Liebe mich - noch heute Nacht!

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Ihr Auftrag war eigentlich ganz klar: Tori soll den Millionär Mitch Warner interviewen. Keineswegs war die Rede davon, mit dem umwerfend attraktiven Mann ins Bett zu gehen! Und genau damit beginnen auch Toris Probleme. Als sie Mitch in einer Karaoke-Bar kennen lernt, sind sie so fasziniert voneinander, dass sie sich noch in dieser Nacht lieben. Am nächsten Tag wagt Tori nicht, ihm zu gestehen, dass sie eine Reportage über ihn machen soll. Denn Mitch scheint alle Journalisten abzulehnen ...


  • Erscheinungstag 05.10.2019
  • ISBN / Artikelnummer 9783733727758
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

PROLOG

Mitchell Edward Warner III. war entschlossen, am nächsten Morgen in aller Frühe zur Ranch in Oklahoma zurückzukehren, wo er seit seiner Geburt jeden Sommer verbracht hatte. Dort hatte er gelernt, zu reiten und Rinder mit dem Lasso einzufangen, ohne sich allzu viele Knochen zu brechen. Und dort hatte er mit fünfzehn seine ersten ungeschickten Versuche in der Liebe unternommen. Als er achtzehn war, beherrschte er alle drei Gebiete recht gut.

Aber das würde er nie auf dem Gebiet werden, auf dem sein Vater ihn haben wollte – als Nachfolger einer Politiker-Dynastie seit vier Generationen. Denn Mitch hatte beschlossen, auf dieses Erbe zu verzichten, und demzufolge hatte er auch Wirtschaftswissenschaften statt Jura als Studienfach gewählt. Er weigerte sich, in die Welt der Parteipolitik und opportunistischen Mitläufer einzutreten, in der Leute wie sein Vater dominierten.

Lärmender Trubel drang von draußen herein, die Feier, die das Ende einer Zeit signalisierte, gewissermaßen das Ende der Jugend. Mitch und zwei seiner Freunde, Marc DeLoria und Dharr ibn Halim, hatten beschlossen, auf die Party zu verzichten und sich stattdessen in ihr gemeinsames Apartment zurückgezogen. Sie schienen auf den ersten Blick nichts gemeinsam zu haben, bis auf eine unwillkommene Berühmtheit, die ihnen die Stellung ihrer Familien einbrachte, und der Grund, weswegen sie sich oft trafen, war der Versuch, mit dem Druck dieser Berühmtheit fertig zu werden.

Mitch saß wie immer auf dem Boden, den Rücken an die Wand gelehnt, lässig in Jeans und verschrammten Lederstiefeln gekleidet. Er griff nach der Flasche mit französischem Champagner, den ihnen Marcs Bruder großzügigerweise spendiert hatte. Insgeheim wünschte er sich, es wäre Bier. „Wir haben bereits auf unseren Erfolg angestoßen. Nun lasst uns auf ein lange währendes Junggesellenleben trinken.“ Er füllte sein Glas, dann die Gläser von Dharr und Marc.

Dharr erhob sein Glas zum Toast. „Darauf trinke ich gern.“

Marc überlegte kurz und lächelte dann. „Ich schlage eine Wette vor.“

Dharr und Mitch wechselten einen Blick.

„Was für eine Wette, DeLoria?“, fragte Mitch.

„Nun, da wir uns einig darin sind, nicht so schnell in die Ehefalle zu tappen, so schlage ich vor, dass wir schwören, in zehn Jahren immer noch ledig zu sein.“

„Und wenn nicht?“, fragte Dharr.

