Liebe – stürmisch wie Herbstwind

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Erschüttert beobachtet Samantha den heißen Flirt ihres Chefs mit einer anderen. Das ist wirklich zu viel! Keinen Tag länger will sie für Blake Jarrod arbeiten, diesen selbstherrlichen, wortgewandten … und leider auch unwiderstehlichen Mann, der sie Nacht für Nacht in ihren Träumen verführt. Denn in ihr sieht er doch nur die tüchtige Assistentin – nicht die sinnliche Frau. Dass er sie dann auch noch zwingt, einen weiteren Monat zu bleiben, macht sie erst richtig wütend! Samantha ahnt nicht, warum Blake sie nicht gehen lassen will. Ob ihr sexy Boss doch mehr für sie empfindet?


  • Erscheinungstag 24.09.2024
  • Bandnummer 20
  • ISBN / Artikelnummer 9783751524292
  • Seitenanzahl 192
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

„Was machen Sie denn hier?“

Samantha Thompson fuhr erschrocken zusammen und ließ beinah den Kugelschreiber fallen. Als sie hochblickte, sah sie im Schein ihrer Schreibtischlampe den schlanken, attraktiven Mann, der an der Tür stand. „Blake! Sie haben mich vielleicht erschreckt!“ Dass es kein Fremder war, beruhigte sie, aber nur kurz. Dann fing ihr Herz wieder wie wild an zu schlagen. Denn in seinem Dinnerjackett sah Blake Jarrod einfach unverschämt gut aus. Außerdem hatte er das Auftreten eines Mannes, der es gewohnt war, Befehle zu erteilen. Das war auch kein Wunder, da ihm nicht nur etliche Hotels in Las Vegas gehörten, sondern er seit einigen Monaten auch Mitinhaber und geschäftsführender Direktor vom Jarrod Ridge, einer luxuriösen Ferienanlage in Aspen, Colorado, war, die der Familie Jarrod gehörte.

Seit zwei Jahren arbeitete Samantha nun schon als seine Assistentin. Sie war seine rechte Hand und es gewohnt, noch gegen zehn Uhr abends im Büro zu sein. Das war in Las Vegas so gewesen und hier in Aspen nicht anders, wo er das Büro seines verstorbenen Vaters in der großen Familienvilla Jarrod Manor für sich eingerichtet hatte. Weshalb wunderte er sich also, weil sie noch hier war?

Allerdings konnte er nicht wissen, dass sie diesmal einen sehr triftigen Grund hatte. Und der hatte mit ihrem Chef zu tun oder vielmehr ihrem zukünftigen Exchef.

„Es ist schon spät“, sagte er und riss sie aus den Gedanken.

Während sie ein paarmal tief durchatmete, blickte sie auf den Briefbogen, der vor ihr lag. Noch konnte sie alles ändern. Aber dann musste sie wieder an diesen Abend denken, an dem sie hatte mit ansehen müssen, wie eine blonde Schauspielerin heftig mit Blake geflirtet hatte – was er nicht nur lächelnd zur Kenntnis genommen, sondern auch erwidert hatte. Das war der berühmte Tropfen gewesen, der das Fass zum Überlaufen brachte, und Samantha hatte nun endgültig genug.

Dabei nahm sie es ihm nicht einmal übel, dass er es genoss, wenn andere Frauen ihn bewunderten. Nur wollte sie eben auch ihren Teil vom Kuchen abbekommen. Deshalb hatte sie sich an diesem Abend besonders sorgfältig zurechtgemacht. Normalerweise kleidete sie sich elegant, wenn auch eher zurückhaltend. Aber an diesem Abend hatte sie ein extravagantes bodenlanges Kleid getragen, das ihre schlanke Figur vorteilhaft zur Geltung brachte. Das lange kastanienbraune Haar, das sie normalerweise in einem festen Knoten im Nacken zusammenfasste, hatte sie locker hochgesteckt. Dennoch hatte sich ihr Wunsch, von Blake Jarrod als verführerische Frau wahrgenommen zu werden, nicht erfüllt. Er hatte sie kaum beachtet, auch wenn er höflich wie immer gewesen war.

