Lass diese Liebe niemals enden!

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"Komm mit mir nach Paris." Es ist ein verführerisches Angebot, das der attraktive Milliardär Jake McCallan ihr macht, und Avery sagt Ja. In der romantischsten Stadt der Welt will sie endlich herausfinden, wie tief Jakes Gefühle hinter all seinem Geld für sie sind. Liebt er sie so wie sie ihn? Doch was sie entdeckt, verschreckt sie: Kühle Entscheidungen sind für ihn das Wichtigste! Ihr Entschluss steht fest: Sowie der Flieger wieder amerikanischen Boden berührt, wird sie Jake verlassen. Auch wenn es ihr das Herz bricht …


  • Erscheinungstag 09.04.2019
  • Bandnummer 82019
  • ISBN / Artikelnummer 9783733712129
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Jacob McCallan schritt durch den stillen Korridor von Waters, Waters and Montgomery, der Anwaltskanzlei, die bereits die Interessen seines Vaters vertreten hatte. An seiner Seite ging der große, schlaksige Pete Waters, einer der Inhaber.

„Und, wie geht es deiner Mutter?“

Jake sah Pete an. Die Frage überraschte ihn nicht. Seitdem sein Vater vor fünf Monaten gestorben war, machte sich jeder Sorgen um Jakes Mutter.

„Sie versucht, sich zusammenzureißen. An manchen Tagen gelingt es ihr besser, an anderen schlechter.“

„Ich habe gehört, sie hat die letzte Vorstandssitzung geleitet.“

Jake verzog das Gesicht. Eigentlich hatte das niemand erfahren sollen, aber Pete hatte überall seine Quellen. Sorgsam wählte Jake seine Worte. „Sie hat es zumindest versucht.“

„Versucht?“

„Es war keine große Sache. Sie hat dem Vorstand erklärt, dass sie noch nicht bereit für das Altenteil wäre und Daddys Rolle als Vorstandsvorsitzender übernehmen würde. Ich habe sie aus dem Zimmer gebeten und ihr unter vier Augen erklärt, dass die Firmenstatuten den Geschäftsführer als Vorstandschef vorsehen.“

„Also dich.“

Jake nickte. „Genau. Ich habe ihr klarzumachen versucht, dass wir, wenn wir gegen die Statuten verstoßen, das Risiko eingehen, von den Aktionären verklagt zu werden.“

„Wie hat sie reagiert?“

„Sie war etwas verwirrt. Und verletzt. Ich nehme an, sie hat geglaubt, der Vorstandsvorsitz würde sie ablenken, jetzt, da Daddy nicht mehr ist.“

Pete holte tief Luft. „Das muss hart für sie gewesen sein.“

Der Flur, der zu Petes Büro führte, war von Malergerüsten versperrt. Pete zeigte nach rechts. „Lass uns den langen Weg nehmen.“

Der führte vorbei an mit Stellwänden abgetrennten Schreibtischen, an denen Angestellte telefonierten oder hektisch auf Computertastaturen hackten, und an einem Raum, der mit Akten gefüllt war. Das durch die Fenster hineinscheinende Licht fiel auf endlose Reihen von Aktenordnern und fünf Kopierer.

Jake runzelte die Stirn und verlangsamte seine Schritte. War das etwa Avery Novak an einem der Kopierer?

Er war sich nicht ganz sicher, weil die hochgewachsene Frau mit den roten Haaren ihm den Rücken zuwandte. Doch kein Mann vergaß eine Frau, deren seidiges Haar so lang war, dass es seine Brust streichelte, wenn sie rittlings auf ihm saß.

Er zwang sich, weiterzugehen. Er und Avery hatten eine kurze Affäre gehabt, die sie gnädigerweise nach drei Wochen beendet hatte. Im Bett waren sie beide Dynamit gewesen, aber außerhalb? Sie hatten sich ständig über Politik und Prinzipien gestritten, sobald Jake unvorsichtigerweise einen der Köder geschluckt hatte, die sie ihm hingeworfen hatte. Diese Frau war geradezu lachhaft eigensinnig, und sie hasste reiche Leute.

