Liebe war nicht vorgesehen

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Zwischen der Anästhesistin Allegra und dem neuen Chefarzt Joel Addison fliegen die Fetzen: Er wirft ihr unprofessionelles Verhalten vor, was sie empört von sich weist! Bis Joel sie aus heiterem Himmel in die Arme zieht und küsst. Ungefragt – aber trotzdem wunderschön …


  • Erscheinungstag 03.09.2021
  • Bandnummer 5
  • ISBN / Artikelnummer 9783751506144
  • Seitenanzahl 128
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

„Was heißt das – ich soll meine Arbeit an dem Komapatienten-Projekt einstellen?“, fragte Allegra Tallis die Krankenschwester, die auf der Intensivstation Dienst tat. „Das ist doch nicht zu fassen! Der Klinikdirektor hat mir seine volle Unterstützung zugesagt. Ich habe die Zustimmung der Ethik-Kommission, und das nötige Geld ist auch vorhanden.“

Louise Banning sah sie mitfühlend an. „Das weiß ich doch alles, aber Dr. Addison ist nun mal der neue Leiter der Intensivstation und der Notaufnahme, und was er sagt, gilt.“

„Das werden wir ja sehen“, sagte Allegra aufgebracht. „Ich werde doch nicht monatelange Forschungen in den Wind schreiben, nur weil der Neue glaubt, alles anders machen zu müssen. Wofür hält er sich denn? Gut, er ist der neue Stationsleiter, aber wenn er glaubt, er könnte mir vorschreiben …“

„Dr. Tallis?“ Eine tiefe männliche Stimme drang an ihr Ohr. „Wir hatten noch keine Gelegenheit, uns kennenzulernen, seitdem ich hier bin. Ich würde gern in meinem Büro mit Ihnen sprechen, und zwar sofort, wenn Sie nichts dagegen haben.“

Allegra fuhr herum. Hinter ihr stand ein hochgewachsener, dunkelhaariger Mann von etwa Mitte dreißig, der sie um einen Kopf überragte. Bei dem durchdringenden Blick seiner braunen Augen musste sie unwillkürlich schlucken. „Oh, Dr. Addison … Ich bin gerade mit einer Patientin beschäftigt“, antwortete sie.

Spöttisch zog er eine Augenbraue hoch. „Ist Schwester Louise Ihre Patientin?“

Allegra presste die Lippen zusammen. „Natürlich nicht. Ich meine auf der Station. In den nächsten fünf Minuten bin ich bei Ihnen.“

„In vier Minuten“, korrigierte er. „Ich habe heute Morgen einen sehr engen Terminplan.“ Noch während er redete, drehte er sich um, und mit dem gestärkten Ärmel seines weißen Kittels berührte er ihren Arm.

Vielsagend verdrehte Louise die Augen, als er verschwunden war. „Nicht gerade ein guter Anfang, würde ich sagen.“

„Nein.“ Allegra verzog den Mund. „Und letzte Woche bei seiner Begrüßungsparty hatte ich Nachtdienst. Da konnte ich nicht kommen. Meine Güte, was für ein aufgeblasener Affe.“

„Aber ein recht gut aussehender Affe, oder?“

Sie schnaubte verächtlich. „Wenn man auf große, dunkelhaarige und launische Typen steht. Ich finde immer noch, dass Dougal Brenton die Stelle verdient hätte. Er arbeitet schon seit Jahren am Melbourne Memorial-Krankenhaus. Stattdessen holen sie jemanden her, nur weil er auf der anderen Seite der Welt in einem Kriegsgebiet gearbeitet hat.“

Louise warf einen Blick auf ihre Uhr. „Wenn Sie nicht pünktlich sind, wird das hier möglicherweise zum Kriegsgebiet“, warnte sie. „Ich bleibe solange hier.“

„Danke. Es wird nicht lange dauern.“

Dr. Joel Addisons Büro lag an zentraler Stelle der Notaufnahme-Station, die erst kürzlich eröffnet worden war und mehrere Millionen gekostet hatte. Es war die modernste medizinische Einrichtung in Melbourne – und die größte im ganzen Land. Sie umfasste sechsundzwanzig Betten, eine Spezialabteilung für Brandopfer und zwei komplett ausgestattete Operationssäle. Die medizinische Versorgung, die hier geboten wurde, war auf dem ganzen Kontinent konkurrenzlos.

