Leidenschaft unterm Wüstenmond

– oder –

 

Rückgabe möglich

Bis zu 14 Tage

Sicherheit

durch SSL-/TLS-Verschlüsselung

Die Fotos sind unmissverständlich: Scheich Zahir betrügt sie! Tränen steigen Angele in die Augen. Sie wird ihren Verlobten freigeben. Doch eins muss er ihr zugestehen: eine Nacht - die Hochzeitsnacht, die sie nie haben wird …


  • Erscheinungstag 17.07.2016
  • ISBN / Artikelnummer 9783733773588
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

PROLOG

Kann Liebe vergehen?

Diese Frage hatte Angele ihrer Mutter einmal gestellt, nachdem ihr bewusst geworden war, dass ihr Vater, Cemal bin Ahmed al Jawhar – Pflegebruder des Königs von Jawhar und ihr persönlicher Held – ein notorischer Ehebrecher war. Sie hatte gerade ihr Studium aufgenommen gehabt und hatte zuerst an einen Streich geglaubt, als sie das Klatschblatt in ihrem Briefkasten gefunden hatte, in dem der Artikel abgedruckt gewesen war. Über ihren Vater, den sie immer für eine sehr integere Persönlichkeit gehalten hatte. Ein übler Scherz, etwas anderes hatte das nicht sein können.

Bis zu diesem Zeitpunkt hatte sie nicht gewusst, dass ihr jemand so ablehnend gegenüberstand, dass er auf diese Weise ihre Illusionen hatte zerstören müssen und ihr damit auch das Herz schwer gemacht hatte.

Ihr großer Held war von seinem Podest gestoßen worden, ohne dass er davon etwas geahnt hatte.

Ihre immer noch schöne Mutter, früher ein brasilianisches Supermodel, hatte Angele ein paar Sekunden schweigend angesehen. In ihren kaffeebraunen Augen, Angeles hatten die gleiche Farbe, hatte unglaublicher Schmerz gelegen. „Ich würde es als Segen betrachten, wenn Liebe vergehen könnte“, hatte sie geantwortet. „Aber manche sind verflucht, bis zum Ende an einer unvernünftigen Liebe festzuhalten.“

„Trotzdem verstehe ich nicht, warum du bei ihm bleibst.“

„Ich bin doch gar nicht bei ihm geblieben. Jeder von uns führt sein eigenes Leben.“

Wegen Angeles Ausbildung waren sie und ihre Mutter in die Vereinigten Staaten gekommen. Zudem hatte sie hier die Möglichkeit bekommen sollen, in relativer Anonymität aufzuwachsen. Sie hatten sich für dieses Land entschieden, weil die Amerikaner genug eigene Probleme hatten und sich nicht für Jawhar interessierten, ein kleines Land im Nahen Osten.

Da sie sich nicht in Jawhar aufgehalten hatten, hatte ihre Mutter Angele in gewisser Weise vor der Wahrheit geschützt. Doch sie hatte sich auch selbst die Peinlichkeit erspart, als Frau eines Schürzenjägers in aller Munde zu sein. Aus diesem Grund waren ihre sporadischen Reisen nach Brasilien und Jawhar immer kürzer ausgefallen, als Angele es sich gewünscht hatte. Und aus demselben Grund war ihr Vater immer nur kurz geblieben, auch wenn er sie öfter besucht hatte als sie ihn.

„Warum lässt du dich nicht scheiden?“

„Ich liebe ihn.“

„Aber er …“

„… ist mein Ehemann.“ Lou-Belia setzte sich gerade hin. „Ich will meiner und auch seiner Familie die Schande ersparen, die eine Scheidung mit sich bringt.“

Da Angeles Vater von der Königsfamilie von Jawhar als Familienmitglied angesehen wurde, wog dieses Argument schwer. Angele hatte sich an diesem Tag geschworen, niemals wie ihre Mutter zu werden. Sie wollte sich nicht aus Pflichtbewusstsein und hilfloser Liebe an eine Ehe gebunden fühlen, die nur Schmerz statt Freude brachte.