„Dann werden wir unseren kostbarsten Besitz aufgeben müssen.“

Mitch konnte sich nur eine Sache vorstellen, die er höher einschätzte als alles, was er besaß. Und er besaß sehr viele Dinge. „Was, meinen Wallach? Das wäre ziemlich hart.“

Dharr sah sogar noch weniger begeistert aus, und sein Blick glitt unwillkürlich zu dem abstrakten Gemälde einer Frau, das hinter Mitch an der Wand hing. „Das wäre dann also wohl mein Modigliani, und ich muss zugeben, dass es mir sehr wehtun würde, ihn aufzugeben.“

„Das ist ja gerade der springende Punkt, meine Herren“, meinte Marc. „Die Wette wäre sinnlos, wenn die Dinge, die auf dem Spiel stehen, uns nichts bedeuten würden.“

Mitch schaute ihn misstrauisch an. „Okay, DeLoria. Und was ist dein Einsatz?“

„Meine Corvette.“

Das Auto war fast eine Legende. Mitch konnte sich nicht vorstellen, dass Marc es wirklich aufgeben würde. „Du würdest deinen geliebten Schlitten weggeben?“

„Ach, Unsinn, denn ich werde nicht verlieren.“

„Ich auch nicht“, bemerkte Dharr. „Zehn Jahre müssen schon vergehen, bevor ich mich wegen der Erbfolge dazu zwingen lasse, eine Vernunftehe einzugehen.“

„Das wird mir auch nicht schwer fallen“, meinte Mitch.

Dharr erhob erneut sein Glas. „Dann sind wir uns also einig?“

Sie fühlten sich wie moderne Musketiere, die einen Pakt schlossen – einer für alle, alle für einen.

Marc runzelte die Stirn. „Also, die Wette gilt.“

Mitch lächelte. Er würde sie alle schlagen, so viel war sicher. Marc war ein viel zu begeisterter Frauenheld, um sich nicht bald einfangen zu lassen. Dharr würde wahrscheinlich dem Druck seines Vaters nachgeben müssen und die Frau heiraten, die dieser für ihn ausgesucht hatte. Und er, Mitch, würde einfach weiterhin seine Unabhängigkeit und Freiheit verteidigen, so wie er es bisher getan hatte.

Und wenn er Glück hatte, ließ man ihn endlich in Frieden ein Leben führen, das er es sich wünschte, und hörte auf, ihm Beachtung zu schenken, wenn er irgendwo auftauchte.

1. KAPITEL

Neun Jahre später

Als er mit dem Selbstbewusstsein einer lebenden Legende durch die Tür kam, ließ Victoria Barnett fast den Plastikbecher mit dem billigen Wein auf ihren Schoß fallen.

Die Jeans, die sich an ganz bestimmten Stellen, die man nur schwer ignorieren konnte, das Jeanshemd, das sonnengebräunte, muskulöse Unterarme sehen ließ, und der schwarze Cowboyhut, den er sich tief in die Stirn gezogen hatte, vermittelten den Eindruck eines hart arbeitenden Mannes, der seinen Freitagabend genießen wollte – am besten in weiblicher Gesellschaft.

Aber er war kein gewöhnlicher Cowboy. Er war sozusagen der Lieblingssohn des Städtchens Quail Run und Toris Chance auf eine Gehaltserhöhung und mögliche Beförderung.

Die Reporterin in ihr reagierte mit begeisterter Erregung auf die Aussicht, die Story des Jahrzehnts zu bekommen. Die Frau in ihr jedoch reagierte mit einer ganz anderen Erregung, als er sich mit seinen stahlblauen Augen in der voll besetzten Bar umsah.

Einige Männer begrüßten ihn mit einem gelassenen „Hi, Mitch“, als wäre sein Erscheinen nichts Ungewöhnliches. Und viele der Frauen sahen ihn an, als wäre er die Antwort auf ihre wildesten Träume.

Tori konnte sich nicht vorstellen, warum ein Mann seines Kalibers die „Sadler’s Bar“ aufsuchen sollte, oder warum er in diesem öden Südstaatennest wohnte. Tori war nur hierher zurückgekommen, weil ihre beste Freundin heiratete. Sonst wäre sie nie wieder nach Quail Run gefahren, wo sie in Secondhandkleidern und in einem jämmerlichen Häuschen aufgewachsen war. Hier war sie die arme kleine Tori gewesen, deren Mutter sich nicht die Mühe gemacht hatte, ihren Daddy zu heiraten – worum dieser sie allerdings auch nicht gebeten hatte.

