Laptop oder Liebe?

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Teamgeist? Nichts für Austin Bennett. Beim Managertraining auf einer Ranch in North Dakota weigert sich der Jungunternehmer standhaft, seinen Laptop gegen ein Lasso zu tauschen. Bis er die Reize von Seminarleiterin Kacy entdeckt und bereit ist, alles zu tun, um ihr Herz zu gewinnen. Denn nur die Liebe zählt ...


  • Erscheinungstag 02.12.2017
  • ISBN / Artikelnummer 9783733754419
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

„Oje, Sie haben sich nicht durchgesetzt?“

Austin Bennett stürmte an seiner Sekretärin vorbei. „Es wurde sechs zu eins für die Ranch gestimmt.“

„Ach!“ Jean folgte ihm betroffen. „Nicht einmal Henry war auf Ihrer Seite?“

Austin ließ sich in den Ledersessel sinken. Nein, auch sein Vater hatte sich gegen ihn entschieden. Allerdings hatte Austin auch nicht mit Unterstützung von dieser Seite gerechnet. Den Aufstieg in der Firma seines Vaters verdankte er keineswegs, weil er „der Sohn vom Chef“, war. Nein, er hatte in den zehn Jahren bei Bennett Industries stets das Gefühl gehabt, beweisen zu müssen, dass er zu etwas taugte.

Seit einiger Zeit war es besonders schlimm. Sogar Mitarbeiter, die er persönlich ausgesucht hatte, waren plötzlich gegen ihn und für seinen Vater. Allerdings war das kein Wunder. Austin war noch nie gut mit anderen ausgekommen. Schon seine Mutter hatte erzählt, wie er bereits am ersten Tag im Kindergarten für Ärger sorgte, indem er einem anderen Kind ein Spielzeug wegnahm.

Jene Erfahrung hatte Austin gelehrt, dass es die meisten Menschen nicht gern sahen, wenn sich jemand nahm, was er haben wollte. Und er nahm sich alles mit jener Zielstrebigkeit, die er von seinem Vater gelernt hatte. Gerade deshalb hatten sie beide ja auch ständig Probleme miteinander. Sie waren einander zu ähnlich.

Genau wie sein Vater hatte Austin in der Möbelfirma ganz unten angefangen, obwohl er ein Studium als Betriebswirt hinter sich hatte. Bei einem Chef wie Henry Bennett war es schwer gewesen, sich durchzusetzen, aber Austin hatte es geschafft. Dabei war er bestimmt etlichen Leuten auf die Zehen getreten, doch für Erfolg hatte er alles getan.

Und die Firma war finanziell erfolgreich. Austin verstand es vielleicht nicht, gut mit Menschen umzugehen, doch finanziell kannte er sich hervorragend aus. Die Leute mochten über die lange Arbeitszeit und die hohen Anforderungen am Arbeitsplatz schimpfen, beschwerten sich aber nie über die Bezahlung.

Sogar Austins Vater hatte seine Fähigkeit anerkannt, Gewinn zu erzielen. Die Spezialisierung im Warenangebot hatte die Gewinne hochgetrieben. Mittlerweile gab es nicht nur eine Fabrik am Rand von Chicago, sondern fünf, die im ganzen Mittleren Westen verstreut waren.

Die Mitarbeiter von Bennett Industries erhielten zusätzlich zum Lohn Gewinnanteile, und die Firma gehörte zu den erfolgreichsten des Landes. Allerdings gab es einen so häufigen Wechsel bei der Belegschaft, dass die Firmenführung das nicht länger hinnehmen wollte. Dieses Problem sollte ein Seminar lösen, in dem Bennett-Mitarbeitern beigebracht wurde, sich als Team zu verstehen.

Austin hatte sich mit Händen und Füßen dagegen gesträubt, doch heute war er überstimmt worden. Als er behauptete, gar nicht an dem Seminar teilnehmen zu können, hatte sein Vater sofort erklärt, dass ihm keine andere Wahl blieb.