Und bis heute hatte Angele tatsächlich geglaubt, dass dieser Schwur, den sie damals geleistet hatte, sie vor einer unglücklichen Ehe bewahren würde. Bis sie das Päckchen mit den Fotos in der Post gefunden hatte. Die Fotos zeigten Zahir bin Faruq al Zohra, den Mann, dem sie seit ihrem dreizehnten Lebensjahr versprochen war. Zahir war der Kronprinz von Zohra, der Erbe des Throns. Im Nahen Osten gab es keinen ehrenhafteren Mann, und eigentlich auch nirgendwo anders.

Das zumindest hatte Angele bis heute geglaubt.

Überwältigt von Erinnerungen und Gefühlen roch sie förmlich den Duft von frisch gemähtem Frühlingsgras, der an einem anderen schicksalhaften Tag vor etwas mehr als vier Jahren in der Luft gehangen hatte. Als ihr bewusst geworden war, dass ihr Vater fremdgegangen war. Und auch jetzt lief ihr eine Gänsehaut über den Rücken.

Sie war sicher gewesen, dass Zahir nie in der Klatschpresse auftauchen würde. Das hätte sie jedenfalls bis vor einer Stunde felsenfest behauptet, wäre sie gefragt worden. Abgesehen von seinem Pflichtbewusstsein der Familie gegenüber und seiner Stellung als Kronprinz war Zahir zu integer, um sich in flagranti mit irgendeiner Frau erwischen zu lassen.

Richtig. Er war auch ihr großer Held – gewesen.

Als sie nun das oberste Foto betrachtete – ein beinah unschuldig wirkendes Bild von Zahir, wie er einer vollbusigen Blondine auf den Beifahrersitz seines Mercedes half, stieß Angele ein ersticktes Lachen aus.

Diesmal war die Luft nicht vom Duft frisch gemähten Grases erfüllt, sondern roch leicht nach Zitrone, weil ihr Chef diesen Duft immer in die Belüftungsanlage träufeln ließ. Sie hörte nichts als ihren eigenen Atem in dem fast leeren Büro, nicht wie damals die Stimmen der anderen Studenten, die sich im Gemeinschaftsraum der Universität begrüßt hatten.

Sie hatte einen metallischen Geschmack von Angst in ihrem Mund, und ihre Hand zitterte, als sie das oberste Foto mit der Fingerspitze zur Seite schob.

Das nächste Foto zeigte Zahir, wie er diese vollbusige Blondine küsste. Beide rekelten sich auf ihren Liegen neben einem Privatpool, sie diesmal in einem winzigen Bikini. Dahinter lag ein großes Haus im mediterranen Stil, doch Angele nahm es nur am Rande wahr.

Sie konzentrierte sich nur auf das Paar, das sich voller Leidenschaft küsste.

Das Foto rief Erinnerungen wach, die sie lieber vergessen hätte.

Als sie achtzehn gewesen war und ihre sexuellen Gefühle erwacht waren, hatte sie sich in Zahir verliebt. Es war keine vorübergehende Schwärmerei gewesen, sondern das Gefühl war mit jedem Jahr, das vergangen war, tiefer geworden.

Nachdem die Vereinbarung ausgehandelt worden war, hatte sie Zahirs Zurückhaltung auf ihr jugendliches Alter zurückgeführt, obwohl sie mit achtzehn von Gesetzes wegen volljährig war. Zumindest in den Vereinigten Staaten, wo sie aufgewachsen war.

Bei einem Staatsbankett waren sie zum ersten Mal als Paar aufgetreten. Für sie die perfekte Gelegenheit für ihren ersten Kuss, den sie frech in einer abgeschiedenen Ecke des Innenhofs von ihm eingefordert hatte.

Voller Angst, die jedoch nichts gegen ihre Entschlossenheit hatte ausrichten können, hatte sie in seine grauen Augen geschaut, die in dem Dämmerlicht beinahe schwarz gewirkt hatten. Mutig umfasste sie seine starken Oberarme, deren Muskeln durch sein Dinnerjackett und das Hemd deutlich zu spüren waren.

Dann schloss sie die Augen, legte den Kopf zurück und bat ihn: „Küss mich.“

Sie war sicher, dass der Mann, der ihr zum Ehemann bestimmt war, sich fügte, fügen musste. In stummer Erwartung stand sie da. Es erschien ihr wie eine Ewigkeit, bis sie seine Lippen spürte, die einen sanften Kuss auf ihre Stirn hauchten.

