimmstmögliche blieb unausgesprochen, aber es hing in der Luft wie eine Gewitterwolke. Schlimmstenfalls musste er ins Gefängnis.

Lucy wollte schon vorschlagen, dass beide das Haus verkaufen, die Schulden bezahlen und zu ihr ziehen sollten. Aber wie um Himmels willen sollte das funktionieren? Sie hatte ein kleines Cottage am Dorfrand gemietet. Mit seinem großen Garten, dem winzigen Arbeitszimmer, Küche und Schlafzimmer war es für ihre Bedürfnisse ideal. Zwei Personen mehr, und man würde sich nicht mehr rühren können.

Ihre Mutter stand auf, um noch eine Kanne Tee zu machen. Als sie draußen war, beugte Lucy sich zu ihrem Vater und fragte hastig, wie es ihrer Mutter wirklich ging.

„Ich mache mir Sorgen“, antwortete er unglücklich. „Sie zeigt es nicht, aber sie muss starr vor Angst sein. Und wir beide wissen, dass ihre Gesundheit nicht die beste ist. Du musst dich um sie kümmern, wenn man mich einsperrt, Lucy.“

„Du wirst nicht eingesperrt! Vielleicht könnte ich mal reden mit …“, schlug sie schließlich vor.

„Mit wem, Schatz? Glaub mir, ich habe alles versucht. Sie sind nicht im Geringsten interessiert. Ich habe angeboten, ihnen die Rezepte zu zeigen, für die ich das Geld ausgegeben habe … den Urlaub, den ich mit Mum nach ihrem Schlaganfall machte. Es interessiert sie nicht.“

„Ich könnte Mr Diaz treffen …“

„Liebes, er ist eine Geldmachmaschine ohne Herz. Sims verwandelte sich aus einem netten kleinen Familienbetrieb zu einem riesigen, gewinnbringenden Unternehmen. Und dafür muss der Preis gezahlt werden.“

Lucy konnte sich gut vorstellen, dass jeder, der es wagte, Gabriel Diaz zu widersprechen, gehängt und gevierteilt wurde.

Und doch hatte er sich vor zwei Jahren für sie interessiert, hatte sie inständig umworben. Er hatte sie begehrt. Noch immer war es ihr ein Rätsel, wieso sie ihm überhaupt aufgefallen war. Aber möglicherweise half ihr jetzt diese kurz auflodernde Anziehungskraft von damals. Vielleicht würde er allein ihretwegen mehr Verständnis für ihre Eltern zeigen?

Als sie aufblickte, erhaschte sie einen Blick auf ihr Bild im ovalen Spiegel über dem Kamin. Was sie sah, war eine junge Frau mit taillenlangen weizenblonden Haaren, die etwas unordentlich zu einem Pferdeschwanz gebunden waren, ein herzförmiges Gesicht und grüne Augen. Nichts, worüber man ihrer Meinung nach in Entzücken geraten musste. Höchstwahrscheinlich erinnerte sich der Mann noch nicht einmal mehr an sie. Aber war es nicht einen Versuch wert?

„Lass mich darüber nachdenken, Dad“, meinte sie mitfühlend und umarmte ihren Vater, der zusammengesunken auf dem Sofa saß. „Ich werde versuchen, Mr Diaz zu sprechen. Man weiß nie …“

Gott sei Dank wussten ihre Eltern nichts von dieser merkwürdigen kleinen Episode damals. Hätten sie gewusst, dass der Teufel in Verkleidung sich ihr genähert hatte, sie hätten ihr sofort jeden Umgang mit ihm verboten. Sie waren sehr konservativ, und der Gedanke würde ihnen nicht gefallen, dass Lucy nur deshalb Eintritt in Gabriel Diaz’ geheiligte Hallen erhielt, weil er eine Woche lang versucht hatte, sie zu einem Date zu überreden.

Während der nächsten Stunde gaben sie sich alle Mühe, über weniger schwierige Themen zu sprechen, aber als Lucy später am Abend ging, war sie völlig erschöpft und machte sich so große Sorgen um ihre Eltern, dass sie kaum klar denken konnte.

