Liebe auf dem Tablett - vier Kellnerinnen finden das große Glück

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DER ITALIENISCHE MILLIARDÄR UND DIE KELLNERIN

Wie kommt die Kellnerin Darcy dazu, ihn vor vollendete Tatsachen zu stellen? Nach all den leidenschaftlichen Stunden will sie ihn ernsthaft verlassen? Spontan macht der Milliardär Renzo Sabatini ihr ein Gegenangebot: einen letzten Urlaub in seinem traumhaften Palazzo in der Toskana. Danach ist Schluss! Doch als die Zeit um ist, erkennt er seinen Fehler. Darcy ist so viel mehr als nur eine aufregende Schönheit, die er jede Nacht in seinem Bett haben möchte. Wenn sie wirklich geht, nimmt sie sein Herz mit …

SCHENK MIR DIESE EINE NACHT

"Ihr Scotch, Sir. Möchten Sie noch etwas?" Hätte Darcy bloß den Mund gehalten! Denn der Blick des Traummannes an der Bar verrät ihr genau, was er noch will - sie! Eigentlich ist ein One-Night-Stand nicht Darcys Stil. Aber schließlich ist es ihr allerletzter Abend als Kellnerin in Las Vegas, da darf man schon mal abenteuerlustig sein. Und so serviert sie Jeff nicht nur einen Scotch, sondern schenkt ihm auch diese eine Nacht. Danach schleicht Darcy sich aus seinem Zimmer. Zum Glück kennt sie wenigstens seinen Namen! Denn drei Monate später muss sie ihm dringend etwas gestehen …

MIT EINEM KUSS FING ALLES AN ...

Warum will der italienische Prinz Massimo D’Aquila ausgerechnet sie heiraten? Die mittellose Kellnerin Lucy kann es nicht fassen! Und schon sein erster Kuss in der Silvesternacht verspricht ihr ein sehr zärtliches Eheglück … Lucy ahnt nicht, warum Massimo sie von allen Frauen dieser Welt erwählt hat: Nur er weiß, dass sie die Tochter seines Erzrivalen ist, das Mädchen, das seit Jahren als vermisst gilt. Mit Lucys Jawort macht er seine kühnsten Racheträume wahr! Zu spät begreift der Prinz: Es gibt im Leben eines Mannes etwas, das noch heißer als Rache brennt …

VERLIEBT IN EINEN PRINZEN

"Heirate mich!" Kerry glaubt zu träumen: Plötzlich steht Alexander vor ihrer Tür und macht ihr einen Antrag! Wie sehr hat sie sich nach ihm gesehnt, wie bitter waren die drei Monate ohne ihn! Doch ihre Antwort lautet Nein. Denn Alexander ist der Prinz von Belegovia, und Kerry kann sich nicht vorstellen, dass sie, eine einfache Kellnerin aus Texas, jemals als zukünftige Königin in seinem Land akzeptiert wird! Aber Alexander gibt nicht auf. Doch geht es ihm dabei wirklich um sie, oder nur um den zukünftigen Thronfolger, den Kerry unter ihrem Herzen trägt?


  • Erscheinungstag 13.09.2018
  • ISBN / Artikelnummer 9783733737849
  • Seitenanzahl 592
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Cover

Sharon Kendrick, Mira Lyn Kelly, Jennie Lucas, Victoria Chancellor

Liebe auf dem Tablett - vier Kellnerinnen finden das große Glück

IMPRESSUM

JULIA erscheint in der HarperCollins Germany GmbH

Cora-Logo Redaktion und Verlag:
Postfach 301161, 20304 Hamburg
Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0
Fax: +49(0) 711/72 52-399
E-Mail: kundenservice@cora.de

© 2017 by Sharon Kendrick
Originaltitel: „Secrets of a Billionaire’s Mistress“
erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London
in der Reihe: MODERN ROMANCE
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe JULIA
Band 2331 - 2018 by HarperCollins Germany GmbH, Hamburg
Übersetzung: Natasha Klug

Abbildungen: Harlequin Books S. A., alle Rechte vorbehalten

Veröffentlicht im ePub Format in 03/2018 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783733710071

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.
CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:
BACCARA, BIANCA, ROMANA, HISTORICAL, MYSTERY, TIFFANY

 

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1. KAPITEL

Renzo Sabatini war gerade dabei, sein Hemd aufzuknöpfen, als es an der Tür klingelte. Sofort verspürte er einen Anflug von Vorfreude. Er war versucht, sich das Hemd auszuziehen, sodass Darcy ungestört über seine Brust fahren konnte – zuerst mit den Fingern, dann mit ihren äußerst talentierten Lippen. Ihre leidenschaftlichen Küsse würden ihn vergessen lassen, was vor ihm lag.

Seine Gedanken wanderten zur Toskana. Er würde dieses Kapitel schon bald endgültig abschließen – und damit die Erinnerungen hinter sich lassen, die nach all den Jahren noch immer schmerzten.

Doch warum sollte er zurück in eine düstere Vergangenheit blicken, wo doch gemeinsame Zeit mit Darcy, Stunden voller Wärme und Licht, unmittelbar vor ihm lagen?

Und warum sollte er es mit dem Sex überstürzen? Schließlich hatten sie die ganze Nacht. Stunden voller Sinnlichkeit, die er mit seiner neuen Geliebten teilen konnte. Einer Frau, die keine Forderungen stellte. Die nur eines von ihm erwartete: dass er ihre Lust befriedigte. Und diese Aufgabe zu erfüllen fiel ihm nun wirklich nicht schwer. Er brauchte Darcy nur anzusehen, schon wurde es ihm in der Hose eng, und sein Puls beschleunigte sich.

Nach vier Monaten war er immer noch genauso verzaubert von ihr wie am ersten Tag.

In gewisser Weise war er überrascht darüber, dass es schon so lange gut ging, wo sie doch aus völlig unterschiedlichen Welten stammten. Sie entsprach nicht seinem üblichen Beuteschema, ebenso wenig wie er ihrem. Er mochte es klar und minimalistisch, während Darcys verspielte Spitzenunterwäsche ihre üppigen Kurven nur äußerst unzureichend bedeckte. Nicht dass er sich beschwert hätte …

Seine Lippen verzogen sich zu einem harten Lächeln. Eigentlich war sie nur als One-Night-Stand vorgesehen gewesen. Doch nachdem er sie einmal in seinem Bett gehabt hatte, war es ihm schwergefallen, sie wieder zu vergessen.

Und das war es noch immer.

Die Türklingel meldete sich erneut, und er runzelte die Stirn. Darcy war gut und gerne eine halbe Stunde zu früh dran. Da war es wohl kaum angebracht, so ungeduldig zu sein. Davon abgesehen sollte sie die Regeln langsam kennen: Sie hatte sich seinem Zeitplan anzupassen, nicht umgekehrt.

Barfuß durchquerte er den großen Wohnraum seines Apartments, das im sündhaft teuren Londoner Stadtteil Belgravia lag. Als er die Tür öffnete, stand Darcy Denton vor ihm, von der Statur her eher klein, aber trotzdem unübersehbar. Ihre prachtvollen kupferfarbenen Locken waren feucht vom Regen und zu einem Pferdeschwanz zusammengefasst. Sie trug eine leichte Regenjacke, deren Gürtel ihre schmale Taille betonte. Darunter trug sie ihre Kellnerinnen-Uniform.

Sie lebte auf der anderen Seite von London, in einer Gegend, die Renzo noch nie betreten hatte. Und sie kam immer gleich von der Arbeit her, sobald sie ihre Schicht beendet hatte. Renzo sah keinen Sinn darin, dass sie wertvolle Stunden in öffentlichen Verkehrsmitteln vergeudete. Das war einfach ineffizient. Er war ein viel beschäftigter Mann mit einem Architekturbüro, das Niederlassungen auf der ganzen Welt hatte. Seine Zeit war ihm zu kostbar, um sie sinnlos zu verschwenden.

Er schaute ihr in die großen smaragdgrünen Augen, die wie Edelsteine schimmerten, und sein Blut begann zu kochen.

„Du bist früh dran“, stellte er fest. „Hat dir ein siebter Sinn verraten, dass ich mich gerade ausziehe?“

Darcy lächelte steif, als sie eintrat. Sie war vom Regen durchnässt, fror und hatte einfach nur einen miserablen Tag hinter sich. Ein Kunde hatte sie mit Tee übergossen, dann hatte sich auch noch ein Kind mitten im Restaurant übergeben müssen. Zum Ende ihrer Schicht hatte sie zum Fenster hinausgesehen und festgestellt, dass es angefangen hatte zu regnen – und dass irgendjemand ihren Regenschirm hatte mitgehen lassen.

Und hier war nun Renzo Sabatini in seinem warmen, palastartigen Apartment und nahm an, dass sie ihren Zeitplan darauf abstimmte, ihn nackt zu sehen. War sie jemals einem arroganteren Mann begegnet?

Doch sie hatte gewusst, worauf sie sich einließ, als sie diese verrückte Affäre mit ihm angefangen hatte – wider besseres Wissen und gegen all ihre Überzeugungen. Denn schließlich wusste doch jeder, dass es nur eines gab, was reiche und mächtige Männer von kleinen Kellnerinnen wie ihr wollen könnten.

Dennoch war sie am Ende in Renzos Bett gelandet – und zwar sehenden Auges. Nun, zumindest meistens. Manchmal waren ihre Augen allerdings auch geschlossen gewesen – ganz besonders, wenn sie ihn tief in sich gespürt und vor Lust laut aufgeschluchzt hatte.

Sie hatte zunächst versucht, ihm zu widerstehen, es aber schließlich aufgegeben. Er hatte sie geküsst, und damit war es um sie geschehen gewesen. Vorher hatte sie nicht einmal geahnt, dass ein Kuss sie derart aus der Fassung bringen konnte. Ebenso wenig, wie ihr klar gewesen war, dass er einem tatsächlich das Gefühl geben konnte zu fliegen.

Renzo hatte zuerst schockiert reagiert, als er gemerkt hatte, dass er ihr erster Liebhaber war. Aber nur, um sie von da an enthusiastisch in immer neue Dimensionen der Lust zu katapultieren.

Und eine Weile lang war auch alles gut gewesen. Sehr gut sogar. Wann immer er im Lande gewesen war, hatte sie die Nächte mit ihm verbracht – und manchmal auch den darauffolgenden Tag. Sie hatte ihm morgens Rührei gemacht, während er über seinen Entwürfen gebrütet hatte, aus denen eines Tages die glitzernden, unverwechselbaren Wolkenkratzer werden würden, für die er berühmt war.

Doch in letzter Zeit war irgendetwas anders. War es ihr Gewissen, das sich meldete? Oder ihr Selbsterhaltungstrieb? Darcy war sich nicht sicher. Sie wusste nur, dass sie angefangen hatte, sich zu fragen, was zum Teufel eigentlich aus ihr geworden war – und dass ihr die Antwort auf diese Frage nicht gefiel.

Sie war ein Zeitvertreib. Das neueste Spielzeug eines reichen Mannes, der sich alles leisten konnte. Eine Frau, die ihre Hüllen fallen ließ, sobald er mit den Fingern schnippte.

Aber nun war sie schon einmal hier, da konnte sie ebenso gut auch versuchen, den Abend zu genießen. Sie tauschte also das steife Lächeln gegen ein echtes aus, ließ ihre kleine Reisetasche auf den Boden fallen und zog sich das Gummiband aus dem Haar.

Sie schüttelte ihre feuchten Locken und verspürte einen Anflug von Befriedigung, als sie sah, wie sich seine Pupillen weiteten.

Er schien einfach nicht genug von ihr zu bekommen. Und sie wusste auch, warum: weil sie anders war. Zunächst einmal stammte sie aus der Arbeiterklasse. Sie war nicht aufs College gegangen, und ihre Schulbildung war mehr als lückenhaft. Fast alles, was sie wusste und konnte, hatte sie sich selbst beigebracht.

Dann war sie drall und rothaarig, während sein üblicher Typ Frau schlank und brünett war, zumindest, wenn man nach den Bildern ging, die immer wieder von ihm in der Presse auftauchten. Festzustehen schien: Renzo und sie passten überhaupt nicht zusammen – vom Sex einmal abgesehen, denn der war von Anfang an unglaublich gewesen.

Dennoch konnte es so nicht weitergehen. Der Weg, auf dem sie sich befand, führte nirgendwohin. Darcy wusste, was sie tun musste. Sie wusste, dass sie sich selbst nur für eine kurze Weile belügen konnte, bevor die schmerzhafte Realität sie einholte.

Ihr war bereits aufgefallen, dass Renzo sie als selbstverständlich hinzunehmen begann. Wenn sie die Dinge so weiterlaufen ließ, würde der Zauber zwischen ihnen langsam verfliegen. Und das wollte sie nicht. Sie wollte die guten Erinnerungen festhalten und nicht warten, bis sie von negativen überschattet wurden.

Sie musste all ihren Mut zusammennehmen und Renzo verlassen, ehe er ihr zuvorkam.

„Ich bin früh dran, weil ich deinen Fahrer weggeschickt und stattdessen die U-Bahn genommen habe“, erklärte sie.

„Du hast ihn weggeschickt?“ Er runzelte die Stirn, während er ihr die nasse Regenjacke abnahm. „Warum, um Himmels willen, hast du das getan?“

Darcy seufzte und fragte sich nicht zum ersten Mal, wie es sein mochte, Renzo Sabatini zu sein und in einer Welt zu leben, in der Limousinen und Privatjets zum Alltag gehörten. In einer Welt, in der andere die Einkäufe für einen erledigten und die Schmutzwäsche aufhoben, die man am Abend zuvor auf dem Boden liegen gelassen hatte.

„Weil der Verkehr um diese Zeit der reinste Albtraum ist und man mit dem Auto allerhöchstens im Schneckentempo vorankommt. Öffentliche Verkehrsmittel sind in der Rushhour dem Straßenverkehr überlegen. Aber können wir vielleicht das Thema wechseln? Ich hätte wirklich gern eine Tasse Tee – mir ist schrecklich kalt.“

Doch anstatt sich auf die Küche zuzubewegen, wie es die meisten Menschen wohl getan hätten, schloss er sie in seine Arme und küsste sie. Fest und unnachgiebig presste er seine Lippen auf ihre, während er mit den Händen ihre Pobacken umfasste.

Sie konnte seine Erregung ebenso deutlich spüren wie die Wärme seiner Haut. Darcys Lider flatterten, als er einen seiner Schenkel zwischen ihre schob. Mit einem Mal war alle Kälte vergessen und Tee das Allerletzte, was sie im Sinn hatte.

Sämtliche Zweifel und Unsicherheiten lösten sich in Luft auf; und alles, was sie noch wahrnahm, war die Hitze, die durch ihren Körper pulsierte, während ihre kalten Finger über seine wie in Marmor gemeißelte Brust glitten.

