Lass mich dein Feuer spüren

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Eigentlich ist der eiskalte Unternehmer Tanner so ganz und gar nicht Abbys Typ. Doch sein Angebot kann sie einfach nicht ablehnen: Für drei Tage soll sie die Rolle seiner Ehefrau übernehmen - als Gegenleistung vermietet er ihr günstig ein Haus, wo sie ihre geplante Malschule eröffnen kann. Ein leichtes Spiel, denn auf die Idee, dass ausgerechnet dieser Playboy ihr Verlangen weckt, wäre Abby nie gekommen. Ihr Verstand scheint ausgeschaltet zu sein, als sie, wie von fremder Hand gesteuert, jede seiner lustvollen Berührungen zärtlich erwidert ...


  • Erscheinungstag 22.02.2020
  • ISBN / Artikelnummer 9783733729844
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

„Du brauchst eine Frau.“

Es war ein lächerlicher Vorschlag, und C.K. Tanner sagte, ohne mit der Wimper zu zucken: „Du bist gefeuert.“

„Du kannst mich nicht feuern.“ Jeff Rhodes lächelte amüsiert. „Ich bin deine rechte Hand und dein bester Freund.“ Er schob Tanner ein Fax zu. „Und in meiner Eigenschaft als beides sehe ich keine andere Lösung. Noch zwei Unternehmen setzen alles daran, um diesen Deal an Land zu ziehen, und beide Generaldirektoren sind verheiratet. So wie ich das verstanden habe, will Frank Swanson einen Familienvater alter Schule für seine Firma. Wenn du also so wild darauf bist, die ‚Swanson Sweets Candy Company‘ zu bekommen, zauberst du am besten schnellstens eine Mrs. Tanner herbei.“

Tanner drehte sich in seinem Sessel herum, sodass er aus den deckenhohen Fenstern schauen konnte. Aus seinem Büro im einunddreißigsten Stock hatte er eine atemberaubende Sicht auf Los Angeles und den Ozean. Es war ein klarer Mittwoch im Oktober – kein Smog und strahlender Sonnenschein –, aber Tanner nahm es kaum wahr. Er suchte angestrengt nach einer anderen Lösung für sein Problem. Er wollte diese Süßwarenfabrik unbedingt haben, so wie er alles haben wollte, das eine Herausforderung für ihn darstellte. Jede Neuerwerbung füllte eine unbestimmte Leere in ihm, wenn auch nur für kurze Zeit.

Aber Jeff hatte recht. Die Übernahme von „Swanson Sweets“ verlangte mehr als kluge Strategien und die zähe Verhandlungstaktik, für die er bekannt war.

Am Freitagmorgen würde er nach Minneapolis fliegen. Er war der letzte der Bewerber, der über das Wochenende bei den Swansons wohnen würde. Swanson gab jedem eine Chance, sich anzusehen, wie die Firma geführt wurde, die Produktion vor Ort zu prüfen und die Familie des Firmengründers kennenzulernen.

„Ich habe heute Morgen mit Harrison gesprochen“, sagte Jeff.

Mitchell Harrison war einer der skrupellosesten Geschäftsmänner, die Tanner kannte. Auch er wollte „Swanson Sweets“ erwerben und war bereit, dafür einen hohen Preis zu zahlen. Harrison besaß selbst eine Süßwarenfabrik, die seit langer Zeit die einzige Konkurrenz für „Swanson Sweets“ war, und jetzt wollte er diese Konkurrenz ausmerzen. Aber er war drei Mal geschieden und ein berüchtigter Frauenheld. Tanner hatte gehört, dass Swanson nicht die Absicht habe, sich Harrisons astronomisch hohes Angebot auch nur anzuhören, und vermutete, dass Harrisons Ruf der Grund dafür war.