Noch nicht einmal der Gedanke an ihre Malerei, die sonst so beruhigend auf sie wirkte, half. Freddy, der ihre Stimmung spürte, trottete mit einem bekümmerten Ausdruck auf seinem kleinen Knautschgesicht hinter ihr her, ein Bild der Verzweiflung.

Am nächsten Morgen erlaubte sie sich keine weiteren Ausreden, griff zum Telefon und erklärte dem Gartencenter, dass sie heute nicht kommen könnte. Freddy sah ihr vorwurfsvoll nach, als sie aus der Wohnung ging. Auch ihr Versprechen, ihm bei ihrer Rückkehr ein Leckerli zu geben, zeigte keine Wirkung.

Draußen war es warm. Seit drei Wochen schon war der Himmel strahlend blau.

Leider besaß sie kein hübsches Kleid, das sie zu diesem wichtigen Treffen hätte tragen können. Aber bei ihrer Gartenarbeit brauchte sie keine schicke Garderobe. Und deshalb war ihr Schrank voll mit ausgebleichten Jeans, Pullovern, T-Shirts und Overalls.

Sie hatte die am wenigsten abgewetzten Jeans ausgesucht, eines der wenigen Shirts, das nicht das Logo einer Rockband trug, und ihre besten Schuhe – schwarz und flach.

Um dem Ganzen wenigstens etwas Glamour zu verleihen, legte sie ein wenig Lipgloss auf. Allerdings fühlte sie sich gar nicht wohl bei dem Gedanken, dass sie durch ihr Aussehen eine bestimmte Wirkung auf jemanden ausüben wollte.

Gabriel Diaz war gerade dabei, ein unangenehmes Gespräch mit einem Model zu beenden, dessen Anwesenheit in seinem Leben nicht länger willkommen war, als seine Sekretärin eine Besucherin ankündigte.

„Name?“

„Den wollte sie nicht sagen. Sie meinte, es wäre etwas Persönliches. Ich könnte sagen, Sie wären nicht hier …“

Gabriel seufzte. Frauen hatten die irritierende Angewohnheit zu glauben, dass Sex mit ihm ihnen das Recht gab, in seinem Büro aufzutauchen. Nur um mit ihm zu plaudern. Er hätte ihnen vorher erklären sollen, dass dieses Benehmen die Garantie für einen schnellen Abschied war.

Doch nach dem Telefongespräch mit Imogen war er nicht in der Stimmung, weiter an seinem PC zu arbeiten.

Sie war seine dritte Geliebte in acht Monaten, selbst für ihn ein beachtlicher Rekord. Wieso begriffen die Frauen nicht, dass ihm nichts an einer festen Beziehung lag? Schließlich stellte er das immer gleich zu Beginn klar. Niemand konnte ihm vorwerfen, unfair zu sein. Und trotzdem fing eine Affäre hin und wieder ganz unterhaltsam an und endete damit, dass er sich davonschleichen musste, weil die Frau plötzlich ein unangenehmes Interesse für Häuslichkeit und ein noch unangenehmeres für Diamantringe und Freundinnen mit Babys zeigte.

Eine geheimnisvolle Frau zu treffen war genau das, was er jetzt brauchte.

„Schicken Sie sie herein. Aber sagen Sie ihr, dass ich nur zehn Minuten Zeit habe.“

Lucy wartete im Erdgeschoss und hatte Mühe, nicht in Panik zu geraten. In der pompösen Eingangshalle ganz aus Marmor, vielem Glas und blitzendem Chrom stieg ihr Blutdruck in schwindelerregende Höhen.

Dabei hatte sie einen Überraschungsbesuch bei Gabriel Diaz für eine gute Idee gehalten. Aber jetzt drohten ihr die Nerven einen Strich durch die Rechnung zu machen. Sie war kurz davor davonzulaufen.

Das neue Firmengebäude war überwältigend. Alle bei Sims waren zu Tode erschrocken gewesen, als man ihr bescheidenes zweistöckiges Backsteingebäude in ein Hightech-Glashaus umwandelte. Doch ihr Vater wäre sprachlos, würde er erst dieses prunkvolle GGD Hauptquartier sehen.