„Zum Teufel, Renzo …“

„Der Teufel hat nicht viel damit zu tun.“

„Nein“, sie küsste ihn erneut, „es ist sehr viel eher Himmel als Hölle.“

„So sollte es auch sein. Aber sag mal, wärmst du dir gerade die Finger an meiner Brust?“

„Sagen wir, ich versuche es. Leider ohne großen Erfolg. Du bist ja in vielen Dingen unglaublich gut, aber zum menschlichen Heizkissen taugst du nicht.“

„Das stimmt wohl. Meine Talente liegen definitiv woanders. Vielleicht könnte ich dir einige davon gleich hier und jetzt demonstrieren.“ Er nahm ihre Hand und führte sie zu seinem Schritt. „Am besten begleitest du mich dazu unter die Dusche.“

Sie konnte nicht Nein zu ihm sagen, selbst wenn sie es versuchte. Eine Berührung von Renzo reichte, und sie stand praktisch in Flammen.

Als sie ins Badezimmer traten, öffnete er den Reißverschluss ihrer beigefarbenen Kellnerinnen-Uniform. Er murmelte auf Italienisch vor sich hin, während er ihre Brüste freilegte. Viel zu große Brüste, die sie schon immer als eine Art Fluch betrachtet hatte. Sie zogen die Aufmerksamkeit sämtlicher Männer an. Darcy hatte mehr als ein Mal über eine Brustverkleinerung nachgedacht, und wären da nicht die immensen Kosten gewesen, hätte sie sich vielleicht dazu entschlossen. Doch von ihrem Lohn als Kellnerin konnte sie sich das nicht erlauben.

Bis Renzo in ihr Leben getreten war, hatte sie Minimizer-BHs getragen. Doch er hatte ihr beigebracht, ihren Körper so zu lieben, wie er war. Und er hatte damit angefangen, Wäsche für sie zu kaufen – das Einzige, was sie ihm je erlaubt hatte, für sie zu kaufen, und das auch nur, weil er darauf bestand. Er konnte nicht verstehen, warum sie ihn nicht Geld für sie ausgeben ließ. Doch die Gründe waren einfach zu persönlich und zu schmerzhaft, um ihm davon zu erzählen.

Und so besaß sie nun feine Spitzen- und Seidenunterwäsche. Insgeheim lächelte sie jedes Mal, wenn sie daran dachte, dass die wohl niemand unter ihrer langweiligen Kellnerinnen-Uniform vermutete.

Er hatte ihr gesagt, dass er sich gerne vorstellte, wie sie an ihn dachte, wenn er geschäftlich unterwegs war. Wie sie sich selbst berührte und dabei an ihn dachte.

Natürlich waren seine Fantasien darüber, wie ihr Leben aussah, wenn sie nicht mit ihm zusammen war, genau das: Fantasien. Trotzdem musste sie zugeben, dass es sie antörnte.

Aber was an Renzo Sabatini törnte sie schon nicht an?

Er war herrlich groß und kräftig, das Haar ebenso rabenschwarz wie seine Augen. Und manchmal, wenn er über seinen detaillierten Entwürfen saß, trug er eine Brille mit dunklem Rand.

Dann war da noch die Art und Weise, wie er sie ansah, wenn sie sich im selben Raum aufhielten. Und wie er sie streichelte, bis sie vor Verlangen bebte.

So wie jetzt.

Ihr Kleid fiel zu Boden, und die zarte Wäsche folgte gleich darauf. Renzo war ein echter Meister in der Kunst des Entkleidens, und es dauerte nicht lange, da war er genauso nackt wie sie. Darcy atmete scharf ein, als sie sah, wie erregt er war.

„Eindrucksvoll, nicht wahr?“ Seine Lippen verzogen sich zu einem herausfordernden Lächeln. „Willst du mich berühren?“

„Nicht, ehe wir unter prasselndem heißem Wasser stehen. Meine Hände sind immer noch so kalt, dass du es vermutlich nicht genießen würdest.“

„Das kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen“, entgegnete er sanft.

Seine Augen glitzerten, als er sie hochhob und in die Dusche trug. Es war überwältigend: das heiße Wasser auf ihrer klammen Haut, sein nackter Körper, der Dampf …

Hungrig eroberte Renzo mit seinen Lippen ihren Mund, während er sie mit einer Hand zwischen den Beinen streichelte und die andere mit ihren Brüsten spielte. Das warme Wasser hatte eine entspannende Wirkung auf Darcy. Dennoch hämmerte ihr Herz wie verrückt, und das Zentrum ihrer Weiblichkeit pulsierte.

Sie ließ ihre Finger über seinen Körper wandern, über die harten Muskeln und die weiche olivfarbene Haut. Dann umfasste sie seine Erektion, und er stöhnte grollend. Es war atemberaubend! Sie liebte alles, was er mit ihr anstellte. Und je länger die Sache zwischen ihnen lief, desto schwerer fiel es ihr, sich ein Leben ohne ihn vorzustellen.

Er ließ seine Hände über ihren Bauch wandern, bis sie schließlich zwischen ihren Schenkeln verschwanden. Sie schloss die Augen, wand sich in seinen Armen und stieß kleine Seufzer der Lust aus.

„Jetzt“, brachte sie heiser hervor. „Schlaf mit mir. Jetzt sofort.“

„So ungeduldig, meine Kleine?“

Natürlich war sie ungeduldig! Es war beinahe einen Monat her, dass sie ihn zuletzt gesehen hatte. Einen Monat, den er zuerst in Japan und später in Südamerika verbracht hatte, wo er den Bau eines enormen Hotelkomplexes überwachte, den er entworfen hatte.

Es hatte hin und wieder eine E-Mail gegeben – die amüsante Schilderung, wie sich nach einer Vorstandssitzung eine Frau an ihn herangemacht hatte. Nur dass Darcy nicht wirklich amüsiert gewesen war. Sie hatte natürlich so getan, als würde es ihr nichts ausmachen, aber trotzdem …

Einmal hatte er sie sogar angerufen, als sein Flug in Rio de Janeiro Verspätung gehabt hatte. Sie war zu dem Zeitpunkt gerade auf dem Rückweg vom Discounter gewesen und hatte Zuflucht in einer Toreinfahrt gesucht, wo sie nicht dem eisigen Wind ausgeliefert gewesen war.

Immer wieder versuchte sie sich selbst einzureden, dass es ihr egal war, dass er ihr Verhältnis absolut unverbindlich beließ. Das zwischen ihnen war keine normale Beziehung, und genau das machte es so interessant.

Er war von Anfang an ehrlich zu ihr gewesen und hatte ihr erklärt, was sie von ihm erwarten durfte – und was nicht. Punkt eins auf der Liste „was nicht“ war Verbindlichkeit gewesen, dicht gefolgt von Liebe. Sie erinnerte sich noch gut an seinen Blick, als er ihr das gesagt hatte: düster, freudlos. Es war überraschend für sie gewesen, denn normalerweise gaben weder seine Miene noch seine Augen irgendetwas preis. Doch sie hatte nicht weiter nachgehakt, weil sie gespürt hatte, dass er sonst dichtgemacht hätte.

Überhaupt hatte sie nie gebohrt, was sein Leben und seine Vergangenheit betraf. Wenn man zu viele neugierige Fragen stellte, bestand stets das Risiko, dass der Spieß umgedreht wurde – und das war wirklich das Allerletzte, was Darcy wollte!

Am Ende hatte sie seinen Bedingungen zugestimmt. Nicht zuletzt, weil sie kaum in der Lage gewesen war, weiter zu denken als bis zum nächsten Kuss. Und jeder einzelne dieser Küsse hatte sie noch enger an ihn gebunden.

Das alles lag mehrere Monate zurück, und in der Zwischenzeit hatte sich einiges verändert. So war es immer. Über die Zeit wurden Gefühle tiefer, und man gab sich unrealistischen Tagträumereien hin.

Und was konnte unrealistischer sein, als sich eine gemeinsame Zukunft mit Renzo Sabatini auszumalen? Er war Multimillionär mit Jetset-Lifestyle und Häusern überall auf der Welt, sie selbst hingegen nur eine kleine Kellnerin ohne jede berufliche Qualifikation.

Sie küsste seine Schulter und überlegte, wie sie auf seine Frage antworten sollte. Wie sie ihm am besten zeigen konnte, dass sie die Situation noch unter Kontrolle hatte – auch wenn sie ihr von Sekunde zu Sekunde mehr und mehr entglitt.

„Ungeduldig?“, flüsterte sie. „Wenn ich zu forsch für dich bin, sollten wir vielleicht doch erst eine Tasse Tee zusammen trinken. Na, was meinst du, Renzo?“

Seine Antwort bestand darin, dass er ihre Hände umfasste und Darcy gegen die Granitwand der Dusche drängte. Dann schob er ihre Beine auseinander und drang in sie ein, hart und kompromisslos.

Sie atmete scharf ein, als er sie ausfüllte. Und als er begann, sich in ihr zu bewegen, entfuhren ihrer Kehle Laute, für die sie sich unter normalen Umständen wohl geschämt hätte. Doch nicht, wenn sie mit Renzo zusammen war. Als sie zu ihm gekommen war, hatte sie nichts über Sex gewusst, und er hatte ihr alles beigebracht. Sie war seine willige Schülerin gewesen. In seinen Armen erwachte sie zum Leben.

„Renzo“, keuchte sie, als er erneut in sie stieß.

„Hast du mich vermisst, cara?“

Sie schloss die Augen. „Ich habe … das hier vermisst.“

„Und sonst nichts?“

Sie wollte sagen, dass es da sonst nichts gab – aber warum den schönen Moment zerstören? Kein Mann wollte so etwas hören, selbst wenn es die Wahrheit war. Das galt ganz besonders für einen Mann wie Renzo, dessen Ego so groß war wie ein Haus.

„Natürlich“, sagte sie, als er innehielt. „Natürlich habe ich dich vermisst.“

Spürte er, dass ihre Antwort nicht den einhundertzehn Prozent Wahrheit entsprach, die er von allem und jedem erwartete? Drosselte er deswegen das Tempo und hielt sich zurück, so lange, bis sie das Gefühl hatte, es keine Sekunde länger mehr auszuhalten?

„Renzo …“

„Was ist?“

Wie konnte er so ruhig und kontrolliert klingen? Doch Kontrolle war etwas, in dem er gut war. Er war ein Meister der Kontrolle.

Sie wand sich. „Spiel nicht mit mir.“

„Und ich dachte, du magst es, wenn ich mit dir spiele. Vielleicht …“ Er beugte sich so weit vor, dass er ihr ins Ohr flüstern konnte. „Vielleicht sollte ich dich betteln lassen.“

„Oh nein … Nein, das wirst du nicht!“

Entschlossen umfasste sie seinen Hintern mit beiden Händen und zog ihn an sich heran. Er lachte und lenkte ein, gab ihr, was sie wollte, schnell und hart. Sein gleichbleibender Rhythmus beförderte sie immer weiter hinauf und hinauf, bis sie schließlich den Gipfel der Lust erreichte. Auch Renzo stöhnte auf und küsste sie hungrig und verlangend, als er kam.

Hinterher hielt er sie, bis das Zittern nachließ. Er wusch ihren Körper und ihr Haar, und es war beinahe zärtlich. So, als versuchte er damit wiedergutzumachen, wie hart – beinahe brutal – er sie bis zum Orgasmus gebracht hatte.

Sorgfältig trocknete er sie ab. Dann trug er sie ins Schlafzimmer und legte sie auf dem riesigen Bett ab, von dem aus man die Baumwipfel des Eaton Square erkennen konnte. Das frische weiße Laken fühlte sich himmlisch an. Und als er sich ebenfalls hinlegte und sie von hinten umarmte, fühlte sie sich geborgen.

Sie war schläfrig und nahm an, dass es ihm ebenso ging. Aber sollten sie nicht irgendeine Art von Gespräch führen, anstatt es einfach nur wie die Tiere miteinander zu treiben und dann erschöpft ins Bett zu fallen?

Doch im Grunde war es doch genau das, was ihre Affäre ausmachte: Sex. Nichts anderes als Sex.

„Und? Wie war deine Geschäftsreise?“, zwang sie sich zu fragen.

„Das willst du nicht wissen.“

„Will ich wohl.“

„Alles ist gut gelaufen.“ Er gähnte. „Das Hotel ist fast fertiggestellt, und ich wurde beauftragt, eine neue Kunstgalerie etwas außerhalb von Tokio zu designen.“

„Aber du bist erschöpft“, stellte sie fest.

Seine Stimme klang spöttisch, als er erwiderte: „Sì, cara, ich bin erschöpft.“

Sie kuschelte sich an ihn. „Hast du jemals darüber nachgedacht, es für eine Weile ruhiger angehen zu lassen? Dich zurückzulehnen und einfach nur deinen Erfolg zu genießen?“

„Nicht wirklich.“ Er gähnte erneut.

„Und warum nicht?“, hakte sie nach, obwohl sie deutlich spürte, dass ihre Fragerei ihn zu nerven begann.

„Weil Männer in meiner Position sich nicht einfach zurücklehnen und nichts tun. Es gibt Hunderte von neuen Architekten, die darauf brennen, meine Position einzunehmen. In dem Moment, in dem du den Blick vom Ball nimmst, bist du draußen.“

Er strich mit einem Finger über ihre Brust. „Warum erzählst du mir nicht lieber, wie deine Woche so verlaufen ist?“

„Oh, bei mir gibt es nichts Großartiges zu erzählen. Ich trage nur Teller von A nach B.“

Sie schloss die Augen und driftete bereits dem Traumland entgegen, als Renzo ihre Brüste umfasste und seine Erektion an ihrem Po rieb, bis sie schließlich mit einem leisen Seufzen einlenkte. Er drang von hinten in sie ein, küsste ihren Nacken und spielte mit ihren Brüsten, während er sich in ihr bewegte. Und als sie schließlich zum zweiten Mal in weniger als einer Stunde kam, konnte sie gegen die Erschöpfung nicht mehr ankämpfen: Sie fiel in einen tiefen Schlaf.

Nach einiger Zeit spürte sie, wie die Matratze sich bewegte, als Renzo aufstand. Sie zwang sich, die Augen zu öffnen, und sah, dass es draußen noch hell war. Die Blätter der Bäume vor dem Fenster glühten im Licht der sinkenden Sonne grüngolden, und sie konnte Vögel zwitschern hören.

Es fühlte sich surreal an, hier zu liegen. Der Eaton Square mit seiner üppigen Begrünung vermittelte einem das Gefühl, irgendwo draußen auf dem Land zu sein. Er gehörte nicht umsonst zu den teuersten Adressen in ganz London.

Aber hinter den Baumwipfeln und den unbezahlbaren Häusern befand sich das London, in dem sie lebte. Ihre Stadt.

Billigsupermärkte, Hochhäuser und Müll auf den Bürgersteigen. Überfüllte Straßen und wütende Autofahrer. Und irgendwo dort – nicht wirklich eine Million Meilen entfernt, auch wenn es sich so anfühlte – befand sich auch das kleine Ein-Zimmer-Apartment, das sie ihr Zuhause nannte.