Sachliche Freundlichkeit, mehr konnte sie nicht erwarten. Das war ihr jetzt endgültig klar geworden. Denn immer wenn er sie angesehen und sie seinen Blick mit dem schönsten Lächeln erwidert hatte, hatte er nur freundlich genickt und sich dann wieder dem blonden Superweib zugewandt. Er lehnte sie ab, er stieß sie zurück, er war an ihr als Frau nicht interessiert. Wie sehr erinnerte sie das an ihre letzte Zeit mit Carl! Das wollte sie nicht noch einmal durchmachen. Deshalb hatte sie einen Entschluss gefasst. Sie sah Blake an. „Ja, es ist spät.“ Zu spät.

Mit wenigen langen Schritten trat er auf sie zu, blieb vor dem Schreibtisch stehen und sah sie an, als ahne er etwas. „Ich dachte, Sie wollten in die Pine Lodge fahren.“

Das hatte sie auch vorgehabt. In der Pine Lodge hatte sie ein geräumiges Zimmer mit Bad, während Blake dort eine Suite bewohnte, weil er sich in der elterlichen Villa nicht wohlfühlte. „Ich hatte noch etwas zu erledigen“, erwiderte sie leise.

„So? Aber es ist Freitagabend. Die Arbeit kann ganz sicher bis morgen warten.“

Auch dann würden sie wieder im Büro sitzen, weil sich während der Woche, die Blake meist in Las Vegas verbrachte, viel ansammelte. Natürlich hatte er vor, seinen Arbeitsplatz auf Dauer nach Aspen zu verlegen, aber bis das der Fall war, mussten sie am Wochenende arbeiten. „Das hier nicht.“

Die Stirn gerunzelt, sah er sie fragend an. „Wieso? Was kann nicht warten?“

„Meine Kündigung.“

Schockiert starrte er sie an. Doch schon einen kurzen Augenblick später hatte er sich gefangen. „Was soll das? Wovon reden Sie?“ Er klang gleichmütig und sehr kontrolliert. Warum verlor er nur die Fassung?

„Es wird Zeit, dass ich mich mal nach etwas anderem umsehe, Blake.“

„Warum denn das?“

Bei seinem scharfen Ton zuckte sie kurz zusammen. „Nur so. Es muss einfach sein.“

Während er sich auf der Schreibtischkante abstützte, sah er Samantha forschend an. „Was ist denn los? Es muss doch einen Grund geben, dass Sie Ihren Job so plötzlich aufgeben wollen.“

Bei geschäftlichen Auseinandersetzungen hatte sie ihm hin und wieder durchaus Kontra gegeben, aber dies hier war eine private Sache. Deshalb schob sie nur langsam den Schreibtischsessel zurück, erhob sich und trat ans Fenster. Auch mit den High Heels, die sie trug, war sie noch knapp zehn Zentimeter kleiner als Blake. Was sich ihren Augen in dieser milden Oktobernacht darbot, war einfach bezaubernd. Die große Parkanlage mit ihren kleinen und großen Lodges, den verwinkelten Wegen und kleinen Plätzen wirkte wie ein Städtchen aus dem Märchenland. Für jemanden wie Samantha, die aus Südkalifornien kam und jetzt in Las Vegas wohnte, war der Anblick einfach herzerwärmend.

„Ich muss gehen“, sagte sie nur, ohne sich genauer zu erklären.

„Fühlen Sie sich hier denn nicht wohl?“

„Doch!“ Das kam so spontan und widersprach so sehr ihrer bisherigen Haltung, dass sie sich fragte, was er wohl davon hielt. Ihr fiel es sogar selbst schwer, ihre Gefühle zu deuten. Seit Blakes Schwester Melissa wenige Wochen zuvor verkündet hatte, dass sie schwanger sei, fühlte Samantha sich, als wäre sie in ein tiefes schwarzes Loch gefallen. Anfangs hatte sie selbst nicht gewusst, warum, denn sie freute sich aufrichtig für Melissa. Doch dann war ihr bewusst geworden, was in ihrem Leben alles fehlte.

