Küsse voller Zärtlichkeit

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Eine kalte Blitztrennung! Die fassungslose Amanda wird im Restaurant von Reid verlassen. Sechs Wochen vor der Trauung. Da setzt sich ein Fremder an ihren Tisch. Er heißt Fred ... Fred versucht spontan, Amanda zu trösten. Er ist empört über ihren arroganten Ex-Verlobten. Sie schaut in Freds blaue Augen und kann gar nicht anders, als seine Dinner-Einladung anzunehmen. Zum Abschied genießt sie seinen impulsiven Gutenachtkuss, der nach ungezähmter Männlichkeit schmeckt. Leidenschaft flammt in ihr auf. Amanda will mehr als einen Kuss. Sie weiß: Fred ist die beste Medizin gegen Liebeskummer!


  • Erscheinungstag 19.06.2019
  • ISBN / Artikelnummer 9783733747367
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

„Du löst unsere Verlobung? Sechs Wochen vor der Hochzeit?“, fragte die Frau in der Nische hinter ihm so laut, dass Fred Castelli es zwangsläufig hörte.

Er warf einen Blick auf die Uhr an der gegenüberliegenden Wand des Restaurants. Seit über einer halben Stunde wartete er jetzt schon auf seine Schwester, mit der er zum Abendessen verabredet war. Das hätte er vorhersagen können. Marlee wäre nicht Marlee, wenn sie pünktlich gewesen wäre. Jetzt saß er hier und musste, ob er wollte oder nicht, das Ende einer fremden Beziehung miterleben. Seufzend trank er einen Schluck Wasser.

„Es sind sechseinhalb Wochen und nicht sechs“, antwortete eine kultivierte, ruhige Männerstimme der Frau. „Ich dachte, es wäre besser, es dir zu sagen, bevor die Einladungen verschickt sind.“

„Da kommst du drei Tage zu spät.“

Die Frau senkte die Stimme, trotzdem konnte Fred sie immer noch deutlich verstehen. Die Akustik in diesem Restaurant war besser als in mancher Konzerthalle, dachte er belustigt. Natürlich war ihm die Situation unangenehm. Er lauschte Worten, die nicht für seine Ohren bestimmt waren. Doch seine Neugier darüber, warum der Mann so lange gewartet hatte, die Beziehung zu beenden, war größer als seine Schuldgefühle.

„Wie auch immer, je früher wir alles absagen, desto besser. Wahrscheinlich wird der Coral Springs Country Club dir die Saalmiete zurückerstatten. Du weißt ja, wie begehrt die Räume sind. Sie werden den Saal problemlos anders vermieten können. Und dein Hochzeitskleid kannst du sicher auch zurückgeben, schließlich hast du es ja nicht getragen.“

„Hör endlich auf, nur über Geld zu reden, Reid“, bat die Frau gequält. Sie bemühte sich offensichtlich um Fassung.

Beim Klang ihrer Stimme, die etwas tiefer war als die der meisten Frauen, musste Fred unwillkürlich an weiche Seide denken. Er verzog den Mund. Wie war er bloß auf diesen Gedanken gekommen? Bevor er sich die Frage beantworten konnte, sprach die Frau weiter.

„Du hast mir gerade eröffnet, dass du mich nicht mehr heiraten willst. Ich denke, ich habe wenigstens eine Erklärung verdient.“

Fred nickte zustimmend. Er konnte sich nicht zurückhalten und lehnte sich aus der Nische, um über seine Schulter hinweg einen kurzen Blick auf die Leute am Tisch hinter ihm zu ergattern. Nur Reid war sichtbar. Er sah genau so aus, wie Fred ihn sich vorgestellt hatte. Er trug einen tadellosen dunklen Maßanzug, ein weißes Hemd und eine dezent gemusterte Seidenkrawatte. Sein kurzes dunkles Haar war akkurat geschnitten. Er wirkte wie jemand, der seine Zeit eher im Büro als an der frischen Luft verbrachte. Reid machte den Eindruck eines faden Typen, dem Geld wichtiger war als Romantik.