Egal, wie gut sie im Bett zusammenpassten – eine gemeinsame Zukunft hätte in Jakes Augen so ausgesehen, dass sie ihn wegen seiner privilegierten Lebensart ständig kritisiert und sich insgesamt so benommen hätte, als sei er ein Despot und sie der gebeutelte Untertan. Das Einzige, was er bereute, war, dass nicht er die Beziehung beendet hatte.

Jake und Pete hatten fast das Ende der langen Glaswand erreicht, als sie sich umdrehte. Ihre grünen Augen weiteten sich, und sie öffnete erschrocken den Mund. Eilig versteckte sie ihren Bauch hinter dem Aktenordner, den sie in den Händen hielt. Doch es war zu spät. Jake hatte die Wölbung bereits gesehen.

Ein Babybauch!

Sie musste mindestens im fünften Monat sein, wenn nicht sogar im sechsten.

Großer Gott … Sechs Monate?

Dann musste sie seit Februar schwanger sein, genau seit der Zeit, in der sie zusammen gewesen waren.

Es könnte also sein Baby sein. Sein Kind!

Wieder sah er zu Avery. Bis auf den Babybauch hatte ihre Figur sich kaum verändert, doch sie wirkte fraulicher, noch attraktiver als damals. Er dachte an ihren Anblick nackt unter der Dusche, jetzt mit Babybauch, und fühlte in sich ein überwältigend urwüchsiges Gefühl aufsteigen. Eine Art Ehrfurcht bei dem Gedanken daran, dass sie zusammen ein Kind gezeugt hatten – es raubte ihm schier die Sprache. Die Tatsache, dass sich unter der Wölbung sein Kind verbergen könnte, traf ihn mit voller Wucht, denn sein eigener Dad war ein schrecklicher Vater gewesen. Jake hatte nicht die geringste Ahnung, wie ein guter Vater sich verhielt. Was ein guter Vater tat …

Nein. Es konnte nicht sein Kind sein. Das hätte Avery ihm doch bestimmt gesagt, oder?

Endlich hatten die beiden Männer den Raum mit den Akten hinter sich gelassen. Pete sprach noch immer über Jakes Mutter. „Ich kann ja verstehen, dass sie emotional aufgewühlt ist. Aber du musst sie wirklich davon abhalten, sich ins Tagesgeschäft einzumischen.“

„Eigentlich denke ich eher darüber nach, ihr einen Job zu geben.“

„Wie bitte?“ Pete blieb stehen.

„Sie hat ihren Ehemann verloren.“ Eine Bewegung hinter ihnen hatte seine Aufmerksamkeit erregt, und er drehte sich gerade rechtzeitig um, um Avery davoneilen zu sehen. Ihm schnürte es die Kehle zu. Warum sollte sie vor ihm weglaufen, wenn es nicht sein Kind war?

Verlegenheit.

Vielleicht.

Ganz sicher sogar.

Vielleicht war es ihr ja peinlich, dass sie so bald nach ihrer Affäre einen anderen Mann kennengelernt hatte und schwanger geworden war. Denn es konnte einfach nicht sein Kind sein …

Das hätte sie ihm sicher erzählt.

Er sah wieder zu Pete. „Mom hat gerade ihren Mann verloren. Sie braucht etwas, das ihrem Leben Sinn verleiht. Dass sie sich um den Vorstandsvorsitz bemüht hat, zeigt doch nur, dass sie etwas tun möchte. Warum soll ich ihr dabei nicht helfen?“

„Vielleicht, weil sie vierzig Jahre lang Ehefrau und Mutter war und keine Berufserfahrung hat?“ Pete seufzte. „Jake, wenn du ihr einen Job anbietest, bringst du dich nur in Schwierigkeiten. Es gibt bessere Wege für sie, mit ihrer Trauer fertigzuwerden.“

„Da bin ich mir nicht sicher. Vielleicht hat sie ja Fähigkeiten, von denen wir nichts wissen. Oder vielleicht möchte sie auch gar keinen Job. Aber wenn ich ihr einen besorge, fühlt sie sich vielleicht wenigstens gebraucht.“

