Leidenschaftliche Millionäre 4

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VERLIEB DICH NIE IN EINEN MILLIONÄR!

"Warum sieht er nur so verdammt gut aus?" Amy verzweifelt beinahe: Sie kann sich kaum auf Camerons Worte konzentrieren. Auf alles hatte sie sich vor dem Bewerbungsgespräch vorbereitet, aber nicht darauf, dass Cameron Travers in ihr einen Sturm der Gefühle auslöst! Dabei ist dieses Treffen so wichtig: Amy will endlich ein neues Leben beginnen, dafür braucht sie den Job als Haushälterin des Multimillionärs. Auf gar keinen Fall wird sie sich noch einmal unglücklich verlieben - doch schon beim nächsten Blick in Camerons grüne Augen spürt sie wieder dieses Kribbeln im Bauch …

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  • Erscheinungstag 02.12.2015
  • ISBN / Artikelnummer 9783733773106
  • Seitenanzahl 736
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Cover

Jennie Adams, Linda Goodnight, Christine Flynn, Raye Morgan, Melissa Mcclone

Leidenschaftliche Millionäre 4

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IMPRESSUM

BIANCA erscheint 14-täglich im CORA Verlag GmbH & Co. KG,

20350 Hamburg, Axel-Springer-Platz 1

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Geschäftsführung:

Thomas Beckmann

Redaktionsleitung:

Claudia Wuttke (v. i. S. d. P.)

Cheflektorat:

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Lektorat/Textredaktion:

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Anzeigen:

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Es gilt die aktuelle Anzeigenpreisliste.

 

© 2010 by Jennifer Ann Ryan

Originaltitel: „What’s a Housekeeper to Do?“

erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London

in der Reihe: ROMANCE

Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe: BIANCA

Band 1770 (5/1) 2011 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg

Übersetzung: Katharina Illmer

Fotos: gettyimages

Veröffentlicht im ePub Format in 03/2011 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

ISBN-13: 978-3-86349-667-8

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.

BIANCA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Führung in Lesezirkeln nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Verlages. Für unaufgefordert eingesandte Manuskripte übernimmt der Verlag keine Haftung. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Satz und Druck: GGP Media GmbH, Pößneck

Printed in Germany

Der Verkaufspreis dieses Bandes versteht sich einschließlich der gesetzlichen Mehrwertsteuer.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:

BACCARA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, HISTORICAL MYLADY, MYSTERY,

TIFFANY HOT & SEXY, TIFFANY SEXY

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Jennie Adams

Verlieb dich nie in einen Millionär!

1. KAPITEL

„Es ist vielleicht etwas ungewöhnlich, ein Bewerbungsgespräch mitten auf einem See zu führen.“ Cameron Travers verzog leicht ironisch den Mund und zuckte in der nebligen Morgenluft von Adelaide die breiten Schultern. „Aber da ich jemanden brauche, um diese Szene auszuprobieren, die mir im Kopf herumspukt, habe ich beschlossen, unser Gespräch mit Recherchen zu verbinden. Ich hoffe, es macht Ihnen nichts aus.“

„Das ist wirklich kein alltäglicher Ort für ein Vorstellungsgespräch, Mr. Travers, aber ich habe nichts dagegen.“ Wenn er im Morgengrauen in einem Boot über einen See rudern musste, um für seinen Krimi zu recherchieren, konnte Amy Douglas damit leben. Sie lächelte ihn, wie sie hoffte, gelassen an, denn sie war etwas nervös. Schließlich hatte sie noch nie ein echtes Bewerbungsgespräch gehabt – schon gar nicht mit einem schwerreichen Bauunternehmer, der gleichzeitig ein weltberühmter Krimiautor war.

Camerons attraktiver Mund verzog sich zu einem Lächeln. „Das weiß ich zu schätzen. Ich könnte wirklich etwas Hilfe bei den alltäglichen Dingen gebrauchen, damit ich mich ganz auf die Altbausanierung konzentrieren kann, die ich hier in Adelaide vorhabe, und auf mein nächstes Buch.“

Wie konnte so ein schiefes Lächeln einem Menschen beinahe den Atem rauben? Amy suchte in seinen dunkelgrünen, von dichten, schwarzen Wimpern eingerahmten Augen nach der Antwort. Das frühe Morgenlicht ließ ihn geheimnisvoll attraktiv wirken.

Schon als sie miteinander telefoniert hatten, um diesen Termin zu vereinbaren, hatte sie gespürt, dass Cameron Travers ein äußerst sympathischer Mann war. Beide hatten sie sich an eine örtliche Stellenvermittlung gewandt und sofort einen Draht zueinander gehabt. Und auch jetzt wieder, als sie sich hier in diesem unglaublich grünen Vorortpark von Adelaide trafen, um sein Rechercheexperiment und ihr Vorstellungsgespräch durchzuführen.

Cameron Travers war ruhig, sogar nachdenklich, und schien ein Mann zu sein, der viele Dinge für sich behielt. Außerdem hatte er eine charmante Art, anderen Menschen das Gefühl zu geben, bei ihm willkommen zu sein. „Ich würde Ihnen gern helfen, damit Sie sich mehr auf Ihre Arbeit konzentrieren können“, sagte Amy.

„Jemand, der sich um den Haushalt kümmert und einige Büroarbeiten – nur ganz allgemeine Sachen – für mich übernimmt, würde mir den Rücken freihalten, damit ich das alles schaffen kann.“ Cameron Travers ruderte ihr kleines Boot weiter auf den See hinaus.

Starr nicht auf seine Arme, Amy. Du bemerkst seine Muskeln nicht mal. Konzentrier dich nur auf dieses Gespräch.

Acht Wochen Beschäftigung als seine vorübergehende Haushälterin, die bei Bedarf noch etwas Büroarbeit erledigte, das war sein Angebot, wenn sie die Stelle bekam. So eine Zeitspanne war für Amy eigentlich nur ein kurzes Zwischenspiel.

„Hat die Stellenvermittlung erklärt, was ich von Ihnen erwarte?“, fragte Cameron, während er ruderte. „Ich hatte dort eine Liste mit meinen Anforderungen abgegeben.“

„Ja. Lassen Sie mich zusammenfassen: Ich kann entweder bei Ihnen wohnen oder jeden Morgen kommen. Sie erwarten von mir, dass ich für Sie koche, putze, ans Telefon gehe, vielleicht etwas Büroarbeit übernehme und ganz allgemein alles für Sie in Ordnung halte.“

Amy kannte das Anforderungsprofil genau, und da sie das Gefühl hatte, mit Offenheit weiterzukommen, sagte sie: „Ich würde es vorziehen, bei Ihnen zu wohnen. Das wäre günstiger, als weiter bei meinen Eltern zu leben und jeden Morgen durch die ganze Stadt zur Arbeit zu fahren.“ Wenn sie sich schon eine Stelle außerhalb der Familie suchen musste, konnte es auch eine Arbeit sein, die sie interessant fand.

„Sie haben die Aufgaben genau beschrieben. Ich mache sonst immer alles selbst.“ Er runzelte die Stirn. „Aber die Zeit läuft mir davon, und mein Agent wird langsam unruhig. Ich muss mich auf das Buch und die Altbausanierung konzentrieren und nichts anderes. Vielleicht überwinde ich so auch meine Schreibblockade.“

Amy wusste nicht, wie lange es dauerte, einen Bestsellerkrimi zu schreiben, aber sie konnte sich vorstellen, wie anstrengend es sein musste, wenn die Geschichte nicht voranging, während die Tage bis zum Abgabetermin nur so vorbeirauschten.

Und sie musste arbeiten, um etwas Geld zu sparen. Nach Ablauf dieser befristeten Stelle würde sie wieder wie üblich bei ihren Verwandten aushelfen und sich um sie kümmern.

Sie arbeitete sonst nur für sie. Aber niemand aus ihrer großen Familie schien sie im Moment zu brauchen. Deshalb hatte sie sich woanders nach einer Stelle umgesehen.

Amy hob den Kopf, holte tief Luft und sah sich um. Südaustralien im November. Morgens war es über dem See kühl und neblig, aber das lag nur daran, dass der See so groß war, außerdem war es noch sehr früh. Später würde es ziemlich warm werden.

„Es ist auf jeden Fall das richtige Wetter für diese Art Recherche.“

„Ja, und der Regenguss letzte Nacht hat für den schönen Nebeleffekt hier heute Morgen gesorgt.“ Cameron sah sich um.

Aber Amy war gegen ihren Willen viel mehr an dem Mann als an der Umgebung interessiert. Nach einer bitteren Erfahrung, unter der sie immer noch litt, wollte sie nichts mehr von Männern wissen. Zu allem Überfluss gab sie sich selbst auch noch die Schuld am Scheitern ihrer letzten Beziehung.

Sie verdrängte diese beunruhigenden Gedanken und beobachtete aufmerksam, wie die Ruder ins Wasser eintauchten, bevor sie sich wieder auf Cameron Travers konzentrierte. Aber sie sollte ihn nicht ganz so intensiv als Mann wahrnehmen. Sie tauchte die Finger ins Wasser kurz und zog sie schnell zurück. Es war eiskalt.

„Sie sagten gestern am Telefon, Sie hätten als Haushälterin Erfahrung?“ Cameron musterte sie eingehend.

Sie nickte eifrig. „Ja, ich habe schon öfter als Haushälterin gearbeitet. Ich koche gut und kann organisieren und strukturiert arbeiten. Außerdem lerne ich schnell und bin daran gewöhnt, ins kalte Wasser geworfen und mit allen möglichen Aufgaben konfrontiert zu werden. Ich liebe neue Herausforderungen.“

„Genau so eine Hilfe brauche ich.“ Er klang anerkennend, und aus irgendeinem dummen Grund klopfte ihr Herz deshalb schneller.

„Hoffentlich.“ Amy wandte den Blick ab und platzte heraus: „Das Wasser ist für November noch ziemlich kalt. Da möchte ich nicht hineinfallen.“

„Oder die Hand in ein Gewässer tauchen, in dem ein Krokodil lauern könnte.“ Cameron ließ die Ruder etwas lockerer. „Aber keine Sorge – dafür befinden wir uns am falschen Ende Australiens.“

„Ich war eine Weile bei Verwandten im Northern Territory und auf den Torres-Strait-Inseln, aber ich habe noch nie ein Krokodil aus der Nähe gesehen.“ Amy unterdrückte ein Schaudern. „Von mir aus kann das auch gern so bleiben.“

Und genauso wenig wollte sie ihren potenziellen Chef so intensiv wahrnehmen – was nicht hieß, dass sie ihn mit einem gefährlichen Krokodil verglich.

Cameron wirkte nachdenklich, während er weiterruderte. Auf der Mitte des Sees ließ er das Boot treiben. „Hier sieht es ziemlich tief aus. Wahrscheinlich bleibt das Wasser sogar im Hochsommer kalt.“

Da es an diesem Morgen so kühl war, trug er einen beigefarbenen Pullover und Bluejeans. Die legeren Sachen betonten seine Muskeln und seine grünen Augen.

Amy musterte verstohlen ihre eigene Kleidung. Hellbraune Hose und schwarzer Rollkragenpulli. Sie musste sich unbedingt auf dieses Gespräch konzentrieren und durfte sich nicht von ihrem Gesprächspartner ablenken lassen. Daher atmete sie tief durch und deutete auf das Päckchen, das im Boot lag. „Das werfen wir also über Bord?“

So viel hatte er ihr über ihre morgendliche Mission erzählt, als sie sich an dem Steg trafen, an dem das Boot festgemacht war. An einem sehr kleinen Steg am Rande des Sees.

„Genau. Es ist nur ein Paket Sand in wasserlöslicher Verpackung. Den Rest reime ich mir mit meiner Fantasie zusammen.“ Mit zusammengekniffenen Augen sah er sich aufmerksam um. „Ich muss mir selbst ein Bild machen. Spritzt es stark? Wie viel Lärm verursacht es? Wie weit schlagen die Wellen? Durch die Tat muss Spannung aufgebaut werden, ohne dass der Leser herausbekommt, was hier wirklich vorgeht. Darum will ich die Atmosphäre richtig einfangen.“

„Oh. Sie könnten einen Körper über Bord werfen.“ Amy überlegte kurz. „Nein, dafür ist der Sand nicht schwer genug. Was wird denn in der Geschichte ins Wasser geworfen? Eine Waffe? Ein Körperteil?“

„Entdecke ich da etwa einen Anflug blutrünstiger Fantasie?“ Er lachte, vielleicht über ihren ertappten Gesichtsausdruck.

„Oh nein. Oder vielleicht … ein bisschen …“ Amy holte tief Luft und erwiderte sein Lächeln. „Es muss sehr viel Spaß machen, solche Geschichten zu schreiben.“

„Normalerweise ja.“ Sein Blick blieb an ihrem Mund hängen, und für einen Augenblick wirkte er abwesend, aber dann blinzelte er. Was auch immer sie in seinen Augen gesehen haben mochte, es war verschwunden.

„Wenn Sie mich als Ihre Haushälterin einstellen, werde ich alles tun, um Ihnen zu helfen.“ Als sie sich bewarb, hatte Amy nur zwei Kriterien im Kopf gehabt: Die Stelle sollte unbedingt befristet sein, und sie musste der Tätigkeit gewachsen sein. Jetzt wurde ihr klar, dass diese Arbeit auch interessant sein könnte – möglicherweise sogar aufregend. Außerdem konnte sie jemandem wirklich helfen.

Vielleicht war sie nur die Haushälterin – aber immerhin für einen Krimischriftsteller, dessen Abgabetermin immer näher rückte!

Ihr mochte seit einiger Zeit ein bisschen Aufregung im Leben fehlen, aber sie schob den Gedanken sofort beiseite.

Unruhig rutschte Amy auf der Sitzbank hin und her, hielt aber sofort inne, damit das Boot nicht zu sehr schaukelte. „Ich habe schon eine Weile nichts Spannendes mehr gelesen. Meistens sehe ich mir eher einen Film an, aber einen guten Krimi gemütlich auf dem Sofa lesen …“ Sie holte Luft. „Ich werde versuchen, Sie nicht mit Fragen zu löchern, während Sie schreiben. Das heißt, sofern Sie mich einstellen.“

„Fragen stören mich nicht.“ Er lächelte. „Vorausgesetzt, sie beginnen oder enden nicht mit den Worten: ‚Wie viele Seiten haben Sie heute geschrieben?‘“

„Ich denke, das kriege ich hin.“ Das wäre beinahe so, als würde sie von ihrer Mutter oder Tante Edie Rechenschaft über die Zeit verlangen, in der sie malten oder mit Keramik arbeiteten.

Amy warf Cameron Travers einen weiteren forschenden Blick zu. Er hatte wie sie dunkles Haar. Aber seins war kurz und wellte sich nicht wie ihre langen Korkenzieherlocken.

Seine Haut war leicht gebräunt, und seine Augen schienen zu sagen: „Komm, verlier dich in uns.“ Aber jetzt, wo sie genauer hinsah, bemerkte sie die dunklen Ringe unter diesen unwiderstehlichen Augen.

Dieser Mann hatte also doch einen kleinen Schönheitsfehler.

Wenn man einen müden Blick als Makel ansah. „Verschaffe ich Ihnen mit meiner Arbeit etwas mehr Ruhe?“ So hatte sie das nicht beabsichtigt. „Ich meine … ich wollte damit nicht andeuten …“, stotterte sie. Wahrscheinlich hatte er in jedem Hafen eine Freundin, die ihn bemutterte. Genau wie Sam.

Aber Sam hatte seine Frau gehabt.

Und Amy.

Denk nicht mehr an ihn. Er ist es nicht wert.

Sie versteifte sich und presste die Lippen zusammen, geschäftsmäßig, wie sie hoffte. „Ich werde Ihnen helfen, so gut ich kann. Sie sehen nur etwas erschöpft aus, deswegen habe ich gefragt.“

„Mit Ihrer Hilfe könnte ich mich auf das Notwendige konzentrieren.“ Cameron sah sie kurz an. „Das wäre fast genauso gut. Ich schlafe nicht viel. Sind Sie bereit, das Sandpaket für mich über Bord zu werfen? Es wiegt ein paar Kilo. Ich brauche eine Frau, die es als ‚Passagierin‘ vom Boot ins Wasser wirft, aber ich hatte nicht bedacht, dass …“ Er zögerte und musterte Amys schlanke Figur.

„Das schaffe ich schon.“ Amy schob sich die Haare über die Schulter zurück, damit sie nicht bei der Aktion störten.

Sie mochte zierlich sein, aber sie hatte genügend Kraft, um ihre Nichten, Neffen und Cousins in verschiedenen Größen und Altersklassen zu heben, da konnte sie auch ein Paket Sand ins Wasser werfen. „Jederzeit, wenn Sie so weit sind. Soll ich es im Stehen einfach fallen lassen oder im Sitzen schleudern? Soll das Wasser ins Boot zurückspritzen?“

„Schleudern wäre gut, danke. Am besten weit genug weg, dass wir dabei nicht nass werden.“ War das der Anflug eines Lächelns auf Camerons Gesicht? „Sie können das Paket sicher bequem aus dem Stand schleudern, wenn Sie vorsichtig sind. Das möchte ich gern ausprobieren.“

Er ergriff ihre Hand, um ihr aufzuhelfen.

In dem Moment, als seine kräftigen Finger ihre Hand berührten, geriet ihr Entschluss, sich nicht von ihm beeindrucken zu lassen, erheblich ins Wanken. Amy suchte eine sichere Position und räusperte sich. „Nun, ich wäre dann so weit, danke. Ich habe meine Balance gefunden. Sie können mich jetzt wieder loslassen.“

Das tat er, und sie unterdrückte einen Seufzer der Enttäuschung und Erleichterung zugleich. Aber es war keines davon. Natürlich nicht. Denn seine Berührung warf sie nicht im Geringsten aus der Bahn.