„Du solltest es wirklich einmal probieren, Tori.“

Tori sah Stella Moore, den Grund für ihr Hiersein, fragend an. Sie feierten heute in Stellas Jungesellinnenabschied, bevor sie am nächsten Abend Bobby Lehman heiraten würde. „Und was soll ich probieren?“

Stella deutete mit einem Nicken auf die Tanzfläche, wo ein bärtiger, bierbäuchiger DJ in einem T-Shirt mit der Aufschrift „Beiß mich!“ zum Karaoke aufforderte. „Du solltest singen.“

„Ach ja, Tori“, warf Janie Young ein, die sich aus dem hässlichen Entlein, das sie in der Schule gewesen war, zu einem ansehnlichen Schwan entwickelt hatte. Mit ihrem langen blonden Haar, den perfekt geschminkten grünen Augen, ihrer schlanken Figur und einer Körpergröße von einsachtzig schritt sie über die Laufstege von New York bis Paris und war als Model unter dem Namen Jada berühmt geworden.

„Eine von euch kann ja singen“, sagte Tori. „Ich bleibe lieber hier sitzen und trinke meinen Wein.“ Selbst wenn es ein ziemlich schlechter war.

„Los, mach schon, Tori“, drängte Stella. „Du hattest die beste Stimme im Schulchor. Lass sie uns hören.“

Tori spielte nervös mit einer Haarlocke, eine Angewohnheit aus ihrer Kindheit, wie ihre Mutter ihr gesagt hatte. Als ihre Mutter sich noch an die kleinen Dinge aus dem Leben ihrer Tochter erinnern konnte. Als sie noch da war. Tori schob die traurigen Gedanken beiseite. „Es ist lange her, seit ich in der Öffentlichkeit gesungen habe.“ Und lange, seit es für sie einen Grund gegeben hatte zu singen.

Brianne McIntyre kam von der Damentoilette zurück, die Vierte im Bunde der „Schrecklichen Vier“, wie sie sich früher genannt hatten. Die rothaarige Schönheit gehörte ebenfalls zu Töchtern der Stadt, die selten nach Hause kamen. Brianne lebte in Houston, wo sie gerade dabei war, sich ihr drittes Diplom zu erarbeiten, und gleichzeitig die Schwesternschule besuchte, da sie immer noch nicht wusste, was sie mal werden wollte, wenn sie erwachsen war.

Tori bemerkte die Blicke, die ihre Freundinnen wechselten, und runzelte misstrauisch die Stirn. „Was heckt ihr drei jetzt aus?“

Stella streichelte geistesabwesend ihren schon sichtbaren Schwangerschaftsbauch. „Gar nichts, Tori. Wir sind nur hier, um ein bisschen Spaß zu haben.“

Janie beugte sich vor und grinste. „Guckt jetzt nicht hin, Mädchen, aber Mitch Warner sitzt an einem Tisch auf der anderen Seite der Tanzfläche.“

Tori wagte nicht hinzusehen. „Ich weiß. Ich habe ihn hereinkommen sehen.“

Janie jedenfalls tat sich keinen Zwang an. „Himmel, was ich mit diesem Mann nicht alles anstellen würde, wenn ich die Chance dazu bekäme! Er ist heißer als die Straßen Oklahomas im heißesten August.“

Tori war es ebenfalls heiß, obwohl es nicht August, sondern Oktober war und die Temperatur nur bei ungefähr acht Grad lag. „Ja, er ist nicht übel.“

„Nicht übel?“ Stella riss ungläubig die braunen Augen auf. „Er ist einfach Spitze. Und Bobby hat mir erzählt, dass Mary Alice Marshall und er Schluss gemacht haben. Sie wird jetzt doch den Banker Brady heiraten.“

Brianne rümpfte die Nase. „Ich kann immer noch nicht begreifen, wieso er mit ihr zusammen war. Alle wissen doch, dass sie mit jedem Cowboy in dieser Stadt geschlafen hat, der unter dreißig ist.“

Mit allen dreien also, dachte Tori.