„Natürlich verdienst du eine Erklärung, Amanda.“

Ihr Name ist also Amanda, dachte Fred. Dem Klang ihrer Stimme und ihrem Namen nach zu urteilen, war sie wahrscheinlich genau so unterkühlt und kultiviert wie ihr Begleiter. Fred trank noch einen Schluck Wasser.

„Es ist ganz einfach nicht der passende Moment, zusätzliche Verantwortung durch eine Ehe auf mich zu laden. Du weißt doch, wie viele Stunden ich in der Anwaltskanzlei verbringe. Ich muss unbedingt einen guten ersten Eindruck machen, daher steht meine Arbeitszeit nicht zur Diskussion.“

„Wenn du von unserer Beziehung sprichst, dann klingt das so … so …“ Sie schien nach dem richtigen Wort zu suchen.

„… unromantisch“, ergänzte Fred leise.

„… erdrückend.“

„Ach, komm schon, Amanda. Ist das nicht etwas übertrieben? Ich versuche nur, dir zu erklären, dass eine Beziehung Zeit braucht und dass ich diese Zeit nicht habe. Du übrigens auch nicht. Du bist eine sehr unabhängige Frau. Dein Job nimmt den Großteil deiner Zeit in Anspruch und deine Mutter den Rest. Ich glaube, dass diese Ehe im Grunde auch nicht in deinem Interesse ist.“

„Verdreh jetzt nicht die Tatsachen, Reid Carrigan“, sagte sie leise.

Fred bewunderte ihre Selbstbeherrschung. Reid versuchte, ihr die Schuld für die gelöste Verlobung in die Schuhe zu schieben, und sie ließ sich das nicht gefallen. Gut so.

„Ich tue nichts dergleichen“, antwortete Reid gestelzt. Es gefiel ihm anscheinend nicht, dass sie ihn durchschaut hatte. „Ich habe nur festgestellt, dass es für uns beide nicht der richtige Zeitpunkt zum Heiraten ist.“

„Wann soll denn dann der richtige Zeitpunkt sein? Falls du es vergessen haben solltest, wir sind bereits über zehn Jahren zusammen.“

Zehn Jahre! Fred lehnte sich noch einmal aus seiner Nische, um einen schnellen Blick auf Reid Carrigan zu werfen. Er schien etwa Mitte zwanzig zu sein. Wenn die Frau im gleichen Alter war, bedeutete das, dass sie seit der Schulzeit ein Paar sein mussten. Fred schüttelte den Kopf. Er war vor kurzem dreißig geworden, und er konnte sich kaum noch an die Namen der Mädchen erinnern, mit denen er als Teenager ausgegangen war.

„Ich fürchte, es wird für uns nie den richtigen Zeitpunkt geben“, sagte Reid.

Amanda schwieg.

Fred hoffte, dass sie angesichts der Gefühllosigkeit ihres Verlobten nicht die Nerven verlor. Schließlich war Amanda ja nicht irgendeine Frau, der dieser seltsame Reid einen übereilten Heiratsantrag gemacht hatte, den er jetzt bereute. Sie war die Frau, mit der er seit einem Jahrzehnt eine feste Beziehung hatte.

Nach einer Weile sagte sie mit fester Stimme. „Das war es also, ja? Willst du behaupten, dass diese zehn Jahre dir nichts bedeuten?“

„Natürlich bedeuten sie mir etwas. Ich schätze jedes dieser Jahre. Du bist ein wichtiger Bestandteil meines Lebens gewesen, Amanda. Dich gehen zu lassen ist das Schwerste, was ich jemals getan habe, doch ich bin überzeugt, dass es die richtige Entscheidung für uns beide ist.“

Schweigen senkte sich über den Tisch der beiden, und Fred fragte sich, warum Amanda zehn Jahre an jemanden verschwendet hatte, der so egoistisch und scheinheilig war wie dieser Reid. Er würde mit dem Kerl freiwillig nicht einmal zehn Minuten verbringen. Aufmerksam wartete er auf Reids nächste Bemerkung.