Sie öffnete die Augen. „Zahir?“

„Das ist nicht der richtige Zeitpunkt, ya habibti.“ Vorsichtig schob er sie von sich. „Du bist noch ein Kind.“

In ihrer Betroffenheit konnte sie nur nicken und versuchen, die Tränen der Demütigung wegzublinzeln.

Er schüttelte den Kopf und tätschelte ihr den Arm. „Nicht doch, ya habibti. Unsere Zeit ist noch nicht gekommen.“

Während er sie zu der Partygesellschaft zurückbegleitet hatte, hatte sie sich mit dem Gedanken getröstet, dass er sie seinen Liebling genannt hatte. Zwei Mal.

Ein schrilles Lachen entfuhr ihr nun. Inzwischen dreiundzwanzig, wartete Angele immer noch darauf, dass er endlich merkte, dass sie kein Kind mehr war.

Wäre ihr ohne diese Fotos jemals klar geworden, dass dieser Tag wohl nie kommen würde?

Sie blinzelte die Tränen fort und konzentrierte sich wieder auf die Bilder, die in ihrer Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig ließen. Sie konnte nicht länger leugnen, was doch so offensichtlich war.

Die Frau auf den Fotos war für Zahir jedenfalls kein Kind mehr. Nein, Elsa Bosch hatte alles, was ein Mann sich von einer Geliebten nur wünschen konnte. Außergewöhnlich schön und an den richtigen Stellen gerundet.

Bedrückt musste Angele sich eingestehen, dass sie nicht so wohl geformt war.

Sie war nicht sicher, ob die Affäre mit der „Schauspielerin“ Zahirs Ehre besudelte. Noch nicht. Schließlich war die Verlobung von Angele und Zahir noch nicht offiziell verkündet worden. Überdies hatte Zahir sie immer wie eine Cousine behandelt, nicht wie eine Geliebte. Trotz Angeles ungeschickten Versuchs mit achtzehn, die Sache richtigzustellen.

Beflügelt von ihrer eigenen Liebe und den Gedanken an eine gemeinsame Zukunft hatte sie sich in Fantasien ergangen, die nichts mit der Realität zu tun gehabt hatten. Und so hatte sie fest daran geglaubt, er würde eines Tages erkennen, dass sie nicht mehr das junge Mädchen war, für das dieser Ehevertrag ausgehandelt worden war.

Zehn Jahre hatte sie gewartet. Zehn lange Jahre, in denen sie sich nicht ein Mal mit einem männlichen Wesen verabredet hatte, weil sie sich versprochen geglaubt hatte. Selbst den Abschlussball an der Highschool hatte sie ausgelassen. Auch wenn sie am College männliche Freunde gehabt hatte, hatte sie nie zugelassen, dass einer von ihnen etwas anderes in ihr als eine Studienkameradin gesehen hatte.

Sie hatte geglaubt, dass Zahir genauso enthaltsam lebte und sich nur auf seine Familie und seine Pflichten konzentrierte.

Anders als ihr Vater war Zahir bei seinem Verhältnis auf Diskretion bedacht gewesen. Doch ein Verhältnis bleibt Verhältnis.

Angele fühlte sich der Gefühle für ihn beraubt, die sie so lange in ihrem Herzen genährt hatte.

Der Absender der Fotos forderte Geld für sein Schweigen. Sollte Angele nicht zahlen, so lautete die beigefügte Notiz, würde man die Fotos, zusammen mit einer peinlichen Enthüllungsgeschichte, an die europäische und amerikanische Regenbogenpresse verkaufen.

Dass Zahir eine Affäre mit einer Darstellerin hatte, die ihre Berühmtheit einem recht freizügigen Film verdankte, war skandalös genug, um in den königlichen Familien von Jawhar und Zohra für Aufruhr zu sorgen. Ein kalter Schauer lief Angele über den Rücken, als sie daran dachte, wie die Familien darauf reagieren würden.

Obwohl diese Frau die Öffentlichkeit weitgehend mied, war sie zweifellos nicht die richtige Begleiterin für den Erben eines Königreiches.

Und trotzdem hatte er sich für Elsa entschieden.

Die Fotos zeigten viel Haut, aber noch mehr Leidenschaft. Und Glück. Zahirs Glück. Angele hatte ihn nie so lachen sehen wie auf diesen Bildern. Und selbst wenn er nicht lachte, wirkte er sehr entspannt. So hatte sie ihn nie erlebt, wenn sie mit ihm zusammen gewesen war.