Also wirklich. Warum sollte der kurze Griff seiner Hand oder ein gesenkter Blick ihr Herz schneller schlagen lassen?

„Fertig?“ Cameron begegnete ihrem Blick mit erhobenen Augenbrauen.

Amy murmelte: „Ja.“

Er reichte ihr das Paket.

Es war schwer, aber sie schleuderte es schwungvoll von sich weg.

Einige Meter entfernt landete es mit einem zufriedenstellenden Platsch. Vorsichtig setzte sie sich wieder hin, während Cameron alles aufmerksam beobachtete. In Gedanken speicherte er den Aufprall – das Aufspritzen des Wassers, das Kräuseln der Wellen, die Art, wie der Nebel alles beinahe sofort zu verschlucken schien.

Amy beobachtete Cameron, bis ihr auffiel, was sie tat. Abrupt sah sie weg.

„Danke. Zumindest weiß ich jetzt, dass man das Paket auch mit zwei Personen im Boot über Bord werfen könnte, ohne dass es zu viel Aufmerksamkeit auf sie ziehen würde.“ Er stockte lächelnd. „Nachdem wir das erledigt haben, erzählen Sie mir von Ihrer bisherigen Berufserfahrung.“

Camerons Worte rückten alles wieder in die richtige Perspektive. Ein Bewerbungsgespräch. Das war genau das, was Amy wollte. „Müssen Sie sich keine Notizen machen?“ Offensichtlich nicht, sonst würde er das ja tun. Blöde Frage. „Ich habe in den letzten sechs Jahren für meine große Familie gearbeitet und dabei alles Mögliche getan, wie zum Beispiel Haushaltsführung, Buchhaltung und Kochen. Ich war Kellnerin im Restaurant meines Vaters ‚Due per‘, habe im Krämerladen meines Onkels gearbeitet und im Geschäft für Angelzubehör eines anderen Verwandten. Manchmal habe ich auch für meine drei Schwestern und meinen Bruder und seine Frau die Kinder betreut.“

Amy holte tief Luft. „Ich habe meine Mutter auf ihren Mal-Exkursionen begleitet. Alles, was die Familie in dem Moment gerade brauchte, habe ich gemacht.“ Aber sie war den Versuchen ihrer Mutter und Tante Edie ausgewichen, sie zum Malen zu bringen. Dafür hatte sich Amy noch nicht bereit gefühlt, aber das war nicht der Punkt.

Sie kramte in ihrer orangeroten Ledertasche, die sie unter den Sitz geschoben hatte, und zog ihre Referenzen heraus. Nervös hielt sie die vielen Unterlagen in der Hand. „Der Stellenvermittlung habe ich drei gegeben, und hier ist der Rest. Ich habe alles dabei, was Sie in Bezug auf Berufserfahrung vielleicht sehen möchten.“ Eine leichte Röte breitete sich auf ihren Wangen aus. „Wahrscheinlich hätten auch ein paar davon gereicht.“

„Besser zu viele als nicht genug. Darf ich?“ Er streckte eine Hand aus, und Amy reichte ihm die Papiere.

Dabei berührten sich ihre Finger. Amy war wie elektrisiert. Dasselbe war passiert, als er ihr ins Boot geholfen hatte.

Cameron blätterte die Seiten durch, stoppte hier und da und las interessiert. Tante Judith hatte ihre Referenz auf einem Briefbogen geschrieben, der mit der traditionellen Kunst der Aborigines verziert war, und einen Nachsatz hinzugefügt: „Amy sollte sich in ihrer Freizeit der Kunst und Malerei widmen, bevor sie älter wird.“ Zumindest hatte ihre Tante die Empfehlung nicht mit „2 minus“ benotet. Schließlich war sie Lehrerin gewesen, bevor sie ihren Beruf aufgegeben hatte, um nur noch zu malen.

Camerons Mund verzog sich definitiv zu einem Lächeln, als er Tante Judiths Ermahnung las.

Die Empfehlung ihres Onkels stand auf einem Bestellformular seines Obstladens. Aber der Inhalt zählte.

„Ich kann mir nicht vorstellen, wie Sie mit so vielen Verwandten zurechtkommen.“ Die Vorstellung erschien Cameron absolut befremdlich.

„Ist Ihre Familie …?“ Klein? Oder haben Sie gar keine Angehörigen? Amy stockte. Das ging sie nichts an.

Bloß weil sie ihre Familie brauchte, bedeutete das nicht, dass jeder andere Mensch auch so empfand.

„Ich habe nur meine Mutter.“ Er hob den Blick und sah Amy nachdenklich an. Dann räusperte er sich und konzentrierte sich wieder auf die Referenzen. Als sich sein Gesichtsausdruck entspannte, wirkte er auf einmal müde und erschöpft.

Wie meisterte er das Leben mit nur einem Verwandten? Sein Gesichtsausdruck war schwer zu deuten gewesen, als er seine Mutter erwähnte, aber sie mussten sich sehr nahestehen.

„Ich bin mit Ihren Referenzen sehr zufrieden“, sagte Cameron entschlossen und sah einer Weißkehlente nach, die neben ihnen lautlos durch das Wasser glitt. „Können Sie mit dem Computer umgehen?“

„Mit einem einfachen Textverarbeitungsprogramm kann ich etwa fünfzig Worte in einer Minute schreiben, und ich habe viel Zeit mit Internetrecherchen verbracht.“ Amy würde ihr Bestes geben. Wie immer. „Am Telefon sagten Sie, dass Sie das alte Keisling-Gebäude sanieren. Ich habe es gegoogelt. Das muss ein umfangreiches Projekt sein.“

In Adelaide standen viele alte Gebäude, und Amy liebte die Atmosphäre dieser Stadt, sie verband große, ausgedehnte Weite mit allem modernen Komfort.

„Das Keisling-Gebäude ist ein riesiges Haus, das ich in Wohnungen aufteilen werde.“ Er nickte. „Sobald die Arbeiten abgeschlossen sind, verkaufe oder vermiete ich es.“

„Es gibt in Adelaide vieles, was ich noch nicht kenne“, bemerkte Amy, während Cameron sie zurück ans Ufer ruderte. „Dabei habe ich schon eine ganze Menge von Australien gesehen.“ Sie stockte, als ihr auffiel, dass das Gespräch offensichtlich beendet war. „Rede ich zu viel?“

„Nur ein bisschen. Aber das stört mich nicht. Sie haben eine beruhigende Stimme.“ Er ruderte weiter. „Ich bin selbst viel gereist. In Sydney habe ich eine Wohnung, und mir geht es wie Ihnen.“ Seine Augen funkelten vergnügt. „Ich kenne viel von Australien, aber es gibt Gegenden von Sydney, die ich noch nie gesehen habe. Meistens hält man sich an das, was man kennt, oder?“

„Genau. Reisen Sie oft und verbinden die Recherche für Ihre Bücher oder Umgebungen dann mit Ihren Sanierungsprojekten?“

„Ja. Ich arbeite lange und muss immer eine Beschäftigung haben. Darum suche ich ständig nach Möglichkeiten, um mein Gehirn in Schwung zu halten.“ Er seufzte leise auf, bevor er sich wieder aufs Rudern konzentrierte. „Die Sanierungen kamen zuerst. Damit habe ich gleich nach der Schule angefangen und hatte Glück, denn ich konnte damit Geld verdienen, expandieren und ein erfolgreiches Unternehmen daraus machen. Als ich immer noch nicht ausgelastet war, bin ich auf die Idee gekommen, ein Buch zu schreiben. Eigentlich habe ich damit zu meinem Vergnügen angefangen, weil ich gern lese. Ich war sehr überrascht, als mein erstes Buch von einem Verlag angenommen wurde. Eine zweite Karriere mit dem Schreiben zu starten kam für mich völlig unerwartet, aber natürlich freue ich mich über die zusätzlichen Einkünfte.“

Und jetzt unterhielt und faszinierte er Leser auf der ganzen Welt.

Ich bin nicht von ihm fasziniert, sagte sich Amy. Aber warum eigentlich nicht? Weshalb wehre ich mich dagegen? Ich kann doch von seiner Arbeit begeistert sein, vorausgesetzt, wir begegnen uns auf einer rein beruflichen Ebene. „Und dann sind Sie ein berühmter Autor geworden.“

„Ein Autor mit einem Abgabetermin, der gefährlich nahe rückt, und einer unerwünschten Schreibblockade.“ Damit wischte Cameron ihre Bemerkung zu seiner Bekanntheit beiseite.

Aber er war berühmt. Seine Serie war in den letzten Jahren immer populärer geworden. Sein Name war nun ein Begriff.

Cameron schien zu zögern, bevor er weitersprach. „Normalerweise spornt mich mein Abgabetermin an, aber in letzter Zeit …? Da ist die Sanierung dieses Gebäudes, der Rest meines Unternehmens, das ich im Auge behalten muss, und ich bin erschöpfter als sonst – vielleicht, weil ich mich beim Schreiben noch mehr anstrengen muss, um vorwärtszukommen.“

Er wollte nicht nur eine Assistentin, sondern brauchte dringend eine.

Dass jemand auf sie angewiesen war, tat Amy gut. Denn in letzter Zeit war ihre Familie ohne ihre Hilfe zurechtgekommen. Nicht einmal ihre Schwestern benötigten sie zur Kinderbetreuung, und das, wo sie sonst immer fragten, ob sie dafür Zeit fand.

„Oh, nein danke, Amy. Sie sind jetzt alle im Hort und für die nächsten Monate in einem Sportprogramm angemeldet.“

„Eigentlich nehmen Rays Eltern die Mädchen für eine Weile nach der Schule.“

Und so weiter.

Wer hätte gedacht, dass Douglas’ Kinder nach der Schule in den Hort gingen? Und Rays Eltern hatten die Mädchen noch nie betreut.

Es hatte sich wie eine Verschwörung ihrer Familie angefühlt, aber der Gedanke war einfach absurd. Darum schob ihn Amy hastig beiseite.

„Sie brauchen jemanden, der Ihnen für eine Weile alle anfallenden Routinearbeiten im Haushalt abnimmt, damit Sie sich auf das konzentrieren können, was Sie tun müssen.“ So etwas lag Amy. Sie konnte sich für zwei Monate um diesen Mann kümmern, bevor sie dorthin zurückkehrte, wo sie sein wollte und hingehörte – zu ihrer Familie, die immer für sie da gewesen war. „Wenn Sie mich einstellen, werde ich für Sie die beste Haushälterin und Assistentin sein, die Sie sich vorstellen können, Mr. Travers.“

Cameron steuerte das Boot vorsichtig auf den provisorischen Anleger zu. „Ich möchte Sie gern einstellen.“ Er nannte ihr ein großzügiges Gehalt. „Jetzt müssen wir nur noch absprechen, an welchen Tagen Sie freihaben.“

„Dann habe ich die Stelle? Oh, danke!“ Die Welle des Glücks, die Amy fühlte, musste die Erleichterung darüber sein, dass sie für die nächsten zwei Monate finanziell abgesichert war. Ihre Familie hätte ihr natürlich ausgeholfen. Alle hatten das angeboten. Aber das konnte sie nicht annehmen und dann nur herumsitzen und Däumchen drehen.

Das war einfach gut. Perfekt. „Danke, Mr. Travers. Ich werde alles tun, um Ihnen zu helfen.“

Einen Moment lang wirkte Cameron völlig überrascht. Dann ließ er das Boot an den Steg stoßen. „Wie schnell können Sie anfangen?“

„Heute oder gleich morgen früh. Was passt Ihnen besser?“, fragte Amy. Hoffentlich sah man ihr nicht an, dass sie innerlich vor Aufregung glühte.

„Dann gleich morgen früh.“ Cameron stieg schnell und leichtfüßig aus dem Boot. Lächelnd reichte er ihr die Hand. „Es wird schön sein, jemanden zu haben, der sich um diese Dinge kümmert, während ich versuche …“

Er beendete den Satz nicht, aber sicher nicht, weil ihn die Berührung ihrer Hände ablenkte.

Vielmehr musste er sich darauf konzentrieren, Amy nicht wie ein Paket Sand ins Wasser fallen zu lassen, weil sie nicht ganz so aufmerksam war, wie sie sein sollte, als sie wackelig aus dem Boot auf den Steg kletterte.

Konzentrier dich, Amy, damit du wieder auf festem Boden oder auf Planken kommst, und nicht auf das Gefühl warmer Haut an deiner Hand!

„Danke.“ Amy löste sich aus seinem sicheren Griff. Sie konnte direkt fühlen, dass ihre Wangen warm wurden. „Sie wollten sagen, während Sie versuchen …?“

„Zwei wichtige Bereiche meines Lebens so zu koordinieren, dass ich in beiden meine Leistungen erbringe.“ Cameron schob die Hände in die Hosentaschen.

Ihm schien nicht aufzufallen, wie diese Bewegung seine Muskeln betonte.

Um ihre Befangenheit zu überspielen, schenkte Amy Cameron Travers ein strahlendes, dankbares Lächeln. „Ihre Sanierung und das Schreiben. Ich verstehe. Also stehe ich morgen früh um sieben mit gepackten Taschen vor Ihrer Tür, bereit, mich auf alles zu stürzen, was für den Tag in Ihrem Kalender steht.“

Cameron blinzelte kurz, und das Grün seiner Augen verdunkelte sich noch mehr. „Ja, das wäre schön. Wir frühstücken dann, während ich Ihnen die Liste mit Ihren Aufgaben für den Anfang gebe.“

„Wundervoll.“ Amy überlegte, ob sie ihm noch einmal die Hand schütteln sollte. Aber lieber nicht. Am besten behielt sie die Hände bei sich. Stattdessen schob sie sich eine ihrer langen braunen Locken hinters Ohr und wandte sich zum Ausgang des Parks. „Dann bis morgen, Mr. Travers.“

„Cameron“, korrigierte er und umfasste leicht ihren Ellbogen. „Ich bringe dich zu deinem Auto zurück.“

„Und ich bin Amy. Das hast du sicher schon auf der Bewerbung und den Referenzen gelesen. Ist das Boot eigentlich sicher?“, fragte Amy atemlos.

„Das habe ich nur gemietet. Der Besitzer sollte bald hier sein, um es abzuholen.“ Cameron schien sich keine Sorgen darüber zu machen.

Er könnte wahrscheinlich mühelos Ersatz kaufen. Dieser Mann hatte zweifellos das Geld dafür, wenn er wollte.

Gemeinsam gingen sie zum Ausgang, wo Amy sich schnell von ihm verabschiedete und sofort zu ihrem alten, benzinfressenden Kombi ging. Sie musste sich unbedingt wieder sammeln und bis morgen ihre Gedanken sortieren, um sich auf ihre neue Stelle vorzubereiten. Vollkommen effizient, professionell unbeteiligt und geschäftsmäßig – so musste sie sein.

„Dann bis morgen.“ Mit diesen Worten ging er zu seinem Auto, das etwas weiter weg parkte.

Das Letzte, was Amy sah, als sie wegfuhr, war Cameron, der in sein himmelblaues Cabrio stieg und das Verdeck herunterklappte.

Wie gern würde sie mit ihm in diesem Auto durch die Gegend fahren.

Auch wenn nur sie beide hineinpassten.

Nicht, dass es ein „sie beide“ gab.

Das wäre einfach dumm und obendrein gefährlich.

Schließlich war Amy den Männern in den letzten sechs Jahren nicht aus dem Weg gegangen, um sich jetzt wieder in Schwierigkeiten zu bringen!

2. KAPITEL

„Da bin ich, wie versprochen“, sagte Amy betont fröhlich, um ihre Nervosität zu überspielen. Sie zog ihre Koffer hinter sich her über den Hof. „Im Auto ist noch mehr Gepäck, aber das kann ich später holen. Ich nehme immer fast alles mit, wenn ich bei einer neuen Stelle in der Familie anfange. Über die Jahre habe ich mir das so angewöhnt, weil ich gern meine Sachen um mich habe. So fühle ich mich überall zu Hause. Das werde ich sicher auch hier tun, wenn ich mich erst einmal eingerichtet habe.“

War sie so gesprächig, um ihre Nervosität zu verbergen?

Cameron spürte diesen seltsamen Drang, sie zu beruhigen. Er stand von dem Esstisch im Außenbereich auf und ging auf sie zu. „Ich nehme auch einige Dinge mit, wenn ich verreise.“ Aber diese Sachen waren meistens nur wichtig für seine Arbeit: Laptop, Geschäftsakten, seine Kaffeemaschine und Recherchematerial für seine Bücher. Die Kaffeemaschine war auf jeden Fall arbeitsnotwendig! „Warte, ich helfe dir. Deine Koffer sehen zehnmal so schwer aus wie du. Und ich freue mich darauf, wenn du dich einrichtest.“

Es war so lange her, dass er Zeit in der Nähe einer Frau verbracht hatte. Der letzte Versuch hatte in einem Desaster geendet, aber hier lagen die Dinge anders. Amy war seine Haushälterin. Und die sollte sich wohl und willkommen fühlen.

Sie holte tief Luft und atmete langsam wieder aus, und er konnte direkt zusehen, wie ihre Anspannung nachließ.

Amy Douglas war eine wunderschöne Frau. Es würde eine neue Erfahrung für ihn sein, eine Haushälterin bei sich wohnen zu haben, und speziell diese Frau. Eigentlich hatte er eine ältere Dame erwartet, die vielleicht schon im Ruhestand war.

Aber durch den Kontakt mit Amy Douglas könnte er eventuell einige Marotten und Schwächen der weiblichen Romanfigur aus seinem nächsten Buch abmildern.