„Könnte ich den Ring wieder haben?“

„Wie bitte?“

„Großmutter Carrigans Ring. Er ist ein Familienerbstück, und da du jetzt doch kein Mitglied der Familie werden wirst …“

„Hier. Behalte deinen wertvollen Ring“, antwortete Amanda bitter. Fred stellte sich vor, wie sie sich den Ring vom Finger zog und ihn ihrem Gegenüber entgegenschleuderte. In Wirklichkeit reichte sie ihn wahrscheinlich höflich über den Tisch, obwohl Fred hoffte, dass es nicht so war. Mit jedem Wort, das Reid von sich gab, verabscheute Fred ihn mehr.

„Ich weiß das zu schätzen, Amanda. Es ist mein Wunsch, eines Tages meine Braut diesen Ring tragen zu sehen.“

Was auch immer Amanda, die bis vor wenigen Minuten seine Braut gewesen war, darauf entgegnen wollte, wurde von der Kellnerin verhindert. Das Mädchen hatte die spannungsgeladene Atmosphäre am Tisch offenbar nicht bemerkt. Sie reichte Amanda und Reid eine Speisenkarte und zählte ungerührt die Tagesangebote auf. Dann ging sie wieder, damit die beiden sich in Ruhe für ein Gericht entscheiden konnten.

Fred lehnte sich zurück. Er war etwas beschämt darüber, dass er gelauscht hatte. Noch nie hatte er einer so privaten Unterhaltung zugehört. In diesem Fall hätte er es allerdings nur verhindern können, indem er das Lokal verlassen hätte. Er sah wieder zur Uhr. Da Marlee anscheinend nicht mehr kommen würde, wäre es wohl das Beste, wenn er tatsächlich ginge.

„Was nimmst du?“, fragte Reid nun.

„Erwartest du tatsächlich, dass ich mit dir zu Abend esse, nachdem du gerade unsere Verlobung gelöst hast?“, erwiderte Amanda ungläubig.

Fred hörte weiter zu. Er konnte nicht anders.

„Entschuldige. Ich verstehe natürlich, wenn du nichts essen willst.“ Reid zögerte kurz. „Sollen wir gehen?“

„Du kannst gehen“, erwiderte sie mit tonloser Stimme. „Ich möchte allein sein.“

„Sei doch vernünftig, Amanda. Wie willst du denn nach Hause kommen?“

„Ich bin eine sehr unabhängige Frau, wie du ganz richtig bemerkt hast. Ich bin durchaus in der Lage, mir ein Taxi zu bestellen.“

„Aber …“

„Verschwinde einfach, Reid.“ Ihre Stimme zitterte leicht. Im nächsten Moment stand Reid vom Tisch auf und stolzierte mit hoch erhobenem Haupt und steifem Gang aus dem Restaurant. Ganz so, als hätte er nicht gerade die ungeschickteste und gefühlloseste Trennung in der Geschichte der Liebesbeziehungen vollzogen. Fred wäre ihm am liebsten gefolgt, um ihn an den Aufschlägen seines eleganten Jacketts zu packen und ihn kräftig zu schütteln.

„Haben Sie schon gewählt?“ Die Kellnerin stand nun an seinem Tisch und lächelte ihn freundlich an.

„Wie es aussieht, bin ich versetzt worden. Ich werde wohl lieber wieder gehen“, antwortete Fred und legte ein paar Geldscheine auf den Tisch. Marlee hatte unbedingt in diesem Restaurant an einer belebten Geschäftsstraße im Herzen von Fort Lauderdale, Florida, essen wollen. Die Speisen auf der Karte enthielten Zutaten wie Tofu oder Sojasprossen. Es gehörte ganz und gar nicht zu der Sorte Restaurants, die Fred bevorzugte. „Entschuldigen Sie, dass ich den Tisch belegt habe.“

„Kein Problem“, die Kellnerin winkte ab. Sie nahm das Geld und schlenderte davon. Fred stand auf und wollte gerade gehen, als er ein Schluchzen hörte.

Das Geräusch war so leise, dass er erst nicht sicher war, ob er richtig gehört hatte. Er hielt inne und lauschte wieder. Kein Zweifel. Das war ein eindeutig ein leises Schluchzen.