„Ich befürchte, du wirst es bereuen.“

„Kann sein. Aber ich sollte sie wenigstens fragen. Sie fliegt heute für eine Woche nach Paris. Ich dachte, wenn ich ihr ein Angebot mache, baut es sie vielleicht so auf, dass es ihren Freundinnen gelingt, sie aus ihrer Depression zu locken.“

„Bist du sicher, dass sie fliegt?“

„Sie und ihre Freundinnen verbringen seit Jahrzehnten die erste Septemberwoche in Paris.“ Er sah kurz den Flur entlang, doch Avery war verschwunden. „Sie wird einsehen, dass es auch dieses Jahr das Beste für sie ist. Außerdem findet in Paris am Wochenende ein Wohltätigkeitsball statt, den ich dieses Jahr besuchen werde. Sie wird sich mein erstes Mal dort und die Gelegenheit, mich ihren Freunden vorzustellen, nicht entgehen lassen.“

„Und was, wenn sie lieber dein Jobangebot annimmt, statt zu dem Ball zu gehen?“

„Eine Einstellungsbedingung wäre, dass sie vor Arbeitsantritt nach Paris fliegt.“

Pete zuckte die Achseln, als würde er Jakes Entscheidung widerwillig akzeptieren.

Sie hatten Petes Büro erreicht, und Jake blickte ein letztes Mal den Korridor hinunter. Obwohl er Avery nirgends entdeckte, beschleunigte sich sein Puls.

Während Pete anfing, über das Testament seines Vaters zu sprechen, erkannte Jake drei Dinge. Erstens: Avery war unabhängig genug, um zu entscheiden, ihm sein Kind zu verschweigen. Zweitens hatte er ein echtes Problem, wenn das Baby wirklich von ihm war. Er hatte keine Ahnung, wie ein Vater zu sein hatte, und er würde die Zeit bis zur Geburt benötigen, es herauszufinden. Was drittens bedeutete, dass er mit Avery sprechen musste.

Heute noch.

An diesem Abend kam Avery erst nach neun Uhr nach Hause. Die angestellten Anwälte übernahmen alle Schreibarbeiten und den größten Teil der Laufereien. Bevor sie schwanger geworden war, hatte sie sich um jede zusätzliche Arbeit gerissen. Sie hatte an jedem Meeting teilgenommen, zu dem sie zugelassen worden war, und darum gekämpft, an jedem bedeutenden Fall mitwirken zu dürfen. Sie verfolgte einen Plan, hatte große Ziele und sich selbst lediglich fünf Jahre zugestanden, die Erfahrung zu sammeln, die sie brauchte, um in ihrer Heimat Pennsylvania ihre eigene Kanzlei zu eröffnen. In diesen Zeitraum musste sie so viel reinpacken wie möglich.

Dann hatte sie sich mit Jake eingelassen. Vom ersten Tag an hatte sie gewusst, dass es ein Fehler war. Ihr Dad war unschuldig ins Gefängnis gewandert, weil ein vermögender Arbeitgeber sein Geld und seinen Einfluss benutzt hatte, um das System rücksichtslos für seine Zwecke zu täuschen. Ihr Vater hatte nicht die nötigen Mittel besessen, einen teuren Rechtsbeistand zu bezahlen, um sich gegen die falschen Vorwürfe zu wehren. Das war der Grund, warum sie Anwältin geworden war – sie wollte den Leuten eine Stimme verleihen, die sich keine fünfhundert Dollar pro Stunde leisten konnten, um ihre Unschuld zu beweisen. Und sie konnte nicht mit jemandem zusammen sein, der so war wie der Mann, der ihren Dad ins Gefängnis gebracht hatte.

Egal, wie sexy Jake sein mochte, er führte ein zu privilegiertes Leben. Sich in seinen Limousinen herumkutschieren zu lassen, in seinem Hubschrauber zum Hummeressen nach Maine zu fliegen und in seinem Penthouse, beschützt von Sicherheitskräften, zu übernachten, hatte ihr einmal mehr deutlich gemacht, dass Menschen wie Jake keine Ahnung vom wirklichen Leben hatten, vom Leiden und Kämpfen … davon, normal zu sein.