Austin blickte durch die Fensterfront auf die Innenstadt von Chicago. Es spielte keine Rolle, dass er nominell der Generaldirektor war. Sein Vater leitete letztlich Bennett Industries. Darum kam er nicht herum.

„Alberner Einfall“, bemerkte er.

„Vielleicht gar nicht so schlecht, wie Sie denken“, meinte Jean tröstend.

„Ich sehe ja noch ein, dass es einen Sinn hat, Mitarbeiter einen Urlaub zu spendieren, damit sie mal aus dem Büro rauskommen“, erklärte er und blickte dabei unverwandt aus dem Fenster. „Aber warum sollen sie nicht auf den Cayman Islands Cocktails schlürfen, sondern stattdessen in North Dakota Cowboy spielen? Waren Sie schon mal in North Dakota, Jean?“

„Nein“, erwiderte seine Sekretärin, „aber ich habe gehört, dass es dort sehr schön sein soll.“

„Wenn man endlose Wiesen und flaches Land mag. Als Kind habe ich mit meiner Tante und meinem Onkel Cousins in Montana besucht – sechs Leute mit Gepäck in einem Kombi.“ Er lachte spöttisch. „Wir waren stundenlang unterwegs und haben nichts gesehen außer einigen Getreidesilos und etlichen Holzhäusern.“

„Vielleicht kam Ihnen das nur so vor, weil Sie noch ein Kind waren, und außerdem ist das schon lange her. Seither hat sich bestimmt einiges geändert. Erst unlängst habe ich gelesen, dass das hohe Präriegras fast völlig verschwunden ist.“

„Na ja, das Gras ist vielleicht nicht mehr da, aber die Ebene hat sich wohl kaum verändert.“

„Zumindest wird es ruhig und friedlich zugehen, und laut Prospekt ist die Unterkunft recht hübsch“, meinte Jean optimistisch. „Die Triple-J-Ranch genießt einen ausgezeichneten Ruf. Sie haben doch über das neue Programm gelesen, das sie veranstalten, oder?“

„Ja, aber George Harbison leider auch. Deshalb hat er ja den Vorschlag gemacht. Er meint, dass wir eine Stärkung des Teamgeistes brauchen. Was soll schon Gutes dabei herauskommen, wenn man sich in der Wildnis abschuftet?“

Jean fiel es schwer, ernst zu bleiben. „Fünf Tage mit eigenem Zimmer und Whirlpool kommen mir nicht allzu schlimm vor.“

„Jean, das ist eine Ranch und kein Hotel! Und was hilft es uns in der heutigen Geschäftswelt, wenn wir so tun, als wären wir Cowboys?“

„In dem Prospekt war die Rede von experimentellem Lernen, mit anderen in riskanten Situationen zusammen zu arbeiten und dabei gleichzeitig mehr über sich selbst zu erfahren.“

Austin schüttelte bloß den Kopf. „Wir brauchen Strategien für unser Management und nicht diesen gefühlsduseligen Mist. Wenn Sie mich fragen, werfen wir nur Geld zum Fenster hinaus. Wieso sieht das bloß keiner ein?“

„Das Geld ist bestimmt nicht verschwendet. Haben Sie nicht den Abschnitt über die Geld-Zurück-Garantie gelesen? Wenn die Kunden mit den Ergebnissen nicht zufrieden sind, werden die Kosten erstattet.“

„Zeit kann man nicht erstatten. Ich verliere eine ganze Woche, und ich finde es auch nicht richtig, dass gleichzeitig fünfzehn unserer wichtigsten Leute nicht in der Firma sind.“

„Als alle letzten Winter bei der Messe in Phoenix waren, haben Sie darin kein Problem gesehen“, hielt Jean ihm vor.