Warum nur wirkte sie so reserviert? Ein krasser Gegensatz zu ihrer lebhaften Fantasie und dem Funkeln in ihren dunkelbraunen Augen, wenn sie etwas interessierte. Cameron schob seine Neugier auf sein literarisches Interesse und musterte Amy kurz und unauffällig.

Sie war schlank, hatte milchkaffeebraune Haut und lockiges, fast schwarzes Haar. Ihr Lächeln ging ihm unter die Haut und ließ ihr Gesicht strahlen. Heute trug sie einen knielangen, hellbraunen Rock, flache Sandalen, eine einfache, weiße Bluse und darüber eine karamellfarbene Strickjacke.

„Mit den Koffern komme ich schon klar.“ Amy deutete hinter sich. „Sie lassen sich stapeln und haben Rollen.“

„Ja, das sehe ich.“ Aber Cameron nahm sie ihr trotzdem ab. Dabei streiften sich ihre Hände, und er versuchte – er versuchte es wirklich – nicht zu bemerken, wie weich ihre Haut war, oder die langen, schlanken Finger mit akkurat gefeilten, schmucklosen Nägeln. Cameron wollte ihre Haut streicheln, seine Finger mit ihren verschlingen.

Und was tun? Ihre Fingerspitzen küssen? Keine Chance, Travers. Gestern hatte er genauso auf sie reagiert und versucht, es mit allen Mitteln zu unterdrücken. Etwas mit einer Angestellten anzufangen war keine gute Idee.

Cameron hatte keine Zeit, sich jetzt über ihre gegenseitige Anziehung Sorgen zu machen. Das hob er sich lieber für die Momente auf, in denen ihm nach weiblicher Gesellschaft war, aber diese Bekanntschaften waren nicht auf der Suche nach einer festen Beziehung. Zwischen der Art, wie seine Mutter ihn aufgezogen hatte, und seiner einzigen längeren Beziehung, von deren Scheitern er sich noch nicht erholt hatte, war sein Vertrauen in Frauen und tiefe, persönliche Beziehungen verloren gegangen.

Er zog die Koffer zur Eingangstür der größten Wohnung des Hauses und schob sie hinein, bevor er sich wieder Amy zuwandte.

Verlegen lächelte sie. „Danke.“

„Gern geschehen!“ Er deutete hinter sich. „Das ist die Wohnung, die wir uns teilen, solange du hier bist. Sie ist halbwegs in Schuss und voll eingerichtet, da immer ein Hausmeister darin gewohnt hat, bevor ich das Haus gekauft habe. Ein Zimmer dient als Arbeitszimmer, aber es gibt noch zwei andere neben Bad und Küche.“

„Das ist schon in Ordnung. Mein Vater hat sich bei der Stellenvermittlung über dich erkundigt.“ Sie biss sich auf die Lippe.

„Dann kann er beruhigt sein, dass du hier sicher bist.“ Cameron führte Amy nach draußen zu dem großen Tisch, den er gedeckt hatte, und bedeutete ihr, sich zu setzen. Sie nahmen auf den schmiedeeisernen, gepolsterten Stühlen Platz.

„Danke. Ich bin froh, dass du es verstehst.“ Amys Blick fiel auf die Teller und die silberne Kaffeekanne. „Wenn das alles so gut schmeckt, wie es riecht, werde ich an meinem ersten Tag aber sehr verwöhnt.“

Cameron zuckte die Schultern, auch wenn ihre Worte ihm schmeichelten. „Es hat nicht lange gedauert. Ich habe gekocht, während ich versucht habe, noch einige Ideen für meine Geschichte zu sammeln.“ Mit Betonung auf „versucht“.

„Ich werde dafür sorgen, dass du jeden Morgen ein genauso gutes Frühstück bekommst“, versprach Amy.

Im selben Moment stieg der Lärmpegel auf der Baustelle enorm an, als zwei der Bauarbeiter begannen, Dachziegel in den darunter stehenden Container zu werfen.

Amy legte den Kopf schief und sah ihn freundlich an. „Hat dich der Lärm am Schreiben gehindert?“

„Nein, das stört mich normalerweise nicht.“ Er wünschte, er könnte seine Blockade darauf schieben. Amy kannte den Grund nicht und wusste daher auch nicht, wie Cameron seine Krise bewältigen konnte, aber er durfte nicht aufgeben, musste diesen verzwickten Charakter entschlüsseln. Mit Amys Hilfe konnte er sich wirklich darauf konzentrieren. „Eigentlich haben sie erst heute Morgen mit der Arbeit angefangen. Ich bin gerade mal seit einer Woche hier, und die meiste Zeit habe ich damit verbracht, ein Bauteam zu organisieren, mit dem Bauleiter das Material zu bestellen – solche Dinge eben.“

Cameron liebte Herausforderungen bei der Arbeit. Nur dass er mit seinem neuen Buch nicht recht weiterkam, machte ihm zu schaffen. Früher war es ihm immer leichtgefallen, die Sanierungsprojekte und das Schreiben unter einen Hut zu bekommen. Dass es ihm jetzt eben nicht gelang, darunter litt er sehr.

„Gut, dass der Lärm kein Problem für dich ist.“ Amy sah sich um und bemerkte den großen Pool, der im Moment eher wie ein Ententeich aussah. „Oh, der Pool hat eine interessante Form. Sehr hübsch.“ Ihr Blick schweifte über den weitläufigen Innenhof, der von dem Gebäude u-förmig an drei Seiten umschlossen wurde, bevor sie Cameron wieder ansah.

„Ich verstehe, warum du dieses Gebäude wolltest. Es wird fantastisch aussehen, wenn alles fertig ist.“ Ihr Gesichtsausdruck zeigte eine Mischung aus Interesse an ihrer neuen Arbeit und gedämpftem Schmerz. „So habe ich zumindest gut zu tun, solange mich meine Familie nicht braucht.“ Sie holte tief Luft.

„Deine Familie?“

„Wenn die Tätigkeit bei dir vorbei ist, stecke ich wieder mittendrin.“ Sie platzte mit den Worten heraus, als müsste sie sich selbst davon überzeugen. „Ich helfe immer in jeder möglichen Weise aus.“

„Dann habe ich ja Glück, dass du dich für eine Weile um mich kümmerst.“ Es stimmte. Cameron war körperlich erschöpft, weil er sich noch stärker antrieb als sonst, über die Müdigkeit hinaus, an die er durch seine Schlaflosigkeit ohnehin schon gewöhnt war. „Es wird schön sein, jemanden zu haben, der mir die alltäglichen Dinge abnimmt.“

Natürlich konnte er es sich leisten, für die Hilfe zu zahlen, er hatte sie nur nie vorher gesucht. Alles selbst zu erledigen raubte ihm Zeit. Er hatte noch immer genug Zeit, aber er konnte sie nicht produktiv nutzen, da ihm die weibliche Romanfigur Schwierigkeiten machte.

Cameron hob die Kaffeekanne und deutete fragend auf die Tasse vor Amy.

„Ja, bitte.“ Ihre Augen glänzten, und Grübchen erschienen auf ihren Wangen. „Ich bin bereit für meine erste Dosis Koffein heute.“

Schweigend tranken sie ihren Kaffee. Cameron genoss den kräftigen Geschmack, der seinen Körper mit frischer Energie versorgte. Er hatte versucht, für eine Weile auf Kaffee zu verzichten, in der Hoffnung, dass es sich positiv auf seine Schlafprobleme auswirken würde, aber leider hatte er keinen Unterschied bemerkt.

Amy verschränkte ihre Finger miteinander und sah sich noch einmal um. „In diesem Gebäude könnte eine Figur aus deinem Buch leben.“

Verlegen sah sie ihn an. „Ich habe gestern nach unserem Gespräch eins deiner Bücher gekauft, und auf dem Einband stand, dass du manchmal deine Sanierungsprojekte als Kulisse für deine Geschichten verwendest.“

„Ich hoffe, es gefällt dir.“ Cameron war glücklich zu wissen, dass er seine Leser unterhielt, aber Amy las normalerweise keine Krimis. „Meine Bücher sind nicht nach jedermanns Geschmack.“

„Oh, ich habe es schon durchgelesen!“, widersprach Amy begeistert. „Es war so spannend, und ich freue mich schon darauf, die anderen Bücher der Reihe nach zu lesen. Aber irgendwie fehlt deiner Hauptfigur die Liebe.“ Erschrocken schlug sie sich eine Hand vor den Mund. „Entschuldige bitte. Ich kann mir wirklich kein Urteil erlauben. Was weiß ich denn schon davon?“

Cameron verzog das Gesicht. „Mein Verleger und mein Agent sind der gleichen Meinung. Ich würde auch gern eine weibliche Hauptfigur einbauen, aber ich habe Schwierigkeiten, sie auszuarbeiten. Jetzt lass uns essen.“

Er hob die Abdeckung von den heißen Platten und bedeutete Amy, sich zu bedienen. Speck, Eier, Würstchen, gegrillte Tomaten und frische Brötchen dufteten verführerisch. „Ich hoffe, es ist etwas für dich dabei, aber falls nicht, kann ich dir auch Müsli, Obst und Joghurt anbieten.“

„Das ist schon in Ordnung. Danke.“ Sie nahm sich von dem Ei, den gegrillten Tomaten und ein warmes Brötchen. „Es tut mir wirklich leid, was ich über dein Buch gesagt habe. Das geht mich überhaupt nichts an.“ Amy wirkte betroffen.

Cameron versuchte, sie zu beruhigen. „Schon gut. Mein Ego verträgt konstruktive Kritik. Wer weiß? Vielleicht gibst du mir ja ein paar Anregungen. Auf jeden Fall kannst du mir bei wichtigen Recherchen helfen, da du mit Computer und Internet vertraut bist.“ Das war eine Qualifikation, die Cameron bei seiner Haushälterin nicht erwartet hatte.

„Oh. Das wird interessant.“ Amys Augen funkelten. „Ich kann alle möglichen Dinge für dich nachsehen.“

„Vielleicht sollte ich dankbar sein, dass mein Verleger und mein Agent bis zu meinem sechsten Buch gewartet haben, um mit mir über einen neuen Charakter zu sprechen“, lächelte Cameron.

„Ja, bis jetzt bist du drum herumgekommen.“ Ihre schokoladenbraunen Augen funkelten.

Schelmisch. Sie neckte ihn.

Und Cameron gefiel es. Er konnte gar nicht anders, als das Lächeln zu erwidern. Plötzlich veränderte sich die heitere Atmosphäre, und er sah ihr tief in die Augen. Er streckte ihr die Hand entgegen. Aber dann ließ er sie wieder sinken. Gleichzeitig unterbrachen sie beide den Blickkontakt. Diese gegenseitige Anziehung bedeutete nichts Gutes. Cameron lebte ein chronisch geschäftiges Leben. So war es schon seit Jahren. Er trieb sich selbst an, um zu überleben, und überlebte, um sich noch stärker anzutreiben. Nur so füllte er die endlosen Stunden, in denen er nie richtig schlafen konnte.

Ein Teufelskreis, aus dem es kein Entrinnen gab. Auch wenn so keine echte Beziehung zu einer Frau möglich war. Das hatte die Vergangenheit gezeigt.

Aber du bist jetzt zweiunddreißig. Wünschst du dir nicht mal langsam ein richtiges Zuhause und möchtest eigene Kinder haben?

So wie seine Mutter? Nun, sie hatte ein Kind bekommen.

Cameron schob diese Gedanken beiseite. Es war sinnlos.

Amy nippte an ihrem Kaffee und sah ihn über den Tassenrand hinweg an. „Das ist sehr schön. Danke. Ich muss zugeben, dass ich jeden Morgen meine Dosis Koffein brauche.“ Sie deutete auf das hintere Ende des Gebäudes. „Wenn die Bauarbeiter in diesem Tempo weitermachen, wird die Arbeit schnell erledigt sein.“

„Das ist auch mein Ziel.“ Cameron blickte zu den Arbeitern und sah sich dann langsam im Hof um. Leicht runzelte er die Stirn. „Ich bin noch nicht ganz sicher, was ich hier machen soll. Irgendetwas fehlt hier.“ Er wusste nur nicht was. Eigentlich reichte es doch, das Haus zu Wohnungen umzubauen.

Er würde sie vermieten oder verkaufen, was machte es da schon, wenn er das Gefühl hatte, dass dem Hof etwas fehlte? „Ich möchte den Pool umbauen, damit er beheizt und das ganze Jahr genutzt werden kann. Der Hof und die anschließenden Gärten müssen ebenfalls in Ordnung gebracht werden.“

„In nächster Zeit wird es hier so geschäftig wie in einem Bienenstock zugehen.“

Schweigend aßen sie weiter. Cameron beobachtete Amys anmutige Bewegungen, und wie kerzengerade sie auf dem schmiedeeisernen Stuhl saß.

Wenn er für sein Buch eine weibliche Hauptfigur entwickeln musste, würde sie Hände wie Amy haben, beschloss er. Sie würden gut aussehen, wenn sie eine Waffe oder eine Champagnerflöte hielten oder sich um den Hals eines Attentäters schlangen, während sich seine Heldin mit aller Kraft gegen den Angriff wehrte. Die Frau könnte sogar eine Attentäterin sein.

Cameron hatte unzählige Ideen. Leider schien er sie nicht zu einem schlüssigen Bild zusammensetzen zu können. Er räusperte sich. „Wegen der Aufgaben …“

„Hast du eine Liste für mich?“, fragte Amy im selben Moment.

Sie stockte, und beide nippten an ihrem Kaffee. Amy holte tief Luft, was ihre Brüste unter dem ärmellosen Oberteil mit dem raffinierten Ausschnitt betonte. Das Haar fiel ihr locker auf die Schultern, wie gestern.

Cameron wollte ihre Haut streicheln. In diesen schlanken Armen steckte trotz ihrer zierlichen Statur erstaunlich viel Kraft. So viel dazu, dass er ihre Reize nicht bemerken würde.

Während Amy an einer gegrillten Tomate knabberte, fischte Cameron ein Stück Papier aus seiner Hemdtasche. „Ich habe für den Anfang kurz die wichtigsten Sachen aufgeschrieben.“ Er reichte ihr das Blatt und aß dann weiter.

Amy ließ sich die Tomaten und Eier schmecken, während sie seine Notizen las. Obwohl er sie nicht ansah, spürte sie, wie er sie wahrnahm, und musste sich zwingen, sich auf die Worte zu konzentrieren.

Die Liste beinhaltete die Wäsche, das Putzen der Wohnung, Kochen und das Wechseln der Bettwäsche. Sie war verantwortlich für sein Handy, während er an seinem Buch arbeitete. Außerdem würde sie Nachrichten entgegennehmen und entscheiden, ob sie ihn unterbrechen musste oder nicht.

Es gab ein paar Anweisungen, wie sie mit den Arbeitern umgehen sollte, aber hauptsächlich wollte Cameron das selbst übernehmen.

„Das scheint mir sehr vernünftig.“ Amy sah auf.

„Mit der Zeit kommen vielleicht noch andere Pflichten dazu.“

„Das ist kein Problem.“ Amy wollte für ihn ihr Bestes geben. „Ich arbeite gern. Die Aufgabe ist egal, Hauptsache, ich habe irgendetwas zu tun.“

Klang das so langweilig, wie es sich anhörte?

Ist das wichtig, Amy? Du bist seine Haushälterin. Du musst nicht interessant sein, nur fleißig und nützlich.

„Ich kann beim Telefonieren gut mehrere Dinge gleichzeitig tun.“ Amys Telefon lief meistens heiß mit Anrufen und SMS. Aber jetzt lag es verstummt in ihrer perlenbesetzten Tasche. Ihre Familie hatte abrupt aufgehört, sich bei ihr zu melden, seit Amy erkannt hatte, dass sie diesmal auf dem üblichen Weg keine Arbeit finden würde.

Ein Mann mit einem Schutzhelm kam über den Hof auf den Tisch zu und deutete auf das Klemmbrett in seiner anderen Hand. „Guten Morgen, Mr. Travers. Entschuldigen Sie die Störung, aber wir könnten jetzt diese Pläne besprechen, wenn Sie Zeit haben. Heute Morgen kommen dann die Leute, die den Pool umbauen werden. Sie müssen das Wasser ablassen, damit sie anfangen können, aber da das Wasser sowieso nicht mehr genutzt werden kann, ist das nur von Vorteil.“

Cameron sah zum Haus. „Was steht heute noch auf dem Plan?“

„Im Moment entkernen wir alle Wohnungen.“ Der Blick des Mannes fiel auf Amy und verweilte auf ihr. „Zum Glück sind derzeit keine weiteren Wohnungen belegt, dadurch kommen wir schnell voran.“

„Danke“, antwortete er dunkel. „Darf ich vorstellen? Jordan Heyes, das ist meine Haushälterin, Amy Douglas. Amy, das ist mein Bauleiter.“

Der Mann streckte die Hand aus. „Schön, Sie kennenzulernen.“

Amy schüttelte ihm die Hand, zog sich dann zurück und stand auf. „Dann will ich euch nicht bei der Arbeit stören. Ich möchte auch gern anfangen.“ Ihr Blick schweifte zum Frühstückstisch. „Ich decke alles ab, sobald ich meine Sachen eingeräumt habe.“

Sie ging, bevor Cameron etwas einfiel, das er darauf erwidern konnte. Aber dann sagte sein Bauleiter etwas, und er konzentrierte seine Gedanken auf die Arbeit hier.

Das enge Gefühl in seiner Brust wollte er auch nicht näher untersuchen. Es hatte ihm gar nicht gefallen, als Amy die Hand des anderen Mannes schüttelte. War er etwa eifersüchtig? Dazu hatte er kein Recht. Er presste die Lippen zusammen. Dann versuchte er sich zu entspannen, während er mit dem Bauleiter sprach. „Gehen wir in mein Büro. Dort ist es ruhiger.“

Vielleicht konnte er seine Gedanken von seiner neuen Haushälterin ablenken, wenn er sich auf sein Umbauprojekt konzentrierte, sich in seinem Büro in Sydney meldete und dann weiterschrieb.