Sie wollte nicht, dass ihr Kind umgeben von Chauffeuren, Hausangestellten und Kindermädchen aufwuchs. Genauso wenig, wie sie wollte, dass es in dem Glauben aufwuchs, Geld mache es zu etwas Besserem, während es gleichzeitig hinter einer Phalanx von Leibwächtern aufwuchs, in einer schusssicheren Limousine gefahren wurde und mit der ständigen Bedrohung, entführt zu werden, leben musste.

Außerdem hatte sie Angst davor, Jake könnte herausfinden, dass ihr Vater im Gefängnis gesessen hatte. Er würde dann vielleicht von ihr verlangen, dass sie in New York blieb – weit weg von ihrem Dad –, oder sogar versuchen, ihr das Kind wegzunehmen. Dann hätte sie keinerlei Möglichkeit, ihr Baby vor den Fängen der McCallans zu bewahren.

Um ihr Kind zu beschützen, hatte sie also beschlossen, Jake nichts von der Schwangerschaft zu erzählen, und sofort tiefe Erleichterung verspürt. Endlich konnte sie sich auf ihr Baby freuen. In einem Szenario ohne Jake war sie bereit dafür, Mutter zu werden, auch wenn es ihre Pläne ein wenig durcheinanderbrachte. Sie würde zwei Jahre früher nach Pennsylvania zurückkehren und mit weniger Erfahrung, doch es würde sich alles regeln. Sie wollte dieses Kind so sehr, dass sie zu jeder notwendigen Veränderung bereit war.

Avery schlüpfte aus ihren Schuhen, warf die Aktenmappe auf einen Stuhl und machte sich auf den Weg ins Schlafzimmer. In dem Moment klingelte es an der Haustür.

Leise fluchend schloss sie die Augen.

Sie könnte das Klingeln einfach ignorieren, doch Avery vermutete, dass es Jake McCallan war. Er hatte sie morgens gesehen. Ihren Babybauch. Und so pedantisch, wie er war, hatte er zweifelsohne nachgerechnet.

Wieder klingelte es.

Sie schüttelte ihre Befürchtungen ab und ging zur Tür. Anwälte waren auf alle Eventualitäten vorbereitet. Am liebsten wäre es ihr, er hätte es nie erfahren, doch sie hatte einen Plan B. Er war ein peniblerer Aristokrat, der in seinem Leben sicher kein schreiendes Baby wollte. Sie musste ihn nur daran erinnern, dass ein Kind nicht in sein wohlgeordnetes Leben passte, und er würde sich erleichtert zurückziehen.

Während sie sich noch fragte, wie ein dermaßen ernsthafter, biederer Mann so gut im Bett sein konnte, ging sie zur Tür und öffnete sie.

„Jake. Wie schön, dich zu sehen.“

Es war schön, ihn zu sehen. Obwohl sein dunkles Haar kurz geschnitten war, weigerten sich einzelne widerspenstige Strähnen, akkurat zu liegen, und verliehen ihm ein interessantes und verwegenes Aussehen. Der Blick aus seinen blauen Augen war immer so ernst, dass sie dauernd versucht gewesen war, ihn mit einem Witz aufzuheitern. Sein Körper jedoch war ein Kunstwerk. Er könnte perfekt als Werbefigur für das Fitnessstudio herhalten, in dem er dreimal die Woche trainierte und das ihn praktisch in einen Gott verwandelt hatte. Und der Sex? Einfach umwerfend. Allein die Erinnerung daran ließ ihre Knie weich werden und ihren Atem schneller gehen.

Er zeigte auf ihren Bauch. „Das Kind ist von mir, oder?“

Avery zog die Tür weiter auf und bedeutete Jake einzutreten. „Es geht doch nichts über ein bisschen Smalltalk, um die Atmosphäre aufzulockern.“

Er rührte sich nicht vom Fleck. „Smalltalk ist hier kaum angebracht. Wir beide haben nichts zwischen uns zu klären, abgesehen von der Frage, ob du mein Kind vor mir verheimlichst.“

„Das tue ich nicht. Genau genommen habe ich nur eine Schwangerschaft vor dir verheimlicht.“

Er fluchte.