„Das war etwas anderes.“ Er lockerte die Krawatte und öffnete den obersten Hemdknopf. „Zum Glück gibt es Laptops und Faxgeräte. Dann bleibe ich wenigstens über Internet am Ball.“

„Aber geht es denn bei diesem Programm nicht gerade darum, eine Weile nichts mit Telefonen, Computern und Faxgeräten zu tun zu haben? Sie sollen keine Arbeit mitnehmen.“

„Jean, ohne Laptop mache ich keinen Schritt, und das wissen Sie. Ist Ihnen klar, wie ich mich ohne Arbeit langweilen würde?“

„Auf der Triple-J erwartet Sie ein volles Programm.“

„Diesen Cowboyunfug mache ich nicht mit“, wehrte er ab. „Wenn ich beweisen muss, dass ich zum Team gehöre, indem ich auf ein Pferd klettere – meinetwegen! Aber während die anderen Zäune flicken und Vieh einfangen, ziehe ich mich mit meinem Laptop aufs Zimmer zurück.“

„Sie sollen dem alltäglichen Stress entfliehen“, mahnte die Sekretärin.

„Arbeit ist für mich kein Stress, Jean. Den verursachen mir nur Menschen, und die muss ich leider mitnehmen.“

„Na, dann hoffen wir, dass Sie hinterher diese Menschen besser verstehen werden.“

Seufzend lehnte er sich im Sessel zurück. „Sie halten diese Geschichte auch für eine gute Idee?“

„Es steht mir nicht zu, Ihnen Ratschläge zu erteilen, Austin, aber ich bin nun schon vierzig Jahre in der Firma, und ich habe nie jemanden erlebt, der so viel arbeitet wie Sie. Genießen Sie doch die Zeit, die Sie nicht im Büro verbringen!“

„Ich wäre aber lieber hier.“

„Sie können nicht an sieben Tagen in der Woche rund um die Uhr arbeiten“, hielt sie ihm behutsam vor. „Jeder braucht mal eine Pause. Sie erholen sich fast nie. Seit vier Jahren hatten Sie keinen Urlaub mehr, und behaupten Sie jetzt nicht, der Flug nach Hongkong mit diesem Model wäre ein Urlaub gewesen. Ihnen ging es in der Hauptsache um den Vertrag mit den Stofflieferanten.“

„Ich war letzten Monat auf Jamaika.“

„Geschäftlich.“

„Und im April in London.“

„Geschäftlich. Austin, entspannen Sie sich. Nach der Schulung sollten Sie sich einige Tage frei nehmen und Ihre Verwandten in Montana besuchen, Arbeit und alles hier vergessen und ganz Sie selbst sein.“

„Ohne Arbeit kann ich gar nicht existieren“, wandte er ein.

„Dann sollten Sie es endlich lernen. Wäre es nicht nett, diese Reise aus Ihrer Kindheit zu wiederholen? Ihre Verwandten würden Sie bestimmt auch gern wiedersehen.“

„Ich war seit über zwanzig Jahren nicht bei ihnen“, entgegnete er seufzend. „Vielleicht leben sie nicht mal mehr in Montana.“

„Soll ich das nachprüfen?“

„Nein. Allein diese Woche auf der Ranch ist schon zu viel.“

Die Sekretärin stützte sich auf den Schreibtisch. „Sie arbeiten zu hart.“ Seit dem Tod seiner Mutter hatte Jean schon oft diesen besorgten und liebevollen Ton angeschlagen. „Ich rechne ständig damit, dass Sie zusammenbrechen. Warum soll ich mich nicht nach Ihren Verwandten erkundigen? Wenn Sie dann nach der Woche auf der Ranch Lust haben, könnten Sie hinfahren.“

„Na schön, besorgen Sie mir die Telefonnummer“, lenkte er ein und griff nach dem Terminkalender. „Was den Zeitpunkt des Fluges angeht …“

„Die Maschine startet am Sonntagnachmittag um halb zwei.“

„So früh will ich aber nicht fliegen.“

„Die Gruppe soll geschlossen ankommen“, ermahnte sie ihn.