Langsam richtete Blake sich auf. „Was ist denn dann das Problem?“

Du. Ich will nicht, dass du mich wie Luft behandelst. Ich will dich. Aber wie sollte sie das einem Mann klarmachen, der sie nicht einmal als Frau wahrnahm? Sie war seine Assistentin, auf die er sich hundertprozentig verließ. Das war aber auch alles. Vielleicht war sie daran nicht ganz unschuldig. Denn sie hatte selbst dafür gesorgt, dass ihre Beziehung rein beruflich blieb. Vielleicht hätte sie hin und wieder zeigen sollen, dass sie eine Frau war und sehr weibliche Instinkte hatte. Vielleicht hätte sie dann jetzt nicht in diesem Dilemma gesteckt.

Allerdings war sie nicht in ihn verliebt, nein, das nicht. Sie fühlte sich nur sehr zu ihm hingezogen, denn er war ein attraktiver Mann mit einer bezwingenden Ausstrahlung, dem die Frauen reihenweise verfielen, wenn er es darauf anlegte. Sie wollte, dass er sie begehrte. Sie wollte in seinen Armen liegen und mit ihm schlafen.

Schmerzhaft wurde ihr wieder bewusst, dass er sie nie als Frau betrachtet hatte. Bis zu diesem Tag hatte sie immer noch ein Fünkchen Hoffnung gehabt. Aber nachdem er sie auch am Abend so gut wie nicht beachtet hatte, war ihr klar geworden, dass sie etwas in ihrem Leben ändern musste. Denn wenn er herausbekam, was sie für ihn empfand, wäre die Situation für sie beide mehr als peinlich. Unter diesen Bedingungen konnte sie nicht mehr mit ihm zusammenarbeiten. Eine weitere Demütigung wie damals mit Carl könnte sie nicht ertragen.

„Samantha?“

Sie fuhr herum. Blake stand direkt vor ihr. Schnell trat sie einen Schritt zurück. „Warum sagen Sie eigentlich immer Samantha zu mir?“, stieß sie überrascht hervor. „Andere nennen mich doch auch Sam. Aber Sie nie.“

„Was soll das? Was hat das mit Ihrer Kündigung zu tun?“

Alles. Wie gern wäre sie für ihn hin und wieder mal Sam. Sam, die Frau, die nach einer sehr geregelten Kindheit in Pasadena, einem Vorort von Los Angeles, ihr Zuhause verlassen hatte und in das verrückte Las Vegas gezogen war, um eine enttäuschende Liebesbeziehung zu beenden. Danach hatte sie sich geschworen, sich nie wieder zu verlieben, sondern in Zukunft nur Affären mit aufregenden Männern zu haben. Doch Blake, ihr erstes Opfer sozusagen, sprang nicht auf sie an. Obwohl sie eben nicht nur die perfekte Assistentin sein wollte, die alles für ihn regelte. Aber sie hatte es ihm zu leicht gemacht, und jetzt war es zu spät. So wie sie sich ihm gegenüber verhalten hatte, hatte er nicht auf die Idee kommen können, dass sie an ihm interessiert war.

„Nun?“, fragte er ungeduldig.

„Ich habe meine Gründe, zu kündigen. Und ich denke, mehr müssen Sie nicht wissen.“

Doch er ließ nicht locker. „Hat jemand Sie schlecht behandelt? Vielleicht jemand aus meiner Familie? Sagen Sie es mir. Ich regle das.“

„Nein, nein, Ihre Familie war immer sehr nett zu mir. Es ist …“ Sie hielt inne. Warum hatte sie sich bloß keine plausible Erklärung zurechtgelegt? Dass sie noch an diesem Abend die Kündigung tippen wollte, war sehr spontan gewesen. Außerdem hatte sie nicht damit gerechnet, dass Blake noch einmal ins Büro kommen würde. Sie war sicher gewesen, dass er mit dem blonden Superweib noch die Nachtclubs unsicher machen würde. „Ich möchte einfach ein bisschen mehr von meinem Leben. Das hat nichts mit Ihnen oder Ihrer Familie zu tun. Hier geht es nur um mich.“