„Siehst du? Genau deshalb habe ich dir nichts gesagt!“

Sie fasste ihn am Arm, zog ihn in die Wohnung und führte ihn zu den beiden weiß gemusterten Clubsesseln, die auf einem schönen Hartholzboden vor einem marmorgefliesten Kamin standen.

Obwohl ihre Beine müde waren, ging sie in die Küche, nahm ein Glas aus einem weißen Schrank und füllte es an der Spüle in der Kücheninsel mit Wasser. Sie brachte es Jake und sagte: „Ich wusste, du würdest ausrasten.“

Er nahm das Glas. „Ich raste nicht aus. Ich stehe unter Schock. Du weißt es seit Monaten. Ich erst seit heute und auch nur, weil ich dich zufällig gesehen habe. Nicht, weil du es mir gesagt hast.“

„Okay“, meinte Avery beschwichtigend. Sie setzte sich ihm gegenüber auf das helle Sofa, fest entschlossen, das Gespräch unter Kontrolle zu behalten. Sie musste jetzt ruhig und vernünftig sein und an seine Ordnungsliebe appellieren.

„Was möchtest du wissen?“

Er sah sie an, der Blick aus seinen umwerfend blauen Augen war ernst und direkt. „Wie?“

Sie musste lachen. „Ich glaube, im Großen und Ganzen weißt du, wie Babys entstehen.“

„Nein. Wie bist du schwanger geworden? Du hast gesagt, du würdest die Pille nehmen.“

Die unterschwellige Unterstellung, die Schwangerschaft sei ihre Schuld, ließ Ärger in Avery aufsteigen, doch sie unterdrückte ihn, denn immerhin war Jake noch damit beschäftigt, die Neuigkeit zu verarbeiten.

„Meine Ärztin sagt, das lag an den Antibiotika, die sie mir gegen meine Bronchitis verschrieben hatte. Als wir einander begegnet sind …“ In einem Café am Valentinstag, wo sie sich einen Latte Macchiato gegönnt hatten, beide ohne Begleitung. Sie hatten sich aus der Kanzlei wiedererkannt und waren spontan zusammen abendessen gegangen. Dabei war Jake so charmant und sexy gewesen, dass sie im Bett gelandet waren. „Na ja, da war die Bronchitis schon so gut wie abgeklungen.“ Avery zuckte mit den Schultern. „Ich habe mich gefreut, dass es mir besser ging, aber die Tabletten noch weiter genommen. An mögliche Auswirkungen des Antibiotikums auf die Verhütung habe ich überhaupt nicht gedacht.“

Jake stellte sein unberührtes Getränk auf einem Tablett ab, das auf einem kleinen Glastisch neben seinem Sessel stand. „Mir ist nie in den Sinn gekommen, dich nach Antibiotika zu fragen.“

Ihr Herz machte einen kleinen Hüpfer. Immer, wenn sie Jake gerade als scheinheilig abschreiben wollte, sagte er solche Dinge. Etwas, das sie tief in ihrem Inneren glauben ließ, dass er doch fair war. Dabei wusste sie es besser. Ein Mann, der genug Geld besaß, um immer seinen Willen zu kriegen, hatte es nicht nötig, sich in andere hineinzuversetzen.

Andererseits hatte er ihr jetzt nicht die Schuld an der Schwangerschaft gegeben, weshalb sie auf Plan B zurückgreifen konnte. Sie würde ihm deutlich machen, wie viel Unruhe ein Baby bedeutete, um ihm einen würdevollen Abgang zu ermöglichen.

„Es ist immer mein Ziel gewesen, in einer großen Kanzlei zu arbeiten und eine schöne Eigentumswohnung zu kaufen, die im Wert steigt, während ich den Kredit abbezahle.“

Jake hielt den Blick auf sie gerichtet, während er darauf wartete, dass sie ihm erklärte, warum sie ihm Dinge erzählte, die er längst wusste.