Stella schüttelte den Kopf, dass ihre dunklen Locken flogen, und warf Brianne einen warnenden Blick zu, der Tori nicht entging. „Das weiß keiner so genau, Brianne. Die Leute hier lassen an niemandem ein gutes Haar.“

Tori hielt das für die Untertreibung des Jahrhunderts. Diese Leute hatten genau dieselben Dinge auch über ihre Mutter gesagt, was wahrscheinlich der Grund für Stellas empörte Reaktion war.

„Soviel ich weiß, sind Mitch und sie das erste Mal im Sommer vor fünfzehn Jahren zusammen ins Bett gegangen“, vertraute Janie ihnen flüsternd an. „Und seit er wieder hier lebt, waren sie immer wieder mal zusammen.“

Tori hatte von Mitchs und Mary Alices Beziehung gewusst, als sie noch in Quail Run lebte, aber sie war zu jung gewesen, um sich etwas daraus zu machen. Mitch Warner war fünf Jahre älter als sie und für sie immer der unerreichbare, geheimnisvolle reiche Junge, der nur im Sommer in die Stadt kam. Und sie hatte ihn nur ab und zu mal gesehen, wenn er in der Limousine zur Ranch seines Großvaters mütterlicherseits gefahren war. Damals hatte Tori den Wagen sehr viel faszinierender gefunden als den Jungen.

Außerdem interessierten sich Männer wie Mitch Warner nicht für Tori Barnett, das Mädchen aus der Unterschicht. Aber statt sich dafür zu schämen, hatte Tori als Beste ihres Jahrgangs die Schule abgeschlossen, sich durch ihre Arbeit das Studium finanziert und bemühte sich jetzt darum, bei einem der wichtigsten Frauenmagazine von Dallas Fuß zu fassen.

Durch ein Interview mit dem Sohn eines Senators könnte ihre Karriere ungeahnte Höhen erreichen, und Tori würde vielleicht sogar die Rechnungen bezahlen können, die sich durch den Krankenhausaufenthalt ihrer Mutter angesammelt hatten. Aber nur, wenn Mitch Warner mitspielte.

„Hallo, bist du noch da, Victoria?“

Tori tauchte aus ihren Gedanken auf und sah Janie an. „Ich habe nur gerade an etwas gedacht.“

Brianne lächelte viel sagend. „An Mitch Warner?“

Tori versuchte, sich ihre Verlegenheit nicht anmerken zu lassen. „An meinen Job.“

Stella schlürfte nicht sehr damenhaft ihren Erdbeershake. „Versuch lieber, dich zu amüsieren, statt immer an die Arbeit zu denken. Ich tu’s auch, selbst wenn ich nichts Anständiges trinken darf.“

„Okay, ich verspreche es. Aber ich werde nicht singen.“

„Unsere erste Sängerin heute Abend ist Tori Barnett, ein Kind unserer Stadt, also heißt sie ganz besonders herzlich willkommen!“

Tori warf ihren Freundinnen einen wütenden Blick zu und rührte sich nicht, selbst als der DJ erneut ihren Namen rief.

„Los, steh schon auf, Victoria May“, drängte Janie, und mehrere Gäste begannen ihren Namen zu rufen.

Tori hatte nicht vergessen, wie man sang, also konnte sie sich der Herausforderung genauso gut stellen. Und was sollte schon geschehen?

Was geschehen konnte, wurde Tori klar, als sie die Bühne betrat, sich ans Mikrofon stellte und feststellen musste, dass sie den Text vergessen hatte.

Sie kannte den Song von Patsy Cline auswendig, aber sie brachte die Worte nicht hervor, weil Mitch Warner sie in diesem Moment mit seinen unglaublich blauen Augen fixierte und mit einem umwerfenden Lächeln bedachte.