Jeff räusperte sich. „Er ist sogar bereit, dir eine großzügige Prämie für ‚Swanson Sweets‘ zu zahlen, sollte Swanson sie dir verkaufen.“

„Ich werde darüber nachdenken.“

Kaufen und Verkaufen, jahraus, jahrein, das war sein Geschäft. Aber diesmal hatte Tanner ein ungutes Gefühl bei der ganzen Sache. Aus irgendeinem Grund behagte ihm der Gedanke nicht, das Lebenswerk eines Mannes zu kaufen, nur um es dann an den Höchstbietenden weiterzuverkaufen, obwohl man wusste, dass dieser die Absicht hatte, die Firma aufzulösen.

Zweiundvierzig Jahre lang hatte Frank Swanson seine Gewinne immer wieder in seine Süßwarenfabrik investiert, die er selbst aufgebaut hatte. Jetzt wollte er sich vom Geschäft zurückziehen, und seine beiden Töchter waren nicht daran interessiert, die Unternehmensleitung zu übernehmen. Also war er bereit, seine geliebte Fabrik zu verkaufen.

Tanner rieb sich nachdenklich das Kinn. Warum ein Mann heiraten und Kinder bekommen wollte, das würde er wohl nie verstehen. Man investierte unablässig und sah keinen Gewinn. Vielleicht würde es einem etwas bringen, wenn man den Menschen ins Herz sehen, ihre Motive kennen und ihre Reaktionen voraussagen könnte. Aber das konnte man ja nicht. So bedeutete eine Familie nur Ärger, und den wollte er ersparen.

In dieser Angelegenheit war seine persönliche Meinung allerdings ein Luxus, den er sich nicht leisten konnte. Wenn eine Frau nötig war, um hier zu gewinnen, dann würde er sich eben eine beschaffen.

Er lehnte sich in seinem Sessel zurück. „Die Frage ist jetzt also, wer.“

„Wie wär’s mit Olivia?“, schlug Jeff vor.

„Wohl kaum.“

„Karen?“

„Die ist zu aggressiv.“

„Was ist mit der Schauspielerin, mit der du in letzter Zeit ausgehst?“

Tanner lachte und stand auf. „Damit die Gespräche sich auf Kalorienabbau und Fettabsaugen beschränken?“ Er ging zur Bar und schenkte sich ein Glas Soda ein. „Nein, für diese Sache kommt keine meiner Freundinnen infrage. Sie sollen gar nicht erst auf die Gedanken kommen, ich würde eine Heirat in Betracht ziehen. Hierfür brauche ich eine süße und elegante Frau, gebildet, aber kein Snob. Und kein Partygirl.“

Jeff stieß einen leisen Fluch aus. „Wir sind hier immerhin in L.A. wo willst du denn suchen? In der Bibliothek?“

Tanner trank sein Glas aus. „Warum nicht? Ich kann einen Spatzen in einen Schwan verwandeln, wenn es sein muss.“

Jeff lachte. „Wenn du nach einem Spatzen suchst, versuch’s doch in deiner Postabteilung.“

„Wieso?“, fragte Tanner perplex. „Was gibt’s in der Postabteilung?“

„Meine Sekretärin hat gesagt, dass die hart arbeitenden Damen dort unten eine Art Tanner-Fanklub bilden. Die meisten von ihnen sind offenbar ziemlich verknallt in dich.“ Mit einem Grinsen fügte er hinzu: „Bis auf eine, behauptet sie.“

Tanner setzte sich auf den Rand seines Schreibtisches, fasziniert von Jeffs Kenntnissen über die internen Abläufe von „Tanner Enterprises“. „Ach, ja? Und hat deine Sekretärin dir auch verraten, wer diese eine ist?“

„Abby Soundso.“ Jeff lachte.

Ein Rotschopf mit großen grünen Augen und einem sinnlichen Mund erschien vor Tanners innerem Auge. Die Frau war höflich, aber schüchtern und brachte ihm jeden Tag die Post, wobei sie niemals versuchte, seine Aufmerksamkeit zu erregen wie die übrigen Frauen in seinem Betrieb. Sie trug brave konservative Kleidung, vermutlich, um zu verbergen, was immer sie glaubte, verbergen zu müssen. Wobei er den leisen Verdacht hatte, dass ihre Figur durchaus einen Blick wert wäre.