Avery räusperte sich. „Was ich dir nicht gesagt habe, ist, dass ich Erfahrung sammeln und nur von den besten Anwälten der Welt lernen möchte, damit ich die Wohnung mit Profit verkaufen und nach Pennsylvania zurück kann, um dort meine eigene Kanzlei zu eröffnen.“

„Oh.“

Seine Verblüffung kam für Avery nicht überraschend. Wann immer sie zusammen ausgegangen waren, hatte sie etwas gesagt oder getan, was bei ihm Stirnrunzeln ausgelöst hatte. Das Problem war nicht nur, dass sie eine Frau aus der Mittelschicht war, die sich mit einem Superreichen traf. Sie waren in jeder Hinsicht völlig gegensätzlich.

„Das habe ich nicht wirklich vor dir geheim gehalten.“

„Genauso wenig wie die Schwangerschaft?“

Sie seufzte. „Wir waren nur drei Wochen zusammen. Es gibt kein Gesetz, das vorschreibt, dass ich dir von meinen Zukunftsplänen erzählen muss.“

„Dann hatten wir also keine richtige Beziehung. Was war ich für dich? Eine Wärmflasche?“

Er sprach in einem so ruhigen, gefassten Tonfall, dass Avery lachen musste.

Wütend sah er sie an. „Nein. Komm schon. Ich bin neugierig. Warst du nur mit mir zusammen, weil es im Bett gut war?“

„Du warst wirklich gut.“

Er fluchte, dann stand er auf und begann, auf und ab zu gehen. „Jetzt mal im Ernst!“

„Dir ist aber schon klar, dass die meisten Männer sich jetzt so geschmeichelt fühlen würden, dass sie vermutlich im Dunklen strahlen?“

„Ich bin nicht wie die meisten Männer.“

Wie wahr. „Na schön. Warum hast mich immer wieder eingeladen, obwohl wir schon nach dem dritten Date wussten, dass wir nicht zusammenpassen?“

Jake atmete tief durch, fuhr sich mit beiden Händen durchs Haar. Diese Geste hatte sie noch nie bei ihm gesehen. Sie beschloss, vorsichtiger zu sein. Das Letzte, was sie wollte, war, einen der reichsten Männer New Yorks gegen sich aufzubringen, wenn sie selber nichts in der Hand hatte, um das Baby vor ihm zu schützen.

Wäre sie nach Pennsylvania gezogen, ohne dass er es gewusst hätte, wäre es für sie beide am einfachsten gewesen. Doch jetzt, da er von dem Kind erfahren hatte, war es ihre beste Option, ihn davon zu überzeugen, dass er keine Rolle in dessen Leben spielen wollte. Das würde ihr aber nicht gelingen, wenn sie weiter über Unwesentliches stritten.

„Egal“, sagte Avery und kam wieder zum eigentlichen Punkt. „Meine Pläne haben sich ein wenig geändert. Ich kann diese Wohnung vermutlich schnell verkaufen und bei den gestiegenen Immobilienpreisen immer noch Gewinn machen. Wenn ich dann den Abschluss an der Anwaltskammer von Pennsylvania bestanden habe, eröffne ich dort meine Kanzlei.“

„Wenn du deine eigene Kanzlei haben wolltest oder bei Waters, Waters and Montgomery hättest aufsteigen wollen, hättest du nur etwas sagen müssen.“

Ungläubig sah sie ihn an. „Tatsächlich? Glaubst du wirklich, es wäre okay für mich, an Anwälten vorbei aufzusteigen, die zehnmal besser sind als ich, nur weil mein Ex ihr wichtigster Mandant ist?“

Jake atmete tief ein und stieß die Luft schnell wieder aus.

„Dann wirst du New York also wirklich verlassen?“

Auch das war typisch für ihn: Anstatt ihre Fragen zu beantworten, wechselte er das Thema, damit sie nicht in Streit gerieten. Dieses Mal ließ sie ihn damit durchkommen, denn sie wollte nicht wieder abschweifen.

„Es ist ja nicht so, dass ich schon packe und morgen abreise. Meine Ärztin ist hier in New York. Ich möchte das Kind hier bekommen. Außerdem muss ich erst die Wohnung verkaufen. Und ich brauche die Erfahrung, die ich bei Waters, Waters and Montgomery sammeln kann. Aber irgendwann werde ich gehen müssen.“

„Und du erwartest von mir, dass ich damit einverstanden bin?“ Er sah sie an. Der Blick aus seinen saphirblauen Augen war nicht mehr ernst, sondern wütend. „Meinst du, ich hätte überhaupt keine Rechte?“

Jetzt erschrak Avery, doch sie beruhigte sich schnell wieder. Jake war der rationalste Mensch der Welt. Wenn sie sich neutral verhielt, würde auch er neutral sein. Und wenn sie ihren Plan logisch darlegte und betonte, wie sehr Jake davon profitierte, würde er keinerlei Einwände haben.