Manchmal kam es ihr vor, als wäre ihr Leben momentan ein abgedroschener Liebesroman: Der einflussreiche Millionär und die Kellnerin. Denn in der Realität passierte einem so etwas nicht.

Zumindest nicht jemandem wie ihr.

Aber Renzo hatte sie nicht ausgenutzt. Er hatte nichts von ihr verlangt, was sie nicht zu geben bereit gewesen wäre. Sie hatte sein Angebot, sie nach Hause zu bringen, angenommen – auch wenn ein Teil von ihr befürchtet hatte, dass es keine gute Idee war.

Doch zum ersten Mal in ihrem Leben hatte sie die Stimme der Vernunft ignoriert, die ebenso ein Teil von ihr war wie ihr leuchtend rotes Haar. Jahrelang hatte sie die Zähne zusammengebissen und alles getan, nur um über die Runden zu kommen. Um zu überleben.

Dieses Mal nicht.

Statt zu tun, was sie eigentlich hätte tun sollen, hatte sie getan, was sie wirklich wollte. Und das war, mit Renzo zu gehen. Weil sie noch nie jemanden so gewollt hatte wie ihn.

Aus einer Nacht waren zwei geworden, dann mehr und mehr, während ihre unkonventionelle Beziehung sich weiterentwickelt hatte. Es war eine Beziehung, die nur innerhalb der vier Wände dieses Apartments existierte. Sie gingen niemals aus. Renzos Freunde waren ebenso wohlhabend und einflussreich wie er. Einflussreiche Strippenzieher, die nichts, aber auch gar nichts mit jemandem wie ihr gemeinsam hatten.

Und überhaupt – sie waren kein richtiges Paar. Da wäre es doch seltsam gewesen, sich zusammen in der Öffentlichkeit zu zeigen.

Der Ausdruck „Freundschaft mit gewissen Vorzügen“ beschrieb das, was sie miteinander hatten, wohl am besten – wobei die gewissen Vorzüge ganz eindeutig überwogen. Renzo hatte ihr sogar einmal erklärt, dass er keine weiblichen Freunde hatte. Frauen gehörten ins Schlafzimmer oder in die Küche. Das hatte er tatsächlich genau so gesagt, auch wenn er hinterher zurückgerudert und behauptet hatte, es sei nur ein Scherz gewesen. Doch Darcy wusste, dass zumindest ein Körnchen Wahrheit in seinen Worten lag. Viel schlimmer als das aber war die Tatsache, dass sie sich zwar um eine missbilligende Miene bemüht hatte, insgeheim aber fasziniert gewesen war von seiner grenzenlosen Arroganz.

Darcy wusste, worauf sie sich eingelassen hatte. Das Verhältnis mit Renzo Sabatini war wie ein Eis an einem heißen Sommertag: Es schmeckte fantastisch – besser als alles, was man je gekostet hatte –, aber es war auch vergänglich.

Sie blickte auf, als er wieder ins Schlafzimmer trat, ein Tablett balancierend, so, wie sie es den ganzen Tag über tat. Mit dem entscheidenden Unterscheid, dass er nackt war.

„Du verwöhnst mich“, sagte sie.

Er lächelte. „Hungrig?“

„Durstig.“

„Das war nicht anders zu erwarten“, entgegnete er und küsste sie sanft.

Sie nahm den Tee entgegen, den er ihr reichte, und beobachtete, wie er Shorts und Jeans überstreifte, sich an seinem Schreibtisch niederließ und seine Brille aufsetzte. Dann schaltete er seinen Computer ein und fing an zu arbeiten.

Es dauerte nur wenige Minuten, und er war vollkommen versunken in das, was sich auf dem Bildschirm abspielte – und Darcy fühlte sich mit einem Mal ausgeschlossen. Es zeigte einmal mehr, dass sie nur ein winziges, unbedeutendes Rädchen in der sorgsam geölten Maschine seines Lebens war.

Sie hatten gerade Sex gehabt – zwei Mal –, und jetzt vergrub er sich bereits wieder in die Arbeit. Vermutlich so lange, bis sein Körper sich genug erholt hatte, um es noch einmal mit ihr zu tun.

Und sie würde sich zurücklehnen und es geschehen lassen – oder sich auf ihn setzen, wenn sie in der richtigen Stimmung war. Denn das war ihre Rolle in diesem kleinen Spiel. Bisher war das genug für sie gewesen, doch auf einmal reichte es ihr nicht mehr.

Sie wusste nicht, ob sie sich ihre Irritation hatte anmerken lassen, jedenfalls fragte er plötzlich: „Stimmt etwas nicht?“

Es war ihr Stichwort, ihm zu versichern, dass alles in bester Ordnung war. Sie sollte auf den freien Platz auf der Matratze neben sich klopfen und ihm ein nachgiebiges Lächeln schenken, denn genau das war es, was sie normalerweise in einer solchen Situation tat.

Doch heute fühlte sie sich alles andere als nachgiebig. Als sie heute Morgen zur Arbeit aufgebrochen war, hatte sie im Radio einen Song gehört. Einen Song, der sie an einen Ort zurückbefördert hatte, an dem sie nie wieder sein wollte. Zu einer Mutter, die sie einfach nur vergessen wollte.

Es war schon komisch, wie ein paar Gitarrenakkorde ihr die Tränen in die Augen treten ließen. Wie man jemanden noch immer lieben konnte, obwohl diese Person einen immer wieder im Stich gelassen hatte.

Es war der wirkliche Grund gewesen, warum sie Renzos Fahrer weggeschickt hatte: Sie hatte zur U-Bahn laufen wollen, damit der Regen ihre Tränen wegspülen konnte. In der Hoffnung, dass ihr italienischer Liebhaber sie auf direktem Wege in sein Bett geleiten und sie von sämtlichen unangenehmen Gefühlen befreien würde. Doch wie es schien, hatte sie genau das Gegenteil erreicht. Der Sex mit ihm hatte eine Art Rastlosigkeit in ihr geweckt. Ihr war klar geworden, dass großartiger Sex und mit einem mächtigen Mann Champagner zu trinken noch kein Rezept für ein glückliches Leben waren. Und je länger sie diese Sache am Laufen hielt, desto schwerer würde es ihr fallen, in die wirkliche Welt zurückzukehren.

In ihre Welt.

Sie trank ihren Tee aus und stellte die Tasse ab. Es war an der Zeit, die Affäre ausklingen zu lassen. Und auch wenn sie Renzo wie verrückt vermissen würde, sie war diejenige, die den Stein ins Rollen bringen musste.

Sie räusperte sich und versuchte, ihre Stimme so kühl und unverbindlich wie möglich klingen zu lassen, als sie sagte: „Ich werde dich erst mal eine Weile nicht sehen können.“

Damit hatte sie seine Aufmerksamkeit geweckt. Er wandte sich vom Bildschirm ab, zog die Brille aus und runzelte die Stirn. „Wovon sprichst du?“

„Ich habe eine Woche Urlaub genommen, um nach Norfolk zu fahren.“

Sie konnte ihm deutlich ansehen, dass er hin- und hergerissen war. Normalerweise interessierte er sich nicht für das, was sie tat, wenn sie nicht mit ihm zusammen war. Manchmal stellte er die eine oder andere höfliche Frage, aber offensichtlich nur, weil er glaubte, dass es von ihm erwartet wurde.

Jetzt aber war er wirklich interessiert. „Was willst du in Norfolk?“

Sie zuckte mit den Achseln. „Ich sehe mich nach Wohnungen um. Ich denke darüber nach, dorthin zu ziehen.“

„Du meinst, du willst London verlassen?“

„Du klingst so überrascht, Renzo. Warum? Viele Leute verlassen London.“

„Ich weiß, aber …“ Er legte die Stirn in noch tiefere Falten, so als würde allein der Gedanke sein Vorstellungsvermögen übersteigen. „Was gibt es für dich in Norfolk?“

Sie hatte ihn eigentlich glauben lassen wollen, dass sie einfach nur einen Tapetenwechsel benötigte – was zumindest ein Teil der Wahrheit war. Er musste ihre wahren Gründe ja nicht unbedingt erfahren. Doch es ärgerte sie, dass er so völlig verständnislos wirkte. Und als sie wieder sprach, bebte ihre Stimme vor Zorn.

„Zum Beispiel habe ich dort die Chance, eine bezahlbare Wohnung zu finden, von der aus ich einen Ausblick habe, der mir etwas anderes zeigt als eine Ziegelwand. Die Chance auf einen Job, in dem ich es nicht nur mit Pendlern zu tun habe, die so gestresst sind, dass man von ihnen kaum mal ein Bitte oder ein Danke hört. Die Chance auf frische Luft und niedrigere Lebenshaltungskosten und ein Dasein, das mich nicht in den Wahnsinn treibt, wenn ich nur daran denke.“

„Du willst sagen, dir gefällt es dort, wo du lebst, nicht?“

„Es erfüllt meine Bedürfnisse“, entgegnete sie etwas ruhiger. „Oder zumindest hat es das bisher.“

„Das klingt nicht besonders enthusiastisch.“ Er neigte den Kopf zur Seite. „Hast du mich deshalb nie zu dir eingeladen?“

„Vermutlich.“ Sie hatte sich die Peinlichkeit ersparen wollen – und ihm. Die Vorstellung, wie er auf ihrem schmalen Bett saß oder sich in ihr winziges Badezimmer quetschte, war geradezu absurd. Es hätte nur den Graben, der zwischen ihnen bestand, betont – und deshalb hatte sie es nie auch nur in Erwägung gezogen. „Hättest du das denn wirklich gewollt?“

Renzo dachte kurz über ihre Frage nach. Natürlich war ihm nicht wirklich daran gelegen, sie zu besuchen. Aber es hatte ihn schon überrascht, dass sie nicht einmal versucht hatte, ihn einzuladen.

Man musste kein Genie sein, um zu erkennen, wie groß der Unterschied zwischen ihnen war. Sie führten zwei völlig verschiedene Leben. Und wenn er gesehen hätte, wie sie lebte, hätte er sich vermutlich genötigt gefühlt, ihr einen Scheck auszustellen – für ein paar neue Kissen, einen Teppich oder sogar eine neue Küche, wenn es das war, was sie wollte. So lief es jedenfalls normalerweise.

Doch Darcy war die stolzeste Frau, der er je begegnet war. Und abgesehen von der sexy Unterwäsche, auf die er bestanden hatte, weigerte sie sich, irgendwelche Geschenke von ihm anzunehmen.

Warum war das so? Er hatte keine Ahnung. Einige seiner Gespielinnen waren selbst unglaublich reich gewesen und hatten trotzdem kein Problem damit gehabt, Diamantenketten oder Designerschuhe von ihm anzunehmen. Es machte ihm Spaß, Frauen mit teuren Geschenken zu verwöhnen. Auf diese Weise hatte er nicht das Gefühl, dass er ihnen irgendetwas schuldig war. Es reduzierte ihre Beziehung auf das, was sie wirklich war – eine Transaktion. Aber ausgerechnet seine kleine, hart arbeitende Kellnerin hatte davon nichts wissen wollen.

„Nein, ich habe keine Einladung erwartet“, sagte er schließlich. „Aber ich hätte gedacht, dass du deine Urlaubspläne mit mir besprichst, bevor du alles organisierst.“

„Ich kann mich nicht entsinnen, dass du jemals deine Pläne mit mir besprochen hättest, Renzo. Du tust einfach, was du willst.“

„Willst du damit sagen, dass ich meinen Terminplan von dir absegnen lassen soll?“, fragte er ungläubig.

„Nein, natürlich nicht. Du hast von Anfang an klargemacht, dass es so bei dir nicht läuft, und das akzeptiere ich auch. Aber du kannst dich kaum beschweren, wenn ich dasselbe tue.“

Sie schoss mit ihrer Erwiderung am Thema vorbei, und Renzo vermutete, dass sie das auch wusste. Er war derjenige, der alle Fäden in der Hand hielt. Er war der Strippenzieher in dieser Affäre, und sie war schlau genug, das auch zu wissen. Und dennoch lag da etwas Unerbittliches in ihren grünen Augen, eine Art wilde Entschlossenheit, und plötzlich wurde ihm noch etwas anderes klar.

„Du bleibst also vielleicht in Norfolk.“

„Möglicherweise.“

„In diesem Fall sehen wir uns heute zum letzten Mal.“

Sie zuckte mit den Achseln. „Das ist durchaus möglich.“

„Einfach so.“

„Was hast du erwartet? Es musste irgendwann zu Ende gehen.“

Renzos Augen wurden schmal. Bis vor ein paar Stunden hätte ihn die Aussicht, sie niemals wiederzusehen, nicht im Geringsten getroffen. Er hätte wahrscheinlich einen Anflug von Bedauern verspürt, und rein körperlich hätte er sie sicher auch vermisst. Er war sogar bereit zu sagen, dass sie vermutlich die beste Liebhaberin war, die er je gehabt hatte – vermutlich, weil er selbst sie in die Kunst der körperlichen Liebe eingeführt hatte.

Doch nichts dauerte ewig, so war das nun mal. In einem Monat – vielleicht sogar früher – hätte er sie gegen eine andere Frau ausgetauscht. Eine Frau, die kühl und salonfähig war und besser in sein Leben passte, als Darcy Denton es tat.

Aber nun war sie diejenige, die sich aus der Affäre zurückzog – und das passte ihm ganz und gar nicht. Er war ein geborener Jäger, stolz und ehrgeizig. Vielleicht sogar stolzer als Darcy.

Frauen verließen ihn nicht einfach. Er war derjenige, der Schluss machte – und zwar dann, wenn es ihm passte.

Und er wollte sie noch immer. Bisher war er nicht an dem Punkt angelangt, an dem er ihre Anrufe direkt zur Mailbox weitergeleitet oder ihre Textnachrichten unbeantwortet gelassen hätte. Er ging in Gedanken seine Möglichkeiten durch.

„Wie wäre es, wenn du Urlaub mit mir machen würdest, statt allein nach Norfolk zu reisen?“

Er sah, dass ihre Augen sich weiteten, und schloss daraus, dass es ihm gelungen war, sie zu überraschen.

Skeptisch sah sie ihn an. „Ist das dein Ernst?“

„Warum nicht?“ Er stand auf und trat zum Bett hinüber, wo er sich niederließ. „Ist es denn so ein absurder Gedanke, dass ich mit meiner Geliebten Urlaub machen will?“

Sie zuckte mit den Achseln. „Nun, es ist nicht das, was wir sonst machen. Normalerweise bleiben wir hier und gehen nicht aus.“

„Aber das Leben wäre doch ziemlich langweilig, wenn alles immer nur nach demselben Schema abliefe, nicht wahr? Was ist also? Klingen ein paar Tage raus aus London zusammen mit mir nicht verlockend?“ Er massierte mit beiden Händen ihre Brüste.