Aber das würde er natürlich nie erfahren. Bei ihr sah man schon aus drei Kilometern Entfernung, dass sie zu den Frauen gehörte, die von Heim und Herd träumten. Und um solche Frauen machte er vorsichtshalber einen Riesenbogen.

„Weißt du“, sagte Jeff mit einem Glitzern in den Augen, das Tanner nervös machte, „sie wäre perfekt.“

„Perfekt wofür?“

„Für die Rolle deiner Ehefrau. Wie ich höre, ist sie süß, schlicht und klug. Sie verkehrt bestimmt nicht in deinen Kreisen.“ Jeff grinste. „Es besteht auch keine Gefahr, dass sie mehr von dir verlangen könnte, denn dem Büroklatsch zufolge, kann sie dich überhaupt nicht leiden.“ Er lachte. „Mann, ich hätte mir nie träumen lassen, dass eine Frau tatsächlich mal dem großen C.K. Tanner widerstehen könnte. Ich glaube, ich bin kurz davor, mich selbst in sie zu verlieben!“

„Hör zu, Jeff. Ich gebe dir zwei Minuten, wieder an deine Arbeit zu gehen, bevor ich dich feure.“

Jeff ging ungerührt zur Tür. „Schon gut, war ja nur ein Gedanke. Ich schätze, du brauchst sowieso keine Hilfe bei deiner Jagd auf eine Ehefrau. Bis jetzt bist du immer ganz gut allein mit den Damen zurechtgekommen.“

„Das will ich meinen“, murmelte Tanner, als die Tür sich hinter Jeff schloss. Aber sein Vorschlag ließ ihn nicht los.

Eigentlich wäre es gar nicht so unklug, eine Frau, die ihn nicht mochte, für die Rolle zu nehmen. So gäbe es keine falschen Erwartungen, und alles würde rein geschäftlich bleiben. Wenn dann die Zeit für die „Scheidung“ gekommen war, würde es keine Schwierigkeiten geben.

Mit einem zufriedenen, selbstbewussten Lächeln blätterte Tanner noch einmal in der Swanson-Akte, während er mit uncharakteristischer Vorfreude auf seine Post wartete.

Fetzige Musik hallte von den kahlen weißen Wänden in der Postabteilung von „Tanner Enterprises“ wider. Abby McGrady schob ihren Wagen im Salsa-Rhythmus zum Aufzug und murmelte jedes Mal, wenn sie gegen einen der Schreibtische stieß: „Entschuldigung.“

„Grüß meinen Süßen von mir“, rief Dixie Watts und sah von der Post auf, die sie gerade sortierte. „Sag Mr. Tanner, dass er mich um sieben Uhr für unser Date abholen kann.“

Janice Miggs kam mit einem Tablett voller Kaffeetassen an Abby vorbei. „Und da er seine Freundinnen jede Woche wechselt, sag ihm, dass ich nächsten Freitag zur Verfügung stehe.“

„Jede Woche?“ Mary Larson lachte. „Du meinst wohl, jede Stunde.“ Dann zwinkerte sie Abby zu. „Das heißt natürlich nicht, dass ich nächste Stunde nicht frei wäre für ihn.“

„Hört schon auf, sie zu necken“, warf Alice Balton ein. „Ihr wisst doch, dass Abby nicht besonders auf ihn steht.“

Dixie hob amüsiert eine Augenbraue. „Aber sie weiß, dass wir gern mal unter ihm liegen würden.“

Mehrere Frauen lachten, und John, der Abteilungsleiter, verdrehte die Augen. Abby tanzte in den Aufzug hinein und rief grinsend über die Schulter zurück: „Ich bin hier, um euch vor euch selbst zu retten, Mädels! Er ist einfach nicht gut genug für euch.“ Aber als die Türen des Aufzugs zuglitten und sie den Knopf für das Penthouse drückte, verschwand ihr Lächeln.