Verblüfft hob er die dunklen Augenbrauen. „Sie wollen mehr, als immer erster Klasse zu reisen und an einem Luxusort zu wohnen?“

„Ja. Vielleicht gehe ich für eine gewisse Zeit wieder nach Los Angeles, bis ich weiß, was ich wirklich will.“

„Und Sie meinen, das wird Sie mehr befriedigen? Hatten Sie nicht mal gesagt, dass Sie von zu Hause weggegangen sind, um ein spannenderes Leben zu führen?“

Ja, das hatte sie gesagt, und so war es auch gewesen. Denn sie hatte es sattgehabt, dieses Leben mit den Klavierstunden und den ewigen Shopping-Touren mit den Freundinnen. Dann hatte sie Carl kennengelernt, einen jungen Architekten, in den sie sich heftig verliebt hatte. Doch als sie ihm ihre Liebe gestanden hatte, hatte er sie Hals über Kopf verlassen, und sie hatte beschlossen, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen. Der Job bei Blake Jarrod war da genau das Richtige gewesen – solange sie sich nicht gefühlsmäßig engagiert hatte. Und das war jetzt anders, auch wenn sie nicht in ihn verliebt war, sondern ihn nur begehrte.

„Was ist los?“, fing er wieder an. „Sie schienen doch sehr damit einverstanden zu sein, nach Aspen zu ziehen.“

„Ja, das war ich auch … Bin ich auch. Ich meine …“ Mist, wie sollte sie ihm das nur erklären? Als Blake ihr gesagt hatte, dass er wieder in seine Heimatstadt Aspen zurückkehren würde, war sie von dem Angebot mitzukommen sehr angetan gewesen. Das Testament seines verstorbenen Vaters sah vor, dass alle Kinder mindestens ein Jahr in Aspen lebten, sofern sie ihr Erbe nicht verlieren wollten. Da Blake der Älteste war, wenn auch nur wenige Minuten älter als sein Bruder Guy, hatte er den Posten als geschäftsführender Direktor des Resorts übernommen.

Samantha hatte sich auf das Leben in Aspen gefreut, und sie hatte es in den letzten vier Monaten auch bereitwillig hingenommen, dass sie gemeinsam mit Blake immer wieder zwischen Las Vegas und Aspen pendeln musste. Denn er wollte seine Hotels in Las Vegas behalten, letzten Endes aber seinen Hauptwohnsitz in Aspen haben. Mit dieser Entscheidung war sie sehr glücklich gewesen. Bis zu diesem Abend.

„Meine Familie und meine Freunde leben in Pasadena“, sagte Samantha schließlich zögernd. „Sie fehlen mir.“

„Ich wusste nicht, dass Sie überhaupt Freunde haben“, gab er trocken zurück.

Frechheit. „Vielen Dank!“

„Sie wissen schon, wie ich das meine.“ Jetzt wirkte er ungeduldig. „Sie sind doch ständig mit mir zusammen. Ihr Leben besteht aus Reisen und Arbeiten. Höchstens zu den Feiertagen fliegen Sie mal nach Hause. Bisher schienen Ihnen Ihre Freunde nicht sehr wichtig zu sein.“

„Das hat sich offensichtlich geändert.“ Glücklicherweise war Carl nie nach Los Angeles zurückgekehrt. Wie sie gehört hatte, hatte er inzwischen eine Engländerin geheiratet. Das hatte sie nicht mehr weiter berührt, denn inzwischen hatte sie festgestellt, dass sie ihn eigentlich gar nicht richtig geliebt hatte. Ihr hatte wohl mehr die Vorstellung gefallen, in einen Mann verliebt zu sein, der große Dinge vorhatte, mit dem sie die Welt kennenlernen würde. Dennoch fragte Samantha sich allmählich, was mit ihr los war. Warum begehrte sie immer Männer, die ihr Interesse ganz offensichtlich nicht erwiderten?

„Was haben Sie denn vor?“, erkundigte sich Blake.

„Das weiß ich noch nicht genau. Irgendetwas wird mir schon einfallen. Vielleicht kann mir auch einer meiner, wie Sie meinen, wenigen Freunde zu einem Job verhelfen.“ Samantha wusste nur eins: Sie konnte und würde nicht länger für Blake arbeiten, weder in Aspen noch in Las Vegas. Sie musste einen glatten Schnitt machen.