Sie biss sich auf die Lippe. „Renzo …“

„Mmm …?“

„Es ist ziemlich schwierig, klar zu denken, wenn du das tust.“

„Denken im Schlafzimmer sollte ohnehin verboten werden, findest du nicht? Und was gibt es schon zu überlegen? Mein Vorschlag ist einfach: Du kommst mit mir in die Toskana. Ich muss ohnehin am Wochenende dorthin. Wir könnten ein paar Tage zusammen verbringen, und dir bliebe danach immer noch genug Zeit für Norfolk.“

Sie lehnte sich gegen die Kissen, schloss die Augen und genoss seine Liebkosungen. „Du besitzt dort ein Haus, nicht wahr?“, fragte sie. „In der Toskana.“

„Nicht mehr lange. Deshalb muss ich dorthin. Ich verkaufe es. Und du kannst mir Gesellschaft leisten. Ich muss einen früheren Flug nehmen, um in Paris noch geschäftlich etwas zu erledigen. Aber du kannst ja allein fliegen.“ Er machte eine kurze Pause. „Führt dieser Gedanke dich in Versuchung, Darcy?“

Ihre Lider flatterten. Sie war kaum in der Lage, seine Worte zu verarbeiten. Jede seiner Berührungen weckte ein solches Verlangen in ihr, dass es sie fast verrückt machte.

Sie fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. Natürlich klangen ein paar Tage fern vom Alltagsstress verlockend. Aber es war nicht allein der Gedanke, in die Toskana zu fliegen, der ihr Herz wie verrückt hämmern ließ.

Renzo versuchte sie zu verführen. Und war es wirklich so falsch, das Zusammensein mit ihm noch ein letztes Mal in vollen Zügen zu genießen – nur in einer anderen Umgebung? Denn auch wenn sein Apartment unbeschreiblich groß war, so hatte es doch seine Nachteile. Trotz des Pools im Keller und der beheizten Dachterrasse fing sie an, sich wie ein Teil der Einrichtung zu fühlen.

Wenn sie mit Renzo nach Italien ging – in ein fremdes Land –, konnte sie sich für eine kurze Weile einreden, tatsächlich so etwas wie seine Freundin zu sein. Jemand, für den er wirklich etwas empfand, nicht nur jemand, mit dem er sich ausschließlich vergnügen wollte.

„Ja, es ist eine Versuchung“, sagte sie. „Zumindest eine kleine.“

„Das war nicht unbedingt die enthusiastischste Erwiderung, die ich je gehört habe“, kommentierte er. „Aber ich nehme an, ich darf sie als Ja werten.“

„Es ist ein Ja“, bestätigte sie.

„Gut.“ Er hielt in seinen Bewegungen inne. „Aber zuerst musst du mich dir ein paar neue Sachen kaufen lassen.“

Sie riss die Augen auf – und schob seine Hand beiseite. „Wann wirst du endlich in deinen Dickschädel bekommen, dass ich nicht an deinem Geld interessiert bin, Renzo?“

„Ich schätze, das habe ich schon verstanden“, entgegnete er trocken. „Und obwohl ich deine Unabhängigkeit bewundernswert finde, scheint sie mir in diesem Fall unangebracht zu sein. Warum kannst du mein Angebot nicht einfach annehmen? Ich mache sehr gern Geschenke, und die meisten Frauen freuen sich darüber.“

„Und das ist auch alles wirklich sehr freundlich von dir, aber ich will deine Geschenke einfach nicht.“

„Nun, es geht hier weniger ums Wollen.“

„Sondern?“

„Es ist eine Frage der Notwendigkeit. Ich fürchte, ich muss darauf bestehen. Ich habe eine gewisse … Position in Italien, und als meine Begleiterin wirst du natürlich Aufmerksamkeit erregen. Ich möchte nicht, dass man einen falschen Eindruck von dir bekommt, nur weil du die falsche Kleidung trägst.“

„Schlimmer als das Urteil, das du gerade über mich fällst, kann der Eindruck kaum werden“, fauchte sie.

Er schüttelte den Kopf, und seine Lippen verzogen sich zu einem schiefen Lächeln. „Dir dürfte inzwischen aufgefallen sein, dass ich dich am liebsten nackt sehe. Doch obwohl es eine äußerst verführerische Fantasie ist, kannst du schlecht splitterfasernackt durch die toskanischen Hügel spazieren. Ich kümmere mich nur um dich, Darcy, und kaufe dir ein paar hübsche Sachen. Kleider, die du abends tragen kannst. Es ist keine große Sache.“

Sie wollte ihm sagen, dass es das für sie sehr wohl war, doch da erhob er sich auch schon. Sie blickte zum ihm auf, und ihr Magen zog sich schmerzhaft zusammen, als sie daran dachte, wie sehr sie ihn vermissen würde. Wie sollte sie zu einem Leben zurückkehren, in dem er keine Rolle spielte?

„Was tust du?“, krächzte sie, als er den Reißverschluss seiner Jeans öffnete.

„Ganz einfach“, entgegnete er lächelnd. „Ich werde dich davon überzeugen, mein Geld anzunehmen.“

2. KAPITEL

Renzo schaute auf seine Uhr und schnalzte missbilligend mit der Zunge. Wo steckte Darcy bloß? Sie wusste genau, wie sehr er Unpünktlichkeit verabscheute – ebenso wie jede Störung seines so minutiös geplanten Tagesablaufs.

Er saß in der exklusiven Lounge am Flughafen von Florenz und schlug ein Bein über das andere – eine Bewegung, die die Aufmerksamkeit der meisten Frauen im Raum erregte. Doch im Augenblick gab es nur eine Frau, für die er sich interessierte – wenn auch nicht unbedingt im besonders positiven Sinn. Die Reisenden des Flugs, mit dem Darcy hätte kommen sollen, hatten die Maschine bereits vor zwanzig Minuten verlassen … und Darcy war nicht unter ihnen gewesen.

Ein Mitarbeiter hatte einen Großteil seines Frusts abbekommen. Der Mann überprüfte gerade die Passagierliste, während Renzo langsam anfing, das Unglaubliche in Betracht zu ziehen: dass Darcy es sich anders überlegt hatte und ihn nicht mehr nach Italien begleiten wollte.

Er runzelte die Stirn. Hatte ihre Weigerung, Geld oder Geschenke von ihm anzunehmen, tiefer gehende Gründe, als er bisher angenommen hatte? Bisher war er davon ausgegangen, dass es sich lediglich um eine leere Geste handelte. Dass sie versuchte, die Gier zu verbergen, die seiner Erfahrung nach durch die Adern jeder attraktiven Frau pulsierte. Aber vielleicht hatte er sie ja tatsächlich falsch eingeschätzt. Vielleicht war sie wirklich beleidigt über seinen Vorschlag gewesen, sich ein paar anständige Kleidungsstücke zuzulegen.

Oder sie hatte einfach sein Geld genommen und sich damit aus dem Staub gemacht.

Renzo presste die Lippen zusammen. Wäre es nicht vielleicht sogar besser so? Es würde ihm einen echten Grund geben, Darcy zu verachten. Andernfalls konnte er nur Verbitterung darüber empfinden, dass sie ihn verlassen wollte. Normalerweise war immer er derjenige, der ging, niemand sonst.

Er blickte abermals auf seine Armbanduhr. Es war schon irgendwie ironisch, dass ausgerechnet sie die erste Frau war, die versuchte, mit ihm Schluss zu machen. Eine kurvige kleine Kellnerin mit feuerrotem Haar, die er in einer Cocktailbar aufgegabelt hatte – nicht eine der zahllosen angemesseneren Frauen, mit denen er ausgegangen war.

In jener Nacht hatte er nicht einmal vorgehabt auszugehen. Er war nur auf einen schnellen Drink mit einer Gruppe argentinischer Banker unterwegs gewesen, die etwas vom Nachtleben der Metropole hatten sehen wollen. Renzo war kein großer Fan der Londoner Clubszene und erinnerte sich gut an die Aufregung, die es gegeben hatte, als sie zusammen den angesagten Starlight Room des Granchester Hotels betreten hatten …

Sie bestellten Champagner, und seine Begleiter diskutierten, welche der cocktailschlürfenden Ladies sie zum Tanz auffordern sollten. Doch Renzo war an keiner der anmutigen Frauen interessiert, die einladende Blicke in seine Richtung warfen. Stattdessen war er wie gebannt von einer feurigen Rothaarigen, die aussah, als hätte man ihr den schwarzen Satinfummel auf den kurvigen Leib geschneidert.

Madonna, che bella.

Was für Brüste! Schon der bloße Anblick sorgte dafür, dass er vor ihr niederknien wollte. Niemals würde er diesen Moment vergessen!

Schon allein das Zelt, zu dem sich seine Hose aufstellte, hinderte ihn daran, an diesem Abend zu tanzen. Er bestellte seine Drinks nur bei ihr und fragte sich, ob sie bemerkte, dass er keinen davon auch nur anrührte.

Jedes Mal, wenn sie zu ihm an den Tisch trat, schien die Luft vor aufgestauter Energie zu knistern. Noch nie zuvor hatte er sich von einer wildfremden Person so stark angezogen gefühlt. Und irgendwie wartete ein Teil von ihm darauf, dass sie zumindest irgendeine Reaktion zeigen würde angesichts der Funken, die zwischen ihnen sprühten – doch sie gab nicht das Geringste preis. Entweder, so hatte er gedacht, war sie eine wirklich talentierte Schauspielerin oder eine echte Unschuld vom Lande.

Wenn er gewusst hätte, dass Letzteres zumindest zum Teil zutraf, hätte er seinem Verlangen Einhalt geboten? Nein, natürlich nicht. Tief in seinem Inneren wusste er, dass es niemals zur Ruhe gekommen wäre, wenn er sie nicht zumindest einmal besessen hätte.

Er wartete draußen auf sie, als sie den Club verließ, und er dankte dem Himmel für den Wolkenbruch, der den Rinnstein in einen reißenden Fluss verwandelte.

Sie wirkte kein bisschen überrascht, ihn zu sehen, und er fragte sich kurz, ob sie wohl jeden Tag einen anderen Mann mit nach Hause nahm. Doch um ehrlich zu sein, konnte ihn nicht einmal diese Vorstellung abschrecken.

Als er ihr anbot, sie nach Hause zu fahren, lehnte sie sofort sehr vehement ab.

„Nein, danke.“

„Nein?“

„Ich weiß, was Sie wollen“, sagte sie leise. „Und Sie werden es von mir nicht bekommen.“

Mit diesen Worten verschwand sie im Schutze der Nacht. Renzo saß auf dem Rücksitz seiner Limousine und beobachtete, wie sie vom strömenden Regen verschluckt wurde.

Am nächsten Abend ging er wieder in den Club und dann erneut am folgenden Wochenende, nachdem er von einer Geschäftsreise nach New York zurückgekehrt war. An manchen Abenden war sie da, an anderen nicht. Ihm fiel auf, dass sie nur an den Wochenenden zu arbeiten schien – später fand er heraus, dass sie tagsüber noch einen anderen Job als Kellnerin hatte.

Von ihr Informationen über sich selbst zu erhalten erwies sich als überaus schwierig, doch ihre verschlossene Haltung ließ Renzo nur umso hartnäckiger sein. Trotzdem war er schon kurz davor gewesen, seine Versuche einzustellen, als sie eines Abends doch endlich auf sein Angebot einging, sich nach Hause fahren zu lassen.

Madonna mia! Soll das heißen, Sie vertrauen mir jetzt genug, um zu mir in den Wagen zu steigen?“

Sie zuckte mit den Achseln.

„Ich schätze, ich brauche mir keine Gedanken zu machen. Meine Kollegen kennen Sie inzwischen alle, und Sie sind von den Kameras rund um den Club aufgezeichnet worden. Mit einem Mord würden Sie also nicht mehr durchkommen.“

„Sehe ich für Sie denn wie ein Mörder aus?“

Sie lächelte, und es war, als würde die Sonne an einem Regentag durch die Wolken brechen.

„Nein. Aber Sie wirken durchaus ein bisschen gefährlich.“

„Bisher fanden Frauen das immer eher anziehend.“

„Das kann ich mir vorstellen – allerdings bin ich mir nicht sicher, ob ich das auch so sehe. Egal. Es ist eine scheußliche Nacht, also dachte ich mir, ich könnte mich auch einfach von Ihnen fahren lassen. Das bedeutet allerdings nicht, dass ich meine Meinung geändert habe“, fügte sie energisch hinzu. „Wenn Sie denken, dass ich mit Ihnen schlafen werde, sind Sie auf dem Holzweg.“

In Wirklichkeit war sie selbst diejenige gewesen, die sich auf dem Holzweg befunden hatte …

Sie waren durch das dunkle, nasse London gefahren, und er hatte sie auf eine Tasse Kaffee zu sich eingeladen. Keine Sekunde hatte er damit gerechnet, dass sie zusagen würde. Doch vielleicht war die Chemie zwischen ihnen einfach zu stark gewesen. Jedenfalls hatte sie lediglich erwidert, dass sie keinen Kaffee mochte. Also hatte er ihr einen Pfefferminztee mit Rosenblüten angeboten.

Zum ersten Mal in seinem Leben hatte es etwas gegeben, bei dem er sich zurückhalten musste, um nicht Gefahr zu laufen, es zu verlieren. Hinterher fragte er sich, ob es genau das gewesen war, was sie dazu bewogen hatte, sich in seiner Gegenwart zu entspannen.

Sie war willig und bereit gewesen, als er sie geküsst hatte. Und sie hatten es gleich auf dem Sofa miteinander getan, weil er befürchtet hatte, dass sie es sich auf dem langen Weg ins Schlafzimmer womöglich anders überlegen könnte. Dabei hatte er dann auch festgestellt, dass sie noch unberührt gewesen war.

In diesem Moment hatte sich etwas verändert. Es hatte ihm den Boden unter den Füßen weggezogen, denn er hatte noch nie mit einer Jungfrau geschlafen. Und er war nicht vorbereitet gewesen auf die primitive Befriedigung, die ihn bei dem Gedanken durchzuckt hatte.

Hinterher, als sie schwer atmend dalagen, hatte er ihr eine Haarlocke aus dem Gesicht gestrichen und sie gefragt, warum sie es ihm nicht gesagt hatte.

„Warum sollte ich? Hättest du aufgehört?“

„Nein. Aber hätte ich gewusst, dass es deine erste sexuelle Erfahrung ist, hätte ich sicher nicht auf meinem Sofa im Wohnzimmer mit dir geschlafen.“

„Warum? Es ist doch eigentlich nichts Besonderes.“

Er war verwundert gewesen, dass sie so kühl und beherrscht darüber redete. Und vielleicht hatte es ihn sogar noch mehr angetörnt. Dennoch hatte es nur eine Nacht werden sollen. Doch es war anders gekommen.

Er war noch nie zuvor mit einer Kellnerin ausgegangen, und ein snobistischer Teil von ihm sagte ihm, dass er es dabei auch besser belassen sollte. Doch Darcy irritierte ihn. Sie hatte mindestens ebenso viele Bücher gelesen wie eine Akademikerin, mit der er mal zusammen gewesen war. Und sie folgte auch nicht den vorhersehbaren Pfaden, die die meisten Frauen in einer sexuellen Beziehung einschlugen.