Zugegeben, C.K. Tanner war einer der attraktivsten Männer, die sie je gesehen hatte, aber auch einer der arrogantesten. Er schenkte niemandem seine Aufmerksamkeit, der nicht den oberen Etagen seines Unternehmens angehörte. Mit ihr hatte er vielleicht ganze zwei Worte gesprochen in den eineinhalb Jahren, die sie ihm die Post brachte.

Aber ihre Meinung über ihn beruhte nicht nur auf seiner Unhöflichkeit. C.K. Tanner war eine erwachsene Version von Greg Houseman, dem hinreißenden reichen Jungen, der einem armen jungen Mädchen das Herz gebrochen hatte, nur um es bald darauf eiskalt fallen zu lassen. Abby wusste aus schmerzlicher Erfahrung, dass Männer wie C.K. Tanner in einem Moment ein edler Ritter wie Sir Lancelot aus der Artussage sein konnten und im nächsten ein rücksichtsloser Blaubart. Und sie würde nie vergessen, dass das eine selten ohne das andere kam.

Sie stieß einen tiefen Seufzer aus. Himmel, sie hatte wirklich größere Probleme als den arbeitssüchtigen Millionär, der kaum wusste, dass es auch unterhalb der einunddreißigsten Etage Menschen gab. Wie sollte sie es zum Beispiel schaffen, eine Kunstschule zu eröffnen? Sie wurde bei „Tanner Enterprises“ zwar gut bezahlt, arbeitete nur halbtags und konnte so den ganzen Nachmittag an ihrer Leinwand sitzen, aber die Summe, die sie bis jetzt gespart hatte, kam nicht annähernd an das heran, was sie brauchte.

Täglich erhielt sie neue Anrufe von Eltern, die ihre Kinder an einem Malkurs teilnehmen lassen wollten, sich den Unterricht an den hiesigen Kunstschulen aber nicht leisten konnten. Das Gemeindezentrum, in dem Abby unterrichtete, wollte keine Malkurse für Kinder einrichten. Die Warteliste war mittlerweile schon ellenlang, und sie hatte erst ein paar Tausend Dollar gespart.

So wie es aussah, würde die Erfüllung ihres Traums noch eine Weile auf sich warten lassen müssen.

Der Aufzug hielt, und Abby schob den Postwagen den Flur hinunter. Hier auf der Chefetage waren keine Salsa-Klänge zu hören, nur gedämpfte Stimmen hinter geschlossenen Türen, wo wichtige Geschäfte verhandelt wurden. Sie hielt kurz inne vor Mr. Tanners Büro, setzte ein Lächeln auf, strich sich, so gut es ging, ihr Haar glatt – sie verwünschte ihre irische Herkunft, die ihr das widerspenstigste, krauseste rote Haar auf Erden beschert hatte – und klopfte leise an seine Tür.

„Herein“, ertönte wie jeden Morgen seit eineinhalb Jahren seine leicht heisere Stimme. Es klang immer ein bisschen wie ein Befehl.

Energisch öffnete sie die Tür und trat ein. „Guten Morgen, Mr. Tanner.“

Er sah auf und lächelte. „Guten Morgen.“

Abby stutzte. Sie konnte sich nicht erinnern, dass er sie jemals angesehen hätte, geschweige denn angelächelt. Sie schluckte nervös, legte die Post in den Eingangskorb am Rand des Schreibtischs und versuchte, den würzigen Duft seines Eau de Cologne zu ignorieren, der sie immer ganz durcheinanderbrachte, wenn sie C.K. Tanner näher kam.

„Ihre Post, Sir.“

Sein Lächeln vertiefte sich und wurde wärmer. „Danke, Abby.“

Sie erstarrte. Abby? Sie hatte gar nicht gewusst, dass C.K. Tanner ihren Namen kannte. Was war hier los? Und warum bedachte er sie mit diesem Lächeln – diesem beunruhigend sexy und so unglaublich lancelotmäßigem Lächeln?

Blaubartmäßig, Abby! Vergiss das nicht, sagte sie sich.