Die Liebe mochte einen befähigen, eine Ehe mit einem Schürzenjäger zu ertragen, aber sie verlieh einem auch die Kraft, den Mann freizugeben, den man liebte.

Tief im Herzen wusste Angele, dass sie Zahir nicht auffordern konnte, sich an einen Vertrag zu halten, der von Männern ausgearbeitet worden war, denen Liebe zwischen beiden Vertragspartnern nicht einmal im Entferntesten in den Sinn gekommen war.

Ihre Liebe zu ihm verlangte, dass sie ihn freigab.

1. KAPITEL

Andächtig lauschte Zahir seinem jüngsten Bruder, der gerade sein Ehegelübde sprach. Doch ihn plagten auch Schuldgefühle, weil er eifersüchtig auf ihn war.

Amirs Stimme brach fast, als er sein Versprechen gab. Er gelobte seiner Braut nicht nur Treue, sondern auch Liebe. Graces Augen schimmerten, und ein Lächeln breitete sich auf ihrem Gesicht aus, als sie ihren zukünftigen Mann selbstvergessen ansah. Mit zitternder Stimme gab auch sie ihr Versprechen, ihn für immer zu lieben.

Liebe.

Seine beiden Brüder hatten die Liebe gefunden – bei Frauen, die nicht unbedingt als passende Partie bezeichnet werden konnten. Aber das war nicht weiter schlimm, weil keiner von beiden der Thronfolger war. Doch Zahir war es – leider.

Vor zehn Jahren hatte es eine Vereinbarung zwischen Zohra und Jawhar gegeben, in der bestimmt worden war, wen er einmal heiraten sollte. Zahirs Blick schweifte zu den Gästen, die in der Nähe von Amirs Braut standen. Sein strahlender Vater, König des kleinen Landes im Nahen Osten, seine Mutter, die Tränen in den Augen hatte, die Frau, die er eines Tages heiraten würde. Obwohl nicht durch Blutsbande verbunden, wurde Angele bin Cemal von ihrem Patenonkel, dem König von Jawhar, wie seine Lieblingsnichte behandelt.

Als ihre Blicke einander begegneten, sah sie sofort zur Seite und richtete ihre Aufmerksamkeit wieder auf das Paar, das sein Eheversprechen ablegte.

Er spürte die Zurückhaltung, doch das überraschte ihn nicht. Denn Angele, die beide königlichen Familien als seine zukünftige Frau betrachteten, hatte sich in den letzten Monaten geweigert, bei den Vorbereitungen für die Hochzeit mitzuhelfen. Begründet hatte sie es damit, dass sie weder zu Braut noch Bräutigam eine engere Beziehung hatte.

Zahir hatte ihre ungewöhnliche Unnachgiebigkeit als das genommen, was es war: eine Aufforderung, ihrer beider Verlobung offiziell zu machen. Sicherlich hatte sie genug davon, noch länger geduldig auf ihre eigene Hochzeit zu warten. Und nach den Ereignissen im letzten Monat war es nun für ihn an der Zeit, seine Pflicht zu erfüllen.

Außerdem hatte Angeles Vater seinen Teil der Abmachung eingehalten, indem er sich anständig benommen und nicht mehr die Titelseite der Klatschpresse geziert hatte.

Da Zahir von seiner Mutter erfahren hatte, wie verzweifelt Angele über die Untreue ihres Vaters gewesen war und deshalb mehr als ein Jahr kein Wort mit ihm gewechselt hatte, war es für Zahir an der Zeit gewesen, etwas dagegen zu unternehmen. Auch wenn er seiner zukünftigen Braut nicht sehr nahe stand, würde Cemal eines Tages ein Mitglied seiner Familie sein, und Zahir hatte nicht vor, tatenlos zuzusehen, wie der ältere Mann sie alle mit seinem Mangel an Diskretion in große Verlegenheit brachte.

Also hatte Zahir ihm die Pistole auf die Brust gesetzt. Unmissverständlich hatte er ihm erklärt, dass er nicht gewillt sei, eine Frau zu heiraten, deren Vater häufiger in der Klatschpresse auftauchte als ein europäischer Rockstar.

Cemal hatte sich gefügt. Er hatte seine Ehe wieder gekittet und war seit beinahe fünf Jahren in keinen Skandal mehr verwickelt gewesen. Womit er bewiesen hatte, dass ihm die Zukunft seiner Tochter wichtig war. Zahir hätte bei der Erinnerung daran beinahe das Gesicht verzogen.