Denn in Wahrheit hatte sie viel zu gut ausgesehen, als sie hier ankam und eine Ladung Koffer mit schwingenden Hüften hinter sich herzog. Cameron hatte sofort bemerkt, wie attraktiv sie war. Viel zu sehr.

Das musste aufhören.

Cameron führte den Bauleiter in sein Büro.

Er würde Amy Douglas aus seinen Gedanken vertreiben und bis zum Mittagessen nicht mehr an sie denken.

Wäre ja gelacht, wenn er dieses bisschen Anziehung zu ihr nicht kontrollieren konnte. Oder?

3. KAPITEL

„Geht es dir gut, Tante Edie?“ Amy klemmte ihr Handy zwischen Schulter und Ohr. So fühlte es sich richtig an. Sie verbrachte sonst viel Zeit mit einem Telefon in dieser Haltung und sprach mit dem einen oder anderen Verwandten, während sie ihre Arbeit erledigte und verschiedene Familienmitglieder sich bei ihr meldeten.

Nur heute hatte sie ihre Tante selbst anrufen müssen. Es blieb ihr auch nichts anderes übrig, wenn sie nur ein paar SMS bekam, hauptsächlich von zwei ihrer jüngeren Cousins, die gerade erst ein Handy bekommen hatten.

Aber zum Glück hatte Camerons Handy sie beschäftigt. Es fühlte sich nur so intim an, seine Anrufe und Nachrichten entgegenzunehmen. Was, wenn eine Frau anrief?

Aber bestimmt war das Telefon, das er ihr gegeben hatte, nur für geschäftliche Angelegenheiten, und er besaß ein anderes für private Kontakte. Viele Menschen taten das.

Richtig. Warum war sie überhaupt so auf Camerons Privatleben fixiert? Sie sollte sich eher Gedanken darüber machen, dass ihre Familie so schweigsam war. Amy stand ihnen sonst immer so nah, da war es beunruhigend, jetzt kaum etwas von ihnen zu hören.

„Ich arbeite außerhalb der Familie“, murmelte sie. „Wahrscheinlich wollen sie mich einfach nicht stören.“

„Wie bitte, Liebes?“

„Oh, entschuldige. Ich habe nur mit mir selbst gesprochen.“ Tante Edie schien ganz froh darüber zu sein, mit ihr zu telefonieren. Worüber machte sie sich Sorgen?

Amy verquirlte Eier in einer Schüssel und gab sie dann über das gekochte Gemüse in der heißen Pfanne auf dem Herd. „Geht es dir wirklich gut, Tante? Nimmst du alle deine Medikamente? Nova sortiert sie doch jeden Tag für dich, oder? Sonst könnte ich auch abends nach der Arbeit vorbeischauen.“

„Mir geht es gut. Nova besucht mich jeden Tag, aber ich würde auch so zurechtkommen. Genieß du einfach deine Arbeit da draußen in der Welt, wo du vielleicht …“

Ihre Tante hustete. „Du wirst wie immer gute Arbeit leisten, Liebes.“

„Danke. Das ist sehr lieb von dir.“ Und das fand Amy wirklich. Wie dumm, dass sie sich so verlassen fühlte. Um Himmels willen, sie arbeitete erst einen halben Tag hier. Am Ende der Woche bekam sie wahrscheinlich so viele Anrufe und SMS von ihrer Familie, dass ihr neuer Boss ziemlich sauer auf sie sein würde, wenn sie nicht trotzdem hart arbeitete.

Aber natürlich würde sie seine Anrufe zuerst beantworten.

Amy konnte schon vor langer Zeit gelernt, mehrere Dinge gleichzeitig zu erledigen. Cameron schien auch so zu leben. Das hatten sie gemeinsam.

Er ist der Chef, und du bist die Angestellte, Amy. Das darfst du nie vergessen!

„Solltest du dich nicht auf deine neue Arbeit konzentrieren, Amy?“, fragte ihre Tante, als hätte sie Amys Gedanken gelesen.

„Das tue ich auch.“ Sie streute frische, klein gehackte Kräuter in die Frittata und wendete sie, damit sie gleichmäßig gar wurde.

Zusammen mit einem leichten Salat würde das ihr Mittagessen werden, und nachmittags konnte sie sich Gedanken um das Abendessen machen. Bis jetzt hatte sie geputzt, ihre Sachen in das Zimmer gegenüber von Camerons gebracht, die Vorräte in der Speisekammer überprüft, eine Liste mit Dingen geschrieben, die sie bald besorgen müsste, und dieses Essen vorbereitet.

Und sie hatte die Anrufe für Cameron entgegengenommen. Keiner davon hatte dringend geklungen.

Amy bereitete den Salat mit Kirschtomaten, Salatblättern, Pilzstückchen und Avocadoscheiben mit einem scharfen Dressing vor. Das wäre erledigt. Sie überprüfte die Frittata, sie war beinahe durch.

Sam hatte immer gern ein scharfes Dressing zu seinem Salat gehabt.

Der Gedanke schlich sich heimlich an, und er war nicht willkommen. Amy dachte sonst selten an Sam. Wenn das zur Gewohnheit wurde, wäre sie sicher nicht begeistert. „Mach dir keine Sorgen, Tante. Ich kann arbeiten und gleichzeitig reden. Sag allen, dass sie mich ruhig anrufen dürfen. Für ein paar Anrufe habe ich immer Zeit …“

Aber ihre Tante rief nur schnell „Pass gut auf dich auf“ dazwischen und legte auf.

Oh?!

Amy holte tief Luft. „Es wäre nett gewesen, wenn du mir Zeit gelassen hättest, mich von dir zu verabschieden …“

„Was auch immer das ist, es riecht wunderbar“, sagte eine tiefe Stimme über ihrem Kopf. „Entschuldigung, hast du gerade telefoniert?“

„Oh. Ich habe gar nicht mitbekommen, dass du da bist.“ Sie hatte Selbstgespräche geführt. Amy kam sich ziemlich dumm vor. „Nein. Ich war gerade fertig. Diesmal war es mein Telefon, aber ich habe einen Haufen Nachrichten von deinem.“

„Hast du mit deinem Freund telefoniert?“ Camerons Worte klangen gelassen, aber trotzdem störte Amy irgendetwas an seinem Tonfall.

„Das hätte ich schon gleich im Bewerbungsgespräch sagen sollen.“ Sie bekam ein schlechtes Gewissen, auch wenn es dazu keinen Grund gab. „Wenn ich einen Moment Zeit habe, spreche ich gern mit meiner Familie. Ich mache das ganz diskret, damit ich dich nicht störe, und ich werde dabei immer weiterarbeiten. Und natürlich nehme ich dafür mein eigenes Telefon.“

„Familie.“ Cameron fuhr sich durch das kurze Haar. „Natürlich ist das kein Problem. Du kannst gern den Kontakt halten, den du brauchst.“

„Danke.“ Amy überlegte, ob sie ihm sagen sollte, dass sie keinen festen Freund hatte, aber das hatte Cameron sich wahrscheinlich schon zusammengereimt. Außerdem war es unwichtig. „Danke, ich brauche einfach den Kontakt zu meiner Familie.“

Jetzt musste sie ihre Familie nur noch dazu bringen, sie auch zu kontaktieren.

„Ich sehe, dass du schon sehr fleißig warst.“ Camerons Blick schweifte durch die Küche, das Esszimmer und die Aufenthaltsbereiche, bevor er sie lächelnd ansah. „Danke für alles, was du schon bisher getan hast, damit ich es angenehmer habe.“

„Dafür bin ich doch hier.“ Aber sein Lob und die Anerkennung taten ihr trotzdem gut.

Gebraucht zu werden war wichtig für Amy. Sie wusste es und würde es sogar zugeben. Aber ihre Freude hatte sicherlich nichts mit dem weicher werdenden Gesichtsausdruck zu tun, mit dem Cameron sie ansah. Sie wollte von ihm keine Freundlichkeit. Um Gottes willen. Das wäre einfach lächerlich.

Amy war zu misstrauisch, um sich wieder mit einem Mann einzulassen. Außerdem bin ich noch jung, sagte sie sich. Irgendwann vielleicht. Sie hatte genug Zeit, wieder auszugehen und jemanden kennenzulernen.

War sie so beschäftigt gewesen, dass ihre Familie sie in die Wirklichkeit geschickt hatte, damit sie wieder Zeit für ein Privatleben fand?

Ihre Verwandten steckten manchmal die Nase in das Leben der anderen. Amy auch. In einer großen, liebevollen Familie konnte das schon mal passieren, und viele hatten angedeutet, dass sie wieder mehr ausgehen sollte.

Aber so weit würden sie doch wohl nicht gehen, oder? Natürlich nicht …

„Das Mittagessen ist fast fertig, wenn du schon mal im Esszimmer Platz nehmen möchtest.“ Um nicht weiter darüber nachdenken zu müssen, deutete Amy auf den frisch polierten Esstisch. „Oder möchtest du lieber draußen essen? Es gibt Frittata. Hoffentlich magst du das.“

„Hier drin ist okay, und ich esse fast alles.“ Lächelnd fügte er hinzu: „Bis auf Artischocken. Ansonsten bin ich pflegeleicht.“

„Dann wird es mir richtig Spaß machen, für dich zu kochen. Ich möchte gern viele frische Lebensmittel vom Markt verwenden.“ Vielleicht würde ihm das helfen. Egal, ob nun Schlafmangel, Überstunden oder Stress mit dem Buch seine Probleme waren. Und wenn nicht, schadete es seiner Gesundheit auf keinen Fall.

Na gut, vielleicht bemutterte sie ihn zu sehr. Warum auch nicht, wenn sie an so vielen Verwandten üben konnte? Sie alle verdienten es, geliebt und umsorgt zu werden, besonders, wenn man bedachte, was sie von ihr ertragen mussten.

Nicht, dass sie das Gefühl hatte, sie müsste sich ihre Liebe verdienen. Das wäre doch dumm, oder?

Amy schob das Omelett auf einen Teller, brachte es mit dem Salat zum bereits gedeckten Tisch und nahm Platz. „Iss, solange es noch heiß ist. Ich habe genug gemacht. Da sind auch einige Nachrichten für dich, aber ich denke, die können bis nach dem Essen warten.“

Jetzt klang sie bevormundend und traf nebenbei noch geschäftliche Entscheidungen für ihn, wenn sie schon mal dabei war. „Aber was ist, wenn dein Verleger anruft?“, fragte sie plötzlich alarmiert. „Oder dein Agent?“

„Du merkst schon, ob sie mich dringend sprechen müssen, ansonsten können sie warten.“ Er lächelte schief. „Ich werde dich nicht bitten, sie abzuwimmeln, wenn sie anrufen und fragen, wie es läuft. Auch wenn ich an manchen Tagen drauf und dran bin, das zu tun, wenn es so weitergeht wie in den letzten Wochen.“

„Du kannst doch nichts dafür, wenn deine Muse nicht so will wie du“, nahm Amy ihn in Schutz. „Das passiert eben. Aber es muss fantastisch sein, international berühmt zu sein. Wahrscheinlich laufen dir überall Fans hinterher. Unmengen von Frauen …“, sie errötete heftig.

„Ich kann nicht behaupten, dass mir jemand hinterherläuft“, antwortete Cameron gedehnt. Es gefiel ihm viel zu sehr, dass Amy eifersüchtig geklungen hatte.

Aber so sollte er nicht auf sie reagieren. Außerdem wollte er gar nicht, dass ihn Frauen verfolgten, lieber suchte er sie auf, wenn er Lust dazu verspürte.

Cameron tat sich ein Stück Frittata und Salat auf und begann zu essen. Die Frittata war perfekt, und der Salat mit dem scharfen Dressing passte wunderbar dazu. „Hast du das Dressing selbst gemacht? Wo hast du kochen gelernt?“

„Ja. Und kochen habe ich von meinen Eltern gelernt. Sie kochen sehr unterschiedlich, aber beide mit Leidenschaft.“ Amy lächelte verträumt bei den Erinnerungen, die ihr durch den Kopf gingen.

Für sie schien das nichts Außergewöhnliches zu sein.

„Deinem Vater gehört ein Restaurant, das hatte ich ganz vergessen.“ Das hatte sie während des Bewerbungsgespräches erwähnt. Er deutete auf seinen Teller. „Es schmeckt wunderbar. Ich glaube, ich habe mit dir einen wahren Glücksgriff getan, Amy.“

„Gern geschehen.“ Äußerlich war nichts zu erkennen, trotzdem vermutete er, dass sie innerlich errötet war. Weil ihre Augen so funkelten?

Wie würde sie glühend vor Leidenschaft aussehen?

Resolut unterdrückte Cameron diesen Gedanken. Das ging ihn absolut nichts an.

„Ich habe heute Morgen schon so viel wie möglich erledigt.“ Amy wirkte durcheinander, als sie die Aufgabenliste aus ihrer Tasche zog und glatt strich. „Ich werde alles tun, um dich zu umsorgen und dir zu helfen, damit du erholter bist und dich auf deine Arbeit konzentrieren kannst.“

„Ich weiß es zu schätzen.“ In den nächsten Wochen würde er bestimmt wieder seine üblichen viereinhalb Stunden pro Nacht schlafen können, oder? Cameron erwartete nicht, dass Amy dagegen etwas tun konnte. Wie auch? Nicht mal die Experten wussten, wie sein Problem gelöst werden konnte, ohne dass er sich mit Medikamenten betäubte. Aber das wollte er nicht zur Gewohnheit werden lassen.

„Nach dem Essen habe ich eine Rechercheaufgabe für dich.“ Cameron erklärte ihr, was er brauchte. „Ich möchte gern, dass du mit meinem Laptop die Verbote bezüglich der Nutzung dieser Substanzen in diesem Bundesstaat herausfindest …“ Er notierte schnell die Namen einiger chemischer Verbindungen auf ihrer Liste.

„So komme ich zumindest mit den Nachforschungen meiner Hauptfigur einigermaßen weiter, auch wenn mir andere Aspekte der Geschichte immer noch Schwierigkeiten machen.“

Amy sah ihn besorgt an, und wieder bekam er dieses seltsame Gefühl in der Brust.

Als sich ihre Blicke trafen, nahm Cameron sie ganz intensiv wahr.

Und sie ihn. Das sah er an ihrem zurückhaltenden Gesichtsausdruck und der abwehrenden Haltung ihres Körpers, die doch das unterschwellige Interesse nicht vollständig verstecken konnten.

Zwischen ihnen flogen die Funken, und Amy wehrte sich dagegen.

Warum?

Egal, sagte sich Cameron. Er musste eine glaubwürdige, weibliche Romanfigur entwickeln, nicht jede Einzelheit seiner neuen Haushälterin ergründen.

Beide senkten gleichzeitig die Blicke, und Cameron rieb sich müde über das Gesicht.

„Cameron, ist alles in Ordnung? Du hast gesagt, dass du nicht gut schläfst. Ich dachte, das liegt am Stress oder am Arbeitsdruck“, sagte Amy sanft. „Muss ich noch etwas anderes wissen?“

„Ich leide unter Schlaflosigkeit. Das ist manchmal ärgerlich, aber nichts, worüber man sich Sorgen machen muss.“

Er sprach nicht oft darüber, auch wenn es ihm gleichgültig war, wer davon wusste. Cameron hätte es vor ihr nicht verheimlicht. Nicht, wenn sie so besorgt aussah.

Amy nickte zustimmend. „Kein Wunder, dass du ein bisschen verwöhnt werden wolltest. Vielleicht bekommst du so etwas mehr Ruhe als sonst, wenn auch nicht unbedingt in Form von Schlaf.“

„Vielleicht. Ich habe mein Auge auf dem Pool.“ Er zuckte die Schultern. „Ab und zu ein bisschen schwimmen, könnte entspannend sein.“ Cameron zögerte. „Wenn du hörst, dass ich mitten in der Nacht auf bin …“

„Möchtest du dann Gesellschaft haben, oder bist du lieber allein?“ Beinahe schien es, als hätte Amy unbedingt einen Riss in seinem Panzer finden wollen, und jetzt, wo sie ihn entdeckt hatte, fühlte sie sich bestätigt. „Ich mache dir gern etwas Milch warm oder setze mich zu dir, und wir unterhalten uns.“

Cameron sah es beinahe vor sich, wie sie um Mitternacht um diesen Tisch saßen. Aber irgendwie bezweifelte er, dass ihm dann nach warmer Milch oder einem Gespräch wäre. Wahrscheinlich würde er lieber ihren schlanken Hals küssen, bis er diese sinnlichen Lippen erreichte.

Das Verlangen, sie jetzt gleich zu küssen, ließ ihn kurzzeitig verstummen. Es war eine Sache, sich das vorzustellen und zu wollen, aber es fühlte sich auch nach noch mehr an.

Vielleicht solltest du sie einfach fragen, ob sie sich mit dir auf dem Sofa zusammenrollt und dein Gesicht streichelt, bis du einschläfst: Oder du könntest zugeben, dass du sie mehr als nur ein bisschen interessant findest und nicht wirklich gut darin bist, das zu verdrängen.

Zugegeben, er fand Amy anziehend, aber er würde in der Hinsicht nichts unternehmen. Sie war bei ihm angestellt, und so wollte Cameron es auch.

Jetzt musste er nur noch entscheiden, wie er mit dem Rest des Tages umgehen wollte. Und dann mit der restlichen Zeit, die sie hier war. Er räusperte sich und umging die Frage. „Morgen früh zeige ich dir den Markt, damit wir frisches Obst und Gemüse einkaufen können. Ich bin sowieso wach, da kann ich dich auch begleiten. Zumindest das erste Mal.“

Er konnte ihr erklären, was er am meisten mochte, und den Korb für sie tragen.