„Ja, dann also noch einen schönen Tag, Sir“, erwiderte sie und drehte sich schnell um.

Dabei verfing sich der Ärmel ihrer Bluse am Eingangskorb. Nervös auflachend zog sie am Stoff, um sich zu befreien. Aber er wollte sich nicht lösen. Sie zerrte noch einmal heftiger und schaffte es, den Eingangskorb samt Inhalt auf den Boden zu werfen. Erschrocken sprang sie vor, um den Korb noch zu packen, stolperte und landete ungraziös neben dem Korb auf dem Boden. Als ob das nicht genug wäre, hörte sie deutlich das Reißen von Stoff.

Ihr Herz klopfte wie ein Hammer gegen ihre Rippen, aber sie erhob sich mit einem zitternden Lächeln, stellte den Korb samt Inhalt zurück – und begegnete C.K. Tanners mürrischem Blick. So kenne ich dich, dachte sie kläglich, hielt seinem Blick aber tapfer stand. In einem Versuch, Ruhe und Unerschütterlichkeit vorzutäuschen, schob sie den Korb ein letztes Mal zurecht. Dabei stieß sie gegen C.K. Tanners Kaffeetasse.

Abby schnappte entsetzt nach Luft, als die dunkle Flüssigkeit sich bedrohlich immer weiter auf seinem Schreibtisch ausbreitete.

„Du liebe Güte!“, flüsterte sie. „Ich mache das sofort wieder sauber.“

„Das macht nichts.“ Er sprang auf und zog sie beruhigend an sich, während er auf einen Knopf drückte, um mit seiner Sekretärin zu sprechen. „Helen, schick jemanden mit ein paar Papiertüchern her.“

Sekundenlang vergaß Abby, wer er war und wer sie war, und sah wie geblendet die umwerfenden hundertfünfundachtzig Zentimeter hoch. Dichtes, leicht lockiges schwarzes Haar reichte ihm bis zum gestärkten weißen Kragen; sonnengebräunte Haut, markante Gesichtszüge, sinnliche Lippen und Augen, deren Farbe an köstliche Schokolade erinnerten, vervollständigten das Bild eines faszinierenden Mannes.

Es war ein eigensinniges, arrogantes Gesicht, und trotzdem unglaublich attraktiv mit seinem tollen Lächeln und dem hintergründigen Ausdruck in den Augen – der Traum aller Frauen. Er füllte seinen grauen Nadelstreifenanzug aus wie ein Dressman, und hatte die Ausstrahlung eines Mannes, der sich seines eigenen Wertes sehr wohl bewusst war.

Abby konnte verstehen, warum jede Frau in diesem Gebäude in ihn verliebt war. Und sie wusste, warum sie selbst gut daran täte, so schnell wie möglich das Weite zu suchen.

Aber sie rührte sich nicht.

Tanner hielt sie immer noch locker an den Schultern fest. Sein Blick war jetzt besorgt. „Sind Sie okay?“

Sie war ihm so nah, dass sie seine Wärme spüren konnte und eine Ahnung bekam von der Kraft, die in ihm steckte. Unwillkürlich erschauerte sie. „Es tut mir leid, Mr. Tanner. Ich bin sonst nicht so tollpatschig.“

Er ließ sie los, und sie konnte endlich wieder atmen. „Machen Sie sich deswegen keine Gedanken. Es wird gleich aufgewischt.“

Während er sich wieder an seinen Schreibtisch setzte, kam eine Frau herein. Sie machte schnell und geschickt sauber. Nach nur zwei Minuten war sie gegangen, und Abby wollte sich hastig davonmachen. Sie wollte C.K. Tanner ihm nicht die Gelegenheit geben, sie zu feuern.

„Bitte, bleiben Sie einen Moment, Abby.“ Seine Worte ließen sie innehalten, und als sie ihn über die Schulter ansah, lächelte er schon wieder und betrachtete sie mit diesem aufregend hintergründigen Blick. Ich wette, er küsst wunderbar, dachte sie.