Allegra klopfte kurz und heftig an die Tür des Stationsleiters und wartete auf die Aufforderung, einzutreten. Sie war genauso harsch wie ihr Klopfen.

Joel Addison saß hinter seinem Schreibtisch, auf dem sich Akten und Papiere stapelten. Als sie eintrat, stand er auf. In seinem kleinen Büro wirkte er mit seiner Größe noch einschüchternder. Über seinem Schreibtisch streckte er ihr die Hand entgegen. „Wir sind uns noch gar nicht offiziell vorgestellt worden. Ich bin Joel Addison, der neue Leiter der Intensivstation und der Notaufnahme.“

Allegra ergriff kurz seine Hand und wich dem Blick seiner dunkelbraunen Augen aus. „Allegra Tallis.“

„Setzen Sie sich doch, Dr. Tallis.“ Er wartete, bis sie Platz genommen hatte, ehe er sich wieder hinsetzte. „Sie sind also die Anästhesistin.“

„Ja. Im Zuge des Rotationssystems bin ich für ein Jahr der Intensivstation zugeteilt worden“, antwortete sie, wobei sie sich bemühte, nicht wie ein Schulmädchen zu wirken, das zum Direktor bestellt worden war. Plötzlich wurde ihr Mund ganz trocken. Gern hätte sie die Lippen mit der Zunge befeuchtet, aber unter den wachsamen Blicken ihres Gegenübers traute sie es sich nicht.

Ein kurzes, lastendes Schweigen entstand. Allegra spürte jede Sekunde, während sie überlegte, worüber er wohl gerade nachdachte. Er war wirklich sehr attraktiv. Leider hatte sie keine Zeit mehr gehabt, Lippenstift aufzulegen oder ihr Haar zu ordnen. Wie sahen wohl ihre Augen nach einer Woche Nachdienst aus? Als sie am Morgen aus dem Bett gekrochen war, hatte sie sie kaum aufgekriegt, und kein Make-up der Welt hätte die dunklen Ringe überdecken können.

Vorhin im Korridor hatte sie keine Zeit gehabt, sein Gesicht genauer zu betrachten. Nun sah sie, wie fein geschnitten seine Züge und wie glatt rasiert seine Wangen waren. Der Hautfarbe nach zu urteilen schien er viel Zeit im Freien zu verbringen. Sein dunkles, dichtes Haar war leicht gewellt, und offenbar benutzte er nur seine langen Finger als Kamm. In seinen dunkelbraunen Augen waren die Pupillen kaum zu erkennen.

„Ich habe viel Interessantes über Sie gehört, Dr. Tallis“, unterbrach er die Stille.

„Ach ja?“

Er lehnte sich zurück und musterte sie eindringlich.

Allegra fand sein Verhalten sehr überheblich.

„Ja.“

Sie hielt seinem Blick stand, ohne mit der Wimper zu zucken. „Und?“

„Ich bin etwas besorgt wegen Ihres Forschungsprojekts, weil ich nicht genau weiß, wie ich es rechtfertigen soll. Verraten Sie mir doch seinen wissenschaftlichen Wert. Meiner Meinung nach wäre es an einem medizinischen Labor besser aufgehoben als in einer Notaufnahme.“

Allegra straffte den Rücken. Seine herablassende Art ließ ihre grünen Augen vor Wut blitzen. „Die Ethik-Kommission unterstützt mein Komapatienten-Projekt voll und ganz“, klärte sie ihn auf. „Und ich bekomme Fördergelder vom Krankenhaus.“