Oh nein! Amanda weinte.

Man konnte Fred viel nachsagen, aber nicht, dass er kaltherzig war. Er konnte es nicht ertragen, wenn eine Frau weinte. Er musste irgendetwas tun, um sie zu trösten.

Er schob alle Bedenken beiseite, die dagegen sprachen, sich einzumischen. Er setzte ein freundliches Lächeln auf, drehte sich um, und ließ sich unvermittelt auf dem Platz nieder, den eben noch Reid besetzt hatte. Die Frau ihm gegenüber sah überhaupt nicht so aus, wie er sie sich vorgestellt hatte.

Sie hatte lockiges rotblondes Haar, das sie mit einer Spange zu bändigen versucht hatte, doch ein paar Strähnen hatten sich gelöst. Das ließ sie weniger streng aussehen. In ihrem ovalen, blassen Gesicht schimmerten ein paar Sommersprossen, die durch das Make-up nicht ganz abgedeckt wurden. Ihre zitternden Lippen waren voll und sinnlich, ihre Wimpern überraschend dunkel und dicht. Die Frau sah ihn aus smaragdgrünen Augen verwirrt an.

„Hallo, Amanda“, sagte Fred, und diesmal war sein Lächeln echt. Sie war die hübscheste Frau, der er seit langer Zeit begegnet war.

Amanda Baldwins Blick fiel auf das verwegenste Hemd, das sie je gesehen hatte. Es war kunterbunt und sah aus, als hätte ein Künstler willkürlich Farbe auf eine Leinwand gespritzt. Der Träger des Hemdes hatte ein sonnengebräuntes Gesicht mit strahlend blauen Augen. Er hatte eine hohe, breite Stirn und ein Grübchen in der rechten Wange. Ein widerspenstiger brauner Haarschopf mit blonden Strähnen vervollständigte die attraktive Erscheinung des Mannes, von dem sie sicher war, dass sie ihn noch nie gesehen hatte. Dennoch hatte er sie mit ihrem Namen angesprochen.

„Kenne ich Sie?“ Sie blinzelte die Tränen fort, die in ihren Augen standen. Eine rollte ihr über die Wange. Amanda wischte sie schnell fort. Es war ihr sehr unangenehm, dass dieser Mann sie weinen sah. Sie weinte nie. Weinen war nicht nur peinlich, sondern auch reine Zeitverschwendung, zumindest was Reid betraf.

„Mein Name ist Castelli“, sagte der Fremde und streckte ihr die Hand entgegen. Amanda starrte auf den sonnengebräunten, muskulösen Arm, der mit feinen blonden Härchen bedeckt war. „Fred Castelli.“

„Kenne ich Sie?“, wiederholte sie und versuchte, nicht über seine Selbstpräsentation zu lächeln, die stark an James Bond erinnerte.

Er grinste und tippte sich mit jungenhaften Charme an die Schläfe. Seine schneeweißen Zähne blitzten. Dass sie seine Hand ignorierte, schien ihn nicht weiter zu stören.

„Jetzt kenne Sie mich. Ich habe mich ja gerade vorgestellt.“

Seine Antwort war ebenso frech wie sein Lächeln. Amanda vergaß vorübergehend ihr Elend und starrte ihn verblüfft an.

„Schauen Sie, Mr. Castinelli …“

„Castelli. Aber Sie können mich Fred nennen. Alle nennen mich so.“

„Mr. Castelli“, begann sie wieder, doch er unterbrach sie erneut.

„Fred.“

„Na gut, dann eben Fred“, lenkte sie resigniert ein. „Ich wollte gerade bestellen und …“

Er nahm eine der Speisekarten und schlug sie auf. „Gut. Ich habe auch noch nicht gewählt. Vielleicht können Sie mir etwas empfehlen. Egal was, solange es kein Tofu enthält. Ich kann Tofu nämlich nicht ausstehen.“

Langsam wurde sie ärgerlich. War dieser Mann wirklich so dumm, oder ignorierte er absichtlich, was sie sagte? „Mr. Castelli …“

„Fred.“ Er zwinkerte ihr über die Speisekarte hinweg fröhlich zu. Es war wohl an der Zeit, Klartext zu reden.