Oder seinen Mantel ausbreiten, damit sie nicht nass wurde, falls sie auf dem Weg an einer Pfütze vorbeikamen!

„Entschuldige mich.“ Er lief nicht weg, sondern zog sich zurück, damit er sich auf sein Buch konzentrieren konnte. Das war etwas völlig anderes.

Und wenn er ihr für ein paar Stunden aus dem Weg ging, konnte er diese seltsamen Reaktionen vielleicht etwas besser verstehen.

Cameron nahm das Telefon und Amys Liste mit Telefonnachrichten mit. „Ich kümmere mich hierum und gebe dir dann das Handy zurück, bevor ich wieder mit dem Schreiben anfange.“

Amy stand auf und begann, die Teller abzuräumen. „Viel Glück beim Schreiben. Ich bringe dir meine Rechercheergebnisse, sobald ich sie habe.“

Er nickte und ging.

4. KAPITEL

„Ich wollte das gleich wegräumen, als wir nach Hause kamen.“ Es war der nächste Nachmittag. Amy griff in eines der Einkaufsnetze, die auf der Küchentheke der Wohnung standen, und holte einige Konserven heraus.

Sie sprach etwas lauter, damit sie über den Baulärm von draußen gehört wurde.

Cameron musste zugeben, dass es im Moment klang, als würden sie das Haus abreißen. „Kommst du mit dem Lärm klar?“

„Oh, das ist kein Problem für mich. Wenn mich etwas stört, dann zu viel Stille“, erklärte sie.

Das verstand Cameron nur zu gut. Vielleicht brauchte er nachts Lärm.

Das hast du schon probiert, erinnerst du dich? Lärm oder Stille, Licht oder absolute Dunkelheit; still oder laut; egal was, du schläfst einfach nicht länger als die Zeit, die dein Körper dringend braucht. Das ist alles.

Er sah seine Haushälterin wieder an. „Du warst beschäftigt, nachdem wir zurück waren.“ Sie hatte es unbewusst zu Hause genannt. Aber was war für Amy Douglas wirklich „zu Hause“? Sie hatte ihm erzählt, dass sie ein Zimmer im Haus ihrer Eltern hatte. War das alles? Wollte sie mit vierundzwanzig Jahren nicht endlich ihre Freiheit?

Warum interessierte Cameron das überhaupt? Er hatte nie ein richtiges Zuhause gehabt. Und eine Wohnung im Zentrum von Sydney, in der er sich ab und zu aufhielt, zählte kaum.

Aber wäre es nicht schön, ein Zuhause zu haben? Mit einer fest angestellten Haushälterin wie Amy, die sich um ihn kümmerte?

Was für ein dummer Gedanke, Travers. Das war nur eine vorübergehende Maßnahme, nichts weiter. Cameron holte Luft. „Bei den Lebensmitteln ist nichts Verderbliches dabei.“

„Nein. Alles andere habe ich sofort in den Kühlschrank gestellt.“ Amy räumte die übrigen Sachen in die Speisekammer.

Cameron widerstand dem Drang, ihr zu helfen. Er hatte schon eine Grenze überschritten, indem er Amy zum Markt begleitet hatte. Als sie zurückgekommen waren, hatte sie gemeinsam gefrühstückt, bevor er sich in sein Büro zurückgezogen hatte. Leider hatte er der Angebeteten seines Helden dann so viele von Amys Eigenschaften und Zügen gegeben, dass er die Hälfte von dem, was er geschrieben hatte, wieder löschen musste.

Nachdem er das getan hatte, kämpfte er weiter mit seiner Geschichte. Dabei war ihm eine hervorragende Idee für eine Szene gekommen, aber er konnte sie nicht richtig umsetzen. Ohne es zu merken, seufzte Cameron schwer.

„Läuft es beim Schreiben nicht so gut?“, fragte Amy mitfühlend.

Er schüttelte den Kopf. „Ich habe eine Szene im Kopf, aber wenn ich versuche, sie aufzuschreiben, ist sie wieder weg. Ich kann die Heldin nicht vor meinem geistigen Auge sehen. Und solange die Heldin in meinem Kopf so schemenhaft bleibt, wird sich das auch nicht ändern.“

„Wie würde sie denn für dich lebendig werden?“ Amy runzelte die Stirn. „Könntest du ihr Fragen stellen, damit du sie kennenlernst?“

„Das habe ich vor ungefähr einer Woche versucht, aber es hat mich nicht weitergebracht. Ich habe das Gefühl, als müsste ich sie irgendwie einfach mitten in diese Szene werfen, wirklich tief mit ihr eintauchen. Wenn ich sehe, wie sie reagiert, fügen sich alle Puzzleteile zusammen. Vielleicht.“

„Hm.“ Schweigsam legte Amy den Kopf schief. „Wenn meine Mutter beim Malen nicht weiterkommt, erklärt sie meiner Tante, was sie vorhat. Die zeichnet dann auf, wie sie das Bild malen würde. Meine Mutter sagt dann immer, dass die Idee keinesfalls so umgesetzt werden sollte. So findet sie heraus, wie sie das Bild malen will.“

„Das ist eine interessante Methode.“ Jetzt runzelte Cameron die Stirn. „Ich würde sie gern mal ausprobieren. Aber wie?“

„Du brauchst jemanden oder auch mehrere Personen, die diese Szene für dich spielen.“ Das Lächeln um Amys wunderbaren Mund vertiefte sich. „Es muss dir nicht gefallen, aber so könntest du herausfinden, was du für die Szene willst.“

Cameron lachte überrascht. „Das könnte sogar funktionieren. Ich müsste nur eine Schauspiel- oder Theatergruppe finden, die sich dazu bereit erklärt.“

„Oder wir beide tun das.“ Die Worte waren heraus, und Amy biss sich sofort auf die Lippen. „Natürlich nur, wenn dir das recht ist. Wenn du so tun möchtest, als ob – könnten wir das machen, oder?“

„Könnten wir.“ Ihre Begeisterung steckte ihn an. „Ich stelle mir eine undurchsichtige Situation vor, in der er vorgibt, an ihr interessiert zu sein, aber sie gleichzeitig verdächtigt, eine Doppelagentin, Spionin oder Attentäterin zu sein. Er denkt, er findet heraus, was sie vorhat, wenn er sie mit Essen, Wein und Aufmerksamkeit entwaffnet.“ Er fuhr fort. „Sie ist ihm gegenüber genauso misstrauisch. Sie gibt vor, für die Nacht käuflich zu sein, um Zugang zu seinem Hotelzimmer zu bekommen, damit sie es später durchsuchen kann, und dann zu verschwinden. Und er lockt sie nach dem Essen aufs Dach des Gebäudes, weil er vermutet, dass ihre Motive gleichermaßen undurchsichtig sind wie seine.“

Cameron holte Luft. „Vor dem Essen gibt er sich spendabel, kauft ihr ein Kleid und andere Geschenke.“

„Das ist wirklich eine verzwickte Situation.“ Amys Augen funkelten wie Sterne. „Aber das klingt so aufregend. Wir könnten den Abend von Anfang bis Ende durchspielen. Es müsste nicht exakt so sein, aber es könnte einen Heidenspaß machen!“

„Dann lass es uns tun.“ Camerons Lächeln wurde breiter. „Es müsste spät am Abend sein. Wenn wir das tun, möchte ich die richtige Atmosphäre dafür haben, die richtige Tageszeit, einfach alles.“

Freudestrahlend sah sie ihn an. „Heute Abend?“

Cameron schien den Blick nicht von ihr abwenden zu können. „Ja, heute. Wir fahren hier gegen sieben Uhr los. Ich setze mich jetzt besser an den Computer und finde heraus, wo wir die richtige Kulisse finden.“ Langsam drehte er sich um, er musste sich wegdrehen. „Schaffst du das?“

„Natürlich.“ Sie wippte mit den Füßen. „Ich mache so lange mit meiner Arbeit weiter, bis wir losfahren können.“

Er sah sie an und versuchte, nicht an die sanfte Kontur ihres Gesichts zu denken, ihre sinnlichen Lippen, die so weich aussahen und zum Küssen einluden. „Wir sind etwa bis Mitternacht unterwegs, also nimm dir heute Nachmittag ruhig etwas frei. Ich möchte dich nicht übermäßig beanspruchen.“

„Ich lege mich für eine Stunde hin, falls ich schlafen kann“, stimmte Amy zu, aber die Aufregung stand ihr ins Gesicht geschrieben.

Irgendwie bezweifelte Cameron das, aber nur, weil er nachmittags nicht schlafen könnte, hieß das nicht, dass sie nicht jederzeit ein Nickerchen machen könnte, wenn sie wollte.

„Dann bis um sieben.“ Er musterte ihre Kleidung. „Du brauchst dich nicht umzuziehen, das ist nicht so wichtig. Es wird Teil unseres Rollenspiels, die Kleidung für die weibliche Hauptfigur auszusuchen. Ich muss ein Hotel mit Boutiquen finden. Wir kaufen dort ein, spielen die Zeit beim Essen und gehen dann für den letzten Teil aufs Dach.“

Sie bekam große Augen. „Es … es wird aber hoffentlich nicht viel kosten, oder? Ich wollte nichts vorschlagen …“

„… was mich beim Schreiben voranbringt, nachdem ich wochenlang schon wahnsinnig geworden bin, weil ich kein Stück von der Stelle gekommen bin?“ Cameron fühlte sich wesentlich beschwingter als in den vergangenen Wochen. „Wenn ich dadurch ein Ergebnis bekomme, bin ich mehr als glücklich, also mach dir darum keine Gedanken. Außerdem kann ich es von der Steuer absetzen.“

„Vermutlich.“ Amy runzelte die Stirn. „Aber such bitte ein Hotel aus, das Kleidung vermietet oder günstige Läden hat. Wir können alles nachspielen, vermutlich werden wir kaufen oder mieten, was wir brauchen, trotzdem solltest du die Ausgaben niedrig halten.“

Cameron musste über ihr ernstes Gesicht lachen. „Stell es dir wie eine Mischung aus Aschenputtel und einer gewonnenen Einkaufstour vor, oder etwas in der Art.“

„Wenn du meinst.“

„Gut.“ Cameron drehte sich um. „Dann bis nachher.“

„Das ist es. In den Boutiquen hier sollten wir alles finden, was wir brauchen“, erklärte Cameron, als er dem Parkservice seinen Autoschlüssel überließ.

Amy holte tief Luft. „Dann sind wir also für unseren Abend ausgerüstet. Oh, ich hoffe, es macht Spaß, und dass die Geschichte später einfach so aus deinen Fingerspitzen herausströmt. Aber das Hotel sieht unheimlich vornehm aus.“

Amy war so hinreißend in ihrer Aufregung, dass Cameron einfach lächeln musste. Sie wird es genießen, andere Sachen zu tragen, dachte er mit einem Anflug von Zärtlichkeit. Sie kleidete sich dezent, aber manchmal hatte er das Gefühl, dass sie sich nur deshalb so anzog, damit sie nicht auffiel. „Ich habe noch nicht erklärt, was passieren wird, wenn wir dann aufs Dach gehen. Du bist vollkommen sicher, aber ich brauche eine unvoreingenommene Reaktion von dir. Wenn du nichts dagegen hast.“

„Diese Ungewissheit macht mich ganz kribbelig“, gestand Amy lächelnd, als sie seinem Blick begegnete. „Ich habe nichts dagegen. Überrasch mich.“

Cameron räusperte sich. „Danke, dass du mitspielst. Hast du wirklich nichts dagegen, herausgeputzt, gestylt und geschminkt zu werden?“

„Haare und Make-up auch?“ Mit großen Augen sah sie ihn an. „Das volle Verwöhnprogramm.“ Amy versuchte, sich zusammenzureißen. Aschenputtel, hatte er gesagt. Sie sollte es als Aschenputtel sehen.

Dass ihr Chef einen Anzug trug, war ein gewichtiger Grund für ihre Ablenkung. In Wahrheit fühlte sich Amy bereits wie Aschenputtel – nun ja, mit einem leicht erschöpften Prinzen an ihrer Seite.

Ein Prinz, der in diesem Aufzug einfach göttlich aussah und seine Müdigkeit attraktiver zur Schau stellte, als legal sein dürfte. Als sie aus ihrem Zimmer gekommen war und gesehen hatte, wie Cameron auf sie wartete, begann ihr Puls zu rasen.

Er umfasste kurz ihre Hand. „Danke, dass du zugestimmt hast“, sagte er, bevor er sie zu seinem Auto führte. Tolles Auto, attraktiver Fahrer. Während der Fahrt hatte sich Cameron entspannt und ungezwungen mit ihr unterhalten. Und jetzt, als er mit ihr durch das Hotel ging, gab er ihr das Gefühl, etwas Besonderes zu sein, ob er nun für sein Buch recherchierte oder nicht.

Eine Nacht außer der Zeit, das war es für Amy. Sie konnte das durchziehen und dabei jede Menge Spaß haben!

Cameron steuerte direkt auf eine Reihe Modeboutiquen mit angesagt sparsamer Schaufenstergestaltung zu.

Amy sah sich in dem luxuriös eingerichteten Hotel um, und plötzlich kamen ihr Zweifel. Sie beugte sich zu Cameron und flüsterte: „Das sieht wie ein Designerkleid im Schaufenster aus.“

„Ja, aber nach meinen Informationen haben sie hier auch normale Kleider.“ Cameron betrat den Laden, bevor Amy widersprechen konnte. „Und da ist auch schon unsere Verkäuferin.“

„Aber das Geld“, murmelte sie und zupfte an seinem Arm. „Es sieht alles teuer aus. Du kannst nicht …“

Er lächelte sie aufmunternd an. „Das sind alles legitime Geschäftsausgaben. Ich setze sie von der Steuer ab und kann einer wunderbaren Haushälterin ein Geschenk machen, nachdem wir sie für meine Recherche genutzt haben, sofern sie dir gefallen. Das erlaubst du mir doch, oder? Sonst werfe ich sie weg.“

„Wegwerfen?“ Amy unterdrückte ein Keuchen. Sie sollte ihm erlauben, die Dinge zu kaufen, um sie ihr dann zu schenken? Aber nur, wenn es günstig war.

„Es tut niemandem weh, Amy.“ Er sagte das so geschäftsmäßig. „Ich brauche diese Umgebung. Verstehst du?“

Amy beruhigte sich etwas. Das war schließlich nur Arbeit. Ungewöhnlich vielleicht, aber Arbeit.

Wenn ihre Wahrnehmung etwas anderes suggerierte, würde sie das klären. Sie musste nur aufpassen, dass sie kein Kleid zu einem lächerlich hohen Preis kauften.

„Guten Abend. Wie kann ich Ihnen helfen?“ Die Verkäuferin musterte Amy bereits von Kopf bis Fuß.

„Wir brauchen ein Kleid. Etwas Schmeichelndes und Elegantes. Eine Handtasche, Ohrringe, und ich denke …“ Cameron musterte Amys Hals und verweilte dort. „Ja, eine Halskette. Ich kann erst sagen, was mir vorschwebt, sobald wir das Kleid ausgesucht haben. Hm …“ Er wandte sich an die Verkäuferin. „Ich kenne mich da nicht so aus, aber ich möchte etwas, das zu ihr passt, das ihre Augen betont und ihre Haare zur Geltung bringt.“

Du solltest leuchtende Farben tragen, Amy!

Das hatte ihre Mutter zu ihr gesagt – erst kürzlich. Sie hatte sie beinahe enttäuscht angesehen, als Amy mit einem Schulterzucken erwiderte, dass sie schlichte Farben bevorzugte, die nicht herausstechen. Ihre Mutter hatte daraufhin enttäuscht etwas von „Winterstarre“ gemurmelt.

Eine Woche später endete Amys Beschäftigung im Angelladen, und plötzlich brauchte sie niemand mehr. Die ganze Familie kam auf einmal blendend ohne sie zurecht, und dann war Amy bei Cameron gelandet.

Jetzt gingen sie einkaufen, und er hatte ihr den Arm locker um die Schultern gelegt. Wann war denn das passiert?

Amy sah schnell weg, für den Fall, dass ihr Mund vor Staunen offen stand – bei der Liste, die er der Verkäuferin gerade genannt hatte. Ihr Blick fiel auf einen Spiegel an der Wand des Ladens, der ihre Spiegelbilder zeigten. Camerons Augen funkelten vergnügt.

Aber schlimmer war der gleiche Schimmer in ihren Augen.

Gefährlich, wie sehr ihr die Reflexionen gefielen, Seite an Seite.

Amy konnte an einer Hand abzählen, wie oft sie nach der Katastrophe mit Sam vor sechs Jahren ausgegangen war. Das letzte Mal wahrscheinlich vor über einem Jahr. Diese Dates waren schon angenehm gewesen, aber sie hatte sich sehr zurückgehalten und hatte keine Wiederholung gewollt.

Ihre Reaktion jetzt fühlte sich nicht kontrolliert an. Außerdem war es kein Date!

„Kein Designerkleid“, sagte Amy mit so viel Rückgrat wie eine zerkochte Nudel. Sie räusperte sich und versuchte es noch einmal. „Vielleicht haben Sie ja auch heruntergesetzte Sachen?“

„Vergessen Sie das sofort wieder“, widersprach die Verkäuferin gut gelaunt, verschwand einen Moment und kehrte mit einem Kleidungsstück über dem Arm zurück. „Vielleicht möchten Sie dieses hier einmal anprobieren? Es ist mittlere Preisklasse.“ Sie hielt ein fließendes Kleid aus dunkelroter Seide hoch.