Sie langweilte ihn nicht mit Geschichten über ihre Vergangenheit oder stellte ihm Fragen über seine. Ihre unregelmäßigen Treffen, gespickt von unglaublichen Orgasmen, schienen genau das zu sein, was sie beide wollten. Darcy verstand anscheinend instinktiv, dass er keine tiefer gehende Bindung zu einer Frau wollte. Nicht jetzt und nicht irgendwann.

Dennoch fragte er sich manchmal, warum eine so schöne Frau ihre Unschuld einfach so an einen völlig Fremden verschenkte. Und immer wieder kam er zu dem Schluss, dass sie vielleicht einfach nur auf den Höchstbietenden gewartet hatte – in diesem Fall einen italienischen Milliardär.

„Renzo?“

Der Klang ihrer Stimme ließ ihn wieder in die Gegenwart zurückkehren, und als er aufsah, kam sie durch die Flughafenlounge auf ihn zugeeilt, einen ramponierten Koffer im Schlepptau.

Er runzelte die Stirn. Es war Darcy, ja – aber nicht die Darcy, die er kannte.

Renzo blinzelte. Diese Darcy hier trug ein sonnengelbes Sommerkleid mit winzigen blauen Blumen. Es handelte um einen einfachen Baumwollstoff, doch irgendwie schaffte sie es, ihm eine bemerkenswerte Eleganz zu verleihen. Es war weder der Schnitt noch die Marke, die dafür sorgten, dass alle Männer sich nach ihr umdrehten. Es lag an ihrem jugendlichen Körper und ihrer natürlichen, unverfälschten Schönheit.

Renzos Mund wurde trocken. Er wollte sie in seine Arme ziehen und küssen. Doch Renzo Sabatini würde sich ganz gewiss nicht in einer öffentlichen Flughafenlobby – noch dazu in seinem Heimatland! – zu einer derartigen Demonstration seiner Gefühle hinreißen lassen.

Und war dies nicht eigentlich der Zeitpunkt, um ihr ein für alle Mal vor Augen zu führen, dass man ihn niemals – wirklich niemals – warten ließ?

„Du bist spät dran“, stellte er nüchtern fest und warf die Zeitung, in der er geblättert hatte, auf den Ablagetisch.

Darcy nickte. Sie spürte seine Irritation, aber das hinderte sie nicht im Geringsten daran, in vollen Zügen zu genießen, wie er sie ansah. Es gab ihr das gute Gefühl, dass es doch keine so dumme Idee gewesen war, sich für das billige Baumwollkleid zu entscheiden. Dies hier würde ein unvergesslicher Urlaub für sie werden, und es war ihr wichtig, dass sie ihn nicht auf dem falschen Fuß begannen.

Dummerweise hatte er nämlich recht: Sie war wirklich spät dran.

Sie hatte sogar fast schon daran gezweifelt, ob sie es überhaupt schaffen würde, nachdem sie sich am Anfang der Woche so eine scheußliche Magen-Darm-Geschichte eingefangen hatte.

„Ja, ich weiß. Tut mir wirklich leid.“

Er nahm ihren Rollkoffer an sich und griff dann nach ihrem Handgepäck. Dabei runzelte er die Stirn. „Was hast du da denn bloß eingepackt? Ziegelsteine?“

„Ein paar Bücher“, entgegnete sie, als er in Richtung Ausgang losmarschierte. „Obwohl ich keine Ahnung habe, ob mir viel Zeit zum Lesen bleiben wird.“

Normalerweise hätte er auf diese Aussage hin einen provokativen Kommentar gemacht, doch er schwieg, und seine unnachgiebige Miene machte ihr deutlich, dass er ihr noch nicht verziehen hatte. Er sagte auch weiterhin nichts, als sie durch die breiten Glastüren in den hellen Sonnenschein traten. Und angesichts des blauesten Himmels, den Darcy je im Leben gesehen hatte, erschien es ihr auch nicht mehr so wichtig.

„Oh, Renzo! Ich kann nicht glauben, dass ich in Italien bin. Es ist so wunderschön!“, stieß sie begeistert hervor, während sie sich umsah.

Er sagte noch immer nichts. Vielmehr sprach er erst wieder, nachdem er sich mit seinem schnittigen schwarzen Auto in den Verkehr eingefädelt hatte.

„Ich habe über eine Stunde an diesem verdammten Flughafen auf dich gewartet“, herrschte er sie an. „Warum warst du nicht in dem Flieger, den ich dir genannt habe?“

Darcy zögerte. Sie hätte ihm jetzt irgendeinen Unsinn erzählen können, um ihn zu besänftigen. Andererseits – hatte sie in ihrem Leben nicht schon zu viele kleine Notlügen erzählt? War sie nicht zu oft ausgewichen, aus Furcht, dass man über sie urteilen würde? Warum sollte sie noch einen weiteren Punkt auf die lange Liste der Dinge setzen, die sie verbergen musste?

Außerdem war das hier etwas anderes. Es war nichts, für das sie sich schämte – warum also nicht zu der Entscheidung stehen, die sie getroffen hatte, als er ihr einen riesigen Batzen Geld in die Hand gedrückt hatte? Eine Geste, durch die sie sich sofort extrem unwohl gefühlt hatte.

„Der Flug …“

„Ja?“

„Er war einfach zu teuer.“

„Zu teuer? Darcy, ich habe dir das Geld dafür gegeben.“

„Das weiß ich, und es war auch sehr großzügig von dir.“ Sie atmete tief durch. „Aber als ich gesehen habe, was ein Erster-Klasse-Flug nach Florenz kostet, konnte ich es einfach nicht tun.“

„Wie meinst du das, du konntest nicht?“

„Es schien mir einfach eine aberwitzige Menge Geld für einen zweistündigen Flug zu sein, daher habe ich stattdessen einen Platz bei einer Billigairline gebucht.“

„Du hast – was?“

„Du solltest es mal ausprobieren. Stimmt schon, ihnen sind die Sandwiches ausgegangen, und der Tee war eiskalt. Aber ich habe eine gehörige Stange Geld gespart, weil der Preisunterschied einfach unglaublich war. Genauso war es bei den Kleidern.“

„Bei den Kleidern?“, wiederholte er verständnislos.

„Ich bin in den Laden auf der Bond Street gegangen, den du mir empfohlen hast, aber die Kleidung dort war einfach nur überteuert. Ich konnte nicht glauben, wie viel die für ein einfaches T-Shirt verlangen. Also bin ich auf die Oxford Street und habe mir dort günstigere Kleidung gekauft. So wie dieses Kleid hier.“ Sie strich mit der Hand über die gelbe Baumwolle und konnte nicht verhindern, dass ihre Stimme vor Unsicherheit leicht schwankte. „Es sieht doch okay aus, oder nicht?“

Er konnte den Blick nicht von der Stelle abwenden, wo ihre Hand auf ihrem Schenkel ruhte. „Sicher“, sagte er, und seine Stimme klang belegt. „Es sieht okay aus.“

„Und wo liegt dann das Problem?“

Er schlug mit der flachen Hand aufs Lenkrad. „Das Problem ist, dass ich Ungehorsam nicht ausstehen kann.“

Sie lachte. „Oh, Renzo. Du klingst wie ein Schulmeister. Du bist nicht mein Lehrer, weißt du? Und ich bin nicht deine Schülerin.“

„Ach, wirklich?“ Er hob eine Braue. „Und ich dachte, ich hätte dir in letzter Zeit so einiges beigebracht.“

Seine Worte ließen ihr das Blut ins Gesicht schießen. Mit einem Mal fand sie die toskanische Landschaft nicht mehr so spannend wie Renzos Anblick. Er war so unglaublich attraktiv! Der attraktivste Mann, dem sie jemals begegnet war. Würde sie je wieder für jemanden so empfinden wie für ihn? Vermutlich nicht. Es war zuvor nie geschehen, warum sollte es sich also wiederholen?

Wie hatte Renzo ihr erstes Aufeinandertreffen beschrieben? Colpo di fulmine. Ein Blitz aus heiterem Himmel – und jeder wusste doch, wie selten so etwas vorkam.

Sie warf ihm einen weiteren Blick von der Seite zu. Sein schwarzes Haar war vom Wind zerzaust, die obersten beiden Knöpfe seines Hemds standen offen. Darunter kam olivfarbene Haut zum Vorschein, die golden im Licht der toskanischen Sonne schimmerte.

Seine Schenkel wirkten angespannt unter dem Stoff seiner tiefschwarzen Hose, und Darcys Herz fing unwillkürlich an, schneller zu schlagen. Seit jenem Abend, an dem er sie verführt hatte, hatten sie nicht häufig miteinander in einem Wagen gesessen. Überhaupt waren sie so gut wie nirgendwo zusammen gewesen, abgesehen von seinem Schlafzimmer, und irgendwie war sie fast ein bisschen froh darüber. Denn in dieser perfekten Umgebung, die an ihrem Fenster vorbeiflog, wäre es nur allzu leicht gewesen, sich daran zu gewöhnen. Nicht nur an den Luxus, durch die wunderschöne Toskana chauffiert zu werden, sondern auch daran, auf diese Weise mit ihm zusammen zu sein.

Und vor allem an Letzteres durfte sie sich auf keinen Fall gewöhnen! Immerhin stand sie kurz davor, ihre Affäre zu beenden. Sie würde ein letztes Mal die Zeit mit Renzo Sabatini genießen, bevor sie ihr neues Leben in Norfolk begann. Dann konnte sie damit anfangen, ihn zu vergessen – den Mann mit dem kalten Herzen, der ihr gezeigt hatte, was Lust bedeutete. Den präzisen und brillanten Architekten, der sich im Schlafzimmer in einen Tiger verwandelte.

„Also, was genau werden wir eigentlich tun, wenn wir bei dir angekommen sind?“, fragte sie.

„Du meinst abgesehen von amore?“

„Ja, davon mal abgesehen.“ Sie unterdrückte ein Seufzen. Er musste ihr wirklich immer wieder vor Augen führen, dass es für sie nur einen einzigen Zweck in seinem Leben gab. Sie dachte an die Wanderschuhe, die sie eingepackt hatte, und fragte sich, ob sie die Situation nicht völlig falsch eingeschätzt hatte.

Hatte er überhaupt vor, ihr etwas von der Toskana zu zeigen? Oder würden sie einfach weiter ihr übliches „Bettding“ durchziehen – nur in einer glamouröseren Umgebung?

„Der Mann, der das Anwesen kauft, kommt zum Dinner“, erklärte er.

„Ist das denn üblich?“

„Eigentlich nicht. Aber er ist auch mein Anwalt. Und außerdem will ich versuchen, ihn davon zu überzeugen, die Angestellten vorerst zu behalten, die schon so lange für mich arbeiten. Er bringt seine Freundin mit, also ist es gut, dass du auch da bist.“

Darcy nickte. Natürlich. Sie war gut genug, um einen leeren Stuhl zu füllen oder das Bett des Milliardärs anzuwärmen – zu mehr aber auch nicht. Seine Bemerkung tat ihr weh, doch sie zwang sich, es sich nicht anmerken zu lassen.

Das war etwas, in dem sie gut war. Eine Kindheit voller Entbehrungen und Furcht hatte sie gelehrt, ihre Gefühle hinter einer Maske zu verbergen und der Welt nur ihre beste Seite zu präsentieren. Die Version von ihr, die einer potenziellen Pflegefamilie gefallen könnte, die auf der Suche nach einem Kind war, dem sie ein liebevolles Zuhause bieten konnte.

Manchmal fragte sie sich, was wohl unter der Maske zum Vorschein kommen würde, sollte sie sie jemals fallen lassen. Doch dazu würde es nicht kommen. Sie würde es nicht geschehen lassen.

„Wann warst du das letzte Mal im Ausland?“, fragte Renzo, als sie gerade ein kleines Dorf auf einer Hügelkuppe durchquerten.

„Oh, das ist schon eine Ewigkeit her“, antwortete sie ausweichend.

„Wie kommt’s?“

Es war lange her, dass Darcy zum letzten Mal an den Bus-Trip nach Spanien gedacht hatte, den sie mit fünfzehn unternommen hatte. Die sengende Sommersonne hatte ihre helle Haut verbrannt, und die Wohnwagen auf dem Campingplatz waren brütend heiß gewesen.

Man hatte Dankbarkeit von ihnen erwartet, weil die Kirche in der Nähe des Waisenhauses, in dem sie lebte, genügend Spendengelder gesammelt hatte, um sie auf diese Reise zu schicken. Und sie hatte es auch wirklich versucht. Zumindest, bis irgendjemand ein Loch in die Wand der Damenduschen gebohrt hatte. Und dann waren da noch die beiden Slips, die verschwunden waren, als sie im völlig überfüllten Pool schwimmen gegangen war.

Irgendwie bezweifelte sie, dass ihr so etwas in Renzo Sabatinis toskanischer Villa passieren konnte …

„Ich habe als Teenager an einer Klassenfahrt teilgenommen“, sagte sie. „Das war das erste und einzige Mal, dass ich im Ausland gewesen bin.“

Er runzelte die Stirn. „Reisen ist also nicht so dein Ding?“

„Könnte man vermutlich so sagen.“

Mit einem Mal witterte Darcy Gefahr. Auf dem Flug nach Italien hatte sie sich Sorgen darüber gemacht, dass sie vielleicht etwas falsch machen könnte. Nichts Großartiges, nur eine winzige Unachtsamkeit. Etwas, das ihn sehen ließ, wer sie wirklich war.

Renzo hatte einmal zu ihr gesagt, wie sehr er es an ihr schätzte, dass sie keine bohrenden Fragen stellte. Doch sie war mindestens ebenso froh darüber, dass er nie nach ihrer Vergangenheit fragte. Sie wollte ihm keine Lügen erzählen, aber sie konnte auch nicht die Wahrheit sagen.

Und warum auch? Das Ende ihrer kleinen Liaison war doch ohnehin vorprogrammiert. Es gab keinen Grund, ihm von der Junkie-Mutter zu erzählen, die sie auf die Welt gebracht hatte. Warum sollte sie es riskieren, dass er sie danach anders ansah? Warum sich dem Schmerz aussetzen, den es mit sich brachte, wenn sich die Miene des Gegenübers schockiert und angeekelt verzog?

Sie hatte es in der Vergangenheit viel zu oft erlebt. In einer Welt, in der jeder nach Perfektion strebte, hatte sie nicht lange gebraucht, um all die Dunkelheit in sich so weit wie möglich wegzuschieben.

Dennoch ließ der Gedanke an ihre Mutter sie niemals ganz los. Und auch jetzt brachte er sie dazu, etwas anzusprechen, was sie den gesamten Flug über beschäftigt hatte.