„Auf einige Stunden kommt es ja wohl nicht an.“

„Trotzdem! Sie müssen als Team auftreten, wenn Sie Erfolg haben wollen.“

„Wann hatte ich jemals keinen Erfolg?“, hielt er ihr amüsiert vor. „Buchen Sie für mich den letzten Flug.“

Bevor Jean einen Einwand erheben konnte, flog die Tür auf. Es gab nur einen Menschen, der es wagte, nicht anzuklopfen, und das war Daphne Delattre. Das Model achtete nicht auf Jean, schwebte perfekt frisiert und geschminkt auf Austin zu und hauchte ihm einen Kuss auf die Wange.

Jean beherrschte sich, verzog keine Miene, grüßte höflich und ließ Austin mit dem Model allein, warf jedoch der jungen Frau im Hinausgehen einen missbilligenden Blick zu. Seit sein Vater ihn mit Daphne Delattre bekannt gemacht hatte, hielt Jean es für ihre Pflicht, ihn vor den Gefahren zu warnen, die eine solche Frau darstellte.

Austin hatte seiner Sekretärin bereits mehrfach versichert, dass sein Vater und nicht er selbst diese Gefährtin ausgesucht hatte, doch Jean glaubte ihm offenbar nicht.

„Warum machst du ein so finsteres Gesicht?“ Daphne setzte sich auf die Schreibtischkante und zeigte dabei bewusst viel Bein. „Freust du dich nicht, mich zu sehen?“

„Ich mache kein finsteres Gesicht“, widersprach Austin. „Bei der Arbeit sehe ich immer so aus.“

„Dann solltest du zu arbeiten aufhören und mit mir zum Mittagessen gehen.“

„Ausgeschlossen.“ Er achtete bewusst nicht auf ihr Bein, sondern nur auf den Terminkalender. „Ich bin total verplant.“

„Du musst doch wenigstens eine Stunde freihaben.“

„Im Büro habe ich nie frei.“ Seufzend fasste er sich in den Nacken und massierte die verkrampften Sehnen.

Daphne glitt vom Schreibtisch und trat hinter ihn. „Lass mich das machen.“

Dagegen hatte er nichts einzuwenden. „Du hast den falschen Beruf gewählt. Du hättest Masseurin werden sollen.“

„Unfug“, wehrte sie ab. „Verrätst du mir, wieso du so verkrampft bist?“

„Nein.“

„Du brauchst Urlaub“, stellte Daphne fest.

„Du redest schon wie Jean.“

„Dann bin ich ausnahmsweise mal mit ihr einer Meinung. Du musst raus aus dem Büro.“

„Es wird dich freuen, dass es genau dazu kommt.“

„Dann machst du also Urlaub?“, fragte Daphne hoffnungsvoll.

„Nein, eine Geschäftsreise“, erwiderte er und lachte leise.

„Und wann? Ich könnte dich vielleicht begleiten.“

Austin seufzte. „Das klappt nicht.“

„Willst du mich nicht dabeihaben?“, erkundigte sie sich und hörte auf, ihn zu massieren. Dabei bebte ihre Stimme leicht, was Austin mittlerweile ziemlich vertraut war.

Daphne setzte weibliche Listen ein. Anfangs hatte ihn das amüsiert, doch seit einiger Zeit ärgerte er sich darüber. Spielchen bedeuteten für ihn stets das Ende einer Beziehung.

Der Aufenthalt auf der Ranch in North Dakota sorgte wenigstens für einen gewissen Abstand zwischen ihm und Daphne, die seit einiger Zeit die Beziehung ernster nahm, als sie war. Und sein Vater unterstützte sie auch noch darin. Dabei war Austin gar nicht bereit, sich an eine Frau zu binden, mochten sein Vater und Daphne auch noch so wild entschlossen sein, ihn vor den Traualtar zu schleifen.

Er seufzte. Vielleicht war es ja doch gar nicht so schlecht, für eine Woche aus Chicago zu verschwinden.