„Die Ethik-Kommission ist für mich kein Maßstab, Dr. Tallis. Nur der wissenschaftliche Nutzen zählt. Und die Geldgeber haben sich meiner Meinung nach eher von anderen Faktoren als der wissenschaftlichen Stichhaltigkeit leiten lassen.“

Allegra hatte Mühe, ihre aufkommende Wut zu zügeln. Sein spöttisches Lächeln machte sie rasend. Auch andere Menschen standen ihrem Projekt skeptisch gegenüber, aber Dr. Addison schien von vornherein nichts davon zu halten. Einmal mehr wünschte sie sich, dass Dougal Brenton die Stelle des neuen Direktors bekommen hätte. „Wenn Sie den Antrag gelesen hätten …“

„Das habe ich getan. Mehrfach sogar. Wie lange sind Sie schon im Melbourne Memorial?“, wollte er wissen.

„Ich habe hier meine Ausbildung gemacht.“

„Sie haben nirgendwo anders gearbeitet?“

Erstaunlich, dass diejenigen Kollegen mit Auslandserfahrung immer auf jene herabsehen, die nie weg waren, überlegte Allegra verärgert. „Nein, dieses Privileg hatte ich leider noch nicht.“ Die Ironie war nicht zu überhören.

Ohne auf ihre Antwort einzugehen, fragte er: „Worum geht es bei diesem Projekt – in einem Satz?“

Allegra bemühte sich, locker zu bleiben. „Ich erforsche die unterschiedlichen Möglichkeiten des direkten Körperkontakts zur Behandlung von Komapatienten …“

„Direkter Körperkontakt …“ Fragend hob er eine Augenbraue. „Zum Beispiel?“

Sie holte Luft und wappnete sich gegen seine Reaktion – eine Reaktion, die sie schon zu oft erlebt hatte, um noch zu glauben, dass sie diesmal anders sein könnte. „Reiki-, Musik- oder Aroma-Therapie und Massagen.“

„So, so.“ Das Leder seines Stuhls knarrte, als er sich spöttisch zurücklehnte. „Wenn ich also Verspannungen in den Schultern spüre, sollte ich sofort auf die Intensivstation, so tun, als ob ich ins Koma falle, um in eines der unglaublich teuren Betten gelegt zu werden und auf eine Massage von Ihnen hoffen. Ist das so, Dr. Tallis?“

Vor Wut wäre Allegra fast an die Decke gegangen. „Ich halte Körperkontakt für einen sehr wichtigen Schritt bei der Genesung eines Patienten, egal, ob er komatös ist oder nicht“, gab sie gereizt zurück.

„Wichtig – das bezweifle ich“, erwiderte er. „Die Intensivmedizin ist darauf spezialisiert, die lebensnotwendigen Funktionen aufrechtzuerhalten. Wenn der Schaden im Gehirn nicht zu schwerwiegend ist, wird der Patient schon genesen. Meiner Meinung nach spielen diese alternativen Therapien bestenfalls eine Nebenrolle; im schlimmsten Fall erweisen sie sich als kontraproduktiv. Für ihre Wirksamkeit gibt es keinen wissenschaftlichen Beweis, und Versuche, ihre unwahrscheinliche Effizienz zu belegen, können wir uns in dieser Abteilung nicht leisten.“

„Es ist bewiesen, dass die Reiki-Therapie den örtlichen Blutkreislauf anregt …“

„Dr. Tallis.“ Noch immer lächelte er herablassend. „Es ist eine Sache, den örtlichen Blutkreislauf anzuregen, indem man einen Patienten berührt, und eine andere, sein Gehirn ausreichend zu durchbluten. Und diese Gerüche oder sogenannten natürlichen Aromen – Öle oder was auch immer … Wenn jemand nun allergisch darauf reagiert?“

„Ich habe die einschlägige Literatur zu Rate gezogen …“

„Ich kenne diese einschlägige Literatur. Die geht doch nicht über das Niveau von Frauenzeitschriften hinaus.“

„Ich muss doch sehr bitten …“

„Dr. Tallis, Sie waren etwa sechs Jahre an der Universität und haben eine vierjährige Anästhesieausbildung gemacht. Das nennt man medizinische Wissenschaft. Genau das praktizieren wir hier, und es ist eine verdammt kostspielige Angelegenheit. Überlassen Sie die Quacksalberei den Quacksalbern und konzentrieren Sie sich darauf, Leben zu retten. Dazu sind Sie ausgebildet worden, und dafür sind Sie zuständig, solange Sie auf der Intensivstation arbeiten.“

„Patrick Naylor, der Klinikleiter, hat mir grünes Licht gegeben.“ Trotzig reckte sie ihr Kinn vor.