„Fred, ich bin nicht in der Stimmung für Gesellschaft. Ich wäre Ihnen sehr verbunden, wenn Sie mich jetzt allein lassen würden.“

„Das glaube ich Ihnen nicht“, sagte er und legte die Speisekarte beiseite. „Niemand isst gern allein. Nehmen Sie mich zum Beispiel. Ich war eigentlich mit meiner Schwester Marlee verabredet. Sie ist ein wunderbarer Mensch, nur leider sehr chaotisch. Offensichtlich hat sie mal wieder vergessen, dass sie sich mit mir zum Abendessen treffen wollte. Und als ich gesehen habe, dass Sie wie ich auch allein sind, habe ich mir gedacht, warum sollen wir beide hier allein herumsitzen, wenn wir ebenso gut zusammen essen können?“ Unter dem intensiven Blick seiner himmelblauen Augen wurde ihr ganz warm. Plötzlich erschien ihr die hochgeschlossene Seidenbluse, die sie unter dem eleganten Kostüm trug, viel zu eng. Sie bekam kaum noch Luft.

„Sie missverstehen mich absichtlich. Ich habe doch gerade gesagt …“

„Haben Sie schon gewählt?“ Die Kellnerin war an ihren Tisch zurückgekehrt. Sie grinste, als sie von Fred zu Amanda und wieder zurück sah. „Ich sehe, Sie haben sich entschieden, doch zum Abendessen zu bleiben.“

„Ja, Amanda war so freundlich, mir zu erlauben, mich zu ihr zu setzten.“

Amanda hatte nichts dergleichen getan. Doch bevor sie widersprechen konnte, orderte er ein Bier vom Fass und Brathähnchen. Da sie noch keinen Blick in die Karte geworfen hatte, bestellte sie einfach das Gleiche, als die Kellnerin sie nach ihren Wünschen fragte.

Die Kellnerin nahm die Speisekarten und ging davon. Amanda schaute ein wenig irritiert drein. In Freds Gesicht spiegelte sich Belustigung.

„Ich habe gerade eingewilligt, mit Ihnen zu essen, nicht wahr?“, fragte sie und wusste selbst nicht, wie das hatte passieren können.

„Allerdings, das haben Sie“, bestätigte er.

Nun ja, es war schließlich nichts dabei, mit ihm zu Abend zu essen. Das war immerhin besser, als hier allein herumzusitzen und darüber nachzugrübeln, was zwischen ihr und Reid schief gelaufen war. Wie konnte sie Trübsal blasen, wenn ihr ein Mann mit einem derart lächerlichen Hemd gegenüber saß?

„Ein außergewöhnliches Hemd haben Sie da an.“

„Gefällt es Ihnen?“ Anscheinend glaubte er das wirklich. „Mein Neffe hat es für mich ausgesucht. Er ist vier. Er hat seinem Vater – meinem Bruder Clay – gesagt, dass es ihn an mich erinnert.“

„Ist das gut?“, fragte sie spöttisch.

„Aber natürlich ist das gut, Amanda.“

Seine Antwort erinnerte sie an etwas. „Sie haben mir immer noch nicht gesagt, woher Sie wissen, wie ich heiße.“

Er zögerte einen Augenblick zu lang, bevor er antwortete. „Einfach geraten. Sie sehen aus wie eine Amanda.“

„Und Sie sind ein schlechter Lügner.“

Er zuckte mit den Schultern. „Na gut. Ich habe gehört, dass Reid Sie so genannt hat.“

„Sie kennen Reid?“, fragte sie überrascht.

„Nun … äh … Ja, natürlich kenne ich ihn. Er und ich sind … Cousins. Sehr entfernte Cousins. Das ist vermutlich der Grund, warum er mich Ihnen gegenüber nie erwähnt hat.“ Sein Mund zuckte ein wenig, und er wandte den Blick ab. Es war offensichtlich, dass er log.