Eigentlich hatte sie erwartet, man würde ihr sagen, Gabriel wäre nicht zu sprechen. Dass er sie sogar in seinem Büro empfing, musste ein gutes Zeichen sein.

Vorsichtig ging sie an den hochnäsigen Mädchen vorbei, die an der Rezeption vor hochmodernen Computern saßen, und atmete erleichtert auf, als sie eine ältere Frau auf sich zukommen sah.

Das musste Gabriels Sekretärin sein. Wenigstens sah diese Frau – anders als die Mädchen – sie nicht an, als wäre sie etwas, das die Katze angeschleppt hatte.

„Sie sind …?“

„Lucy. Es tut mir leid, aber ich … äh … sagte Gabriel meinen Namen nicht. Ich dachte, es wäre vielleicht eine nette Überraschung …“ Es war nicht Lucys Art, Tricks anzuwenden, und sie wurde rot.

„Ich fürchte, er wird nicht viel Zeit für Sie haben.“

Nicolette war sehr versiert, was die Damen betraf, mit denen ihr Chef sich verabredete. Aber dieses Mädchen war aus einem anderen Holz geschnitzt. Außerdem hatte Nicolette noch nie eine so hübsche junge Frau gesehen. Und so wie sie gekleidet war und ohne jedes Make-up, war sie sich ihrer Schönheit bestimmt noch nicht einmal bewusst.

Während sie den Lift nahmen, bemühte sich die Sekretärin, unbefangen mit Lucy zu plaudern.

Lucy war ihr dankbar dafür. In Jeans, T-Shirt und den flachen Ballerinas kam sie sich vor wie ein Elefant im Porzellanladen. Sie wusste, dass alle sie anstarrten, als der Lift sie in einem weiten, mit dicken Teppichen ausgelegten eleganten Raum wieder ausspuckte.

Ihre Haut kribbelte buchstäblich vor Nervosität, und sie fühlte sich so wackelig auf den Beinen, dass jeder Schritt zur Herausforderung wurde.

Jenseits der Vorhalle lag ein breiter Korridor mit gläsernen Büros, die davon abgingen.

Lucy zögerte, als Nicolette jetzt schnell auf die Tür ganz am Ende des Ganges zusteuerte. „Wenn Sie hier warten würden?“

Sie war der Meinung, sich noch gut an Gabriel Diaz’ Gesicht zu erinnern. Als sie kurz darauf jedoch hereingebeten wurde und die Tür sich hinter ihr mit einem leisen Klicken schloss, merkte sie, dass das nicht stimmte. Der Mann, der am Fenster stand und sich jetzt umdrehte, war viel größer als in ihrer Erinnerung. Augen, so dunkel wie bittere Schokolade ließen sie wie erstarrt stehen bleiben. Die Zeit hatte nichts an der atemberaubenden Wirkung seiner Persönlichkeit verändert. Sie besaß die gleiche Macht über sie wie damals. Sie brach über sie herein, machte sie stumm und raubte ihr jede Fähigkeit zum Denken.

Gabriel hatte sich auf eine graue Maus mit Sammelbüchse und Bildern von unglücklichen Kindern gefasst gemacht. Was er jetzt sah, hatte er nicht erwartet.

Aber das hier war die Frau, deren Bild er nie ganz aus dem Kopf bekommen hatte. Schon damals war sie umwerfend gewesen, heute war sie es sogar noch mehr, auch wenn er nicht genau hätte sagen können, was es war, weswegen er den Blick nicht von ihr lösen konnte.

Ihre Haut war wie helles Gold und so glatt wie Satin. Und dann dieses erstaunliche Haar, das ihr in einem langen Zopf über den schmalen Rücken fiel. Es übte die gleiche Wirkung auf ihn aus wie vor zwei Jahren. Konfrontiert mit der einzigen Frau, die es je gewagt hatte, ihn abzuweisen, bemühte sich Gabriel, ein höflich neugieriges Gesicht aufzusetzen. Er wusste nicht, was sie von ihm wollte, aber seine schlechte Stimmung war auf einmal verflogen.