Tori kam sich unter seinem prüfenden Blick nackt vor, und ihr wurde plötzlich ganz heiß. Als die Musik wieder einsetzte, hatte Tori nur einen Gedanken. Wenn sie nicht vor ihm singen konnte, dann würde sie auch nie den Mut aufbringen, ihn um ein Interview zu bitten. Das allein gab ihr den nötigen Ansporn, und sie schloss die Augen und begann zum ersten Mal seit Jahren wieder vor Publikum zu singen. Sie hatte vielleicht für einen Moment den Text vergessen, aber sie würde nie das aufregende Lächeln dieses Cowboys vergessen, der in Harvard studiert hatte.

Mitch Warner hatte noch nie einen Engel in Lederkluft gesehen.

Und genauso klang diese Frau namens Tori – wie ein Engel. Es war nicht ihre Stimme, die Bilder vor seinem geistigen Auge heraufbeschwor, in denen sie nackt unter ihm lag, die langen Beine um ihn geschlungen, während sie langsam, aber sicher den Gipfel der Lust erklommen. Je mehr er sie betrachtete in ihrer engen Lederhose, die jede Rundung betonte, und dem roten Rollkragenpullover, unter dem sich ihre vollen Brüste bei jedem Atemzug hoben und senkten, desto weniger konnte er die heftige Reaktion seines Körpers verhindern.

Als er in die Bar gekommen war, hatte er eigentlich nur vorgehabt, kurz seinen Vormann zu begrüßen und darauf zu achten, dass er das Ende seines Junggesellendaseins nicht allzu heftig feierte. Er machte sich nicht viel aus Partys, weil er stets voller Misstrauen war. Mitch wusste nie, wann und wo jemand von der Presse in seiner Nähe darauf lauerte, dass er etwas tat, was Schlagzeilen machen konnte. Aus diesem Grund sprach er auch nicht gern mit Fremden.

Aber heute Abend würde er vielleicht bei dieser besonderen Fremden eine Ausnahme machen. Bobby konnte sich von jemand anderem nach Hause bringen lassen, da Mitch entschlossen war, diese Frau kennenzulernen.

Er schenkte Tori seine volle Aufmerksamkeit. Und als sie mit einem süßen Lächeln das Lied beendete, das lange Haar zurückwarf und die Bühne verließ, fiel es ihm schwer, nicht sofort aufzuspringen und ihr hinterherzulaufen. Es war lange her, dass er so auf eine Frau reagiert hatte. Die Band spielte nun eine langsame Ballade und bot Mitch die Gelegenheit, mit Tori eng zu tanzen. Verdammt, er durfte überhaupt nicht daran denken, sonst müsste er den Rest des Abends auf seinem Stuhl sitzen bleiben.

Nachdem er sein Bier ausgetrunken hatte, setzte er seinen Hut auf, stand auf und bahnte sich einen Weg durch die Menge auf der Tanzfläche. Er erreichte den Tisch, an dem auch Stella, die Verlobte seines Vormanns und zwei weitere hübsche Frauen saßen, die Mitch nicht kannte und auch nicht kennenlernen wollte. Sein Interesse galt einzig und allein dem singenden Engel, der auf den Pappbecher in seiner Hand sah.

„Hi, Mitch“, begrüßte ihn Stella. „Wie läuft’s so?“

„Alles in Ordnung, Stella.“ Mitchs Blick ruhte auf Tori, die allerdings noch nicht aufgeschaut hatte. „Wir bereiten uns darauf vor, die Herde auf die Südweiden zu treiben, bevor der erste richtige Nordwind bei uns einsetzt.“

Er hatte nicht das Verlangen, ihr weitere Erklärungen zu geben. Er wollte nur den braunhaarigen Engel in die Arme nehmen, um zu sehen, ob er sich genauso gut anfühlte, wie er aussah. „Möchten Sie tanzen, Tori?“

Sie sah ihn so erschrocken an, als hätte er sie gebeten, sich nackt auszuziehen. „Meinen Sie mich?“