„Oh, es ist … wunderschön.“ Amy konnte die Worte nicht mehr aufhalten, aber sie versuchte, sofort zurückzurudern. „Ich weiß nicht recht. Es ist so auffällig – die Farbe und der Stil …“ Sie brach ab und wandte sich Hilfe suchend an Cameron. „Aber das ist wohl egal. Das Kleid dient schließlich nur dazu, herauszubekommen, was du willst.“

„Das stimmt. Mir gefällt es.“ Er nickte. „Ich habe meinen Spaß, Amy, und das muss für meine Muse gut sein. Also probier das Kleid bitte an.“

„Darin werden Sie strahlen, meine Liebe.“ Irgendwie hatte die Verkäuferin sie durch den Laden in eine Umkleidekabine gelotst und Ami das Kleid in die Hand gedrückt, bevor diese überhaupt bemerkte, was vorging. Bevor sich die Tür der Umkleidekabine schloss, sah sie Cameron, der gut gelaunt ein Regal mit Abendhandtaschen inspizierte.

Sie schloss die Tür und drehte sich zum Spiegel um. Dort sah sie eine junge Frau mit strahlenden Augen, die rote Seide in der Hand hielt.

„Es wird nicht passen“, murmelte sie. Hoffte sie das einfach nur, oder versuchte sie, sich das Kleid auszureden? „Du bist so berechenbar, Amy“, flüsterte sie leise. „Jemand drückt dir ein schönes Kleid in die Hand, und du wirfst all deine Vorsätze über den Haufen.“

Oh, aber das war etwas anderes. Es ging nicht um sie. Nicht wirklich. Sie wollten recherchieren, damit Cameron herausfand, was er für seine Romanfigur wollte.

Amy war nur ein Model für den Abend, so eindimensional wie möglich.

Aber dafür war sie doch sehr aufgeregt.

„Bist du fertig?“ Camerons Stimme erklang vor der Kabine. „Kann ich es sehen?“

Sie war fertig, hatte einfach nur dagestanden und stumm auf die Verwandlung im Spiegel gestarrt. Trotzdem fühlte sie sich nicht so sehr wie ein Model, sondern eher wie eine Frau in einem atemberaubenden Kleid. „Ich bin nicht sicher, ob das …“ Amy öffnete die Tür.

„Du …“ Das Wort verhallte, während Cameron sie langsam von Kopf bis Fuß musterte.

„Es scheint die richtige Größe zu sein.“ Sie widerstand dem Drang, mit dem Saum zu spielen oder am Stoff herumzuzupfen. Das Kleid passte wie angegossen und betonte ihre Kurven genau richtig.

„Es ist perf… Ich denke, für unseren Zweck reicht es aus.“ Cameron blinzelte langsam. „Leg das bitte dazu an“, sagte er dunkel und streckte ihr seine Hand entgegen.

Er reichte ihr eine Halskette und ein Paar Hängeohrringe. „Ich war kurz beim Juwelier, während du dich umgezogen hast.“

„Okay.“ Ihre Finger berührten einander, als Amy die Stücke entgegennahm.

Ihr Herz raste. Es war so dumm, aber sie verstummte, als sie die Hand zurückzog. Zog Cameron die Hand extra langsam zurück, als wollte er den Kontakt nicht verlieren?

„Da ist auch eine Tasche.“ Seine Stimme klang ungewohnt tief, und er räusperte sich, bevor er weitersprach: „Aber die gebe ich dir erst, wenn du rauskommst.“

Amy hätte die Kette und die Ohrringe vor ihm anlegen können, aber sie brauchte einen Moment für sich. Sie musste sich zusammenreißen.

Die schlichten, goldenen Ohrringe mit jeweils einer Perle streiften ihren Hals, wenn sie den Kopf drehte, und die passende Halskette mit Perlenanhänger schmiegte sich zwischen ihre Brüste. Es musste schwer gewesen sein, etwas zu finden, das so gut zum Kleid passte.

Nein, Amy, es passt perfekt zu dir und dem Kleid.

Amy schob ihr Haar hinter die Ohren zurück, damit die Ohrringe besser zur Geltung kamen. Eigentlich wäre eine Hochsteckfrisur dafür besser geeignet, auch für das Kleid. Sie warf einen letzten prüfenden Blick in den Spiegel.

Das dunkelrote Kleid in Wickeloptik mit Ausschnitt wirkte trügerisch einfach mit wunderschön geschnittenen Linien, bis es in lockeren Falten knapp über ihre Knie fiel. Der Saum schwang locker, wenn sie sich bewegte.

Cameron hatte sie so eingekleidet, wie sie selbst das vor sechs Jahren getan hätte. Oder besser gesagt, wie sich die Achtzehnjährige sechs Jahre lang angezogen hätte, wenn sie sich nicht hinter langweiligen Farben versteckt hätte.

Nein, sie hatte sich nicht versteckt. Sie war nur aus den Farben herausgewachsen.

Wirklich, Amy? Denn du siehst toll aus, lebhaft, lebendig und bereit, es mit der Welt aufzunehmen, und nicht, ihr aus dem Weg zu gehen, indem du die Geborgenheit bei deiner Familie suchst.

Oh, das war einfach dumm! Amy half Cameron bei seinen Recherchen. Mehr nicht. Zumindest redete sie sich das ein. Und sie wollte ihm eine große Hilfe sein. Das Kleid mochte an ihr gut aussehen, aber es sollte Cameron lediglich Anregungen bieten, wie er seine Romanheldin anziehen wollte. Er könnte sie in falschen Pelz stecken, oder glänzendes rosa Plastik, oder blauen Samt.

Amy nahm ihre anderen Sachen, stieß die Tür auf und trat heraus. Sie gesellte sich zu Cameron am Ladentisch, wo er gerade bezahlte. „Auf zur restlichen Recherche.“

Denn nur darum ging es hier.

5. KAPITEL

„Jetzt zum Friseur“, verkündete Cameron und schob Amy in die Richtung des Salons. Dabei drückte er ihr eine kleine, glitzernde Handtasche in die Hand. In der anderen Hand trug er die Tasche, die die Verkäuferin freundlicherweise für Amys Sachen zur Verfügung gestellt hatte. „In der Szene könnte die weibliche Hauptfigur so tun, als wollte sie so viel wie möglich verwöhnt werden.“

„Und dein männlicher Held wäre entschlossen, ihrem Wunsch zu entsprechen, damit sie nicht misstrauisch wird, was seine wahren Motive angeht. Sie würden tief in ihren gespielten Rollen stecken.“

Amy nahm die Handtasche, aber sie konnte den Blick nicht von seinem Gesicht wenden. Er wirkte so selbstbewusst und attraktiv.

Auch wenn sie wusste, dass sie es nicht tun sollte, sah ihm Amy in die Augen. Sie umklammerte den kurzen Riemen der Tasche, holte tief Luft und gestand sich insgeheim ein, dass sie sich zu Cameron hingezogen fühlte. Das musste sofort aufhören. Der Abend sollte Spaß bereiten, aber wahrscheinlich machte ihnen auch einfach die Atmosphäre zu schaffen.

Irgendwie überstand Amy den Friseur. Es half, dass Cameron auf einer Couch im Wartebereich saß und die Nase in einem Magazin vergrub.

Als sie eine halbe Stunde später von dem Stuhl aufstand, waren ihre Locken kunstvoll zu einem hohen Pferdeschwanz zusammengebunden worden, aus dem ihr nur einige Strähnen über den Rücken fielen.

„Schuhe“, murmelte Cameron, während sein Blick über ihr Haar und ihren freien Hals streifte.

„Du wirst entscheiden müssen, wie deine Heldin ihr Haar tragen soll“, sagte Amy und hoffte, man konnte die Verzweiflung in ihrer Stimme nicht hören. „Ihre Haare sind wahrscheinlich glatt, weizenblond und zu einem Knoten hochgesteckt, damit ihr Model-Gesicht frei bleibt.“

„Hm, ja. Vielleicht.“ Cameron zog sie in ein Schuhgeschäft.

Amys Verwandlung zu einem ballfertigen Aschenputtel erreichte einen Höhepunkt in dem Moment, als sie das Geschäft betraten. Sie entdeckte die Sandalen sofort.

Hohe, schwarzgoldene Stilettoabsätze, winzige Riemchen über dem Spann. Elegante Knöchelriemchen. Vernunft und Vorsicht lösten sich in Luft auf. Amy vergaß den Zweck dieser Nacht, vergaß alles – nun ja, Cameron nicht, aber selbst er war für den Moment nicht ganz so wichtig.

„Die bezahle ich selbst.“ Nur Sekunden später hatte sie die Schuhe an den Füßen. Sie passten traumhaft.

Amy hatte ihre Kreditkarte, und in der Tüte mit ihren Sachen befanden sich fünfzig Dollar in ihrer Rocktasche. Sie streckte die Hand nach Cameron aus. Jetzt rückte er wieder in ihr Blickfeld und lächelte zufrieden. War das ein Anflug von Verzückung?

Natürlich nicht, Amy. Auf keinen Fall! „Ich brauche bitte die Tüte.“

„Nein, ich übernehme das.“ Cameron bezahlte die Schuhe und schob sie aus dem Laden.

„Du verstehst das nicht. Ich musste sie unbedingt haben, weißt du.“ Er konnte doch nicht für ihre Schwäche bezahlen!

„Ich hätte auch noch mehr dafür bezahlt.“ Damit war die Sache für Cameron erledigt.

Seine Augen funkelten so vergnügt, dass es sinnlos war, weiter mit ihm zu diskutieren. Er hakte sich bei ihr unter und führte sie ins Hotelrestaurant. „Du siehst fantastisch aus, Amy. Ich finde, du bist der Typ für kräftige und leuchtende Farben.“

„Das sagt meine Mutter auch.“ Vorsicht, Amy! Sie musste sich daran erinnern, dass es heute Abend um die Arbeit ging, egal, wie Cameron sie angesehen hatte oder wie richtig es sich anfühlte, neben ihm zu gehen. Als würde sie da hingehören.

Amy sieht fantastisch aus, dachte Cameron erneut, als er seine Haushälterin in das Restaurant begleitete.

Er hatte ihr gesagt, dass ihr solche Farben standen, aber nicht, dass das alles zu ihr passte. Das Kleid, die Schuhe, die tollen Haare, das Funkeln in ihren Augen …

Ja, er hatte diese Recherche für seine Geschichte gebraucht. Amy in diesen Sachen zu sehen ließ sie für ihn lebhafter und realer erscheinen, und das hatte ihm tatsächlich geholfen, die Heldin seines Buches zu visualisieren.

Kein weizenblonder Engel, sondern eine elegante Frau Ende dreißig mit glattem, brünettem Haar und einem modischen Kurzhaarschnitt. Eine Frau, die klassisches Schwarz trug. Amys umgekehrte Psychologie funktionierte tatsächlich. Ihre skurrile Herangehensweise an sein Problem hatte ihm geholfen, es zu lösen.

„Hier entlang, bitte.“ Der Kellner platzierte sie gewandt an ihrem Tisch. Für einen langen Augenblick ruhte der Blick des Mannes auf Amys Schönheit.

Und Cameron konnte ihm nur stumm zustimmen.

„Ich fühle mich vollkommen verwandelt.“ Amy spielte mit dem Verschluss der kleinen Tasche auf ihrem Schoß, nachdem der Kellner gegangen war. „Aschenputtel ist bereit für den Ball, nur die Schuhe sind nicht aus Glas.“ Sie presste die Lippen aufeinander. „Aber hier geht es nicht um mich. Was würde deine weibliche Hauptfigur tragen? Was hätte sie in dem Laden gekauft?“

„Die Schuhe sind genau richtig.“ Sie betonten ihre Beine, die zierlichen Füße, die schlanken Fußgelenke. Aber das sollte Cameron seiner Haushälterin besser nicht erzählen. „Meine Heldin trägt ein schwarzes Kleid. Bodenlang. Schwarze, geschlossene Absatzschuhe – wie nennt man die?“

„Pumps?“

„Ja.“ Cameron nickte. „Sie trägt Diamanten, ein Choker um den Hals, ein dickes Armband am rechten Handgelenk. Ohrringe mit jeweils einem Karat.“

„Du entwickelst deine Figur! Toll.“ Amy deutete auf die Tasche auf ihrem Schoß. „Die Strasssteinchen sind erstaunlich. Sie sehen so echt aus.“

Cameron konnte ihrem Blick nicht ausweichen und hoffte einfach, dass er nicht allzu schuldig aussah. Oder verlegen. „Sie sind echt, aber es sind nicht viele, und sie sind klein. Die Taschen mit falschen Steinen kosten beinahe genauso viel.“ Beinahe verschlagen fügte er hinzu: „Sie hat die ideale Größe für eine kleine Pistole.“

„Oh.“ Amys Augen begannen zu strahlen, und sie beugte sich neugierig vor. „Ist sie eine Attentäterin? Eine Doppelagentin?“

„So ähnlich.“ Er wusste, dass er geheimnisvoll tat, aber er wollte Amy zu gern ein bisschen necken. Sein Blick glitt über den Bogen ihres Halses, und er vergaß seine Buchcharaktere.

Stattdessen wollte er sie genau dort küssen, ihren Duft einatmen und mit den Lippen über ihren Hals und ihr Gesicht streichen. „Erzähl niemandem von den Ideen, die ich für die Heldin im Kopf habe.“ Er zwinkerte ihr zu. „Ich muss meine Buchgeheimnisse bewahren, bis es in den Buchläden steht, sonst ist meine Karriere als Schriftsteller vorbei.“

„Ich verrate nichts“, schwor sie feierlich. „Aber es schadet wohl nichts, wenn ich zugebe, dass es Spaß macht, dieses Kleid zu tragen, und ich liebe die Schuhe. Als ich gerade mit der Highschool fertig war, hatte ich ein ähnliches Paar“, gestand Amy und fühlte sich beinahe schuldig. „Sie waren billiger und nicht ganz so schön, aber sie gaben mir das Gefühl …“

„… wunderschön zu sein? Das bist du auch.“

Vielleicht hätte er das nicht sagen sollen, aber jetzt war es zu spät.

„Danke.“ Amy biss sich auf die Lippen. Wenn sie sich einfach geschmeichelt fühlte, wäre das in Ordnung, damit konnte sie umgehen. Aber sie war nicht nur geschmeichelt, sondern spürte, wie bewusst Cameron sie wahrnahm. Und sie ihn. Schon den ganzen Abend, versteckt unter der Aufregung und dem Spaß an ihrem Rollenspiel.

Dieses Bewusstsein war da. Sogar jetzt, wo sie hier saßen, beugte sich Cameron vor, als würde er gern den Abstand des Tisches überbrücken und ihr einen sanften Kuss auf die Lippen geben.

Amy beugte sich ihm ebenfalls entgegen, bis sie sich gewaltsam zusammenriss und gerade hinsetzte.

Sie durfte nicht vergessen, dass Cameron Travers ihr Arbeitgeber war, kein Mann, an den sie sich schmiegen oder von dem sie geküsst werden wollte.

„Wir sollten entscheiden, was wir essen wollen.“ Amy schlug die Karte auf und starrte blind auf die Vorspeisen. „Müssen wir etwas Spezielles aussuchen?“

„Nein. Such dir einfach aus, was du gern essen möchtest.“ Cameron konzentrierte sich ebenfalls auf die Karte.

„Ich denke, ich nehme die Suppe.“ Sie entschied sich gegen verführerisch pikante Garnelen und köstlichen geschmolzenen Käse in Blätterteig. „Ja, die Suppe. Das ist gesund. Genau, was ich möchte.“

Immerhin war sie eine vernünftige, normale junge Frau, auch wenn es ihr gefallen hatte, mit diesem wunderschönen Kleid und den Schuhen verwöhnt zu werden.

Aber Amy ließ sich nicht mehr von Gefühlen, plötzlichen Launen oder anderen unkontrollierbaren Dingen beeinflussen.

Sam hatte ihr diese Lektion erteilt – eigentlich war es der Schmerz, den sie durch ihn erlebt hatte. Ihre gute Laune wankte.

In diesem Moment sah Cameron sie an, lächelte und sagte sanft: „Danke, dass du mitspielst. Es hat wirklich Spaß gemacht, so zu recherchieren. Jetzt kann ich meine Ideen besser visualisieren, und meine Muse ist auch wieder kreativ.“

„Gern geschehen. Ich helfe dir gern, das weißt du doch.“ Amy schob die anderen, traurigen Gedanken weit von sich weg.

Cameron studierte lächelnd die Karte. Danach lenkte er das Gespräch auf die Sanierung, vielleicht weil er ahnte, dass sie die Abwechslung brauchte.

Er erzählte von der Herausforderung, die passenden Grundstücke und gute, zuverlässige Bauarbeiter zu finden.

Sie entspannte sich, und ihre Fröhlichkeit kehrte zurück.

Ihre Vorspeisen wurden serviert, und Amy probierte die dickflüssige Suppe mit Lammstückchen und frischem, buntem Gemüse, die herrlich würzig duftete. Sie schloss die Augen, während sich der Geschmack auf ihrem Gaumen ausbreitete.

Cameron schnitt ein Stück einer toskanischen Garnele ab, schob es sich in den Mund und kaute. Er deutete auf ihren Suppenteller. „Wie ist sie?“

„Sagenhaft und absolut lecker.“ Amy lächelte ironisch. Sie trug ein wunderschönes, rotes Kleid und sagenhafte Schuhe. Wäre es wirklich so schlimm, wenn sie etwas Exotisches essen würde?

Sie sprachen nicht viel. Und als Cameron sein Besteck aufnahm, bemerkte sie, dass sie beide sich schweigend angesehen hatten.

Beinahe … wie ein Paar.

So wie du Sam angestarrt hast, hingerissen und ohne einen Gedanken daran, was hinter den schmeichelnden Worten, dem Lächeln und den Blicken stecken könnte, mit denen er dich bedacht hat?