Kathleen Charlotte Judd, von allen liebevoll Kacy genannt, war alles andere als starrsinnig, obwohl das in der Familie lag. Ihr Großvater, ihr Vater und ihre beiden Brüder waren stur wie Maultiere. Zum Glück hatte Kacy mehr von der mütterlichen Seite geerbt. Manchmal war sie eigenwillig, doch die Leute in Cavalier kannten sie grundsätzlich als reizenden Menschen.

Ihre Freundlichkeit war geradezu sprichwörtlich, und sie hielt auch Druck sehr gut aus. Dazu kam, dass sie gern mit Menschen arbeitete. Deshalb leitete sie auch die Öffentlichkeitsarbeit der Triple-J-Ranch.

Heute war Kacy jedoch nicht nach Freundlichkeit zu Mute. Es regnete seit sechs Tagen, und wenn nicht bald die Sonne schien, drehte sie durch. Die Bäche waren angeschwollen, der Erdboden war aufgeweicht, und fünfzehn Leute sollten die nächsten vier Tage auf der Ranch mit harter Arbeit im Freien verbringen.

Genau auf dieser Ranch war Kacy aufgewachsen. Sie war mit der Arbeit im Regen, bei Schneefall, Hagel und Eis vertraut. Die Gäste der Triple-J kamen jedoch aus der Großstadt, und wenn es nicht zu regnen aufhörte, drohte eine Katastrophe.

Wegen der Nässe wurde das Begrüßungsessen im Speisezimmer und nicht im Freien an einem Lagerfeuer serviert. Alle Mitarbeiter der Triple-J trugen Westernkleidung, auch Kacy und ihre Schwester Suzy, die sich für einen langen Jeansrock und eine mit Fransen verzierte Lederweste entschieden hatte.

„Jemand muss nach Grand Forks“, sagte ihr Bruder Dusty während des Essens, „und den letzten Gast abholen.“

„Welchen letzten Gast?“, erkundigte sich Kacy.

„Den, der erst um halb zehn eintrifft“, entgegnete Dusty.

„Dann sind das hier nicht alle?“, fragte Kacy und betrachtete die Leute im Esszimmer.

„Nein, einer kommt noch, und jemand muss ihn vom Flughafen holen.“

Kacy legte das Besteck aus den Händen. „Seit wann unternehmen wir für eine einzelne Person eine Sonderfahrt?“

„Es handelt sich um den Generaldirektor Mr. Austin Bennett höchstpersönlich.“

„Du hättest ihm sagen sollen, dass er sich einen Leihwagen nehmen und allein herkommen soll“, meinte Kacy.

„Das hat Dad auch gemeint“, stellte Dusty fest.

„Ausnahmsweise gebe ich Dad recht.“

„Ach, komm schon, Kacy“, meinte er. „Du behauptest doch immer, dass man flexibel sein muss.“

„Tut mir leid, Dusty“, entgegnete sie, „aber heute fühle ich mich eben nicht flexibel.“

„Kacy, es war kein guter Tag für dich wegen dieses Briefes“, meinte Dusty mitfühlend. „Aber das kannst du wirklich nicht diesen Großstadtmenschen vorwerfen.“

Das stimmte, doch der Abschiedsbrief gab ihr gewissermaßen das Recht, sich heute nicht ganz vernünftig zu verhalten. „Wie Großmutter schon sagte, vergeht kein Tag, an dem nicht ein Judd Krach mit jemandem bekommt.“

Dusty seufzte. „Dad hätte dich nie nach New York gehen lassen dürfen.“

Ihr Vater hatte sie sogar dazu gedrängt. Von klein auf hatte sie von dem aufregenden Leben in der Großstadt geträumt, und nach dem Collegeabschluss in Kunstgeschichte hatte sie sich den Traum erfüllt und eine Stelle in einer Kunstgalerie angenommen.