Bevor sie sich für diesen unerhörten Gedanken zurechtweisen konnte, fragte er: „Brauchen Sie eine Sicherheitsnadel oder …“

„Es ist nichts.“ Sie legte die Hand auf den Riss in ihrer weißen Bluse. „Das bringe ich schon wieder in Ordnung. Und jetzt muss ich gehen.“

„Ich bestehe darauf. Wenn Sie mir den Namen der Boutique nennen, in der Sie gewöhnlich einkaufen, lasse ich Ihnen innerhalb einer Stunde eine neue Bluse schicken.“

Abby versuchte, nicht zu lachen. Sie hatte diese Bluse für zehn Dollar vom Grabbeltisch genommen. „Das ist nicht nötig. Ich habe eine andere Bluse in meiner Schreibtischschublade, aber vielen Dank.“ Natürlich hatte sie nur eine Packung Kaugummi und ein Paar Seidenstrümpfe in ihrer Schublade, aber das brauchte er ja nicht zu wissen. Sie wollte jetzt endlich von hier verschwinden, bevor er ihr zwei Wochen Zeit ließe, besagte Schublade zu leeren und nie wieder zu kommen.

„Wie lange arbeiten Sie schon für uns, Abby?“

Oh, sie hatte es doch gewusst! „Ungefähr eineinhalb Jahre, Sir.“

Er lehnte sich gemächlich in seinem Sessel zurück und machte ihr ein Zeichen, sich ihm gegenüberzusetzen. „Warum nehmen Sie nicht einen Moment Platz.“

Abby biss sich auf die Unterlippe. „Ja, Sir.“

„Ich möchte mit Ihnen etwas besprechen.“

Nachdem sie sich steif auf den äußersten Rand des Besuchersessels gesetzt hatte, stieß sie hervor: „Bin ich entlassen? Es tut mir sehr leid wegen des Kaffees. Und das kleine Feuer in der Postabteilung letzte Woche war nicht wirklich meine Schuld.“

Sie glaubte, dass ein Lächeln über sein Gesicht huschte, aber es verschwand, als er sagte: „Ich fliege über das Wochenende nach Minnesota und wohne für die Zeit bei dem Besitzer einer Süßwarenfabrik. Ich bin daran interessiert, sie ihm abzukaufen.“

Abby legte den Kopf leicht schief. Warum in aller Welt teilte C.K. Tanner ihr das mit? Und was wäre die passende Reaktion darauf? Sie entschied sich dafür, ihn zu beglückwünschen. „Wie schön für Sie, Sir. Ich bin sicher, es wird eine sehr gute Investition …“

Er unterbrach sie mit nur einem Blick. „Das Problem ist, dass ich fast sicher bin, er möchte die Fabrik nur an einen verheirateten Mann verkaufen. Da ich das aber nicht bin und auch in Zukunft nicht daran denke, das zu ändern, befinde ich mich im Moment in einer unangenehmen Lage.“ Er beugte sich vor. „Abby, ich möchte, dass Sie vorgeben, meine Frau zu sein.“

Sie blinzelte verwirrt. Sie musste sich verhört haben.

„Missverstehen Sie mich nicht. Das Ganze bleibt natürlich streng geschäftlich. Sie sollen die Rolle meiner Frau nur für dieses eine Wochenende übernehmen.“

Also hatte sie sich doch nicht verhört, aber das tröstete sie nicht unbedingt.

Er verschränkte die Arme vor seiner ziemlich breiten Brust. „Ich fürchte, ich gehöre zu den Menschen, die immer sofort zur Sache kommen.“

Abby nickte und murmelte matt: „Milde ausgedrückt.“

„Sie sind nicht verheiratet.“

„Nein, aber …“

Er nickte. „Gut. Dann wäre ich geehrt, wenn Sie mich zu diesem Treffen begleiten wollten.“