„Wie … wie würde sich deine Heldin zu diesem Zeitpunkt verhalten?“ Amy nippte an ihrem Wasser. Sie musste unbedingt ein unverfängliches Thema finden.

„Bitte sehr.“ Ein Kellner räumte die Teller ab und ordnete ihre Gedecke wieder. Dann empfahl er Cameron eine Auswahl an Weinen für den Hauptgang. Cameron hatte sich für gegrilltes Steak entschieden und Amy für Barramundifilets mit einer cremigen Kräuter-Zitronen-Soße.

„Ich hätte gern Chardonnay.“ Amy war stolz, dass ihre Stimme normal klang.

Cameron studierte die Etiketten der Weine, die der Kellner ihnen gebracht hatte, und stimmte dem Chardonnay für Amy und einem Rotwein für sich selbst zu. Der Kellner schenkte ihnen ein und verschwand, als sie zu essen begannen.

Dann beantwortete Cameron ihre Frage. „Sie würde ihr Bestes tun, um den Helden abzulenken, damit er gar nicht dazu kommt, sich zu fragen, was sie vorhat.“ Er sah auf seinen Teller und dann auf ihren. „Ich hätte auch gern die Beschreibungen der Gerichte, damit ich die Gerichte in meinem Buch verwenden kann.“

„Oh … okay.“ Amy gab ihr Bestes, um die Kombination von Konsistenzen und Geschmacksrichtungen zu beschreiben.

Cameron wirkte, als würde er sich gedanklich Notizen machen, und Amy versuchte sich einzureden, dass sie sich nicht mehr zu Cameron hingezogen fühlte, aber natürlich machte sie sich etwas vor.

Und wenn er das Gleiche fühlt?

„Erzähl mir von deiner Familie. Du hast Kunst und Restaurants erwähnt“, forderte Cameron sie auf und rieb sich den Nacken.

Wenn Amy von ihrer Familie zu erzählen begann, würden sie noch hier sitzen, wenn das Restaurant schloss, daher fragte sie, ob er in Adelaide noch weitere Sanierungsprojekte übernehmen würde. Das zeigte doch ganz normales Interesse.

„Vielleicht mache ich das tatsächlich.“ Cameron begann, von Gebäuden in verschieden Stadtteilen von Adelaide zu erzählen. „Ich habe vorhin ein Angebot für einen Wohnblock gemacht, der zwar ziemlich heruntergekommen ist, aber in einer beliebten Gegend liegt.“

Als gäbe es nichts Faszinierenderes oder Aufregenderes, als ein weiteres Gebäude zu kaufen. Für ihn vielleicht nicht. Er kaufte und verkaufte für Dollarsummen, von denen Amy nur träumen konnte. Und er konnte Geschichten schreiben. Sie fand seine Vorstellungskraft und sein Interesse an praktischer Recherche genauso faszinierend. Das Grübchen in seinem Kinn …

… ist absolut nicht faszinierend, Amy!

Als Mensch war Cameron Travers interessant – komplex, geschäftig, beinahe ein Workaholic. Und er litt an Schlaflosigkeit. Aus welchem Grund auch immer fand Amy das für ihren Seelenfrieden ein bisschen zu interessant.

Sie überstanden den Rest des Essens. Gelegentlich schrieb Cameron etwas auf einen kleinen Notizblock, den er aus seiner Hosentasche zog, aber trotzdem hatte Amy immer das Gefühl, als wäre er auf sie fixiert. Wie dumm, denn hier ging es leider nicht um sie.

Endlich tranken sie ihren Kaffee aus. Amy schob ihr halb gegessenes Dessert von sich – einen Windbeutel mit Vanillecreme gefüllt und verziert mit knusprigen Karamellfäden. „Es schmeckt fantastisch, aber ich schaffe nicht alles.“

Cameron schob den Teller mit Käse und Crackern in die Mitte des Tisches. „Ich kann auch nicht mehr.“ Dann sah er auf seine Uhr und warf ihr einen durchdringenden, interessierten, müden und aufmerksamen Blick zu. „Es ist jetzt nach elf. Bist du bereit für den letzten Schritt bei dem heutigen Abenteuer?“

Wie tief seine Stimme war.

Er sprach von seiner Arbeit. Und trotzdem …

„Deshalb sind wir doch hier“, stimmte Amy zu, aber ihre Reaktion auf ihn verwirrte ihre Sinne.

Das war gefährlich, genauso wie das Gefühl seiner Hand, die ihre festhielt, als sie das Restaurant verließen. Sie konnte seine Muskeln fühlen, die Wärme seiner Haut.

Aber Cameron spielte eindeutig nicht in ihrer Liga.

Und warum lehnte sie sich so an ihn?

Sie betraten einen Lastenaufzug, der sie zum Dach des Hotels bringen sollte.

„Das Hotel hat nur fünf Stockwerke, aber ich möchte hierfür ganz aufs Dach.“ Cameron sagte das beinahe so, als müsste er sich dafür entschuldigen.

„Lass uns das tun, was dir am meisten für deine Geschichte hilft.“ Amy zwang sich, ruhig zu bleiben, aber das funktionierte nur, bis sie in Camerons Augen sah. Dann begann ihr Puls zu rasen. Und plötzlich war sie nervös.

„Das wollte ich sehen, Amy. Diese Vorsicht, auch wenn du nicht glaubst, dass du in echter Gefahr schwebst.“ Seine Worte berührten ihre Sinne wie Samt, der ihre Haut streichelte. „Das passt perfekt.“

Der Aufzug hielt, und sie betraten das flache Dach des Gebäudes. Cameron sah sich um und führte sie zum Rand. Dabei hielt er ihren Arm fest umfasst. „Du leidest doch hoffentlich nicht unter Höhenangst oder so etwas?“

„Nein.“ Trotzdem zögerte Amy nicht, sich in seinen festen Griff zu schmiegen, denn es wäre ein tiefer Fall bis ganz nach unten. Wenn sie im Moment anhänglich wirkte, war das eben nicht zu ändern. „Was?“

„Schau für mich nach unten. Dann spielen wir …“ Er führte sie nah genug an den Rand heran.

Sie standen mitten in der Nacht fünf Stockwerke hoch auf einem verlassenen Dach. Jetzt ging Amys Fantasie mit ihr durch. Was sollte in dieser Szene passieren?

Adrenalin und Erregung rauschten durch ihren Körper. Sie flüsterte: „Mein Herz schlägt mir bis zum Hals, und dabei weiß ich noch nicht einmal, was du vorhast.“

„Ich habe keine Vorstellung, was du davon hältst.“ Er umfasste ihren Arm stärker. „Aber wir werden es herausfinden.“

6. KAPITEL

„Jetzt bist du noch absolut sicher, Amy, aber gleich wirst du dich nicht mehr so fühlen.“ Cameron musterte ihr Gesicht.

„Was immer es auch ist, ich bin bereit.“ Amys Stimme klang atemlos, und eine nervöse Anspannung breitete sich in ihr aus. Hoffentlich lasse ich mir nichts anmerken.

Cameron umfasste leicht ihren Ellbogen. „In der Szene wird alles ziemlich schnell passieren. Sie hat keine Zeit, zu überlegen, aber für diese Übung erkläre ich dir einige Dinge Schritt für Schritt. Ich möchte wissen, was du glaubst, wie sie reagieren würde.“

Sie kamen dem Rand immer näher. Amy hob die Arme und stützte sich an seiner Brust ab. Die kleine Handtasche hing an einem ihrer Handgelenke. „Ihr Puls würde anfangen zu rasen, und sie würde vorsichtig sein. Sehr vorsichtig.“

Camerons Blick ruhte kurz auf ihrem Mund. „Sie weiß noch nicht, ob er vorhat, sie zu küssen, anzugreifen, zu beschuldigen, mit einer Waffe zu bedrohen, sie zu überwältigen oder vom Dach zu stoßen. Kennt er ihre Geheimnisse?“

„Und sie seine?“

Kaum hatte Amy die Frage ausgesprochen, als Cameron sie etwas vom Rand zurückzog. Blitzschnell hob er sie hoch. Eine Hand umfasste ihre Oberschenkel, die andere ihre Schultern. Sein Gesicht war ihr so nah.

Sie standen in sicherer Entfernung zum Rand, aber für Amy fühlte es sich alles andere als sicher an.

Sie keuchte leise und legte den freien Arm um seinen Hals.

„Langsam.“ Cameron spürte, wie sie sich an seinem Hals festklammerte, und er ging zwei Schritte. Nicht zur Kante, sondern parallel dazu. „Entschuldige, aber ich muss wissen, wie sich meine Hauptfigur fühlt, wenn er sie trägt.“

„Wenn er sie so noch näher an den Rand bringt, wird sie sich wehren.“

Amy war angespannt, aber sie wehrte sich nicht.

Jetzt konnte Cameron die Charaktere deutlich vor seinem inneren Auge sehen.

Fantastisch. Jetzt war er in der Lage, diese Szene zu schreiben. Er kannte seine weibliche Hauptfigur, wusste, wer sie war, und dass sie gut in die Geschichte passen würde.

Nun kämpfte er nur noch mit dem Verlangen nach der Frau in seinen Armen. Darüber verlor er immer mehr die Kontrolle, seit sie diese Idee heute ausgeheckt hatten.

„Ja, sie würde versuchen, sich zu befreien, aber das schaffe ich allein, oder wir spielen das woanders. Ich möchte hier oben auf keinen Fall die Balance verlieren.“ Hoffentlich klang er konzentriert und nicht abgelenkt …

„Wenn er sie vom Dach werfen wollte, könnte sie sich nur an ihm festklammern, damit er dann mit ihr fällt“, bemerkte Amy. So nah an seiner breiten Brust fiel ihr das Denken schwer. „Es sei denn, er hätte die Kraft, sie irgendwie zu überwältigen, bevor er sie fallen lässt.“ Bei diesen Worten klammerte sie sich fester an seinen Hals.

Cameron bewegte sich so, dass sie ihre andere Hand freibekam. „In der Szene würde sie kämpfen, um ihre Hand zu befreien.“

Amy schlang den anderen Arm ebenfalls um seinen Hals. „Würde sie sich so festhalten?“

„An diesem Punkt, ja.“ Himmel, seine Stimme klang viel zu tief.

Amy Douglas in einem fließenden Kleid, das sie sinnlich und verführerisch aussehen ließ. Er spürte, wie der weiche Stoff über seine Hand strich. Sie hob den Kopf, und Cameron konnte in ihrem Gesicht Aufregung und einen Hauch Unsicherheit erkennen.

Nicht, weil sie sich bei ihm nicht sicher fühlte, sondern weil sie ihn attraktiv fand und unbekanntes Terrain betrat.

Analysierst du jetzt ihre Reaktionen, Travers, oder deine Reaktionen auf sie?

Cameron stoppte und murmelte: „Sie würde wahrscheinlich versuchen, an die Waffe in ihrer Tasche zu kommen.“

„Ja“, flüsterte Amy, aber sie rührte sich nicht.

Cameron konzentrierte sich auf ihr Gesicht, ihre Augen, die Wangen, Nase und schließlich auf ihren Mund.

Sein Blick, erfüllt von Lust und Begehren, und vielleicht noch mehr, zog Amys Blick magisch an. Sie hielt den Atem an. Hier oben hüllte die Dunkelheit sie ein, während unter ihnen alles weiterging.

Im Halbdunkel trafen sich ihre Blicke.

„Ich hätte dich nicht einfach so hochheben sollen“, murmelte er entschuldigend, aber er ließ sie nicht los.

Stattdessen verstärkte er den Griff um ihre Schultern, verlagerte sein Gewicht und beugte sich zu ihr. „Sag mir, dass ich dich nicht …“

„Nicht?“ Aber Amy sah in seinen Augen, was er meinte. Verlangen stand in seinem Blick.

Sie sollte Nein sagen, sich vor tieferen Gefühlen schützen und keine Risiken eingehen, aber sie konnte nur atemlos abwarten, während ihre Lippen erwartungsvoll prickelten.

Und dann passierte es. Der Kuss, den sie den ganzen Abend herbeigesehnt hatte.

Camerons Lippen schmeckten leicht nach Kaffee und waren gleichzeitig fest und sanft, als er sie zärtlich küsste. Als hätten sie alle Zeit der Welt, und er wollte nichts anderes tun.

Sie dachte, sie hätte die Kontrolle über diesen Abend mit ihm. Schließlich wollten sie hier nur recherchieren und nichts anderes.

Aber so fühlte es sich nicht an. Ihre Lippen wurden unter seinem Mund weicher. Langsam ließ Cameron sie an seinem Körper heruntergleiten, bis ihre Füße den Boden wieder berührten. Es fühlte sich so richtig an, wie er die Arme um sie schlang, und sein Kuss ließ sie schweben.

Cameron stöhnte leise und vertiefte den Kuss. Seine Lippen streichelten ihre verführerisch, verschmolzen mit ihren, kosteten, gaben und nahmen.

Auf einmal verspürte sie heftiges Verlangen. Wenn er wollte, könnte er … sich nehmen, was er wollte? Sie verletzen, weil sie nicht bereit war, wieder einem Mann zu vertrauen, obwohl sie nicht sicher war, ob sie sich selbst trauen konnte?

Amy wurde bewusst, wie intim sie aneinandergepresst standen. Cameron streichelte ihre nackten Schultern und ihren Rücken.

Sie drängte sich noch näher an ihn.

Was hast du dir nur dabei gedacht, Amy?

Sie musste sich zwingen, sich von ihm zu lösen. Es fühlte sich an, als dauerte jede kleine Bewegung Ewigkeiten. Sie durfte nichts für Cameron empfinden. Er war ihr Boss, sie seine Angestellte. Amy bekam Panik.

Denk daran, wie Cameron dich geküsst hat, Amy. Wie er so leicht eine Reaktion von dir bekommen hat. Als wäre dies dein erster wirklicher Kuss.

Sam hatte ihr dieses Gefühl gegeben. Er war der erste Mann gewesen, der sie geküsst und später zur Frau gemacht hatte.

Aber darum ging es hier nicht.

Worum dann? Sie konnte sich nicht davon beeinflussen lassen, was sie und Cameron in diesen Momenten geteilt hatten. Nein, sie durfte keine Gefühle für ihn entwickeln …

Amy zwang sich, Camerons Blick zu begegnen, und öffnete den Mund.

Ihre Lippen prickelten immer noch. Ihr Körper sehnte sich nach seiner Umarmung, danach, den Kuss weiterzuführen, die Nähe zu verlängern.

Endlich fand sie die richtigen Worte. „Ich möchte keine Beziehung. Damit will ich nicht behaupten, dass du eine willst. Leider haben wir uns für einen kurzen Moment vergessen. Wir müssen keinen Wind darum machen, aber es darf nicht wieder passieren. Du hast viel zu tun und kämpfst mit deiner Schlaflosigkeit, einer störrischen Muse und einer anspruchsvollen Firma in Sydney. Und ich arbeite für dich!“

„Ich weiß.“ Er schluckte schwer. „Ich verstehe das alles, Amy. Es war falsch von mir, dich zu küssen. Ich suche keine Beziehung. Glaub mir, das war alles nicht geplant, und außerdem ist es nicht klug, Arbeit und Vergnügen zu vermischen. Du hast recht. Du würdest nicht wollen …“

Er unterbrach sich, aber sie verstand. Cameron stimmte ihr zu. Es hätte nie zu diesem Kuss kommen dürfen.

Amy holte tief Luft und platzte heraus: „Ich wollte nicht, dass das passiert.“

„Ich weiß.“ Seine Worte klangen aufrichtig. „Ich hatte eine Schreibblockade, und du hattest eine tolle Lösung. Und in dieser Aufregung haben wir uns für ein paar Augenblicke vergessen.“

Sie nickte. „Ich bin froh, dass wir das geklärt haben.“ Sie lächelte erleichtert. „Puh! Sind wir hier fertig? Hast du, was du brauchst? Vielleicht sollten wir nach Hause fahren … ich meine, zu deinem Sanierungsprojekt.“

„Ich habe alles, was ich brauche.“ Cameron beobachtete Amys Gesicht, ihr ausdrucksvolles Mienenspiel, entdeckte die widersprüchlichsten Gefühle bei ihr, und spürte gleichzeitig, wie sie auch in ihm tobten. Es war wunderbar gewesen, sie zu küssen. Ja, er hatte viel gesagt, warum es passiert war und dass es nicht hätte passieren dürfen … Das stimmte auch alles, aber es traf nicht einmal im Entferntesten, wie er sich fühlte. Cameron wollte diese Gefühle nicht näher untersuchen, aber die Gedanken kamen trotzdem.

Er hatte sie so sanft geküsst wie nie eine Frau zuvor, nachdem er das Verlangen die ganze Nacht ignoriert hatte. Es war geschehen, weil er nichts dagegen tun konnte.

Aber wie sollte er ihr das sagen? Denn Amy wollte das nicht. Das hatte sie deutlich gesagt und dabei so ängstlich ausgesehen. Er durfte nicht mit ihr spielen, um sie nicht zu verletzen.

Dazu hatte er kein Recht, schließlich war er nur für kurze Zeit ihr Arbeitgeber, und daran würde er auch nichts ändern. Er würde sie nur enttäuschen, nicht das sein, was sie brauchte. Das hatte er schon bewiesen. Was hatte sie so verletzt?

Er litt unter Schlaflosigkeit, war ein Workaholic und ein Romane schreibender Geschäftsmann, der nicht lange an einem Ort bleiben konnte, nicht zur Ruhe kam und nicht wusste, was eine Familie bedeutete. Zu seiner Mutter hatte er nur während seiner Kindheit eine Verbindung gehabt, aber sie hatte ihn nicht gewollt. Und Cameron hatte gelernt, damit umzugehen.