Er würde sich nie so verhalten – lieblose Ehe hin oder her.

Anders als ihre Mutter würde Angele Untreue vermutlich nie tolerieren. Ein Charakterzug, den er an Angele, schätzte. Er wollte sich nicht an eine Frau binden, die sich wie ein Fußabtreter behandeln ließ.

Auch wenn Zahir es gar nicht so schlecht fand, dass Angele sich in die Hochzeit seines Bruders nicht eingebracht hatte, wurde seine Geduld jetzt doch auf eine harte Probe gestellt. Denn Angele weigerte sich hartnäckig, auf einem der offiziellen Hochzeitsfotos zu erscheinen.

„Komm, meine kleine Prinzessin. Du hast deutlich genug gemacht, was du willst.“ König Malik von Jawhar tätschelte Angeles Schulter. Sein Ton verriet, dass er ihr Tun genauso interpretierte wie Zahir. „Benimm dich nicht wie das Kamel, das versucht, mit dem Schwanz zu trinken.“

Angele schüttelte den Kopf. Das Lächeln, das sie ihrem Onkel schenkte, erreichte jedoch nicht ihre ernsten Augen. „Die offiziellen Fotos sind der Familie vorbehalten. Freunde haben darauf nichts zu suchen.“

Zahir runzelte die Stirn. Ihre Antwort verblüffte und imponierte ihm. Er hatte noch nie erlebt, dass sie dem König eine Bitte abschlug.

„Du gehörst doch fast schon zur Familie.“

Angele schüttelte nur den Kopf und wandte sich zum Gehen.

Zahir streckte die Hand aus, um sie festzuhalten, zog sie jedoch sofort wieder zurück, als ihm klar wurde, was er beinahe getan hätte. Sie waren noch nicht offiziell verlobt. Sie bei einem solchen Anlass derart vertraut zu berühren wäre höchst unpassend gewesen. Und als zukünftiger König von Zohra achtete Zahir streng auf seine Umgangsformen.

Zumindest in der Öffentlichkeit.

Mit seinem anstößigen Verhalten, das sich hinter den Kulissen abgespielt hatte, war es ohnehin vorbei. Trotzdem kam er sich immer noch dumm vor, weil er sich nach etwas gesehnt hatte, das ihm nicht zustand.

Ein Leben voller Liebe und Glück, wie seine Brüder es sich schufen, war ihm nicht bestimmt.

König Malik lachte. „Langsam erkennst du hinter dem Kind die Frau, die ihren eigenen Willen hat, nicht wahr?“

Zahir konnte es nicht abstreiten, zumal Angele sich sehr verführerisch gekleidet hatte, wie er es von ihr bisher nicht kannte. Und ihr Kleid erfüllte seinen Zweck. Er fand sie einfach reizend. Hatte er sonst kaum von ihr Notiz genommen, war er schockiert gewesen, als er bei ihrer Ankunft gemerkt hatte, dass Erregung in ihm aufgeflammt war.

Sie trug die dunkelbraunen Haare mit den neuen helleren Strähnchen hochgesteckt, sodass ihr schlanker Hals und die cremeweißen, schmalen Schultern entblößt waren. Das einzig nicht Aufregende an ihr war die Farbe ihres Couturekleids – ein heller Pfirsichton. Es umschmeichelte ihre leichten Rundungen und endete kurz über dem Knie. Auch wenn sie nicht die Figur ihrer Mutter hatte, sahen Angeles Beine in den Stöckelschuhen unglaublich lang und unglaublich sexy aus.

Obwohl seine Ehe keine Liebesheirat sein würde wie die seines Bruders, wäre es doch keine Zweckgemeinschaft, wie er immer angenommen hatte.

Was ihn betraf, konnte ihm die Liebe gestohlen bleiben. Ihm reichte, dass er Angele interessant fand und das Gefühl hatte, in ihr lodere die Leidenschaft.