„Gibt es denn noch jemanden am Tisch, der Tori heißt?“

Sie zögerte unmerklich, doch schließlich stand sie auf, gab ihm aber nicht die Hand. Sie folgte ihm auf die Tanzfläche, wo Mitch ihre Hand nahm und den Arm um ihre Schultern legte. Tori steckte zwei Finger ihrer freien Hand in eine Schlaufe seines Gürtels, als hätte sie Angst, ihn richtig zu berühren. Hoffentlich würde sie sich allmählich entspannen, wenn ihr klar wurde, dass Mitch nur mit ihr tanzen wollte. Jedenfalls für den Augenblick.

Obwohl sie nicht wirklich eng miteinander tanzten, war Mitch wie elektrisiert. Tori tanzte sehr gut, und er stellte sich vor, dass sie auf vielen Gebieten sehr gut sein musste. Aber er konnte nur Vermutungen anstellen, da sie immer noch Abstand zu ihm hielt.

Sie weigerte sich auch, ihn anzusehen, bis er sagte: „Ich heiße Mitch.“

„Ich weiß, wer Sie sind.“

Verdammt! Überraschen sollte ihn das zwar nicht. Sein Ruf war ihm bis nach Oklahoma gefolgt, obwohl er in den vergangenen Jahren immer weniger Schlagzeilen gemacht hatte. Aber das konnte sich jeden Moment ändern, besonders dann, wenn die Gerüchte um den Rücktritt seines Vaters sich bewahrheiteten. Dann würden sich die Vermutungen, ob Mitch in der Politik die Zügel seines Vaters übernehmen wollte, wieder häufen. Aber eher würde Mitch sich eine Kugel durch den Kopf schießen. Die einzigen Zügel, die ihn interessierten, waren am Zaumzeug eines Pferdes befestigt.

Mitch konzentrierte sich lieber auf etwas Angenehmeres, nämlich die Frau mit den großen braunen Augen, mit der er tanzte. „Wie lange leben Sie schon in Quail Run?“

„Ich lebe nicht hier.“

Die Enttäuschung war ihm anzumerken. „Aber der Mann vorhin sagte …“

„Dass ich ein Kind der Stadt bin, ich weiß.“ Und sie klang nicht besonders erfreut darüber. „Ich bin hier aufgewachsen, aber ich bin seit fast zehn Jahren nicht mehr hier gewesen. Ich bin in Norman aufs College gegangen.“

Etwa zu der Zeit, als Mitch sein Studium in Harvard beendet hatte. „Und was führt Sie jetzt in die Stadt?“

Sie senkte den Blick. „Stellas Hochzeit. Ich bin eine ihrer Brautjungfern.“

Wenigstens hatten sie etwas gemeinsam. „Wirklich? Ich bin Bobbys Trauzeuge. Stella wollte, dass Bobby ihren Bruder wählt. Aber er hat stattdessen mich genommen.“

„Das kann man Bobby kaum übel nehmen. Wenn ich die Wahl hätte zwischen Ihnen und Clint Moore, würde ich auch keinen Moment zögern.“

„Haben Sie etwas gegen Clint?“

Sie runzelte die Stirn. „Ich habe etwas gegen Typen, die im Kino nicht die Hände bei sich behalten können.“

Mitch fragte sich, ob diese Regel auch für Männer auf der Tanzfläche galt. „Also sind Sie mal mit Clint Moore gegangen?“

„Ich würde eher sagen, ich bin ihm aus dem Weg gegangen. Ich habe die Information aus zweiter Hand, und das ist wahrscheinlich nicht sehr fair von mir. Sicherlich ist Clint trotz seiner Playboymasche ein ganz netter Kerl.“

„Sind Sie im Augenblick mit jemandem zusammen?“ Prima, Mitch, dachte er. Zurückhaltung war schon immer deine Stärke.