Er musterte sie lauernd. „Sie verschweigen mir doch etwas. Was steckt wirklich hinter Ihrem Entschluss?“

„Nichts Besonderes. Nur dass ich auch noch ein Leben habe, das mit Ihnen und Aspen nichts zu tun hat. Selbst wenn Sie sich das kaum vorstellen können.“ Sie spürte, wie ihr die Tränen in die Augen stiegen, wandte sich schnell ab und griff nach dem Briefbogen. „Deshalb wäre ich Ihnen dankbar, wenn Sie meine Kündigung akzeptierten.“ Sie trat auf ihn zu und hielt ihm das Schreiben hin. „Ich würde das Jarrod Ridge gern so schnell wie möglich verlassen. Am liebsten morgen schon.“

Er schob die Hände in die Hosentaschen und sah Samantha unverwandt an. „Nein.“

„Nein? Was soll das heißen?“

„Ganz einfach. Ich kann Ihre Kündigung nicht akzeptieren, und schon gar nicht so kurzfristig. Ich brauche Sie.“

Bei diesen Worten wurde ihr ganz heiß, bis ihr einfiel, wie er es meinte. Und sofort hatte Samantha wieder die Blondine vor Augen und den Blick, mit dem Blake die Schauspielerin gemustert hatte. Nein, sie konnte nicht bleiben und so tun, als würde ihr das nichts ausmachen. Wieder streckte sie ihm das Kündigungsschreiben entgegen. „Ich kann wirklich nicht bleiben, Blake. Ich muss Aspen verlassen.“

Sofort.

Immer noch ignorierte er den Briefbogen. „Ich bin hier neu in meinem Job als geschäftsführender Direktor, Samantha. Finden Sie es nicht ausgesprochen unfair, mich in dieser Situation alleinzulassen?“

Stimmt, daran hatte sie auch schon gedacht. Aber hier ging es um ihre Psyche, um ihr emotionales Gleichgewicht. „Ich weiß, es ist nicht ganz einfach für Sie. Aber ich bin sicher, Sie werden einen passenden Ersatz finden. Es gibt sehr gute Vermittlungsagenturen. Darum kann ich mich vielleicht auch noch kümmern. Es gibt bestimmt jemanden, der sehr gern hier arbeiten würde. Vielleicht ergibt sich schon am Montag etwas.“

„Nein.“

„Ich fürchte, Sie haben keine andere Wahl.“

„So, meinen Sie? Haben Sie vergessen, dass Sie einen Monat Kündigungsfrist haben?“

Ihr stockte kurz der Atem. Dann sah sie Blake empört an. „Darauf werden Sie doch hoffentlich nicht bestehen! Zwei Jahre habe ich rund um die Uhr für Sie gearbeitet, und das nicht schlecht, wie Sie zugeben müssen. Ich finde, da sind Sie es mir schuldig, nun auch mal auf meine Wünsche einzugehen.“

Doch er blieb hart. „Wenn Sie darauf bestehen und damit vertragsbrüchig werden, sehen wir uns vor Gericht wieder.“ Nach einer kurzen Pause fuhr er fort: „Das würde sich auf Ihren Bewerbungsunterlagen nicht besonders gut machen.“

„Das würden Sie doch nicht tun!“

„Aber ja. Hier geht es ums Geschäft. Nehmen Sie es nicht persönlich.“

Eben. Genau das war es. Nie ging es um sie persönlich, immer nur ums Geschäft. Vor Wut zitterte ihr die Hand, als sie den Briefbogen zweimal faltete und dann Blake in die Jacketttasche steckte. „Okay. Sie kriegen Ihren Monat. Zwei Wochen hier und zwei Wochen in Las Vegas, um da das Büro aufzulösen. Danach fliege ich zurück nach Los Angeles.“