Immer noch fassungslos, erwiderte sie: „Soll das ein Witz sein, Sir?“

Er schüttelte langsam den Kopf. „Nein.“

„Sie wollen, dass ich dieses Wochenende Ihre Frau spiele?“

„Ja.“

„Und es ist nur geschäftlich?“

„Natürlich.“

„Natürlich“, wiederholte sie und unterdrückte den Drang, hysterisch aufzulachen. Sie konnte nichts dafür, es klang einfach zu lächerlich. Sie stand auf und holte tief Luft. „Es tut mir leid, aber ich muss ablehnen.“

Er betrachtete sie. „Glauben Sie mir, ich werde Sie reichlich entschädigen.“

Sie starrte ihn erstaunt an. „Sie bitten mich, übers Wochenende mit Ihnen zu verreisen und jedermann Lügen über mich zu erzählen?“

Er nickte gelassen, als habe er schon Tausende von Frauen um dergleichen gebeten und als habe jede von ihnen zugestimmt. Nun, sie war nicht wie andere Frauen, und sie würde C.K. Tanner niemals bei seiner hinterhältigen kleinen Intrige helfen.

„Meine Antwort lautet Nein.“ Sie drehte sich um und schob ihren Wagen in den Flur hinaus. Nach einem letzten „Guten Tag, Mr. Tanner“, dass sie so gelassen, wie unter den Umständen möglich, hervorbrachte, schloss sie die Tür.

Abby McGrady hat Mumm, dachte Tanner einmal mehr an diesem Tag, als er einige Stunden später dem Privatdetektiv die Tür öffnete. Und er kannte nicht viele Frauen, von denen er das behaupten könnte. Menschen überraschten ihn nur noch selten, und noch seltener wiesen sie ihn ab. Aber in weniger als zehn Minuten hatte Miss McGrady beides geschafft.

Sie interessierte ihn. Und er konnte nicht leugnen, dass er sie sehr attraktiv fand, obwohl man ihr ansah, dass sie der Typ war, der Haus und Heim, Ehe und Kinder haben wollte und sich keineswegs mit weniger zufriedengeben würde.

Er konnte sie regelrecht hören: „Ich habe gerade deine Lieblingsplätzchen gebacken, und vergiss nicht, mich anzurufen, wenn es spät werden sollte.“

Drei Tage und Nächte vorzugeben, ein Paar zu sein, würde ihm nicht schwerfallen, solange er keinen Augenblick vergaß, dass sie wie Feuer und Wasser waren.

Aber natürlich musste er Abby erst einmal dazu überreden, mit ihm zu kommen.

Tanner machte dem Detektiv ein Zeichen, sich zu setzen. Er hatte dem Mann gerade drei Stunden gegeben, um so viel wie möglich über Abby McGrady herauszufinden. Dass sie die nötigen Qualifikationen besaß – sie war klug, schlagfertig und attraktiv, eben so, wie die Frau eines Mannes in seiner Position sein musste –, wusste er schon. Was ihre Garderobe anging, musste man ihr ein wenig unter die Arme greifen, aber das konnte an einem Nachmittag erledigt werden. Der größte Vorteil war die Tatsache, dass Abbys persönliche – wenn auch unerklärliche – Abneigung gegen ihn dieses Arrangement völlig ungefährlich machen würde. Und genau das brauchte er am meisten: keine persönlichen Verpflichtungen.

„Ihr vollständiger Name lautet Abigail Mary McGrady“, begann der Detektiv. „Sie ist eine aufstrebende Künstlerin. Abschluss 1998 an der Kunsthochschule in Los Angeles. Unterrichtet jetzt dienstags und mittwochs abends im Yellow Canyon Community Center. Miss McGrady besitzt ein kleines Apartment ganz in der Nähe, in West Hollywood, wo sie auf der Dachterrasse Rosen züchtet. Sie kauft jeden Freitagabend nach der Arbeit Stracciatella-Eis, und sie wird am siebten Oktober fünfundzwanzig.“

„Das ist an diesem Sonntag.“

„Ja, Sir.“

„Sonst noch etwas?“

„Tatsächlich habe ich etwas herausgefunden, das hilfreich sein könnte.“

Während er dem Detektiv lauschte, zuckte ein zufriedenes Lächeln um Tanners Mundwinkel.