Allmählich dämmerte es Amanda. „Sie haben gelauscht“, rief sie empört.

„Nein, ich habe nicht gelauscht“, widersprach Fred schnell. „Das würde bedeuten, dass ich Ihr Gespräch mithören wollte. Aber so war es nicht. Ich habe versucht, nicht hinzuhören. Ich hätte mir sogar fast die Ohren zugehalten.“

„Ich kann es nicht fassen! Das war ein sehr persönliches Gespräch, ganz zu schweigen davon, dass es das demütigendste Ereignis meines Lebens war. Und Sie haben uns belauscht! Wie konnten Sie nur!“

„Ich habe Ihnen doch gesagt, dass ich nicht gelauscht habe. Und wenn es so ein persönliches Gespräch war, dann hätte Reid dafür einen anderen Ort wählen sollen als ein Restaurant.“ Fred strich sich übers Kinn. „Vermutlich hat er sich gedacht, dass es einfacher sein würde, die Verlobung an einem öffentlichen Ort zu lösen, weil Sie ihm dann keine Szene machen können.“

„Eine Szene?“ Amandas Stimme wurde lauter. „Ich habe in meinem ganzen Leben noch niemandem eine Szene gemacht.“

„Das hätte ich auch nicht von Ihnen erwartet. Ich habe überhaupt eine entschieden höhere Meinung von Ihnen als von Reid. Wenn Ihre Verlobung nicht bereits gelöst wäre, hätte ich Ihnen spätestens jetzt geraten, sie Ihrerseits zu lösen, denn dort, wo andere Männer ein Herz haben, hat Reid offenbar einen Eisklumpen.“

Amanda fühlte erneut Schmerz und Enttäuschung in sich aufsteigen. Seit sich Fred Castelli ungefragt an ihren Tisch gesetzt hatte, hatte sie Reid und ihre plötzliche Trennung beinahe vergessen. Jetzt wurde sie wieder daran erinnert, dass sie nächsten Monat nicht heiraten würde, dass ihre langjährige Beziehung zu Ende war.

„Er wirkte tatsächlich kalt und gleichgültig, nicht wahr?“, fragte sie nachdenklich.

Fred nickte. „Sie können froh sein, dass Sie ihn los sind.“

„Oh, kann ich das?“ Der stechende Schmerz verschwand, als sie sich wieder dieses unmöglichen Mannes in dem unmöglichen Hemd bewusst wurde, der sich nun auch noch erlaubte, ihr Ratschläge zu erteilen.

„Allerdings. Ich verstehe nur nicht, wieso Sie zehn Jahre gebraucht haben, um das herauszufinden.“

„Was herauszufinden?“

„Dass Sie froh sein können, dass Sie ihn los sind.“

„Aber ich habe doch gar nicht gesagt, dass ich froh bin. Das haben Sie gesagt.“

„Und ich habe recht.“ Er lächelte, und aus irgendeinem verrückten Grund hätte sie fast zurückgelächelt. Dabei sprach er abfällig über den Mann, den sie seit ewigen Zeiten kannte und liebte. Den Mann, der allerdings gerade ihre lang ersehnte Hochzeit abgesagt hatte.

Die Kellnerin brachte ihnen das Essen.

Fred probierte einen Bissen. „Nicht schlecht. Obwohl mir ein saftiger Hamburger lieber wäre.“

„Huhn ist aber viel gesünder“, erwiderte Amanda. Es gefiel ihr, ihn beim Essen zu beobachten. Fred Castelli sah wirklich gut aus. Er hatte ein ausgeprägtes Kinn, und seine tiefe Sonnenbräune ließ das Blau seiner Augen noch intensiver wirken.