Als sie an ihm vorbeigehen wollte, packte er sie beim Arm. Mit einer raschen Bewegung drehte er sie zu sich um und sah ihr in die Augen. Zum ersten Mal hatte er sie bewusst berührt, und sie bemerkte, dass er für einen kurzen Moment die Augen aufriss und dann ihren Arm ganz plötzlich wieder losließ. Sekundenbruchteile später hatte er sich wieder gefangen. „Ich erreiche immer, was ich will, Samantha. Das sollten Sie sich merken.“

„Und es gibt immer die Ausnahme von der Regel, Mr. Jarrod. Damit werden Sie sich abfinden müssen.“

Samantha fühlte sich immer noch zittrig, als sie den Wagen vor der Pine Lodge parkte und ins Haus ging. Einerseits war sie wütend, weil Blake auf der Kündigungsfrist bestanden hatte. Andererseits musste sie immer an seine Reaktion denken, als er ihr in die Augen gesehen hatte. Aber vielleicht deutete sie seinen überraschten Blick falsch.

Bei der Vorstellung, er könne sie das erste Mal als Frau wahrgenommen haben, schlug ihr Herz schneller. In diesem Bruchteil einer Sekunde war ihr klar geworden, was es bedeuten würde, wenn dieser Mann sie begehrte. Ob er darauf zurückkommen würde? Gemessen daran, wie schnell er ihren Arm losgelassen hatte … Nein, er würde ihr auch während des nächsten Monats nur als untadeliger Chef gegenübertreten, auch wenn er vielleicht etwas anderes wollte.

Und das war der Unterschied zwischen ihm und Carl. Carl hatte sie eigentlich nicht begehrt. Und außer ein paar Küssen war nichts passiert.

Blake war anders. Sein Blick hatte ihr gezeigt, dass er sie begehren könnte. Sollte sie ihn ermutigen? Was hatte sie zu verlieren? Wenn sie nach Hause zurückkehrte, ohne mit ihm im Bett gewesen zu sein, würde sie immer daran denken, wie es hätte sein können. Wie er wohl küsste? Wie es sich wohl anfühlte, in seinen Armen zu liegen und ihn tief in sich zu spüren?

Aber wie könnte sie seine Aufmerksamkeit auf sich lenken? Bisher hatte sie keinen Erfolg gehabt. Sie hatte sich verführerisch zurechtgemacht und sogar versucht, mit ihm zu flirten. Er hatte sie nicht beachtet. Stattdessen hatte er den Blick nicht von dieser blonden Schauspielerin wenden können, was Samantha schrecklich genervt hatte.

Plötzlich kam ihr ein Gedanke. Wieso hatte sie nur früher nicht daran gedacht? Wenn er mit ihr nicht flirten wollte, dann musste sie ihn vielleicht auf eine andere Art und Weise auf sich aufmerksam machen. Sie musste ihre Rolle so spielen, dass er eifersüchtig wurde. Denn er gehörte ganz sicher zu den Männern, die die Herausforderung liebten. Wenn es ihm zu leicht gemacht wurde, verlor er das Interesse.

Also musste sie ihm zeigen, dass andere Männer sie begehrten. In der vergangenen Woche hatten zwei gut aussehende Männer sie zum Essen eingeladen, und sie hatte beide Male abgelehnt, weil sie nur an Blake interessiert war. Das war jetzt nicht anders, aber das brauchte er ja nicht zu wissen.

In Zukunft würde sie diese Einladungen nicht mehr ausschlagen, sondern so oft wie möglich ausgehen. Zwar hatte sie nicht die Absicht, mit ihren Verehrern etwas anzufangen, aber sie würde nicht länger nur auf der Bettkante sitzen und über Blake Jarrod grübeln. Sam Thompson würde endlich aus ihrem Schneckenhaus herauskommen.

Nachdem Samantha die Bürotür hinter sich zugezogen hatte, stand Blake noch minutenlang da und dachte über das nach, was gerade passiert war. Dabei ging es nicht so sehr um die Tatsache, dass sie gekündigt hatte. Nein, vielmehr beunruhigte ihn, was in ihm vorgegangen war. Als er ihren Arm berührt hatte, hatte er sich nur mit Mühe davon zurückhalten können, sie in die Arme zu ziehen und zu küssen. Ja, am liebsten hätte er sich mit ihr auf den Teppich sinken lassen und sie an Ort und Stelle vernascht. Dass sie genau gemerkt hatte, was in ihm vorging, hatte sie nicht verbergen können, und das hatte ihn noch mehr erregt. Denn sie hatte ihn nicht ermutigt weiterzumachen, und das war er nicht gewohnt. Normalerweise hielten die Frauen sich nicht zurück, sondern flehten ihn geradezu an, sie zu nehmen.