„War das nicht eine wunderschöne Hochzeit?“

Ein bittersüßes Lächeln umspielte ihre Lippen, als Angele zu ihrer Mutter aufblickte. „Ja, was daran liegt, dass Amir und Grace einander lieben.“

„Die Feier hat mich an meine Hochzeit mit deinem Vater erinnert.“ Warum Lou-Belia verzückt seufzte, verstand Angele nicht. „Wir waren so verliebt damals.“

„Ich glaube nicht, dass Amir wie mein Vater ist.“

Lou-Belia runzelte die Stirn. „Du weißt, dass Cemal ruhiger geworden ist.“

Angele nickte. Sie freute sich für ihre Mutter, dass deren Ehe wieder zu funktionieren schien. Sie und ihr Vater verbrachten jetzt viel mehr Zeit miteinander und lebten sogar im selben Haus. Zudem war ihr Vater ihrer Mutter gegenüber neuerdings besonders liebevoll.

Trotzdem schmerzte es sie, dass ihr Vater seinen Lebenswandel erst geändert hatte, nachdem sie, Angele, ihn zur Rede gestellt hatte und ihm ein Jahr aus dem Weg gegangen war.

Schließlich hatte er ihre Mutter angefleht, das Zerwürfnis zu beenden, und Cemal und Lou-Belia hatten wieder zueinandergefunden.

„Also vergisst du alles, was in der Vergangenheit passiert ist?“, fragte sie hilflos.

„Wir reden nicht darüber, um der Zukunft willen.“ In Lou-Belias sanftem Lächeln, einst weltberühmt, schwang auch ein leichter Tadel mit. „Es ist fünf Jahre her, menina.“

Kleines Mädchen. Angele war nicht lange das kleine Mädchen ihrer Mutter gewesen, ganz egal, was Lou-Belia oder Zahir glauben mochten.

Trotzdem umarmte sie ihre Mutter fest. „Du bist eine liebevolle und nachsichtige Frau. Ich liebe dich.“

Aber ich will nicht wie du sein, fügte sie im Stillen hinzu.

Mit dieser schmerzlichen Gewissheit machte sie sich auf die Suche nach dem Mann, der eines Tages König sein würde. Angele schlüpfte durch die halb geöffnete Tür in Zahirs Arbeitszimmer. Er hatte das Hochzeitsfest verlassen, und sie wusste, dass sie ihn hier finden würde.

„Sie entziehen sich also Ihrer Pflicht, Prinz Zahir?“ Sie hatte die Arme über dem Designerkleid verschränkt. „Was wird dein Vater wohl dazu sagen?“

Der Raum spiegelte Zahirs Persönlichkeit wider: Er wirkte männlich, prachtvoll und beeindruckend. Doch die Kunstwerke und antiken Möbel ließen noch auf etwas Besonderes schließen: auf einen Sinn für Schönheit, den nur wenige besaßen.

Während Zahir sie kaum beachtet hatte, hatte sie ihn stets genau beobachtet und kannte ihn deshalb wahrscheinlich besser als die meisten anderen. Sie fragte sich, warum die Fotos, die sie erhalten hatte, sie bis jetzt so kalt gelassen hatten.

Angele kam sich entsetzlich dumm vor, weil sie es eigentlich nicht wahr haben wollte.

Sie war dreiundzwanzig, immer noch Jungfrau und ohne Zukunftsperspektive. Und sie wusste, dass sie selbst schuld war. Sie hatte sich an Hoffnungen und Träume geklammert, die niemals Wirklichkeit werden würden. Die Ehe ihrer Eltern hätte ihr eigentlich als Warnung dienen müssen.

Als Zahir von seinen Papieren aufblickte, die auf dem Schreibtisch lagen, wirkte er ein wenig überrascht. Sofort erhob er sich zu seiner beeindruckenden Größe. Er trug das traditionelle Gewand und die Kopfbedeckung eines Kronprinzen über einem maßgeschneiderten Anzug und sah darin in ihren Augen umwerfend attraktiv aus.

Dabei ahnte er von seiner Wirkung auf sie nicht einmal etwas – und wahrscheinlich wäre es ihm auch egal, weil sie nicht der Typ Frau war, auf den er stand.

„Was machst du denn hier, Prinzessin Angele?“ Er hatte sie schon immer Prinzessin genannt, obwohl sie keine war.

König Malik, ihr Patenonkel, hatte ihr diesen Kosenamen gegeben, und sie war ihn nie losgeworden. Hatte sie diesen Namen einst niedlich gefunden, erkannte sie jetzt, dass er eine Beziehung auf Augenhöhe zwischen ihr und Zahir verhinderte.