Er musterte sie mit einem durchbohrenden Blick. „Stimmt es, dass Sie … mehr mit ihm verbindet als Kollegialität?“

Allegra spürte, wie sie rot wurde. Woher wusste er von ihrem Dinner mit Patrick? Wieso wusste überhaupt jemand davon? Eine einzige Verabredung bedeutete noch keine Beziehung, und außerdem musste Patrick derzeit mit einer ziemlich schwierigen Trennung fertig werden. Und überhaupt hatte sie sich mehr aus Mitleid für ihn zu diesem Abendessen überreden lassen und nicht, weil sie sich zu ihm hingezogen fühlte. Es war ihr erstes Date seit achtzehn Monaten gewesen und ging niemanden etwas an. „Was ich in meiner Freizeit mache, ist meine Angelegenheit“, blaffte sie ihn an.

„Vollkommen richtig, aber wenn die Interessen unserer Abteilung berührt werden, geht es mich sehr wohl etwas an. Ich bin eingestellt worden, um hier das beste Trauma-Zentrum und die beste Intensivstation von ganz Australien einzurichten, und ich dulde nicht, dass mein Ruf oder der des Krankenhauses durch obskure Alternativ-Medizin beschädigt wird. Mit den Methoden der Schulmedizin haben wir mehr als genug zu tun.“

Allegra stand auf und blieb kerzengerade vor ihm stehen. „Ich betreibe mein Forschungsprojekt ausschließlich in meiner Freizeit. Meine reguläre Arbeit wird dadurch nicht vernachlässigt.“

Auch er stand auf, und sie hatte das Gefühl, im Schatten seines muskulösen Körpers zu stehen. „Ich gebe Ihnen einen Monat Zeit, um mich mit Resultaten zu überzeugen. Dann werden wir weitersehen. Und ich versichere Ihnen: Sollten mir Klagen über Ihre Methoden zu Ohren kommen, werde ich Ihren Forschungen sofort einen Riegel vorschieben. Wir sind eine neue Abteilung und werden mit Argusaugen beobachtet – von den Kollegen ebenso wie von den Politikern. Man erwartet von uns, die erheblichen finanziellen Mittel, die wir erhalten, sinnvoll einzusetzen. Auch mein Ruf steht auf dem Spiel. Nicht auszudenken, was passiert, wenn die Presse Wind davon bekommt, dass das Schicksal der Patienten in Tarot-Karten steht, die Sie ihnen vorlesen.“

Allegra wäre vor Wut fast geplatzt. Sie musste sich zusammenreißen, um diesem eingebildeten Idioten nicht ins Gesicht zu schlagen. Vor lauter Empörung brachte sie kein Wort heraus.

„Einen schönen Tag noch, Dr. Tallis“, sagte er, während er um seinen Schreibtisch herumging, um ihr die Tür zu öffnen. „Sie müssen sich bestimmt um Ihre Patienten kümmern.“

Allegra rauschte an ihm vorbei, ohne ihn anzusehen.

„Und noch etwas!“, rief er ihr nach.

Abrupt drehte sie sich um und funkelte ihn wütend an. „Ja?“

Seine Augen blitzten amüsiert. „Für jemanden, der auf Massagetherapie steht, machen Sie einen ausgesprochen verspannten Eindruck. Haben Sie schon mal daran gedacht, selbst eine Massage zu nehmen?“

„Soll das ein Angebot sein?“, gab sie spitz zurück.