Schon bald fand sie heraus, dass die Wirklichkeit nicht ihren Vorstellungen entsprach. Enttäuscht von den Lichtern der Großstadt, sehnte sie sich zurück zu den Pferden und dem offenen Land von North Dakota. Nach drei Jahren packte sie ihre Sachen und kehrte heim. Bedauerlich daran war nur, dass sie auch den Mann verlassen musste, den sie liebte.

Sie hatte zumindest gedacht, Steven Delancey zu lieben. Jetzt wusste sie es besser. Sie hätte die Beziehung schon beenden sollen, als sie ihm eröffnete, dass sie kündigte und nach North Dakota zurückkehrte.

Er hatte nicht versucht, sie umzustimmen. Für ihn als aufstrebenden Anwalt stand die Arbeit an erster Stelle. Frau und Kinder würden für ihn nie so wichtig sein wie der Beruf.

Ein solches Leben wünschte Kacy sich nicht. Sie sehnte sich nach einer eigenen Familie, was auf Steven vielleicht gar nicht zutraf.

Vor einem halben Jahr hatte sie sich noch nicht eingestanden, dass es aus war. Dabei hatte die Beziehung nur so lange gehalten, weil sie daran gearbeitet hatte. Steven hatte sich nicht darum bemüht. Deshalb ärgerte sie sich auch dermaßen über den Abschiedsbrief. Er gab ihr den Laufpass, obwohl sie die ganze Mühe auf sich genommen hatte.

In New York war Kacy nicht glücklich gewesen, und das lag nicht nur an Steven. Sie brauchte die freie Natur. Frische Luft, der Geruch von Leder, der Anblick von Rindern auf der Weide und die endlosen Weiten – das war ihre Welt. Ein Kerl in Jeans und Stiefeln war ihr lieber als ein Mann im Anzug.

„Hat denn keiner diesem geschniegelten Typen erklärt, dass es bei uns um Teamarbeit geht?“, fragte sie verärgert. „Soll er sich doch einen Wagen mieten und selbst herkommen.“

„Kacy, sei vernünftig.“

„Das heißt, ich soll ihn abholen“, stellte sie trocken fest.

„Immer noch besser, als Gedichte am Lagerfeuer aufzusagen.“

„Für ein Lagerfeuer ist es ohnedies zu feucht“, wehrte sie ab.

„Dann eben Gedichte am Kamin zu rezitieren.“ Dusty lächelte aufmunternd. „Du verpasst bloß die Einführung ins Seminar.“

Natürlich stimmte das alles. Kacy war für die Öffentlichkeitsarbeit auf der Triple-J und somit auch für die Bequemlichkeit der Gäste zuständig. Darüber hinaus erteilte sie Reitunterricht.

„Mach es“, drängte Dusty.

„Na schön“, lenkte sie ein, „aber ich nehme nicht den großen Van, sondern meinen Pick-up.“

„Du kannst keinen Generaldirektor in deinem alten schäbigen Pick-up abholen!“

Es gefiel Kacy gar nicht, wenn jemand Bertha alt oder schäbig nannte. „Soll ich ihn nun abholen oder nicht?“

Dusty reichte ihr ein weißes Schild mit der Aufschrift „Triple-J-Ranch“. „Das brauchst du wahrscheinlich nicht, aber nimm es lieber mit.“

„Du kannst froh sein, dass ich dermaßen pflichtbewusst bin“, hielt sie ihrem Bruder vor, griff nach dem Schild und ihrer Regenjacke und verließ den Raum.

Unterwegs begann es zu regnen, und es schüttete, als sie vor dem Flughafen in der Ladezone hielt und nach einem Großstadtmenschen Ausschau hielt. Weit und breit war jedoch niemand zu sehen.

Drei Jahre hatte sie viel Zeit auf Flughäfen verbracht, um Kunstwerke für die Galerie zu erstehen, Ausstellungen zu arrangieren und Künstler aufzusuchen. Damit war es nun vorbei. Sie hatte mit dem Leben in der Großstadt abgeschlossen. Jetzt war nur die Ranch ihrer Familie wichtig.