Zahir nannte sie nie beim Vornamen, wie es sonst zwischen Verlobten üblich war.

Zahir blickte an ihr vorbei, offensichtlich in der Annahme, dass sie von einer Anstandsdame begleitet würde. Doch ihre Mutter und alle anderen potenziellen Beschützer ihrer Jungfräulichkeit hatte sie auf dem Fest zurückgelassen. Als sie die Tür zuzog, hallte das Klicken des Schlosses laut in dem großen Raum wider.

„Habe ich vielleicht vergessen, dass wir verabredet sind?“, fragte er ein wenig verwirrt. „Hattest du erwartet, dass ich dich zu Tisch führe?“

„Ich bin durchaus in der Lage, allein zu meinem Tisch zu gehen.“ Auf ihre Bitte hin hatte man sie nicht nebeneinander platziert. „Ich weiß von Elsa Bosch.“

Eigentlich hatte sie nicht gleich mit der Tür ins Haus fallen wollen, aber seis drum. Sie hatte dem Erpresser nicht nur ein Mal Geld gezahlt, sondern zwei Mal. Aber nach diesem Wochenende würde Zahirs Ruf nicht länger ihre Sorge sein müssen. Derjenige, der die kompromittierenden Fotos geschossen hatte, würde sich eine andere Kuh suchen müssen, die er melken konnte.

Missbilligung zeigte sich auf Zahirs Miene. Galt diese dem Klatschblatt, in dem ein Foto von ihm und seiner Geliebten abgedruckt worden war, das sie beim Rendezvous in Paris vor zwei Wochen zeigte?

Verglichen mit den Fotos, die Angele zu Gesicht bekommen hatte, war das Bild, auf dem sie in vertrauter Zweisamkeit beim Essen zusammensaßen, harmlos und direkt langweilig gewesen. Oder galt seine Missbilligung ihr? Passte es ihm nicht, dass seine prüde und anständige Beinahe-Verlobte dieses Thema angerissen hatte? In den letzten Jahren hatte sie nämlich viel dafür getan, um dem perfekten Bild einer zukünftigen Königin zu entsprechen.

Wie wenig Zahir doch von ihr wusste!

„Du brauchst dir darüber keine Gedanken zu machen.“

Die Worte schockierten sie. Und sie taten weh, obwohl sie geglaubt hatte, schon genug verletzt worden zu sein. Mit Wut hatte sie gerechnet, Abscheu, vielleicht Enttäuschung, aber nicht damit, dass er das Ganze einfach abtat und nichts über die Frau verriet, mit der er geschlafen hatte, während er sie, Angele, unberührt ließ. Und schmerzlich unerfüllt.

Ihr war durchaus bewusst, dass Sex für eine Frau wunderschön sein konnte und auch sollte, aber sie war vollkommen unerfahren und hatte vor, das zu ändern. Noch an diesem Abend.

Dass Zahir offenbar so viel mit ihrem Vater gemein hatte, ließ sie in ihrem Entschluss fast wanken, bestärkte sie aber auch auf seltsame Art darin, ihm ihren Handel vorzuschlagen.

„Das Foto war recht schmeichelhaft, für euch beide.“

Er setzte sich kerzengrade hin. „Hör zu, Prinzessin …“

„Mein Name ist Angele.“

„Ich weiß.“

„Ich ziehe es vor, wenn du mich nur mit meinem Vornamen ansprichst.“ Auch wenn es nur für diese eine Nacht war, sollte er sie so sehen, wie sie war. „Ich bin keine Prinzessin.“

Und sie würde auch nie eine werden. Angele war nicht mehr das blauäugige Mädchen, das außer sich vor Freude gewesen war, als man ihre zukünftige Hochzeit angekündigt hatte. Die letzten zehn Jahre hatten sie nicht nur erwachsen gemacht, sondern sie auch alles überdenken lassen.

Autor

Lucy Monroe
Die preisgekrönte Bestsellerautorin Lucy Monroe lebt mit unzähligen Haustieren und Kindern (ihren eigenen, denen der Nachbarn und denen ihrer Schwester) an der wundervollen Pazifikküste Nordamerikas. Inspiration für ihre Geschichten bekommt sie von überall, da sie gerne Menschen beobachtet. Das führte sogar so weit, dass sie ihren späteren Ehemann bei ihrem...
Mehr erfahren