„Das Geld, das ich bei meinem Ticket und der Kleidung gespart habe“, begann sie. „Also …“

„Ja, Darcy, ich habe schon verstanden. Du wolltest damit etwas beweisen.“ Er lächelte boshaft. „Das arme Mädchen zeigt dem reichen Kerl, wie viel er einsparen könnte, wenn er sich dazu herablassen würde, Angebote zu vergleichen.“

„Es gibt keinen Grund, sarkastisch zu werden, Renzo“, entgegnete sie steif. „Ich will es dir zurückgeben. Das meiste davon ist in einem Umschlag in meiner Handtasche.“

„Aber ich will es nicht zurück. Begreifst du es denn wirklich nicht? Ich habe mehr Geld, als ich ausgeben kann. Und wenn es dich glücklich macht – ich bewundere deinen Einsatz und deine Weigerung, dich von meinem Reichtum verführen zu lassen. Es kommt nicht häufig vor.“

Für einen kurzen Moment herrschte Stille. Dann sagte Darcy: „Ich glaube, wir wissen beide, dass es nicht dein Reichtum war, der mich verführt hat, Renzo.“

Sie hatte es eigentlich nicht aussprechen wollen, doch nun war es geschehen, und sie konnte es nicht rückgängig machen. Außerdem entsprach es der Wahrheit. Es war nicht sein Geld gewesen, das sie angezogen hatte. Auch nicht die Aura von Macht, die ihn umgab.

Er war es gewesen.

Sein Charisma, seine Persönlichkeit.

Sie hörte, wie er scharf einatmete. „Madonna mia“, stieß er heiser hervor. „Mach so weiter, und ich fahre mit dir auf den nächsten Rastplatz und stelle all die Dinge mit dir an, die mir nicht mehr aus dem Kopf gehen, seit wir uns zum letzten Mal gesehen haben.“

„Renzo …“

„Ich will das verdammte Geld nicht! Ich will, dass du deine Hand in meinen Schoß legst und fühlst, was du mit mir angerichtet hast.“

„Ganz sicher nicht während der Fahrt“, entgegnete Darcy, obwohl sie enttäuscht war, dass er ihre emotionalen Worte auf sexuelle Weise gedeutet hatte. Doch sie ließ es sich nicht anmerken, denn so war er nun mal: niemals emotional, immer sexuell. Sie brauchte ihn nicht zu berühren, um zu wissen, dass er erregt war. Ein kurzer Blick genügte, und sie konnte die Beule im Schritt seiner dunklen Hose deutlich erkennen.

Sie fuhr sich mit der Zunge über die Lippen und wünschte sich fast, dass sie tatsächlich einfach rechts ranfahren und Sex miteinander haben könnten. Denn Sex brachte einen davon ab, sich Dinge zu wünschen, die man niemals haben konnte. Dinge, die andere Frauen ganz selbstverständlich als gegeben hinnahmen. Wie zum Beispiel einen Mann, der versprach, einen zu lieben und zu beschützen. Etwas, das für sie so unerreichbar fern war wie die Berge am Horizont.

Mühsam holte sie sich wieder ins Hier und Jetzt zurück. „Erzähl mir von dem Anwesen, zu dem wir fahren“, bat sie.

„Glaubst du wirklich, dass ein Gespräch über Immobilien ein geeigneter Ersatz dafür ist, herauszufinden, was sich unter diesem hübschen Kleidchen verbirgt?“

„Ich denke, dass es absolut notwendig ist, solange du dich auf die Straße konzentrieren musst.“

„Oh, Darcy.“ Er lachte leise. „Habe ich dir jemals gesagt, wie sehr ich es bewundere, dass du immer eine schlaue Antwort auf Lager hast?“

„Das Haus, Renzo. Ich möchte mich über das Haus unterhalten.“

„Okay, also das Haus. Es ist alt“, sagte er, als sie einen LKW überholten, dessen Ladefläche voller Wassermelonen war. „Und es steht inmitten einer Landschaft, die aussieht wie einem Gemälde entsprungen. Es gibt Obstplantagen, Weinhänge und Olivenhaine. Wir produzieren einen vorzüglichen Wein aus der Sangiovese-Traube und genug Olivenöl, um es in exquisiten Feinkostgeschäften in London und Paris verkaufen zu können.“

Die Daten und Fakten, die er aufgezählt hatte, hätten ebenso gut von der Informationsseite einer Immobilienagentur stammen können, und irgendwie war Darcy ein bisschen enttäuscht. „Das klingt toll“, sagte sie dennoch.

„Ist es auch.“

„Und warum verkaufst du dann?“

Er zuckte mit den Achseln. „Es ist an der Zeit.“

„Weil?“

Zu spät wurde ihr bewusst, dass sie eine Frage zu viel gestellt hatte. Seine Miene verfinsterte sich, und er presste die Lippen zu einer harten Linie zusammen.

„Ist es nicht ein fester Bestandteil unserer einzigartigen Verbindung, dass du mich nicht mit lästigen Fragen löcherst?“

„Ich wollte nur …“

„Lass es. Bohr nicht. Warum ein Konzept verändern, das doch bisher reibungslos funktioniert hat?“

Seine Stimme klang schneidend, und sie konnte sehen, dass seine Fingerknöchel weiß hervortraten, so fest umklammerte er das Lenkrad.

„Aber egal“, sagte er schließlich. „Wir sind da. Das ist Vallombrosa.“

Seine Miene war noch immer finster und undurchdringlich, als sie durch das schmiedeeiserne Tor fuhren, das wie die himmlische Pforte aussah.

Oder die Pforten zur Hölle.

3. KAPITEL

„Wie, um Himmels willen, soll ich mich verständigen?“, fragte Darcy, als sie im sonnenüberfluteten Innenhof aus dem Wagen stieg. „Mein Italienisch beschränkt sich auf die paar Worte aus dem Reiseführer im Flugzeug.“

„Meine Angestellten sind alle zweisprachig“, entgegnete Renzo, dessen schlechte Laune sich inzwischen verflüchtigt zu haben schien. „Du solltest dich also problemlos in deiner Muttersprache unterhalten können.“

Darcy war, als würden seine Worte sie verhöhnen. Muttersprache? Ihre eigene Mutter hatte ihr nur wenig beigebracht – abgesehen von Dingen, für die sie vermutlich strafrechtlich hätte verfolgt werden können, hätte Darcy jemals jemandem davon erzählt.

„Gib Mama die Spritze, Schätzchen.“

„Reich Mama mal die Streichhölzer.“

„Falls die Polizei dich fragt, sag, du hast diesen Mann noch nie gesehen.“

Sie zwang ein Lächeln auf ihre Lippen, als sie die Villa betrat und von der Haushälterin Gisella und deren Ehemann Pasquale begrüßt wurde. Eine hübsche junge Frau mit dunklem Haar half Gisella bei sämtlichen Tätigkeiten. Darcy sah, wie sie errötete, als Renzo sie als Stefania vorstellte.

Außerdem gab es noch einen Koch namens Donato, der anscheinend immer von Rom aus einflog, wenn Renzo auf dem Anwesen weilte. Donato war gebräunt, athletisch, gut aussehend und mit ziemlicher Sicherheit homosexuell.

„In einer Stunde gibt es Mittagessen“, erklärte er. „Aber wenn Sie sehr hungrig sind, kann ich Ihnen auch vorher schon etwas herrichten.“

„Oh, ich denke, wir können warten“, sagte Renzo. Er wandte sich Darcy zu. „Warum schauen wir uns nicht ein wenig um, während unsere Koffer auf unser Zimmer gebracht werden?“

Darcy nickte. Es fühlte sich irgendwie seltsam an, so umsorgt und auch dem Personal wie eine echte Freundin vorgestellt zu werden. Doch dann erinnerte sie sich daran, dass sie sich davon nicht beeindrucken lassen durfte.

Sie folgte Renzo auf die Terrasse und blinzelte, als sie die schiere Größe des Anwesens in sich aufnahm. Und obwohl sie nur einen Bruchteil davon sehen konnte, war sie überwältigt von der Schönheit von Vallombrosa.

Darcy fragte sich, wie es wohl sein mochte, unter solchen Bedingungen aufzuwachsen anstatt in einem grauen Waisenhaus im Norden Englands, das der einzige Ort gewesen war, den sie jemals als Zuhause hatte bezeichnen können.

„Gefällt es dir?“, fragte er.

„Wie könnte es nicht? Es ist wunderschön.“

„Dir ist schon klar, dass du selbst auch wunderschön bist?“, fragte er leise und drehte sich zu ihr um.

Nachdem, wie er vorhin im Wagen reagiert hatte, wollte sie eigentlich versuchen, ihm zu widerstehen. Doch schon die leiseste Berührung seiner Hand auf ihrer Hüfte machte es ihr einfach unmöglich, und als sie auf ihrem kleinen Rundgang schließlich das Schlafzimmer betraten, bebte Darcy vor Verlangen. Es war ein riesiger, mit Holz verkleideter Raum, mehr bekam sie nicht mit, denn schon lag sie in Renzos Armen. Seine Lippen pressten sich auf ihren Mund, ihre Finger vergruben sich in seinen Locken.

„Renzo“, stieß sie rau hervor.

„Was?“

Sie fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. „Du weißt schon.“

„Ich nehme es an, ja.“ Er lächelte hart. „Du willst das hier, oder?“

Er zog den Reißverschluss ihres Baumwollkleids auf und streifte die Träger über ihre Schultern. Sie spürte den Luftzug, als der Stoff an ihr hinunterglitt und auf den Boden fiel.

„Ja“, hauchte sie. „Genau das ist es, was ich will.“

„Weißt du eigentlich“, begann er, während er ihren Spitzen-BH öffnete und ihn achtlos fallen ließ, „dass ich immerzu an dich habe denken müssen? An das hier?“

Sie nickte. „Ich ebenfalls“, entgegnete sie leise. Die ungewohnte Umgebung und die Situation, in der sie sich befand, machte sie ein wenig unsicher.

Aber nicht für lange. Bald schon tastete sie mit zittrigen Fingern nach seinem Gürtel, und im Nu waren sie beide nackt. Das Licht, das durch die Fensterläden in den Raum drang, zeichnete scharfe Kontraste auf ihre Körper. Renzo legte sich auf sie und stützte sich mit den Armen rechts und links von ihr ab.

Sie umfasste seine breiten Schultern und spürte das Spiel seiner Muskeln unter ihren Fingerspitzen, während er ihre intimste Stelle liebkoste. Es dauerte nur Minuten, bis ein heftiger Höhepunkt sie erbeben ließ.

Er lachte leise und drang in sie ein. Für einen Moment schien die Zeit stillzustehen.

„Hast du eigentlich eine Vorstellung, wie gut sich das anfühlt?“, fragte er und fing an, sich in ihr zu bewegen.

Sie schluckte. „Ich … kann es mir durchaus vorstellen.“

„Oh, Darcy, was stellst du mit mir an?“, stöhnte er und schloss die Augen. „Nur du …“

Darcy maß seinen Worten keine Bedeutung bei, denn sie wusste ganz genau, was er meinte. Sie war die erste und einzige Frau, bei der er kein Kondom zu tragen brauchte. Ihre Jungfräulichkeit hatte sie auf einen Status erhoben, der über dem seiner üblichen Liebhaberinnen lag. Sie war rein. Es hatte ihn fasziniert, einer Frau zu begegnen, die mit vierundzwanzig Jahren noch unberührt war. Ebenso wie ihre vehemente Antwort auf seine Frage, ob sie sich Kinder wünschte.

„Nein, niemals!“, waren ihre Worte gewesen.

Ihre Reaktion musste glaubhaft genug gewesen sein, um ihn zu überzeugen. In einem der seltenen vertrauten Momente hatte er ihr gestanden, dass es ihm ganz genauso erging.

Kurze Zeit später hatte er ganz nebenbei gefragt, ob sie nicht vielleicht die Pille nehmen wolle. Darcy hatte begeistert zugestimmt. Sie erinnerte sich noch gut an das erste Mal ohne Kondom. Daran, wie es sich angefühlt hatte, ihn Haut auf Haut zu spüren – ohne das „verdammte Kondom“, wie er es bezeichnete.

Es war atemberaubend gewesen. Sie hatte sich ihm so nah gefühlt. Hinterher musste sie sich selbst vor Augen führen, dass es ein rein körperliches Empfinden war. Natürlich fühlte sich Sex ohne Kondom besser an – doch das bedeutete überhaupt nichts.

Jetzt aber, im Halbdunkel seines toskanischen Schlafzimmers, war es so überwältigend, dass ihr beinahe die Tränen kamen.

„Reite mich, cara“, flüsterte er. „Reite mich so, wie du es brauchst.“

Sie setzte sich auf ihn. Die Position war eine ihrer liebsten. Wenn Renzo unter ihr lag, die Augen halb geschlossen und die Lippen feucht glänzend, gab ihr das ein Gefühl, das sie nur sehr selten hatte: ein Gefühl von Macht.

Langsam fing sie an, sich vor und zurück zu bewegen. Er stöhnte, und sie beugte sich vor, um den Laut in sich aufzunehmen. Er grub seine Finger in ihr Haar, zog an ihren Locken, und sie spürte, wie sich ihre Lust unaufhaltsam steigerte, bis sie sich in einem unglaublichen Höhepunkt bahnbrach.

Im nächsten Augenblick stöhnte auch Renzo heiser auf. Seine Hüften zuckten noch ein-, zweimal, ehe auch er Erlösung fand. Darcy ließ sich nach vorne sinken, und einen Moment lag war die Luft erfüllt von ihrem schweren Atmen und Keuchen. Als sie sich ein wenig erholt hatte, löste sie sich von Renzo und sank neben ihm auf die Matratze.

Darcy blickte hinauf zu den dunklen Holzbalken über ihr und zu der Lampe, die aussah, als wäre sie so alt wie das Haus selbst.

Jemand hatte eine kleine Vase mit duftenden Rosen ans Fenster gestellt. Es waren die gleichen Rosen, die draußen an der Fassade hinaufkletterten.

„Nun“, sagte sie schließlich. „Das war ein herzliches Willkommen.“

Renzo hielt die Augen geschlossen und atmete ruhig und gleichmäßig. Ihm war nicht nach Reden zumute, nicht gerade jetzt. Er brauchte nicht zu hören, wie gut es gewesen war – das war von vornherein klar gewesen. Und in seinem Kopf ging einfach zu viel vor, als dass er sich auf so eine Unterhaltung hätte konzentrieren können.

Eine Menge widersprüchlicher Gefühle waren auf ihn eingestürmt, als er den Ortseingang passiert hatte. Dann das Haus zu sehen und zu wissen, dass es schon bald jemand anderem gehören würde … Ein Haus, das sich seit Generationen im Besitz der Familie seiner Mutter befunden und in dem sich so manches Unglück zugetragen hatte.

Andere hätten sich seiner schon vor vielen Jahren entledigt, doch Renzos Stolz hatte es nicht zugelassen. Sein ehrgeiziger Plan war es gewesen, die schlechten Erinnerungen gegen gute auszutauschen. Und zu einem großen Teil war ihm das sogar gelungen. Aber er konnte nicht in der Vergangenheit leben. Es war Zeit loszulassen.