Da Kacy nicht unbegrenzt in der Ladezone stehen konnte, fuhr sie auf den Parkplatz, schlüpfte in die Regenjacke und verwünschte den Kerl, der sie in den strömenden Regen trieb. Mit dem Schild der Triple-J-Ranch in der Hand, lief sie zum Eingang.

Drinnen entdeckte sie nur zwei Mitarbeiter der Fluglinie. In dem kleinen Warteraum sah sie schließlich einen Mann. Er wandte ihr den Rücken zu und telefonierte. Anzug und Aktenkoffer. Das musste Austin Bennett sein, der Generaldirektor von Bennett Industries.

„Natürlich liegt mir etwas an dir, Daphne“, sagte er soeben.

Kacy blieb stehen.

„Es geht doch nicht um meine Gefühle für dich. Bitte, Daphne, nicht weinen. Glaubst du, ich möchte eine Woche mit diesen Hinterwäldlern verbringen, die ständig ‚yahoo‘ statt ‚guten Tag‘ sagen? Daphne? Daphne! Verdammt“, murmelte er und legte auf.

Noch bevor sie das Gesicht des Mannes gesehen oder mit ihm gesprochen hatte, wusste Kacy bereits, dass sie ihn nicht mochte. Schon jetzt hatte er alle ihre Vorbehalte gegen Karrieretypen aus der Großstadt bestätigt.

Er trug keine Ringe, aber eine goldene Armbanduhr, die bestimmt wie die feinen italienischen Schuhe und der Anzug teuer gewesen war. Und wie er roch! Das war kein billiges After Shave. Nein, der Mann hatte Geld, und er roch gut. Viel zu gut, wie Kacy sich nur widerstrebend eingestand. Einem solchen Mann ging sie besser aus dem Weg, obwohl sie vermutlich nicht fürchten musste, dass Mr. Bennett sie mit seinem Charme bezaubern wollte.

Er drehte sich ruckartig um, entdeckte sie und zuckte nicht einmal mit der Wimper. Offenbar war es ihm nicht peinlich, dass sie das Gespräch belauscht hatte.

„Yahoo“, sagte sie und hielt ihm das Schild der Triple-J vor die Nase.

Er richtete die blauen Augen auf sie und musterte sie vom Scheitel bis zur Sohle. Kacy war froh, dass er wegen der Regenjacke den Schlitz in ihrem Rock nicht sehen konnte. Bestimmt hätte er sonst auf ihr Bein gestarrt. Im Alter von sechsundzwanzig Jahren wusste sie genau, was sie von einem Mann zu halten hatte.

So gern sie ihn auch ignoriert hätte, streckte sie ihm doch die Hand hin. „Sie sind sicher Mr. Bennett. Ich bin Kacy Judd. Willkommen in North Dakota.“

Er drückte ihr die Hand und sah sie so eingehend an, dass sich ihr sämtliche roten gelockten Haare unter dem Hut sträubten. Zum Glück zog er die Hand sehr schnell zurück.

„Wo ist Ihr Gepäck?“, fragte sie.

„Verschwunden“, entgegnete er. „Vermutlich wurde es in Minneapolis in die falsche Maschine geladen.“

„Wie schade.“ Geschah ihm recht. „Kein Problem. Bestimmt wird es von der Fluglinie zur Ranch geliefert, sobald es hier eintrifft. Bis dahin können Sie sich im Westernshop der Triple-J-Ranch versorgen.“

Während sie den Flughafen verließen, machte er ein Gesicht, als wollte er lieber nichts anziehen, was aus einem Westernshop stammte. Bisher hatte er noch kein einziges freundliches Wort verloren. Die lange Rückfahrt zur Ranch konnte ja heiter werden. Der Mann wollte eindeutig alles andere als hier sein.