Mit Mitte zwanzig wollte er ausbrechen. Gillian …

Cameron hatte Gillian zu große Hoffnungen gemacht, und als sie endlich verstand, dass er ihr niemals ganz gehören würde und wie sehr sich seine Vergangenheit und seine Schlaflosigkeit auf sein tägliches Leben auswirkten, fühlte sie sich im Stich gelassen, enttäuscht und verletzt. Sie wollte und brauchte mehr, als er ihr geben konnte. Es war ihr Recht gewesen, das zu fordern – und auch ihn zu verlassen.

Sie waren getrennte Wege gegangen, und Cameron hatte seine Lektion gelernt. Nie wieder wollte er eine Frau so verletzen oder so einen Verlust erleiden. Er wusste, was er haben konnte und was nicht.

Trotzdem hatte er das alles heute Nacht vergessen. Und nichts war so gewesen wie mit Gillian. Diese Zärtlichkeit war neu. Mit keiner Frau hatte er das je erlebt.

Lag es nur daran, dass er Amy geküsst hatte? Er zwang sich, sie loszulassen und einen Schritt zurückzutreten. Jede Faser seines Körpers schien dagegen zu protestieren. Wenn er sie erneut an sich zog, würde er sie nicht wieder gehen lassen. Dann würde er ihre Hand nehmen, sie nach Hause bringen und dafür sorgen, dass sie ganz ihm gehörte.

Auf keinen Fall, Travers.

„Wir sollten gehen.“ Er führte Amy den Weg zurück, den sie gekommen waren, und schob sie in den Lastenaufzug.

Als sich die Türen schlossen, wandte sich Amy ihm zu und sagte leise: „Dein Buch … haben wir etwas erreicht? Hast du neue Anregungen? Bist du weitergekommen?“

Eine Ablenkung. Cameron ging darauf ein. „Ich habe beschlossen, dass sie zu einer verdeckten Spezialeinheit gehört, aber sie ist eine Doppelagentin und Scharfschützin, die auch eine Vergangenheit als bezahlte Mörderin hat …“ Er erzählte von seinem Buch, bis er Amy sicher in seinem Auto untergebracht hatte.

Im halbdunklen Inneren des Autos nahm er sie sehr intensiv wahr, hörte, wie sie atmete, roch den Duft ihrer Haut. „Ich bin froh, dass es geklappt hat und dass du sie jetzt gut kennst.“ Sie spielte mit der kleinen Tasche auf ihrem Schoß. „Weißt du, ich sollte diese Sachen wirklich nicht behalten.“

„Bitte. Vielleicht trägst du sie ja eines Tages noch einmal.“ Und denkst an mich. Wollte er das? Er runzelte die Stirn.

Als sie unter einer Laterne vorbeifuhren, sah Cameron sie an. Die Brise hatte ihre Haare durcheinandergewirbelt. Am liebsten würde er seine Hände darin vergraben und sie leidenschaftlich küssen – vom Hals zurück zu ihren weichen Lippen.

Wag nicht einmal daran zu denken, sie noch einmal zu küssen, klar?

Sie hatten recherchiert, dabei war es zu einem Kuss gekommen, der nicht hätte passieren dürfen. Ein Kuss, der ihn umgehauen hatte. Cameron parkte das Cabrio auf dem Grundstück. Egal wie verführerisch, wie sehr sie ihn beruhigte, er musste vorsichtig sein, damit sich so etwas nicht wiederholte.

Eine Frau wie Amy verdiente etwas Besseres als einen unter Schlaflosigkeit leidenden Workaholic, der keine Ahnung von einem intakten Familienleben hatte, geschweige denn, wie er die Bedürfnisse einer Frau erfüllen konnte.

Es gab keinen anderen Weg für Cameron. Keinen, den er kannte.

7. KAPITEL

„Er nimmt sich zu viel vor, und ich möchte ihm so gern helfen, mehr Schlaf zu finden. Außer der Arbeit, die ich jetzt für ihn erledige, kann ich sonst kaum etwas für ihn tun.“

Eine Woche war seit ihrem Rollenspiel vergangen.

Amy erinnerte sich öfter daran, als sie zugeben wollte. Nicht direkt an das Rollenspiel, sondern an den Kuss, der eigentlich nicht vorgesehen gewesen war.

Ein süßer Kuss. Zärtlich und liebevoll. Amy musste ihn unbedingt vergessen.

Sie durfte für Cameron keine Gefühle entwickeln, zumindest nicht solche.

Amy unterdrückte ein Seufzen. „Er ist mein Arbeitgeber.“

Wenn sie sich das immer wieder ins Gedächtnis rief, würde sie irgendwann auch akzeptieren, dass er nichts anderes für sie war.

Sie sah sich um. Es war erst kurz nach Sonnenaufgang, aber der Markt platzte bereits aus allen Nähten. Ihre Mutter hatte sich bei Tante Edie eingehakt. So war ihre Familie; alle passten aufeinander auf.

Bei dem Gedanken spürte Amy plötzlich ein Ziehen. Sechs Jahre lang hatte sie ihr Leben darum aufgebaut, sich so gut wie möglich um alle zu kümmern, und dann brauchten sie sie auf einmal nicht mehr.

„Ihr fehlt mir alle. Wie geht es Jodie? Danke, dass ihr heute früh gekommen seid.“ Sie hatte sie gebeten zu kommen, unter dem Vorwand, dass sie ihrem Chef helfen wollte.

Ihre Mutter und Tante Edie hatten ihr den neuesten Familienklatsch berichtet, und Amy beteuerte noch einmal, dass ihr Chef nichts dagegen hatte, wenn sie während der Arbeit Anrufe und SMS bekam.

Für die beiden schien das in Ordnung zu sein, aber Amy fragte sich immer noch, ob da noch mehr unter der Oberfläche steckte. Sie sollte sie einfach fragen, aber insgeheim hatte sie Angst vor der Antwort.

Vielleicht verursachten die Probleme mit ihrem Arbeitgeber dieses unbehagliche Gefühl. In der vergangenen Woche war er ihr so oft wie möglich aus dem Weg gegangen. Sie sah ihn nur zu den Mahlzeiten, wenn er ihr ihre Aufgabenlisten gab und sie darum bat, bestimmte Arbeiten vorrangig zu erledigen.

Er ist dir überhaupt nicht ausgewichen, Amy. Du hast ihn oft gesehen.

Sie runzelte die Stirn. Das stimmte. Aber warum vermisste sie ihn dann?

„Jodie geht es gut“, antwortete ihre Mutter.

Amy biss sich auf die Unterlippe. „Das ist schön.“ Und das stimmte. Sie musste endlich aufhören, sich nach Dingen zu sehnen, die völlig außer Frage standen.

Du verdienst keine erfüllende Beziehung. Denk daran, was du angerichtet hast.

Dieser Gedanke verursachte ihr einen stechenden Schmerz in der Brust. „Worüber haben wir gerade gesprochen?“

„Du hast uns von deinem attraktiven Arbeitgeber erzählt“, verkündete ihre Tante mit einem breiten Grinsen auf ihrem wettergegerbten, braunen Gesicht.

„Er leidet unter Schlaflosigkeit“, antwortete Amy steif und versuchte deprimiert, die Spekulationen ihrer Tante einzudämmen. „Ich bin letzte Nacht dreimal aufgewacht, und jedes Mal brannte in seinem Büro Licht, und ich wusste, dass er arbeitet.“

Amy war unruhig gewesen. Aber das war sie schon, seit er sie geküsst hatte. „Ich wollte dich fragen, ob es irgendwelche traditionellen Heilmittel für Cameron gibt, was ihm helfen würde, besser zu schlafen.“

Ihre Stimme klang weicher, als sie seinen Namen aussprach, und Amy errötete. Sie musste die beiden ablenken und nicht für noch mehr Spekulationen sorgen.

„Frische Produkte sind ein guter Anfang“, sagte ihre Tante und musterte Amys Gesicht.

„Für Cameron, ja“, mischte sich ihre Mutter ein. Ihre Augen glänzten verdächtig.

Konnte es tatsächlich angehen, dass ihre Familie etwas ausgeheckt hatte, um Amy in die Wirklichkeit hinauszuschicken, damit sie vielleicht einen Mann kennenlernte?

Amy sah auf ihre Uhr. „Ich sollte meine Einkäufe erledigen, während wir weitersprechen.“ Sie ging auf den nächsten Obststand zu und inspizierte eine reife Papaya. So stand sie selbst wenigstens nicht mehr im Zentrum ihrer Spekulationen.

Ihre Mutter und Tante Edie holten sie schnell ein, und Amy beschloss, das Thema anzusprechen, das sie bis jetzt vermieden hatte. Es machte ihr zu schaffen. Also musste sie sich der Sache stellen, damit es aufhörte.

Sie drehte sich um. „Das ist die erste Stelle, bei der ich nicht innerhalb der Familie arbeite. Ich möchte alles gut machen, aber ich muss auch wissen, dass ich zur Familie zurückkehren kann, wenn meine Tätigkeit für Cameron Travers beendet ist. Irgendjemand wird mich doch brauchen, oder?“

„Oh … Sicher, davon bin ich überzeugt. Aber hat es dir denn keinen Spaß gemacht, deine Flügel auszubreiten? Es klang zumindest so.“ Ihre Mutter fuhr fort: „Du hast erzählt, dass dir dein Arbeitgeber ein Kleid und eine Tasche gekauft hat und dass du ihm bei irgendwelchen Nachforschungen in einem Hotel geholfen hast?“

Es war aufregend gewesen. Nur zum Ende hin etwas kompliziert. „Ja, wir haben für sein neues Buch recherchiert.“ Amy bezahlte die Papaya und legte sie vorsichtig in ihren Einkaufskorb. „Aber ich habe seinen Namen nur erwähnt, weil ich versuchen will, ihm zu helfen, besser zu schlafen. Er sieht so erschöpft aus.“ Sie wandte sich an ihre Tante. „Hast du irgendeinen Vorschlag?“

Das Gesicht ihrer Tante bekam noch mehr Falten. „Es gibt traditionelle Heilmittel und Methoden. Aber zunächst muss man herausfinden, warum er darunter leidet. War er schon bei einem Arzt?“

„Das habe ich ihn auch gefragt. Er war bei Ärzten und Schlafspezialisten, hat Schlafstudien mitgemacht. Ich glaube, er hat alles ausprobiert, aber keine wirkliche Lösung gefunden.“ Amy zögerte. „Er kann nicht entspannen, treibt sich ständig zur Arbeit an und schläft nur, bis die schlimmste Erschöpfung vorbei ist. Dann wacht er auf, und alles beginnt wieder von vorn.“

Ihre Tante nickte und hakte sich bei Amy unter. Gemeinsam schlenderten sie zu den restlichen Marktständen.

Amy arbeitete ihre Einkaufsliste ab, während sie ihrer Tante zuhörte.

„Erinnerst du dich an den Stammesältesten, den wir besucht haben, als du noch klein warst?“ Ihre Tante nannte einen Namen. „Er besitzt einen Laden. Seine Frau und er wissen so gut wie alles über dieses Problem. Vielleicht solltest du sie anrufen.“

„Danke. Das ist genau das, was ich brauche.“

Sie erledigten den Einkauf. „Schön, dass ihr heute Morgen gekommen seid. Aber jetzt sollte ich wieder an die Arbeit gehen.“

Ihre Mutter legte ihr eine Hand auf den Arm. „Wenn du wirklich an ihm interessiert bist …“

Ja, da war definitiv ein verdächtiger Glanz in den Augen ihrer Mutter, der zu sagen schien: „Der Plan funktioniert.“ Genauso in den Augen ihrer Tante.

„Ihr habt euch alle zusammengetan und mir gesagt, dass es keine Arbeit für mich gibt, damit ich mehr unter Leute komme, stimmt’s?“ Sie wollte wütend sein, fragen, wie ihre Familie ihr das nur antun konnte.

Aber ihre Mutter nickte verlegen und gab es gleich zu. „Wir wollten, dass du endlich einmal unter Menschen kommst und deinen Spaß hast, Amy. Vielleicht ist dein Chef …“

„Er hat mich geküsst, und ich habe den Kuss erwidert, aber es war keine gute Idee, und keiner von uns will das.“ Amy holte tief Luft. Ihre Mutter besaß leider immer noch die Fähigkeit, alles aus ihr herauszuholen, obwohl sie selbst etwas zu beichten hatte. „Ich mache mir nur Sorgen über seine Schlafprobleme. Das liegt in meiner Natur. Ich habe mich sonst immer um die Familie gesorgt.“ Streng sah sie ihre Mutter an. „Auch wenn sie mich unter einem Vorwand rausgeworfen hat.“

„Die Familie will nur dein Bestes, Amy.“ Ihre Mutter seufzte. „Bitte sei nicht böse. Vielleicht hätten wir das nicht tun sollen, aber es sind ja nur zwei Monate. Du solltest Spaß haben und nette Menschen kennenlernen.“

„Oder einen Mann?“ Amy schüttelte den Kopf. „Ihr versteht das nicht.“ Aber sie war nicht böse, und sie umarmte ihre Mutter. „Jetzt kann man daran nichts mehr ändern, aber tut das bitte nicht noch einmal.“

„Wir haben uns zu sehr in dein Leben eingemischt, Amy. Das tut mir leid.“ Ihre Mutter schien sich wirklich schuldig zu fühlen.

„Schon gut.“ Sie lächelte schief. „In so einer großen Familie passiert das eben. Ich weiß das.“ Amy konnte nicht erklären, warum sie keinen Mann in ihrem Leben haben wollte. Sie biss sich auf die Lippe.

Ihre Tante war vorausgegangen, während Amy sich mit ihrer Mutter unterhielt. Jetzt kam sie zurück. „Bist du so weit? Können wir gehen, Susan?“

„Ja, bin ich.“ Ihre Mutter umarmte Amy noch einmal.

Dann umarmte Amy ihre Tante, bevor die beiden verschwanden.

Sie ging ebenfalls auf den Ausgang des Marktes zu. Es waren nur ein paar Blocks bis zum Haus ihres Chefs. Vielleicht half ihr der Spaziergang dabei, einen klaren Kopf zu bekommen. Zumindest wusste sie jetzt, was ihre Familie ausgeheckt hatte. Wehe, sie meldeten sich nicht bald wieder bei ihr!

Amy warf einen Blick in ihren Korb und bemerkte, dass sie die jungen Spinatblätter vergessen hatte, die sie zum Mittag für einen warmen Geflügelsalat brauchte. Sie drehte sich um und ging zurück zum Markt.

„Warte, Amy! Ich trage den Korb für dich“, erklang Camerons Stimme hinter ihr, rau und tief.

Sie sah über ihre Schulter, und da war er. Zielstrebig kam er auf sie zu.

Ihr Herz machte vor Freude einen Satz. Plötzlich erschien die Welt heller, einfach nur, weil sie sein Gesicht gesehen hatte und weil sein schiefes Lächeln ihr galt.

Kannst du ihm nicht besser widerstehen, Amy? Willst du wieder so enden? Er hat dir doch deutlich zu verstehen gegeben, dass er nicht an einer Beziehung interessiert ist.

Sie konnte nicht wieder einem Mann vertrauen. Das Risiko war zu groß. Darum musste sie sich darauf konzentrieren, eine gute Angestellte für ihn zu sein.

Als er zu ihr aufschloss, suchte Amy in seinem Gesicht nach Anzeichen von Müdigkeit – und fand sie. „Konntest du wieder nicht schlafen?“

„Nein. Tut mir leid, wenn ich dich letzte Nacht gestört habe.“ Müde rieb er sich über das stoppelige Kinn. Er trug Jeans, ein schwarzes T-Shirt und eine Sonnenbrille und wirkte ein bisschen verrucht. Und sehr reizvoll.

Das bemerkst du gar nicht, Amy!

Schnell sagte sie: „Du hast mich nicht gestört. Ich war schon wach. Es tut mir nur leid, dass du nicht länger schlafen konntest.“

„Das ist nun mal so.“ Er nahm sie am Arm und sah sie mit erhobenen Augenbrauen an. „Wohin wolltest du gerade? Ich dachte, du wärst fertig und auf dem Weg nach Hause.“

Er war hergekommen, um sie zu treffen und den Korb für sie zu tragen.

Amy atmete tief durch und reichte ihm den Einkaufskorb, den er lässig in einer Hand trug.

„Ich habe den jungen Spinat vergessen, den ich zum Mittag brauche.“ Gesundes Essen, gesunde Zutaten. Sie würde Cameron helfen, sich ausgewogen zu ernähren und besser zu schlafen. Zumindest musste sie es versuchen. „Hattest du in letzter Zeit eine Nachkontrolle wegen deiner Schlaflosigkeit? Vielleicht gibt es ja neue Behandlungsmöglichkeiten.“

„Ich habe mehrmals im Jahr Untersuchungen.“ Er zuckte die Schultern. „Bis jetzt gibt es keine dauerhafte Lösung. Anscheinend muss ich mit meiner Schlaflosigkeit leben.“

„Lass uns den Spinat holen. Dort drüben?“

Cameron wartete, während Amy einkaufte, und begleitete sie dann zurück nach Hause.

Sie musste aufhören, es als Zuhause zu betrachten. Es war nicht einmal besonders gemütlich. Und Cameron würde hier auch nicht wohnen bleiben, sobald die Arbeiten erledigt waren.

Autor

Raye Morgan
Raye Morgan wuchs in so unterschiedlichen Ländern wie Holland, Guam und Kalifornien auf und verbrachte später einige Jahre in Washington, D.C. Jetzt lebt sie mit ihrem Mann, der Geologe und Informatiker ist, und zwei ihrer vier Söhne in Los Angeles. „Die beiden Jungen zu Hause halten mich immer auf dem...
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