„Ich wette, Reid isst keine Hamburger.“

„Reid ist Vegetarier.“

„Aha!“, rief er und zeigte triumphierend mit dem Messer in Amandas Richtung. „Ich habe immer schon gesagt, dass man Männern, die kein Fleisch essen, nicht trauen kann.“

Diesmal konnte sie ein Lächeln nicht unterdrücken. „Das hätte ich wohl auch schneller herausfinden sollen.“

„Zehn Jahre sind eine lange Zeit“, sagte Fred. „Wie alt waren Sie denn, als Sie sich zum ersten Mal mit dem Kerl verabredet haben? Neun?“

„Ich war sechzehn und im zweiten Jahr auf der High School.“ Sie war ein wenig entrüstet, weil er sie für einen Teenager hielt, bis sie das schelmische Blitzen in seinen Augen bemerkte. Den unglaublichsten blauen Augen, die sie je gesehen hatte. „Reid war der erste Junge, mit dem ich ausgegangen bin.“

„Aber Sie haben doch sicherlich noch andere Verehrer und Freunde gehabt“, bemerkte Fred, als ob das eine Selbstverständlichkeit wäre. Amanda schüttelte den Kopf, und er hörte auf zu essen. Er starrte sie an, als wäre sie eine Außerirdische. „Sie wollen doch nicht etwa sagen, dass Reid der einzige Mann ist, mit dem Sie jemals gegangen sind.“

„Er ist der einzige Mann, mit dem ich je gehen wollte.“

„Sie waren doch auf dem College oder nicht?“

„Ich habe an der Universität von Miami mein Diplom in Betriebswirtschaft gemacht“, antwortete sie nicht ohne Stolz.

„Eine Uni voller alleinstehender Männer. Sie müssen sich doch mit ein paar von denen verabredet haben.“

„Reid war auch an der Universität von Miami. Zu dieser Zeit sind wir bereits fest miteinander gegangen.“

Wie altmodisch und kindisch das plötzlich klang. Bisher hatte sie es nicht seltsam gefunden, dass Reid der einzige Mann in ihrem Leben war. Doch auf jemanden wie Fred musste das wohl absolut exotisch wirken. Er wechselte seine Frauen wahrscheinlich ebenso häufig wie seine Hemden.

„Ich bin eben nicht so wie andere Frauen“, erklärte sie, ohne zu wissen, warum sie ihm überhaupt etwas zu erklären versuchte. „Nachdem ich einmal wusste, was ich wollte, habe ich aufgehört, weiter zu suchen.“

„Aber woher wissen Sie, was Sie wollen, wenn Sie nicht Verschiedenes probiert haben?“, fragte Fred. „Nehmen Sie zum Beispiel Schokolade. Nehmen wir an, Sie schmecken zum ersten Mal im Leben Zartbitterschokolade. Wahrscheinlich fänden Sie sie köstlich. Angenommen Sie wären dann abenteuerlustig und würden ein Stück Milchschokolade probieren. Die Milchschokolade schmilzt förmlich in Ihrem Mund. Im direkten Vergleich schmeckt sie viel besser als Zartbitterschokolade. Und schließlich stellen Sie sich vor, Sie würden feinste Trüffelpralinen probieren. Cremiger, zarter und köstlicher als alles, was Sie je zuvor gekostet haben. Was wollen Sie dann?“

Irgendwie klang seine verrückte Erklärung tatsächlich sinnvoll. Wenn man sich die Mühe machte, Männer mit Schokolade zu vergleichen … Amanda suchte nach einem Gegenargument.

„Nicht jeder mag Milchschokolade lieber als Zartbitter“, widersprach sie triumphierend.

„Aber das sage ich ja gerade.“ Er gestikulierte wild mit der Gabel vor ihrem Gesicht. „Wenn man nicht beides probiert, wird man nie wissen, was man lieber mag.“

„Das ist ja lächerlich“, murmelte Amanda. Noch nie hatte sie eine absurdere Unterhaltung geführt. Sie nahm einen Schluck Bier und verzog ihr Gesicht.

Fred schmunzelte. „Wenn Sie kein Bier mögen, warum bestellen Sie es dann?“

„Jetzt werden Sie wohl als Nächstes Reid mit bitterem Bier vergleichen, nicht wahr?“

Er lachte noch mehr. Um seine Augen herum bildeten sich lustige Fältchen. „Das haben aber jetzt Sie gesagt, nicht ich.“

„Das war nur ein Witz“, sagte sie ernst.