Er blickte zur Seite, wo Darcy mit geschlossenen Augen lag, ihr leuchtend rotes Haar über das blütenweiße Kissen ausgebreitet. Dann dachte er daran, dass sie nach Norfolk gehen wollte, wenn sie nach London zurückkehrten. Wie es wohl sein würde, mit jemand anderem zu schlafen, wenn sie nicht mehr zur Verfügung stand?

Aus irgendeinem Grund weckte der Gedanke an eine schlanke Brünette in seinen Armen keine große Begeisterung bei ihm.

„Und du fühlst dich wohl hier?“, fragte er, um sich abzulenken.

Ein müdes Lächeln umspielte ihre Lippen. „Was denkst du wohl? Ich könnte hier noch stundenlang liegen bleiben, aber ich sollte wohl zumindest mein Kleid ordentlich weghängen. Ich habe es heute zum ersten Mal getragen.“

„Das ist nicht nötig“, erklärte er. „Gisella wird es später für dich reinigen.“

„Nein, das möchte ich nicht.“ Ihre Augen flogen auf, und ihre Stimme klang scharf. „Ich kann meine Wäsche selbst machen. Ich werde das Kleid einfach im Waschbecken waschen und es dann draußen in der Sonne trocknen lassen.“

„Und wenn ich dir sage, dass mir das nicht recht wäre?“

„Das wäre dann dein Pech.“

„Warum musst du so verdammt stur sein, Darcy?“

„Und ich dachte, du magst meinen Dickkopf.“

„In der richtigen Situation, ja.“

„Du meinst, immer dann, wenn es dir in den Kram passt.“

„Esattamente.“

Sie schaute zur Decke hinauf. Wie sollte sie ihm erklären, wie sie sich fühlte? Sie hatte deutlich gemerkt, wie Gisella sie anschaute. Zwar war sie freundlich und zuvorkommend – aber sie sah sie auch als das, was sie wirklich war: eine Bedienstete wie sie.

Auch sie servierte Essen und räumte Leuten hinterher, die sehr viel mehr Geld besaßen als sie selbst. Darcy wollte nicht so tun, als wäre sie etwas Besseres, indem sie ihre Kleidung von jemandem reinigen ließ. Sie wollte nicht vorgeben, jemand zu sein, der sie nicht war. Jemand, dem es unmöglich sein würde, wieder in die Welt zurückzukehren, aus der er stammte.

Doch das alles sollte sie nicht an Renzo auslassen, denn auch er war einfach nur er selbst. Sie hatte ihn nie für seine Selbstherrlichkeit kritisiert – wenn überhaupt, dann törnte diese Eigenschaft sie an. Und in gewisser Weise war seine Arroganz so etwas wie eine natürliche Barriere zwischen ihnen gewesen. Eine Barriere, die sie daran gehindert hatte, ihm ganz und gar zu verfallen.

Sie beugte sich vor und küsste ihn. „Und nun erzähl mir, was du für uns geplant hast.“

Er ließ seine Hände zwischen ihre Schenkel wandern. „Pläne? Was für Pläne? Der Anblick deines Körpers hat mich völlig aus dem Konzept gebracht.“

Sie stoppte seine Hand, ehe er sie weiter nach oben gleiten lassen konnte. „Erzähl mir von Vallombrosa – und ich spreche nicht von der Oliven- oder Weinproduktion. Hast du hier gelebt, als du ein kleiner Junge warst?“

Er musterte sie misstrauisch. „Warum das plötzliche Interesse?“

„Weil du mir gesagt hast, dass wir mit dem Mann zu Abend essen, der das Anwesen kaufen will. Es sähe doch ein bisschen merkwürdig aus, wenn ich überhaupt nichts über deine Verbindung zu diesem Haus wüsste. Bist du also hier aufgewachsen?“

„Nein, in Rom. Vallombrosa war unser Urlaubsdomizil.“

„Und?“

„Und es ist seit Generationen im Besitz der Familie meiner Mutter. Wir haben es genutzt, um im Sommer der Hitze in der Stadt zu entkommen. Meine Mutter und ich haben die ganzen Ferien hier verbracht, mein Vater kam an den Wochenenden.“

Darcy nickte, denn sie wusste, dass er, wie sie, ein Einzelkind war und dass seine Eltern nicht mehr lebten. Aber das war auch schon so ziemlich alles, was er ihr anvertraut hatte.

Sie zeichnete mit einem Finger Kreise auf seinen flachen Bauch. „Und was hast du so gemacht, während du hier warst?“

Er schob ihre Hand hin zu seinem Schritt. „Mein Vater hat mir das Jagen und Fischen beigebracht, während meine Mutter sich gesellschaftlich engagiert hat. Es waren eigentlich immer irgendwelche Freunde da. Die Schulfreundin meiner Mutter, Mariella, schien praktisch zum Inventar zu gehören. Wir waren glücklich – dachte ich zumindest.“

Darcy hielt einen Moment den Atem an, als sie sah, wie sich ein Schatten über seine Züge legte. „Aber das wart ihr nicht?“

„Nein, das waren wir nicht.“ Er schaute sie direkt an, sein Blick war hart wie Glassplitter. „Hast du noch immer nicht begriffen, dass nur sehr wenige Menschen wirklich glücklich sind?“

„Ich schätze, damit hast du recht“, entgegnete sie steif. Irgendwie hatte sie immer gedacht, dass … Ja, was eigentlich? Dass andere Menschen den Schmerz nicht kannten, den sie erlitten hatte? Dass jemand, der so reich und mächtig war wie Renzo, niemals emotionale Kälte erlebt hatte? War er deshalb mitunter so distanziert? So zurückgezogen und kalt? „Ist … etwas passiert?“, fragte sie.

„Das kann man sagen. Sie ließen sich scheiden, als ich sieben war.“

„War es schmutzig?“

Er bedachte sie mit einem undurchdringlichen Blick. „Sind das nicht alle Scheidungen?“

Sie zuckte mit den Achseln. „Das stimmt vermutlich.“

„Ganz besonders, wenn sich herausstellt, dass die beste Freundin deiner Mutter seit Jahren eine Affäre mit deinem Vater hatte“, fügte er bitter hinzu. „Es führt einem vor Augen, dass man Frauen niemals vertrauen darf.“

Darcy biss sich auf die Unterlippe. „Und was geschah dann?“

„Nach der Scheidung hat mein Vater seine Geliebte geheiratet, aber meine Mutter hat sich nie wirklich von alldem erholt. Es war ein doppelter Vertrauensbruch, und die einzige Waffe, die sie in der Hand hatte, war ich.“

„Waffe?“, wiederholte Darcy irritiert.

Er nickte. „Sie tat alles, was in ihrer Macht stand, um meinen Vater von mir fernzuhalten. Sie litt unter Depressionen.“ Seine Miene wurde hart. „Und glaub mir, wenn ich dir sage, dass ein Kind nicht viel tun kann, um seiner Mutter in dieser Situation zu helfen. Es ist hilflos. Ich habe die meiste Zeit über still in der Ecke gesessen und mit Bausteinen gespielt, während meine Mutter mal schluchzend, mal wütend die Welt verflucht hat. Am Ende dieses Sommers hatte ich eine ganze Stadt gebaut.“

Sie nickte verständnisvoll. War das der Grund für seinen Drang, alles kontrollieren zu müssen? Und war die kleine Plastikstadt der Grundstein für seine unglaubliche Karriere als Architekt gewesen?

„Oh, Renzo, das ist schrecklich“, sagte sie.

„Wie unschuldig du doch bist, Darcy“, entgegnete er leise.

Darcy hatte mit einem Mal heftige Schuldgefühle. Er hielt sie für unschuldig, weil er daran gewöhnt war, Frauen in zwei Kategorien einzuteilen: Heilige oder Hure. Ihre Jungfräulichkeit hatte ihr in seinen Augen den Status als Heilige verliehen, aber ganz so einfach war das nicht. Und wenn er gewusst hätte, warum sie bislang unberührt geblieben war, wäre er sicher schockiert gewesen.

Dass verheiratete Männer Affären hatten, war nicht unbedingt ungewöhnlich – selbst dann nicht, wenn die Geliebte die beste Freundin der Ehefrau war. Sie hätte ihm Geschichten erzählen können, die seine Kindheit im Vergleich wie ein schönes Märchen hätten erscheinen lassen. Aber er fragte nicht nach ihrer Vergangenheit, er interessierte sich nicht dafür, und vielleicht sollte sie froh darüber sein.

Es gab keine Veranlassung, die letzten Tage ihres Zusammenseins mit ihren dunklen Geheimnissen zu ruinieren.

„Warum hast du dich entschieden, das Anwesen zu verkaufen?“, wollte sie wissen.

Er zögerte kurz. „Meine Stiefmutter ist im vergangenen Jahr gestorben“, erklärte er schließlich. „Sie hat das Haus immer haben wollen, und ich habe auf meine Weise sichergestellt, dass sie es nie bekommen würde. Aber nun, da sie nicht mehr lebt … Da sie alle nicht mehr leben …“ Er zuckte mit den Achseln. „Mein Verlangen, es weiterhin zu besitzen, ist mit ihr gestorben. Außerdem ist das Anwesen einfach zu groß für eine einzelne Person. Es ist für eine Familie gedacht.“

„Und du willst keine?“

„Ich dachte, das hätte ich bereits klar und deutlich zum Ausdruck gebracht“, entgegnete er kühl. „Ich habe so viele Lügen und Täuschungen gesehen, dass es mir für den Rest meines Lebens reicht. Das kannst du doch sicher verstehen, oder?“

Darcy nickte. Oh ja, sie verstand allerdings. Ebenso wie sie erkannte, dass seine Worte eine Warnung waren. Eine Warnung, ihm nicht zu nahe zu kommen. Dass sich nicht wirklich etwas geändert hatte, auch wenn sie in der ungewohnten Rolle als seine Freundin mit ihm hierher in die Toskana gereist war.

Das Lächeln, das sie auf ihre Lippen zauberte, war nicht ganz so strahlend wie sonst. Aber es schien zu reichen, um ihn davon zu überzeugen, dass es ihr nichts ausmachte.

„Sollten wir uns nicht langsam fürs Mittagessen fertig machen?“ Ihre Stimme schwankte leicht, als seine Hand über ihren Bauch streichelte. „Hatte … Donato nicht gesagt, dass es in einer Stunde fertig wäre?“

Bei der Berührung ihrer nackten Haut verspürte Renzo nur eine Art von Hunger. Die beste Form von Hunger, die alles auslöschte außer Lust und Verlangen.

Er hatte ihr mehr über sich erzählt als irgendjemandem sonst, und er erklärte es sich damit, dass sie normalerweise nicht fragte. Doch sie musste wissen, dass es von nun an keine weiteren Vertraulichkeiten mehr geben würde.

Sie musste wissen, dass es nur einen Grund dafür gab, dass sie hier war – und das erwartungsvolle Glitzern in ihren Augen verriet ihm, dass sie die Botschaft verstand.

„Donato wird dafür bezahlt, dass er sich meinen Bedürfnissen anpasst“, stellte er arrogant klar, ehe er sich vorbeugte und eine ihrer Brustwarzen mit den Lippen umschloss.

„Oh, Renzo …“ Ihre Augen fielen zu, und sie ließ sich aufs Kissen zurücksinken.

„Renzo – was?“

„Lass mich nicht betteln.“

Er strich mit einem Finger über ihr Knie. „Aber ich mag es, wenn du bettelst.“

„Ich weiß.“

„Also?“

Sie stöhnte, als sie die Hüften hob und sich ihm entgegenbog. „Bitte …“

„Das ist schon besser.“ Er lachte triumphierend und zog sie näher zu sich heran. „Das Mittagessen kann warten“, fügte er mit rauer Stimme hinzu. „Ich fürchte, ich nicht.“

4. KAPITEL

„Das hier?“ Darcy hielt ein schimmerndes schwarzes Schlauchkleid hoch, dann ein mit Rüschen besetztes türkisfarbenes Kleid. „Oder doch das?“

„Das schwarze“, sagte Renzo, nachdem er kurz aufgeblickt hatte, und fuhr damit fort, sein Hemd zuzuknöpfen.

Darcy schlüpfte in das schwarze Kleid. Ihre Haut hatte inzwischen von der Sonne einen sanften Goldton angenommen und bildete einen schönen Kontrast zu dem dunklen Stoff. Sie war sich bewusst, dass Renzo jede ihrer Bewegungen beobachtete, doch es störte sie nicht. Sie wünschte sich, sie könnte die Zeit stillstehen lassen und dieses Wochenende für immer festhalten, denn es gehörte zu den besten ihres ganzen Lebens.

Gemeinsam hatten sie das weitläufige Anwesen erkundet und die Hügel in der Umgebung erklommen, um dann mit einem atemberaubenden Ausblick über die blaugrünen Berge belohnt zu werden. Es war also doch gut, dass sie ihre Wanderstiefel eingepackt hatte!

Er hatte mit ihr ein schönes Örtchen namens Panicale besucht, wo sie auf einem mit kopfsteingepflasterten Platz Kaffee getrunken hatten. Und obwohl Renzo ihr versichert hatte, dass die Temperaturen im Mai noch zu niedrig waren, um schwimmen zu gehen, hatte Darcy sich davon nicht beeindrucken lassen. Sie war noch nie an einem Ort gewesen, an dem es einen privaten Pool gab – schon gar nicht so einen wie der von Vallombrosa!

Zu Anfang war sie noch ein bisschen schüchtern gewesen, als sie in ihrem knappen Bikini aufgetreten war. Doch die Blicke, die Renzo ihr zuwarf, hatten ihr rasch gezeigt, dass es dazu keinen Grund gab. Dennoch war sie überrascht gewesen, als er sich kurz darauf entschieden hatte, ihr im Pool Gesellschaft zu leisten.

Und Renzo in eng anliegenden schwarzen Schwimmshorts, Wasser, das über seine olivfarbene Haut rann und aus seinen Haaren tropfte … das war ein Anblick, der ihr Herz heftiger klopfen ließ. Sie hätte den ganzen Nachmittag damit verbringen können, dabei zuzusehen, wie sich sein starker Körper durch das Wasser pflügte. Doch er hatte ihr nur ein paar anzügliche Andeutungen ins Ohr flüstern müssen, und schon waren sie gemeinsam wieder im Schlafzimmer verschwunden. Der Sex war sogar noch unglaublicher gewesen als sonst.

Lag es daran, dass all ihre Sinne von der frischen Luft und der Sonne geschärft waren? Oder daran, dass Renzo an diesem friedvollen Ort außergewöhnlich offen zu sein schien?

Darcy musste sich immer wieder daran erinnern, dass die Gründe nicht wichtig waren. Es blieb trotzdem vorübergehend. Ein letzter Ausflug, ehe sie nach Norfolk ging – was vermutlich der Anlass für ihn gewesen war, sie überhaupt einzuladen. Und heute Abend stand das Dinner mit Renzos Anwalt auf dem Programm, der das Sabatini-Anwesen kaufen wollte.