„Okay, noch einmal von vorne. Ich bin schwanger. Das Kind ist von dir. Seit der Highschool ist es mein Traum gewesen, Anwältin zu werden, in New York Erfahrung zu sammeln und dann nach Pennsylvania zurückzukehren, um mich selbstständig zu machen. Das Kind ändert an diesem Plan nichts. Ja, ich muss erst die Prüfung vor der Anwaltskammer in Pennsylvania bestehen, und ja, ich werde, während ich mich darauf vorbereite, in einer Kanzlei in Pennsylvania arbeiten müssen. Doch das Ziel ist noch immer dasselbe. Es wird sich auch nicht ändern und ist nicht verhandelbar.“

Jake ging vor dem Kamin auf und ab. „Genau genommen ist Pennsylvania nicht besonders weit weg. Ich kann dorthin fahren, um das Kind zu besuchen, oder eine Limousine schicken, um es abholen zu lassen.“

Avery zuckte zusammen. Sein Vorschlag hatte eine Million Haken. Besonders den, dass sie nicht wollte, dass ihr Kind in einer Welt voller verwöhnter reicher Menschen ohne jeden Realitätsbezug aufwuchs.

Sie widersprach dort, wo es am leichtesten war. „Ich setze mein Kind nicht alleine in eine Limousine.“

„Es sollte aber auch Zeit mit mir verbringen.“

„Mit dir? Oder meinst du mit einem Kindermädchen? Selbst wenn du zu Hause bist, hängst du ständig am Telefon oder Computer.“ Allein dieser Gedanke erfüllte sie mit Wut. „Warum sollte mein Kind Zeit mit einem Fahrer oder einem Kindermädchen verbringen, wenn es bei mir sein könnte? Mein Kind wird nicht von einem Kindermädchen großgezogen, Jake. Niemals.“

Er schloss die Augen und schüttelte den Kopf. Offenbar versuchte er, sich zu beruhigen. Schließlich sagte er: „Wie viel?“

„Wie viel was?“

„Wie viel willst du, um verhandlungsbereit zu sein?“

Fassungslos starrte sie ihn an. „Versuchst du gerade, mich zu bestechen?“

„Ich versuche, dich zugänglicher zu machen.“

„Und du glaubst, mit ein paar hundert oder auch tausend Dollar bekommst du Besuchsrecht?“

„Ich dachte eher an ein paar Millionen.“

Ihre Augen weiteten sich. „Du musst völlig verrückt sein! Ich habe einen Plan. Ich brauche dein Geld nicht! Ich will es nicht. Ich will nur das Beste für das Kind. Und das solltest du auch wollen.“

Er musterte sie. Sie konnte förmlich sehen, wie es in ihm arbeitete, während er zu verstehen versuchte, dass er in dieser Situation mit Geld nicht weiterkam. In seiner Welt ließ sich alles mit den richtigen Mitteln lösen. Sie konnte es ihm kaum übelnehmen, dass er versucht hatte, ihren Preis auszuloten. Tatsächlich wollte sie nicht einmal Unterhaltszahlungen. Doch vermutlich war es noch zu früh, ihm das mitzuteilen. Sein Hirn wäre mit dieser Vorstellung so überfordert, dass ihn womöglich der Schlag treffen würde.

„Wir werden einen schriftlichen Vertrag brauchen.“

Zehn Sekunden lang wünschte sie sich, sie wären sich heute Morgen in der Kanzlei nicht über den Weg gelaufen. Doch als ihr Vater wegen etwas, das er nicht getan hatte, im Gefängnis gelandet war, hatte sie gelernt, dass dieses Wunschdenken nicht half. Außerdem hatte sie Plan B noch immer nicht aufgegeben. Sie würde Jake davon überzeugen, dass ein schreiendes, spuckendes Baby die Ruhe in seinem Leben zerstören würde. Doch dafür bedurfte es mehr Taktgefühls und Diplomatie, als sie heute Abend aufbringen konnte.