Plötzlich lächelte er und zeigte zwei Reihen blendend weißer Zähne. „Ich glaube kaum, dass meine Berührungen den gewünschten Effekt hätten.“

„Höchstens, wenn ich vollkommen bewusstlos wäre.“ Mit diesen Worten rauschte sie davon.

„Und wie war Ihr Gespräch mit dem Chef?“, fragte Louise später am Vormittag.

„Erinnern Sie mich bloß nicht daran“, schimpfte Allegra. „Ich könnte jetzt noch an die Decke gehen, wenn ich daran denke.“

„So kenne ich Sie ja gar nicht“, sagte Louise. „Erzählen Sie uns nicht immer, dass wir entspannt und locker sein sollen? Will er Ihr Forschungsprojekt wirklich beenden?“

„Er gibt mir einen Monat Zeit, um zu beweisen, dass es der medizinischen Wissenschaft dient – jedenfalls, was er dafür hält. Aber was kann ich in einem Monat schon erreichen? Es kommt doch immer auf die Patienten an, die eingeliefert werden. Seit Alice Greeson vor drei Wochen gestorben ist, haben wir keinen Komapatienten mehr gehabt.“ Sie seufzte frustriert. „Irgendwie muss ich ihn überzeugen. Ich möchte dieses Projekt gern zu Ende führen. Es ist sehr wichtig für mich.“

In dem Moment ertönte eine blecherne Stimme aus der Wechselsprechanlage. „Bereitschaftsdienst, bitte sofort in die Notaufnahme!“

„Ich muss los“, sagte Allegra.

Der Grund für den Alarm war ein fünfundsechzigjähriger Krankenhauspatient, der einen Herzinfarkt erlitten hatte. Kaum war er versorgt, wurde Allegra zu einem weiteren Patienten gerufen, der über starke Schmerzen im Unterleib klagte und Atemnot hatte. Da er schon ganz blau im Gesicht war und eine Sauerstoffzufuhr wegen seiner geschwollenen Luftröhre nicht möglich war, entschied Allegra sich für einen Luftröhrenschnitt.

Sie ließ Joel Addison rufen, der den Schnitt ausführte und ihre Entscheidung lobte. Doch bevor sie sich für seine anerkennenden Worte bedanken konnte, war er auch schon wieder verschwunden.

Kurz darauf traf ihr Kollege Harry Upton ein. Als er von dem Vorfall erfuhr, meinte er zu Allegra: „Gut gemacht. Ohne deine schnelle Reaktion hätte das böse ausgehen können.“

Allegra wischte sich über die schweißnasse Stirn und schob sich eine feuchte Haarsträhne aus dem Gesicht.

„Du siehst aus, als könntest du eine Pause gebrauchen.“

„Das war gerade wie eine Pause. Heute Morgen hatte ich wesentlich mehr Stress.“

„Ah, du hast unseren neuen Boss also endlich kennengelernt.“ Harry zwinkerte amüsiert. „Und was hältst du von ihm?“

Allegra schnaubte verächtlich. „Er hat meine Arbeit niedergemacht, als wäre es der reinste Hokuspokus. ‚Wir können uns keine alternativen Behandlungsmethoden in dieser auf reiner Wissenschaft basierenden Abteilung leisten.‘ So ungefähr hat er sich ausgedrückt.“

„Ich glaube, er steht unter enormem Druck, um den Laden hier auf Hochleistung zu trimmen“, antwortete er. „Es ist eine Menge Geld geflossen, und ein paar pikierte Chefärzte glauben, das Geld wäre in ihrer Abteilung besser angelegt. Wenn er nicht in kürzester Zeit Erfolge vorweisen kann, fliegt er.“ Er schnitt eine Grimasse, als sein Pieper ertönte. „Ich muss in den OP. Wir sehen uns.“

Allegra entschied sich für einen Kaffee im Aufenthaltsraum. Kaum hatte sie sich an einen der Tische gesetzt, kam Kellie Wilton herein, eine ihrer Kolleginnen.