„Danke, dass Sie Zeit für mich haben.“ Lucy stand unschlüssig an der Tür. Er hatte sie nicht aufgefordert, in einem der Ledersessel Platz zu nehmen. Sein Schweigen zerrte an ihren Nerven und brachte sie dazu, hektisch loszuplappern. „Sie erinnern sich vielleicht nicht mehr an mich. Wir sind uns vor ein paar Jahren über den Weg gelaufen, als Sie nach Somerset kamen … zu Sims Electronics. Eine der Gesellschaften, die Sie übernommen haben. Oh, Entschuldigung, ich habe mich gar nicht vorgestellt. Lucy Robins. Tut mir leid, Sie haben wahrscheinlich keine Ahnung, wer …“

Sie bereute ihren vorschnellen Entschluss, unangemeldet bei ihm aufzutauchen. Und sie wusste nicht recht, ob sie zu ihm gehen und ihm höflich die Hand geben sollte. Aber der Gedanke, ihn zu berühren, lähmte sie.

Er sollte keine Ahnung haben, wer sie war? Gabriel hätte am liebsten laut aufgelacht. Ein Blick in ihr Gesicht und er wusste, dass ihre höfliche Zurückweisung ihm mehr zu schaffen machte, als er gedacht hatte. Er war kein Mann, dessen Avancen man ablehnte. Aber was zum Teufel machte sie hier? Irgendetwas lief hier, etwas, das ihn sehr neugierig machte.

„Wollten Sie etwas sagen?“, stotterte Lucy.

Gabriel deutete auf einen der Sessel vor seinem Schreibtisch.

„Ich erinnere mich an Sie“, sagte er gedehnt und nahm Platz. „Das Mädchen aus dem Gartencenter. Den Schmuck schickten Sie zurück. Was haben Sie mit den Blumen gemacht? In den Müll geschmissen?“

Lucy senkte den Blick und setzte sich. Erwartete er etwa eine Antwort? Sie musste ihn gar nicht anschauen. Seine harten, perfekten Gesichtszüge hatten sich wie mit einem Brenneisen in ihr Gedächtnis gebrannt.

Während sie verlegen auf ihre verschlungenen Hände starrte, sah sie buchstäblich nichts anderes vor sich als seine rabenschwarzen Augen, den Schwung seiner sinnlichen Lippen und die kühle, arrogante Haltung des Kopfes.

„Also, was wollen Sie?“, fragte Gabriel mit gespielter Gleichgültigkeit. „Sie haben zehn Minuten meiner Zeit. Ab jetzt.“

Lucy ballte die Hände zu Fäusten. Ihr war klar, dass sie sich damals unter sehr ungünstigen Umständen getrennt hatten. Vielleicht war sein Stolz verletzt. Aber war das ein Grund, ihr die Sache noch schwieriger zu machen, als sie es ohnehin schon war? Vor zwei Jahren hatte sie bereits die Gelegenheit gehabt, seine Arroganz kennenzulernen. Sie sah jetzt, dass diese keineswegs geringer geworden war.

„Ich komme wegen meines Vaters.“ Sie holte tief Luft und zwang sich, seinem leicht fragenden Blick nicht auszuweichen. „Ich weiß nicht, ob Sie davon gehört haben, da war etwas … in der Firma …“

Gabriel runzelte die Stirn. Sein Unternehmen war so groß, dass ganze Firmen, die zu seinem Imperium gehörten, eine eigene Buchhaltung besaßen. Er rief rasch Sims in seinem PC auf und scrollte sich durch alle Details. Er brauchte nicht lange, um herauszufinden, was es mit ihrem geheimnisvollen Auftauchen in seinem Büro auf sich hatte.

„Sie meinen den Betrug Ihres Vaters, habe ich recht?“, fragte er kalt.