Ihre Blicke begegneten sich im Spiegel.

„Hilfst du mir mit dem Reißverschluss?“, fragte sie.

„Certo.“

„Also noch mal“, bat sie. „Der Name deines Anwalts ist Cristiano Branzi, und seine Freundin heißt Nicoletta …“

„Ramelli.“ Für einen Moment zögerte er, und sein Blick wurde dunkel. „Und nur damit du es weißt: Sie und ich hatten vor ein paar Jahren mal was am Laufen.“

Darcy war gerade dabei, einen Ohrring anzuziehen. Ihre Finger hielten mitten in der Bewegung inne. „Etwas am Laufen?“

„Du brauchst wirklich nicht so schockiert zu schauen, cara. Ich bin fünfunddreißig Jahre alt, und wie jede andere Stadt auf der Welt ist Rom, was seine gesellschaftlichen Kreise betrifft, eben auch nur ein Dorf. Nicoletta und ich hatten ein paar Monate lang eine Affäre, das war alles.“

Das war alles. Darcys einstudiertes Lächeln flackerte nicht. Es war dasselbe gewesen wie mit ihr: großartiger Sex für ein paar Monate, dann hieß es Lebewohl. War das seine übliche Vorgehensweise? Hatte er Nicoletta auch mit einem Trip ins Ausland belohnt, ehe er die Affäre beendet hatte?

Sie atmete tief durch. Nein, von solchen Gedanken würde sie sich ihren letzten gemeinsamen Abend nicht verderben lassen. Sie folgte ihm die Treppe hinunter und nahm den Champagner entgegen, den Stefania ihr anbot. Inständig hoffte sie, dass sie selbstsicherer wirkte, als sie sich fühlte, während sie aufmachte, um ihre Gäste zu begrüßen.

Cristiano war ein kräftig gebauter Mann mit stechend blauen Augen … und Nicoletta war die schönste Frau, die Darcy jemals gesehen hatte. Ihr dunkles Haar hatte sie zu einem eleganten Knoten zusammengefasst, und sie trug ein Kleid, das ganz offensichtlich aus der Hand eines Designers stammte. Echte Diamantstecker glitzerten an ihren Ohren, und Diamanten fanden sich auch in ihrer Uhr wieder, die ein bisschen zu weit für ihr schmales Handgelenk war.

Darcy schaute zu, wie sie Renzo die Wange hinhielt, damit er sie küssen konnte. Dabei fragte sie sich, warum sie nicht doch das türkisfarbene Kleid angezogen hatte. Ihr hätte klar sein sollen, dass die Italienerin ebenfalls Schwarz tragen würde. Es war nur natürlich, dass sie miteinander verglichen wurden – und Darcy machte sich keine Illusionen darüber, wie sie dabei abschnitt: Ihr eigenes Kleid wirkte billig, ihr Haar war unbändig, ihre Brüste zu groß.

„Nun …“ Nicoletta lächelte, als sie kurz darauf bei Schinken und Melonenstücken an der festlich mit Rosen und Kerzen dekorierten Tafel saßen. „Sind Sie zum ersten Mal in Italien, Darcy?“

„Ja“, antwortete sie ebenfalls lächelnd.

„Aber doch hoffentlich nicht zum letzten Mal.“

Darcy schaute über den Tisch hinweg zu Renzo. Es war vermutlich keine gute Idee, die Stimmung zu ruinieren, indem sie verkündete, dass sie gerade dabei waren, ihre Affäre zu beenden.

„Darcy ist kein großer Fan des Reisens“, behauptete Renzo.

„Oh, wirklich?“

Darcy wusste selbst nicht, warum sie überhaupt den Mund aufmachte. War es Stolz oder Dummheit? Nicht dass sie sich dafür schämte, wer sie wirklich war. Sie glaubte ja ohnehin nicht, dass sie es mit diesen Leuten und ihren toskanischen Villen aufnehmen konnte – oder mit ihren diamantbesetzten Armbanduhren, die vermutlich mehr kosteten als ein Kleinwagen.

„Um ehrlich zu sein, mir fehlt einfach das Geld zum Reisen. Ich bin nur eine einfache Kellnerin.“

„Eine Kellnerin?“ Nicolettas silberne Gabel landete klirrend auf dem Teller. „Das ist aber wirklich ein ungewöhnlicher Job.“ Es entstand eine kurze Pause. „Wie sind Sie und Renzo sich denn begegnet?“

Darcy bemerkte den Ausdruck von Überraschung auf Nicolettas Gesicht – aber was hatte sie erwartet?

Und nun hatte sie Renzo mit hineingezogen. Er würde vermutlich irgendeine Geschichte erzählen, wie sie in einem Buchladen in ihn hineingelaufen oder ihm auf der Party des Freundes eines Freundes vorgestellt worden war. Vielleicht aber auch nicht. Immerhin hatte er doch mehr als deutlich klargestellt, dass er Lügen nicht ausstehen konnte.

„Ich habe Darcy kennengelernt, als sie in einem Nachtclub in London gearbeitet hat“, erklärte er. „Ich bin mit ein paar Geschäftspartnern dort gewesen und habe gesehen, wie sie den Leuten am Nebentisch Cocktails servierte. Als sie sich umgedreht und mich angeschaut hat, war es um mich geschehen.“

„Das überrascht mich nicht“, murmelte Cristiano. „Ich habe noch nie so leuchtendes Haar wie Ihres gesehen, Darcy. Ich denke, das ist es, was man einen Hingucker nennt.“

Sein Kompliment kam unerwartet. Darcy suchte Renzos Blick und rechnete damit, Spott oder Ärger darin zu lesen – fand aber nichts dergleichen. Ganz im Gegenteil schien er die Worte, die an sie gerichtet worden waren, zu genießen. Auf einmal verspürte sie den heftigen Drang, aufzuspringen und aus dem Zimmer zu stürmen. Oder ihn zumindest zu bitten, sie nicht auf diese Weise anzusehen. Denn sein Blick weckte in ihr Fantasien darüber, wie es wäre, ein Leben zu führen, das sie niemals haben konnte.

Sie räusperte sich und versuchte sich daran zu erinnern, wie die Leute in dem angesagten Restaurant sich verhalten hatten, in dem sie mal gearbeitet hatte. Die hatten alles heruntergespielt und so getan, als wäre nichts wirklich von Bedeutung.

„Das war aber jetzt wirklich genug über mich“, sagte sie also leichthin. „Ich würde mich lieber über die Toskana unterhalten.“

„Gefällt es Ihnen hier?“, fragte Nicoletta. „Auf Vallombrosa?“

„Wie könnte es nicht? Ich kann mir auf der ganzen Welt keinen schöneren Ort vorstellen. Die Gärten sind so wunderbar, und der Ausblick ist zum Niederknien.“ Sie lächelte, während sie nach einem Stück Brot griff. „Wenn ich das Geld dafür hätte, würde ich es auch kaufen wollen. Sie sind ein wirklich glücklicher Mann, Cristiano.“

„Dessen bin ich mir bewusst“, entgegnete er, und seine blauen Augen blitzten. „Ich kann noch immer kaum glauben, dass Renzo sich endlich zum Verkauf entschlossen hat, nachdem ihm jahrelang unglaubliche Summen dafür geboten wurden. Aber er will partout nicht sagen, warum er es sich so plötzlich anders überlegt hat.“

Doch Darcy kannte den Grund. Sie hatte den Schmerz in seinen Augen gesehen, als er über seine Eltern und ihre Scheidung gesprochen hatte. Er hatte ihr so viel erzählt, und ein Teil von ihr war noch immer verwundert darüber. Und irgendwie hatte es ihr für einen kurzen Moment das Gefühl gegeben, mehr zu sein als eine Bettgeschichte. Aber das war natürlich nur eine Illusion gewesen. Es war einfacher, seine Geheimnisse mit einem Menschen zu teilen, der einen ohnehin verlassen würde.

Das galt jedoch nicht für Darcy selbst. Sie gehörte zu den Menschen, deren Geheimnisse einfach zu dunkel waren, um sie zu teilen.

Gang für Gang wurden die köstlichsten Delikatessen aufgetragen. Gefüllte Zucchiniblüten, Pasta mit Krabben und ein Dessert mit prallen Kirschen und Sahne, begleitet von den besten Weinen aus Renzos privatem Keller.

Nicoletta stellte ihr noch ein paar Fragen, denen Darcy geschickt auswich. Zum Glück war die Italienerin ohnehin mehr daran interessiert, über sich selbst zu sprechen. Sie schwadronierte über ihr privilegiertes Aufwachsen in Parioli in Rom, ihre Schule in der Schweiz und darüber, dass sie vier Sprachen fließend sprechen konnte.

„Sie sollten uns besuchen kommen, Darcy. Lassen Sie sich von Renzo etwas Hübsches zum Anziehen kaufen.“

Darcy fragte sich, ob das Nicolettas subtile Art war anzudeuten, dass ihre billige Kleidung nicht unbemerkt geblieben war. Aber wenn, dann kümmerte es Darcy nicht. Sie konnte nur noch daran denken, endlich wieder mit Renzo allein zu sein. Die Zeit mit ihm glitt ihr wie Sand zwischen den Fingern hindurch.

Sie ging bereits zum Schlafzimmer, während Renzo noch die Gäste verabschiedete. Als er schließlich zu ihr kam, lag sie bereits nackt im Bett.

„Du warst sehr gut während des Dinners“, sagte er und öffnete seine Gürtelschnalle.

„Inwiefern?“

„Einfach eine bezaubernde Kombination. Vielleicht ein bisschen trotzig wegen deines Jobs“, fuhr er fort, während er seine Boxershorts abstreifte. „Komm schon, sieh mich nicht so an, Darcy. Du weißt, dass es stimmt. Aber deine ehrliche Begeisterung über das Anwesen hat Cristino sehr gefreut. Er wird Gisella, Pasquale und Stefania übrigens behalten. Er hat es mir gerade gesagt, bevor sie nach Rom aufgebrochen sind.“

„Das bedeutet dann wohl, Ende gut, alles gut.“

„Wer hat denn irgendetwas von einem Ende gesagt?“, flüsterte er und stieg zu ihr ins Bett. „Ich dachte, die Nacht fängt gerade erst an …“

Er zog sie an sich, und sie spürte deutlich seine Erektion. Zum Schlafen kamen sie in den folgenden Stunden nicht. Es schien, als wäre Renzo wild entschlossen, ihr noch einmal zu beweisen, was für ein fantastischer Liebhaber er war, bevor ihre Affäre unweigerlich endete.

Als Darcy am nächsten Morgen das Esszimmer betrat, blickte Renzo von seiner Zeitung auf.

„Ich muss bald zum Flughafen aufbrechen“, sagte sie.

„Nein, musst du nicht. Wir fliegen zusammen in meinem Jet zurück“, erklärte er und schenkte ihre eine Tasse Kaffee ein.

Darcy setzte sich und rührte Zucker in ihren Kaffee. „Das ist wirklich nicht nötig. Ich habe bereits ein Flugticket und kein Problem damit, in den Billigflieger zu steigen.“

„Kommt überhaupt nicht infrage. Du fliegst mit mir. In meinem Jet.“

Für Darcy war schon eine persönliche Limousine mit Chauffeur der Gipfel an Luxus gewesen. Renzos Privatjet aber eröffnete noch einmal eine ganz neue Dimension. Ihr entging nicht, dass sie die beiden Stewardessen, die sie durch die Passkontrolle in Florenz begleiteten, überrascht musterten. Vermutlich wunderten sie sich, weil Darcy so gar nicht Renzos üblichem Frauentyp entsprach, mit ihrem billigen Schmuck und dem üppigen Busen.

Doch Darcy kümmerte es nicht. Sie würde die letzten Stunden mit ihrem Liebhaber genießen.

Renzo hatte die Crew kaum aus der Flugzeugkabine geschickt, da öffnete Darcy auch schon den Reißverschluss seiner Jeans. Während sie seine seidenen Boxershorts herunterzog, wurde ihr schlagartig bewusst, dass es das letzte Mal war, dass sie die Lippen um seine pralle Erektion schließen und sein tiefes Stöhnen hören würde. Und als er sie danach liebte, war ihr, als würde sie fliegen und müsse nie wieder den Boden berühren.

Doch schon bald erreichten sie England, wo sie am Rollfeld bereits seine Limousine erwartete. Darcy zögerte, als der Chauffeur ihr die Tür aufhielt.

„Könnest du mich an einer U-Bahnstation auf dem Weg rauslassen?“

Renzo runzelte die Stirn und presste die Lippen zusammen. „Darcy, was soll das? Ich setze dich zu Hause ab.“

„Nein, das ist nicht nötig.“

„Ich weiß.“ Er machte eine kurze Pause, ehe ein feines Lächeln seine Lippen umspielte. „Aber du könntest mich sogar auf eine Tasse Kaffee einladen, wenn du möchtest.“

„Kaffee?“

„Ist das so ungewöhnlich?“ Er schüttelte den Kopf. „Gehört das nicht zu den Dingen, die ein Mann und eine Frau tun, nachdem sie ein Wochenende miteinander verbracht haben, so wie wir? Ich habe noch nie deine Wohnung gesehen.“

„Das weiß ich. Aber du interessierst dich nicht für mein Leben. Das hast du immer überdeutlich klargestellt.“

„Nun, vielleicht interessiert es mich jetzt ja doch“, entgegnete er störrisch.

Aber jetzt ist es zu spät, dachte sie. Warum hatte er so etwas nicht am Anfang zu ihr sagen können, als es noch einen Unterschied gemacht hätte? Jetzt verhielt er sich wie ein mächtiger Mann, der stets bekam, was er wollte – und der nun unbedingt diese eine Sache haben wollte, die er nicht bekommen konnte.

„Es ist klein und eng … und alles, was ich mir leisten kann. Das ist auch der Grund, warum ich nach Norfolk ziehen werde. Dein Leben und meines sind so unterschiedlich wie Tag und Nacht. Du würdest es hassen.“

„Warum lässt du mich das nicht selbst entscheiden? Es sei denn, du schämst dich.“

Wütend funkelte sie ihn an. „Ich schäme mich nicht!“

„Nun.“ Er zuckte mit den Achseln. „Dann verstehe ich das Problem nicht.“

Darcys Finger zitterten, als sie die Haustür öffnete. Sie lud niemals jemanden in ihre kleine Zuflucht ein. Die meiste Zeit ihres Lebens hatte sie nichts ganz allein für sich gehabt. So etwas wie Privatsphäre hatte es für sie nicht gegeben. Entsprechend heilig waren ihr ihre eigenen vier Wände.

„Wenn du darauf bestehst, dann komm eben rein“, sagte sie unfreundlich.

Renzo trat ein, und das Erste, was er bemerkte, war die Tatsache, dass Wohn-, Esszimmer und Küche in einen Raum gepfercht waren. Er runzelte die Stirn. War das etwa ein schmales Bett da hinten in der Ecke?

Autor

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