Über den Entschluss ihres Vaters, die Ranch in ein Konferenz- und Trainingszentrum für Geschäftsleute zu verwandeln, hatte Kacy nur schallend gelacht. Einer ihrer Brüder hatte zwar ein Diplom in Wirtschaftswissenschaften und der andere in Psychologie, aber von Öffentlichkeitsarbeit verstanden beide nichts. Deshalb war ihre Mitarbeit so wichtig. Nach drei Jahren Arbeit in New York und Kämpfen mit den schwierigsten Leuten, die man sich vorstellen konnte, war sie für diese Aufgabe ideal.

Diesmal stand ihr allerdings ein besonderes Problem bevor. Austin Bennett stellte eine Herausforderung dar. Kacy hätte ihm zwar aus dem Weg gehen können, doch sie liebte Herausforderungen.

Sie nahm sich vor, diesen geschniegelten Großstadttyp sehr schnell dazu zu bringen, genau wie die Hinterwälder „yahoo“ und nicht „guten Tag“ zu sagen.

2. KAPITEL

„Sie haben vermutlich keinen Schirm bei sich, oder?“ Kacy zeigte auf Austin Bennetts Aktenkoffer. „Es schüttet.“

Das war nach Austins Ansicht stark untertrieben. Die Straße vor dem Flughafengebäude ähnelte einem Fluss. „Beim Abflug in Chicago hat es nicht geregnet.“

„Also haben Sie keinen Schirm.“

„Bei Ihren Preisen, Miss Judd, kann man erwarten, dass den Gästen Schirme zur Verfügung gestellt werden.“ Austin wollte zwar nicht unfreundlich sein, aber der tadelnde Ton dieser Frau fehlte ihm gerade noch, und nach dem Gespräch mit Daphne hatte er keine Lust, sich mit Frauen herumzuärgern, schon gar nicht mit dieser hier in Cowboystiefeln, mit einem Cowboyhut auf dem Kopf und in einer gelben Regenjacke, die einem zweihundert Pfund schweren Feuerwehrmann gepasst hätte.

„Natürlich stellen wir unseren Gästen Regenschirme zur Verfügung, Mr. Bennett. Alle Ihre Mitarbeiter, die pünktlich eintrafen, wurden mit Regenschirmen zu den bequemen Vans geführt.“

„Sind Sie vielleicht nicht in einem bequemen Van hier?“

„Nein. Ich fahre den orangefarbenen Pick-up dort vorne in der ersten Reihe.“

Er warf einen Blick auf den Parkplatz. Das kurze Stück bis zum Auto würde ausreichen, dass er bis auf die Knochen nass wurde. „Vielleicht sollte ich eine Weile warten.“

„Sie wollen Ihren eleganten Anzug nicht nass machen“, stellte sie verständnisvoll fest. „Gut, bleiben Sie hier. Ich fahre den Wagen vor.“

„Nicht nötig, ich begleite Sie, obwohl ich nicht verstehe, warum wir nicht warten, bis der Regen nachlässt.“

„Ist doch nur Wasser“, meinte sie. „Mir soll es recht sein, wenn Sie warten wollen. Allerdings kann niemand vorhersagen, wie lange es noch regnen wird, und je länger wir hier bleiben, desto weniger Zeit können Sie auf der Ranch mit Ihren Mitarbeitern verbringen.“

„Meine Mitarbeiter kommen heute Abend bestimmt sehr gut ohne mich aus“, erwiderte er ungerührt.

„Möglich, aber wir haben eine lange Fahrt vor uns, Mr. Bennett, und es ist schon spät. Also, warten Sie hier, während ich den Wagen hole.“

„Ich lasse mich nicht von Ihnen am Eingang abholen!“, wehrte er entschieden ab.

„Warum nicht?“

„Darum nicht.“ Ungeduldig holte er eine Zeitung aus dem Aktenkoffer, um sie als Regenschutz zu benutzen.

Autor

Pamela Bauer
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