2. KAPITEL

Abby konnte die Nachricht nicht vergessen, die man vor Beginn ihres Kunstkurses an die Tür geheftet hatte.

An alle Kursteilnehmer und Lehrer

Aufgrund der überwältigenden Nachfrage nach Computerkursen, sind wir leider gezwungen, die Kunstkurse für dieses Semester zu unterbrechen. In der nächsten Woche findet der letzte Kunstunterricht statt. Bereits im Voraus gezahlte Gebühren werden umgehend zurückerstattet. Wir werden alles in unserer Macht Stehende tun, um den Kunstkurs im nächsten Semester wieder anbieten zu können, und bitten Sie um Verständnis für die leider notwendige Maßnahme.

Yellow Canyon Gemeindezentrum

Was wird heute noch schief gehen? fragte Abby sich, während sie darauf wartete, dass ihre Schüler eine Aquarellübung beendeten. Zuerst hatte sie den Kaffee ihres Chefs verschüttet, dann hatte er sie gebeten, seine Frau zu spielen. Und das Schlimmste war, dass sie, fasziniert von seinem eindringlichen Blick, tatsächlich versucht gewesen war, Ja zu sagen. So wie ihr Leben sich in letzter Zeit abspielte, wäre ein Wochenende mit ihrem umwerfenden Boss ganz und gar kein Opfer.

Aber das lag nur an ihrer Einsamkeit. Sobald sie sich klargemacht hatte, dass der Mann nicht nur ein frecher Casanova war, sondern außerdem noch ihr Boss, hatte sie sich gefangen.

Es wäre rein geschäftlich, hatte er gesagt. Was sich natürlich von selbst verstand. C.K. Tanner ging mit Topmodels und Schauspielerinnen aus, die Gucci trugen und den Wohlgeruch eines Achthundert-Dollar-Parfums um sich verbreiteten, nicht mit tollpatschigen Angestellten, die ihre Sachen im Secondhandladen kauften und nach schlichter Seife dufteten.

Aber eine Frage ließ sie nicht los: Warum gerade sie? Es gab so viele Frauen, die ihn anhimmelten, warum hatte er ausgerechnet sie fragen müssen?

Nun, das würde für immer ein Geheimnis bleiben. Inzwischen hatte Mr. Tanner wahrscheinlich schon ihren Namen vergessen – und dass sie überhaupt existierte – und eine andere gefunden, die die Rolle seiner Frau übernehmen würde.

„Alle fertig?“, fragte sie, und die Kursteilnehmer nickten.

Sie seufzte bedrückt, als sie den niedergeschlagenen Ausdruck auf ihren Gesichtern sah. „Das Zentrum bekommt mehr Geld für die Computerkurse, Leute, und diese Jahreszeit ist immer die schwierigste.“ Sie lächelte schwach. „Aber ich werde mir etwas einfallen lassen, das verspreche ich euch. Gebt mir eine Woche Zeit.“

„Woanders kann ich mir keinen Kunstkurs leisten“, sagte einer der Teilnehmer.

„Ich kann sogar den hier kaum bezahlen“, fügte ein anderer hinzu.

Abby nickte. „Ich verstehe euch, aber …“

„Und wenn der Kurs umsonst wäre?“

Die leicht heisere Baritonstimme kaum von der Tür. Der ganze Kurs drehte sich um und starrte den Mann, der dort stand, neugierig an. Abby stockte sekundenlang der Atem, ihr Herz klopfte aufgeregt.

Autor

Laura Wright
<p>Laura hat die meiste Zeit ihres Lebens damit verbracht, zu singen, an Tanzturnieren teilzunehmen oder als Schauspielerin zu arbeiten. Erst als sie begann, Romane zu schreiben, hat sie ihre wahre Leidenschaft und Berufung entdeckt! Geboren und aufgewachsen ist sie in Minneapolis, Minnesota. Danach lebte Laura für einige Zeit in New...
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