Sie zuckte mit den Schultern. „Ich habe keine Zeit für einen Mann.“

Das gefiel Mitch. Nichts stand ihm im Weg, wenn er sie wiedersehen wollte, zumindest solange sie noch in der Stadt war. „Was nimmt Sie denn so in Anspruch?“

„Vor allem mein Job.“

„Und was machen Sie? Singen?“

„Nein.“

„Was dann?“

Sie wandte den Blick ab und seufzte. „Ich möchte jetzt nicht über meinen Job sprechen. Außerdem würde es Sie nur langweilen.“

Er bezweifelte sehr, dass ihn irgendetwas langweilen konnte, das mit ihr zu tun hatte. „Worüber möchten Sie denn lieber sprechen?“

Sie schenkte ihm wieder ein Lächeln. „Erzählen Sie mir von sich.“

„Und was wollen Sie hören?“

„Ich möchte wissen, wie es ist, auf einer Ranch zu arbeiten.“

Wenigstens hatte sie nicht gefragt, wie es war, der Sohn eines bekannten Politikers zu sein. Mitch reichten drei Worte, um das zu beschreiben – die reinste Hölle.

Sie unterhielten sich nur etwa eine Minute, bevor der Karaokespaß wieder anfing und einigen Möchtegernsängern die Chance gab, ihre Talente zu zeigen. Mitch führte Tori zu einem Tisch am Rand der Tanzfläche, um das Gespräch mit ihr fortzusetzen.

Er erfuhr, dass Tori sehr gern ritt, und erzählte ihr von seinem preisgekrönten Wallach Ray. Sie fragte nach seinem Großvater, aber nicht nach seinem Vater, und das wusste er mehr zu schätzen, als sie ahnen konnte. Es gefiel ihm, wie sie lachte, wenn er ihr einen Witz erzählte, und wie sie mit einer Locke ihres Haars spielte, als er sich über den Verkehr und den Großstadttrubel in Dallas beschwerte. Und plötzlich wurde ihm bewusst, dass er ihr in einer halben Stunde mehr über sich erzählt hatte als anderen Leuten in seinem ganzen Leben.

Nach einer Weile setzte sich Mitch auf den Stuhl direkt neben Tori, um sie besser verstehen zu können, wie er ihr sagte, dabei war es nach dem Ende des Karaoke längst nicht mehr so laut. Er hatte keine Probleme damit, sie zu hören, aber es fiel ihm immer schwerer, die Finger von ihr zu lassen.

Als eine romantische Melodie erklang, seufzte Tori und lächelte. „Oh, wie ich dieses Lied liebe!“

Er liebte die Art, wie ihre dunklen Augen aufleuchteten vor Freude. Er stellte sich vor, wie sie genau dasselbe tun würden, wenn es um eine ganz andere, viel intimere Art von Freude ging. Und Mitch würde gern herausfinden, ob er recht hatte. „Möchten Sie tanzen?“

„Gern.“

Dieses Mal zögerte Tori nicht und gab Mitch auch ihre Hand. Er zog normalerweise etwas flottere Musik vor, aber jetzt, als Tori einen Arm um seine Taille legte und den Kopf an seine Brust lehnte, änderte er seine Meinung.

Sie konnte nicht größer als etwa einsdreiundsechzig sein, und da er einssechsundachtzig war, konnte er bequem sein Kinn auf ihren Kopf stützen. Ihr Haar duftete nach Blumen, obwohl es in der Bar ziemlich verraucht war. Als er ihren Körper so nah an sich spürte, erwachte von neuem Leidenschaft in ihm.

Er ließ die Hand von ihrem Rücken zu ihrem Po gleiten, wagte sich aber nicht weiter vor, da sie ihm ja gesagt hatte, was sie von allzu abenteuerlustigen Männern hielt. Er wollte nicht, dass sie ihn in dieselbe Kategorie einordnete wie Clint Moore. Außerdem war er kein Teenager mehr und konnte sich zusammenreißen.

Aber das blieb nur noch zwei Tänze lang so, beim dritten wurde die Atmosphäre allmählich heißer. Mitch spürte es an der Art und Weise, wie Tori sich an ihn schmiegte, und daran, dass sie sich nicht wehrte, als er ihr die Hand auf die Hüfte legte.