„Na gut, lassen wir das. Eine einfache Frage ohne Hintergedanken. Was machen Sie mit Ihrem Diplom in Betriebswirtschaft beruflich?“

Sie musterte ihn einen Augenblick misstrauisch. „Ich bin Systemanalytikerin.“

Er sah sie hilflos an. „Entschuldigen Sie, aber ich habe keine Ahnung, was das bedeutet.“

„Es bedeutet, dass ich mit Computern arbeite. In der Hauptsache ist es meine Aufgabe, bestehende Computerprogramme in Unternehmen zu optimieren.“

„Dann sind Sie so etwas wie eine Computermechanikerin?“

„Nein.“ Amanda schüttelte den Kopf. „Vielleicht verstehen Sie es besser, wenn ich Ihnen erkläre, was ich im Moment mache. Das Unternehmen, für das ich arbeite, hat ein neues Computersystem für die Fort Lauderdale Times entwickelt. Ich gehöre zu dem Team, das das System zum Laufen bringt. Und wir erklären den Mitarbeitern der Zeitung auch, wie man es benutzt.“

„Und dieser Job beansprucht zu viel von Ihrer Zeit?“

„Keineswegs.“ Ihre Empörung galt zum Teil Reid, der diesen Vorwurf erhoben hatte, und zum Teil Fred, der dies mitgehört hatte. „Ich arbeite selten mehr als neun Stunden am Tag. Das ist ja wohl nicht übermäßig viel, besonders, wenn man bedenkt, dass ich normalerweise mittags eine Pause mache.“

„Dann ist es wohl doch Ihre Mutter, die zu viel von Ihrer Zeit für sich veranschlagt?“

„Das tut sie überhaupt nicht.“ Amanda klang gekränkt, obwohl Reids Bemerkung in diesem Punkt nicht ganz falsch war. Sie telefonierte täglich mit ihrer Mutter und besuchte sie häufig, besonders in der letzten Zeit, weil ihre Mutter ihr bei den Hochzeitsvorbereitungen geholfen hatte.

„Reid sieht das wohl anders.“

„Seit wann sind Sie auf Reids Seite?“

„Lassen Sie mich eins klarstellen.“ Das schelmische Blitzen in seinen Augen war verschwunden, und er sah sie fest an. „Ich wäre nicht einmal auf Reids Seite, wenn wir im gleichen Team um den Stanley Cup spielen würden.“

„Was ist der Stanley Cup?“

„Das ist so etwas wie die Weltmeisterschaft im Eishockey.“ Er grinste. „Sie wissen nicht viel über Sport, oder?“

„Ich habe keine Zeit dafür.“

„Vielleicht deshalb, weil Sie zu viel Zeit mit Ihrer Mutter verbringen.“

„Das können Sie nicht verstehen“, erwiderte sie nachdenklich.

„Warum nicht?“

„Sie sind kein Einzelkind. Sie haben einen Bruder und eine Schwester. Ihre Familie versammelt sich bestimmt regelmäßig bei Ihren Eltern zum Abendessen.“

„Meine Mutter ist tot“, sagte Fred leise. In Amandas Augen spiegelte sich Mitgefühl.

„Es tut mir leid. Das war sehr unsensibel von mir.“ Ohne zu wissen warum, begann Amanda, ihm ihre Familiengeschichte anzuvertrauen. „Mein Vater ist auch tot. Er starb bei einem Autounfall, als ich noch ein Baby war. Deshalb sorge ich mich so sehr um meine Mutter. Ich gebe es nur ungern zu, aber sie wäre besser dran, wenn sie wieder geheiratet hätte. Sie ist so unselbstständig, und ich bin die Einzige, die da ist, um sich um sie zu kümmern. Aber möglicherweise ist es Vererbung, dass es für uns Baldwin-Frauen nur eine große Liebe gibt. Nach dem Tod meines Vaters ist meine Mutter mit keinem Mann mehr ausgegangen.“

„Haben Sie mal versucht, sie zu verkuppeln?“

Autor

Darlene Gardner
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