Warum nicht Samantha? Vielleicht wusste sie nicht, wie man einen Mann verführte. In den zwei Jahren, die sie jetzt für ihn arbeitete, war sie sehr selten ausgegangen. Zwar war sie eine sehr attraktive Frau, die auch bei geschäftlichen Einladungen, zu denen er sie mitnahm, ihre Aufgabe äußerst charmant erfüllte. Aber es schien keinen Mann in ihrem Leben zu geben, der ihr etwas bedeutete. Im Grunde sollte ihn das nicht wundern, denn er deckte sie so sehr mit Arbeit ein, dass sie kaum Zeit für ein Privatleben hatte. Und dennoch fragte er sich, ob sie vielleicht schlechte Erfahrungen gemacht hatte und deshalb kein sonderliches Interesse an Männern zeigte.

Aber das ist jetzt auch ganz egal, sagte er sich, während er ans Fenster trat und beobachtete, wie Samantha in ihr Auto stieg und davonfuhr. Erst als der Wagen hinter den Bäumen verschwunden war, ließ Blake seinen Gefühlen freien Lauf.

Verdammt, wie konnte sie ihm das antun? Ihn brachte normalerweise nichts so leicht aus der Fassung, aber sie hatte gerade eben eine Bombe hochgehen lassen. Wie konnte sie nur auf den Gedanken kommen, ihn in dieser Situation im Stich zu lassen? Sie war seine rechte Hand, seine verlässliche Assistentin, die dafür verantwortlich war, dass alles reibungslos lief. Ohne sie war er aufgeschmissen, vor allem hier in Aspen, wo er erst einmal Fuß fassen musste. Außerdem schmiedeten sein Bruder Gavin und er bereits große Pläne, das Jarrod Ridge zu erweitern. Und die konnte er ohne Samantha nicht umsetzen.

Warum wollte sie ihn gerade dann verlassen, wenn er sie am nötigsten brauchte? Das hätte er ihr nicht zugetraut, und ihre Haltung enttäuschte ihn. Außerdem war ihre Erklärung, sie wolle nach Hause zurückkehren, nicht besonders überzeugend. Sie gehörte genauso wenig wie er zu den Menschen, die sich das Leben von Gefühlen diktieren ließen. Genau das hatte ihm von Anfang an so gut an ihr gefallen. Hinter ihrem Entschluss musste irgendetwas anderes stecken. Blake war sicher, dass sie ihm nicht die Wahrheit gesagt hatte.

Das bestätigte nur wieder seinen Grundsatz: Man konnte keinem Menschen trauen. Gerade hatte man sich mit jemandem wohlgefühlt, schon wurde man von ihm verlassen. Das hatte er bereits als Sechsjähriger erleben müssen, als seine Mutter gestorben war. Daraufhin hatte sich auch der Vater von seinen Kindern zurückgezogen, sodass Blake den Eindruck haben musste, mit dem Tod der Mutter auch den Vater verloren zu haben. Er hatte sehr darunter gelitten und nur einen Schluss daraus ziehen können, nämlich den, sich nie mehr gefühlsmäßig an einen Menschen zu binden.

Zugegeben, ihr Vater hatte darauf geachtet, dass alle fünf Kinder eine gute Ausbildung genossen, aber was hatte er davon gehabt? Vier waren so bald wie möglich aus Aspen weggezogen und hatten sich selbstständig gemacht. Guy besaß ein berühmtes französisches Restaurant in New York, Gavin war ein erfolgreicher Bauunternehmer, und Melissa war nach Los Angeles gegangen und hatte ein Yoga- und Massageinstitut eröffnet. Lediglich Trevor war in Aspen geblieben. Aber auch er hatte vom Jarrod Ridge nichts wissen wollen, sondern seine Marketingfirma aufgebaut.