„Na schön. Aber wir sollten noch genauer darüber sprechen, was wir beide uns vorstellen, bevor wir irgendetwas schriftlich festhalten.“

Darüber dachte Jake kurz nach. „Einverstanden.“

Er machte sich auf den Weg zur Tür. Während Avery ihm ein freundliches Lächeln schenkte, als sie ihn verabschiedete, nahm eine neue Idee in ihrem Kopf Gestalt an.

Wenn es ihr nicht gelang, ihn davon zu überzeugen, dass ein Baby nicht in sein Leben passte, gab es noch einen riskanten Plan C. Sie könnte ihm erzählen, dass ihr Vater im Gefängnis gesessen hatte. Dann würde sie ihn darauf aufmerksam machen, was für eine Büchse der Pandora das wäre, wenn die Presse damit begann, im Leben der Frau herumzuwühlen, die sein Kind erwartete. Sie beide wussten, dass er diesen Medienrummel genauso wenig wollte wie sie. Wenn ihn etwas davon abhalten konnte, Ansprüche auf sein Kind zu erheben, dann war es das Grausen vor negativer Aufmerksamkeit in der Presse.

Es gab nur ein kleines Problem mit Plan C …

Wenn sie Jake von ihrem Vater erzählte, lieferte sie ihm auch die Munition, die er brauchte, um ihr das Kind wegzunehmen oder sie und das Baby zumindest in New York zu halten. Er musste vor Gericht nur sagen, dass er das Kind von Averys kriminellem Vater fernhalten wollte.

Selbst wenn sie das Sorgerecht behielte, würde sie dann in New York festsitzen, weit entfernt von den Menschen, denen sie helfen wollte.

Weit entfernt von ihrem Traum, für den sie gearbeitet hatte, seit sie fünfzehn war.

Wenn Plan C schiefging, konnte das ihr Leben ruinieren.

2. KAPITEL

Als es am nächsten Morgen an seiner Bürotür klopfte, hob Jake den Blick von den Dokumenten auf dem verzierten Mahagonischreibtisch, der früher seinem Vater gehört hatte. Weil seine Sekretärin fast nur Familienmitglieder bis zu seinem Büro vorließ, sagte er automatisch: „Herein.“

Sein Bruder Seth öffnete die Tür und steckte den Kopf ins Zimmer. Er war genauso hochgewachsen wie Jake und hatte auch die gleichen dunklen Haare, jedoch nicht die blauen Augen ihrer Mutter. Seine waren von einem so dunklen Braun, dass sie fast schwarz wirkten. Besonders, wenn er wütend war.

„Ich werde dich nicht fragen, ob du viel zu tun hast. Ich weiß ja, dass es so ist, aber hast du trotzdem fünf Minuten Zeit für mich?“

Jake lehnte sich in seinem ledernen Schreibtischstuhl zurück. „Natürlich. Was gibt es denn?“

„Ich wollte nur wissen, ob du Mom wirklich einen Job anbieten willst. Ich meine, es wäre sicher lustig zu sehen, was sie daraus macht, aber im Vorstand sitzen zwölf Leute, die sicher nicht möchten, dass wir einem Familienmitglied ein Büro geben und ein Gehalt zahlen, ohne dass dieser Jemand dann wirklich arbeitet.“

„Seit wann interessiert dich, was die Direktoren denken?“

Seth zuckte zusammen. „Seitdem sie bei mir anrufen, weil sie dich nicht beleidigen wollen, indem sie deine Urteilsfähigkeit anzweifeln.“

Autor

Susan Meier
<p>Susan Meier wuchs als eines von 11 Kindern auf einer kleinen Farm in Pennsylvania auf. Sie genoss es, sich in der Natur aufzuhalten, im Gras zu liegen, in die Wolken zu starren und sich ihren Tagträumen hinzugeben. Dort wurde ihrer Meinung nach auch ihre Liebe zu Geschichten und zum Schreiben...
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