„Bitte, nennen Sie es nicht so.“

„Sie sind hier, weil Ihr Vater beim Stehlen erwischt wurde. Ich hoffe, Sie bitten mich jetzt nicht, ein Auge zuzudrücken.“

Lucy zitterte am ganzen Körper. „Sie verstehen nicht. Mein Vater ist kein Dieb!“

„Nein? Dann haben wir unterschiedliche Vorstellungen von dem, was einen Dieb ausmacht.“ Er beugte sich vor und legte die Hände auf den Schreibtisch. „In meinen Augen ist das jemand, der ohne Erlaubnis Geld nimmt, um sich ein schönes Leben zu machen!“

„Er … schauen Sie, er weiß, dass er etwas falsch gemacht hat …“

„Gut! Dann rechnet das Gericht ihm das vielleicht an und fällt kein zu hartes Urteil! Vielleicht lässt es aber auch die Muskeln spielen und demonstriert, dass man Betrug nicht auf die leichte Schulter nehmen sollte! Und jetzt …“

Er stand auf. Im Geheimen fluchte er über die Wirkung, die sie selbst jetzt noch auf ihn hatte, wo sie doch in seinem Sessel und in seinem Büro saß und ihn praktisch um Hilfe anflehte. Alles in allem war das eine Situation, die er nicht bereit war zu ertragen.

„Wenn das alles ist, wird Nicolette Sie hinausbegleiten …“

2. KAPITEL

Trotzig richtete Lucy sich auf. Sie weigerte sich, das hier als Ergebnis ihrer Reise nach London zu akzeptieren. Gabriel hatte sich ja noch nicht einmal die Mühe gemacht, sie anzuhören! Natürlich hatte er allen Grund, sie rauszuwerfen. Doch die Vorstellung, dass ihr Vater wie ein gewöhnlicher Krimineller ins Gefängnis sollte, ließ sie erzittern … das würde er nie überleben und ihre Mutter auch nicht.

Sie spürte Gabriel Diaz’ brennenden Blick auf sich. Am liebsten wäre sie ohne ein weiteres Wort aus dem Büro gestürmt. Aber in diesem Moment war Stolz etwas, das sie sich nicht leisten konnte.

„Bitte … bitte, hören Sie mich doch an“, flüsterte sie, völlig eingeschüchtert von der Feindseligkeit, die er ausstrahlte.

„Wozu?“, fragte er unverblümt. „Unterschlagung wird in meinem Unternehmen nicht geduldet. So einfach ist das. Es widert mich an, wenn ich nur daran denke, dass Sie hergekommen sind, um sich selbst anzubieten. In der Hoffnung, dass ich ein Auge zudrücke. Verdammt, Sie haben sich ja noch nicht mal die Mühe gemacht, sich anständig anzuziehen!“

„Mich anbieten?“ Lucy sah ihn fassungslos an.

„Ich bin nicht von gestern. Sie glauben, Sie könnten Ihren sexy kleinen Körper dazu benutzen, bei mir zu punkten. Ein großer Fehler. Ich bin es gewohnt, dass Frauen versuchen, ihren Körper einzusetzen, um Profit zu machen.“

Sexy kleinen Körper. Die drei lässig ausgesprochenen Worte trieben ihr die Röte ins Gesicht. Noch nie hatte sie sich über ihr Aussehen Gedanken gemacht. Es schockierte sie, ihn so unverblümt über ihre Figur reden zu hören.

Dennoch musste sie sich insgeheim eingestehen, dass sie sich ganz kurz gefreut hatte, als er sie sexy nannte. Sie selbst hatte sich nie sexy gefühlt. Sexy Frauen ließen die Augen blitzen, schwangen die Hüften, machten einen Schmollmund und flirteten. Nichts davon hatte sie je getan. Es würde ihr auch nie gelingen. Sie war einfach nicht sexy.

Sie war konservativ, eine von den langweiligen Frauen, die sich für den Mann aufbewahrten, in den sie sich einmal verlieben würden. Ihre Eltern hatten ihr erfolgreich Werte vermittelt, die den meisten Mädchen über siebzehn egal waren.

Autor

Cathy Williams
<p>Cathy Willams glaubt fest daran, dass man praktisch alles erreichen kann, wenn man nur lang und hart genug dafür arbeitet. Sie selbst ist das beste Beispiel: Bevor sie vor elf Jahren ihre erste Romance schrieb, wusste sie nur wenig über deren Inhalte und fast nichts über die verschiedenen Schreibtechniken. Aber...
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