„Hi, Allegra“, sagte sie. „Ihr seid also schon aneinandergerasselt – du und Dr. Addison?“

„Der Flurfunk funktioniert ja tadellos“, gab sie gereizt zurück. „Woher weißt du das denn?“

„Von Louise. Hört sich ganz so an, als seid ihr euch auf dem falschen Fuß begegnet. Was hat er denn für ein Problem mit deinem Projekt? Ich dachte, Patrick Naylor hat es als einmalige Studie angepriesen?“

„Hat er auch, aber offenbar ist Dr. Addison der Meinung, dass seine Entscheidungen mehr Gewicht haben als die des Klinikleiters. Ich kann eingebildete und engstirnige Männer auf den Tod nicht leiden.“

„Wie läuft’s denn mit dir und Patrick?“

Wütend funkelte Allegra ihre Freundin an. „Hör zu, Kellie, ich habe mit ihm zu Abend gegessen – ein einziges Mal. Wir waren noch nicht einmal in einem besonders tollen Restaurant. Es gab Pizza und einen scheußlichen Rotwein, und zum Schluss musste ich auch noch zahlen, weil seine Kreditkarte nicht funktionierte. Und die ganze Zeit musste ich mir sein Gejammer über seine zukünftige Ex-Frau anhören. Von meinen Kopfschmerzen am nächsten Morgen gar nicht zu reden. So etwas nenne ich kein Date.“

„Du musst einfach häufiger unter Leute kommen“, sagte Kellie. „Hast du schon mal an eine Dating-Agentur gedacht? Meine Schwester und ich haben das gemacht, und sie hat einen wirklich süßen Typen kennengelernt.“

„Glaubst du, ich habe Torschlusspanik?“ Entgeistert starrte Allegra sie an. „Ich finde meine Freunde ohne die Hilfe eines Computers, vielen Dank.“

„Ein vermurkstes Dinner in zwei Jahren klingt nicht gerade nach einer Erfolgsgeschichte.“

„Achtzehn Monate“, korrigierte Allegra verärgert.

Kellie grinste. „Einige von uns treffen sich heute Abend nach der Arbeit auf einen Drink. Willst du nicht mitkommen?“

„Wohin geht ihr denn?“

„In den Pub in der Elgin Street. Es wird nicht spät werden. Du hast doch keinen Nachtdienst, oder?“

Allegra schüttelte den Kopf. „Gott sei Dank nicht.“

„Dann komm doch“, drängte Kellie sie. „Vielleicht fängst du dir ja etwas ein.“

„Was denn? Eine Erkältung?“

Kellie lachte. „Du bist ein hoffnungsloser Fall. Anscheinend bist du zu oft in Gesellschaft von bewusstlosen Menschen.“

„Da hast du wohl recht“, lächelte Allegra wehmütig. „Wann wollt ihr euch treffen?“

„Komm nach der Arbeit einfach vorbei. Du brauchst wirklich ein bisschen Abwechslung.“

„Und du klingst wie meine Mutter.“

„Mütter wissen eben alles am besten. Obwohl ich mir nicht sicher bin, ob meine Mutter meine Verabredung am Wochenende gutheißen würde.“

„Sag bloß nicht, du hast jemanden im Internet kennengelernt – wie deine Schwester?“

Kellie lachte. „Warum denn nicht? Sieh sie dir doch an. In sechs Monaten wird sie mit einem tollen Typen verheiratet und schwanger sein. Das kann uns allen passieren.“

Allegra verdrehte die Augen. „Mir nicht. Für mich kommt nur die traditionelle Methode in Frage – Mann trifft Frau, man geht zusammen aus, verliebt sich ein bisschen … hoffentlich.“ Sie stand von ihrem Stuhl auf. „Aber wie soll ich bei meinem Arbeitspensum überhaupt jemanden finden, mit dem ich mich anfreunden kann? Die meisten Männer erwarten heutzutage doch, dass man beim zweiten oder dritten Mal mit ihnen ins Bett hüpft. Die sind nicht an Freundschaft interessiert. Die wollen so schnell wie möglich Sex.“