Schon bald tanzten sie so eng miteinander, dass sie sich an vielen Stellen berührten. Sie strichen sich langsam über den Rücken, und ihnen wurde immer heißer.

Mitch ließ Tori kurz los, um den Hut abzunehmen und sich das Hemd auszuziehen, so dass er jetzt nur ein weißes T-Shirt trug. Tori tat es ihm nach und zog ihre Lederjacke aus. Jetzt hatte sie nur noch den ärmellosen roten Pulli an, der ihre Brüste eng umschmiegte.

Sie ließen ihre Sachen auf dem Tisch liegen, und Mitch stellte sich insgeheim vor, wie er Tori von ihren übrigen Kleidungsstücken befreite und sie in sein Bett trug, wo er sie berühren und küssen konnte. Aber er hatte kein Recht, das von ihr zu verlangen, selbst wenn er sie so sehr begehrte, dass er auf der Stelle mit ihr verschwinden würde, wenn sie ihm auch nur das kleinste Zeichen dazu geben würde.

Sie tanzten weiter, meist weit entfernt von den anderen Tänzern. Mitch beugte den Kopf und berührte Toris Ohrmuschel mit der Zungenspitze. Sie reagierte mit einem leisen, zufriedenen Seufzen, das Mitchs Blut noch mehr erhitzte. Er zog sie so fest an sich, dass nicht mal ein Blatt Papier zwischen ihnen beiden Platz gehabt hätte. Falls Tori mit dem süßen Lächeln, der Engelsstimme und dem verführerischen Körper nicht gewusst hatte, welche Wirkung sie auf ihn hatte, so war es ihr jetzt klar. Seine Erregung war so heftig, dass man sie unmöglich ignorieren konnte. Er selbst konnte sie leider auch nicht ignorieren, obwohl es unter diesen Umständen das Beste wäre, wenn er es wenigstens versuchte.

Er sehr sehnte sich danach, Tori zu küssen, aber er wollte sie nicht verschrecken. Zunächst einmal würde es für ihn in seinem heiklen Zustand unglaublich peinlich werden, und zweitens wollte er den Abend nicht beenden, bevor er Tori besser kennengelernt hatte.

Vielleicht würde ja mal jemand einen schnelleren Song auflegen, damit er sich wieder in den Griff bekam. Und dann küsste Tori ihn plötzlich auf den Hals, und Mitch gab den ungleichen Kampf auf. Er tanzte mit ihr in eine dunklere Ecke, weit weg von den anderen Gästen, und schob sie an die Wand. Eine Hand über ihrem Kopf an der Wand, die andere auf ihrer Taille, gab er ihr einen Kuss auf die Stirn.

„Mitch, das ist verrückt“, flüsterte Tori atemlos.

Er verteilte zarte Küsse auf ihrem Kinn. „Ich weiß. Vollkommen verrückt.“

Sie legte den Kopf etwas zur Seite, damit Mitch ihren Hals besser erreichte. „Das sollten wir wahrscheinlich lieber nicht tun.“

Er schmiegte sich an sie, damit sie sah, dass sein Körper ganz und gar nicht ihrer Ansicht war. „Ja, wahrscheinlich.“

„Mitch“, sagte sie leise.

Er nahm ihr Gesicht zwischen beide Hände und fuhr ihr mit dem Daumen über die Unterlippe. „Ja?“

Sie schloss die Augen. „Es ist heiß hier.“

Jetzt oder nie, sagte er sich. „Möchtest du woanders hingehen?“

„Ich möchte, dass du mich küsst.“

Das brauchte sie ihm nicht zwei Mal zu sagen. Er neigte den Kopf, bis ihre Lippen nur Millimeter voneinander entfernt waren. Und da hörte er plötzlich: „Nimm die Pfoten von meiner Frau!“

Erschrocken sah Mitch sich um.

Autor

Kristi Gold
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