In den letzten zehn Jahren hatte Blake seine vier Geschwister fast aus den Augen verloren. Dennoch war er immer bereit gewesen, sie zu unterstützen, falls sie Hilfe gebraucht hätten. Das galt auch für seine Halbschwester Erica, von der sie erst bei der Testamentseröffnung erfahren hatten, auch wenn er ihr gegenüber immer noch misstrauisch war. Und nun war er derjenige, der die Hilfe der Geschwister brauchte. Wenn er das Unternehmen auch ohne Samanthas tatkräftige Unterstützung erfolgreich weiterführen wollte, ging es nicht anders. 

Dieser Gedanke behagte ihm ganz und gar nicht. Er war sehr ungern von anderen Menschen abhängig und hatte immer geglaubt, er könnte sich wenigstens auf Samantha verlassen. Offensichtlich hatte er sich getäuscht.

Rastlos ging er hin und her und blieb dann wieder vor dem Fenster stehen. Trotz der schlechten Beziehung zu seinem Vater war das Jarrod Ridge immer sein Zuhause gewesen. Und jetzt war er für das Luxusresort verantwortlich. Eli Jarrod, einer seiner Vorfahren, hatte 1879 mit einer Silbermine viel Geld verdient und sich Jarrod Manor gebaut, eines der größten Häuser in Colorado. Als die Minen ausgebeutet waren, hatte Eli den touristischen Wert dieser Umgebung erkannt und das Haus zu einem Hotel erweitert. Nach dem Zweiten Weltkrieg war Skilaufen modern geworden, und das Jarrod Ridge war zu einer der berühmtesten Wintersportanlagen geworden. Seitdem war es immer bergauf gegangen. Die Geschäfte eines so traditionsreichen Unternehmens zu führen machte Blake stolz, stellte aber auch eine enorme Verantwortung dar.

Deshalb konnte er Samantha keinesfalls gehen lassen, nicht in einer Situation, in der er sie besonders brauchte. Und das würde auch in einem Monat nicht anders sein. Denn sie war die beste Assistentin, die er je gehabt hatte. Sie kannte sich aus, wusste im Voraus, was zu tun war, und war einfach unersetzlich. Er musste sie halten, musste sich etwas einfallen lassen, wie er sie daran hindern konnte, von ihm fortzugehen. Ein Monat als Übergangszeit war viel zu kurz.

Seufzend ließ er sich in den schweren Ledersessel fallen und zog das Kündigungsschreiben aus der Tasche. Der Text war sachlich und ließ keinerlei Rückschlüsse darauf zu, was sie zu diesem Schritt bewogen hatte. Das hätte ihn allerdings auch gewundert. Langsam lehnte er sich zurück und schloss die Augen. Warum hatte sie das getan? Er hatte geglaubt, sie gut zu kennen, und nun musste er feststellen, dass er keine Ahnung hatte, was in ihr vorging. Nervös spielte er mit dem metallenen Brieföffner, der in seiner Hand schnell warm wurde.

Plötzlich richtete er sich auf. Hatte nicht auch die Fassade seiner ach so sachlichen und kühlen Assistentin kurz gewackelt, als er sie am Arm berührt hatte? Nein, das hatte er sich nicht eingebildet, er hatte es deutlich in ihren Augen gelesen. Vielleicht würde sie wieder so reagieren, wenn er sich ihr näherte? Auch wenn ihr nicht bewusst war, was sie empfand und was sie wollte, er kannte sich mit Frauen aus. Sie hatte auf seine Berührung unmissverständlich reagiert. Sie begehrte ihn.

Autor

Maxine Sullivan
Ihre Mutter war eine begeisterte Liebesromanleserin. Und deswegen verdankt sie es ihr, dass sie selbst auch vernarrt in das Genre ist. Für sie war es daher nur natürlich, als sie sich entschloss, selbst Liebesgeschichten zu schreiben. Für die Autorin bieten Liebesromane so wundervolle Bestätigungen über Liebe und Beziehungen, dass sie...
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