„Deshalb sind diese Dating-Agenturen ja so praktisch“, entgegnete Kellie. „Die sortieren die Typen, die nicht für dich infrage kommen, von vornherein aus. Denk mal drüber nach. Jessica kann dir ja mal ein paar Unterlagen mitbringen. Dann siehst du, wie das funktioniert.“

„Ich denke darüber nach“, sagte Allegra im Hinausgehen. „Bis heute Abend dann.“

Auf dem Korridor lief ihr Patrick über den Weg. „Du siehst toll aus“, sagte er und gab ihr einen feuchten Kuss auf die Lippen, noch bevor sie das Gesicht abwenden konnte.

„Patrick … ich …“ Sie versuchte ihn von sich zu stoßen, aber seine Hände lagen schwer auf ihren Schultern.

„Kommst du heute mit mir essen?“, fragte er fast flehentlich.

Sie wollte gerade etwas erwidern, als sie aus den Augenwinkel Joel aus einem der kleineren Wartezimmer kommen sah, in denen sie oft mit den Angehörigen der Patienten redete.

Um seinen Mund lag ein spöttisches Grinsen, als er die beiden erblickte.

„Tut mir leid, Patrick, aber ich habe Kellie versprochen, mich heute Abend mit ihr und ein paar anderen Kollegen zu treffen“, sagte sie hastig. „Vielleicht ein anderes Mal.“

„Ich komme darauf zurück“, sagte er, und bevor sie es verhindern konnte, hatte er sie noch einmal geküsst. Dann ging er in die entgegensetzte Richtung davon.

Joel stieß sich vom Türpfosten ab und kam näher. „Dr. Tallis, ich bezweifle, dass Sie meiner Meinung sind, aber ich halte es für bedenklich, im Korridor Intimitäten auszutauschen. Die Angehörigen unserer Patienten sollten nicht den Eindruck bekommen, dass Sie sich auch nur das kleinste bisschen unprofessionell verhalten.“

„Ich habe mich nicht unprofessionell verhalten. Ich habe nur …“

„Dr. Tallis.“ Seine dunkle Stimme duldete keinen Widerspruch. Er zeigte auf den Raum, den er gerade verlassen hatte. „In diesem Zimmer halten sich die Eltern eines jungen Mannes auf, der vor Kurzem in die Notaufnahme eingeliefert wurde. Er ist aus einem Gebäude gestürzt und hat vermutlich Rückenmarksverletzungen davongetragen. Ich möchte nicht, dass sie zwei Mitglieder des Personals knutschen sehen.“

Wütend blickte sie ihn an. „Wir haben nicht …“ Sie unterbrach sich, als die Tür des Wartezimmers geöffnet wurde und die Eltern in Begleitung von dem Neurochirurgen Anthony Pardle herauskamen. Sie sahen bedrückt aus, während der Arzt ihnen die Schwere der Verletzungen ihres Sohnes erläuterte.

Allegra hätte gern das letzte Wort gehabt, aber sie wusste, dass es zwecklos war. Sie konnte sich Joel Addisons Stimmungsschwankungen nicht erklären. Vorhin in der Notaufnahme war er noch hilfsbereit und kollegial gewesen und hatte sie sogar gelobt. Aber jetzt schien der Waffenstillstand beendet zu sein.

Sie wartete, bis die Eltern und Anthony Pardle außer Hörweite waren, ehe sie eine kurze Entschuldigung hervorstieß, obwohl jedes Wort wie Säure in ihrer Kehle brannte. „Tut mir leid. Es wird nicht wieder passieren, Dr. Addison.“

Autor

Melanie Milburne
<p>Eigentlich hätte Melanie Milburne ja für ein High-School-Examen lernen müssen, doch dann fiel ihr ihr erster Liebesroman in die Hände. Damals – sie war siebzehn – stand für sie fest: Sie würde weiterhin romantische Romane lesen – und einen Mann heiraten, der ebenso attraktiv war wie die Helden der Romances....
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