Liebesreise nach Venedig

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Ein Traum wird für Zoe wahr, als ihr Chef Jay Christopher, in den sie heimlich verliebt ist, sie auf eine Geschäftsreise nach Venedig einlädt. In einer Gondel auf dem Canal Grande küsst er sie das erste Mal - Zoes Herz schläft wie verrückt. Erwidert er ihre Gefühle?


  • Erscheinungstag 03.01.2018
  • ISBN / Artikelnummer 9783733754891
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

„Zu einer Beziehung gehört mehr als nur Sex, Zo“, verkündete ihre beste Freundin. „Du musst ein bisschen flexibler sein.“

Zoe Brown, die gerade Wasser in den Kocher laufen ließ, blickte sie ungläubig an. „Wie bitte? Wie kommst du denn darauf?“

Suze Manoir war in die altmodische Küche gestürmt und hatte ihre Aktentasche und ihre Einkaufstüten abgestellt. Kaum hatte sie sich auf die Bank gesetzt, war sie damit herausgeplatzt. Nun lächelte sie selbstzufrieden.

„Ich weiß ja nicht, was Simon getan hat …“ Sie verstummte und sah sie erwartungsvoll an.

Zoe verdrehte die Augen. „Musst du dich eigentlich in alles einmischen? Hast du mich etwa überwacht oder mein Telefon abgehört?“

Suze lächelte frech. „Ich muss nicht hinter dir her spionieren, um zu wissen, was du im Schilde führst. Wir haben keine Geheimnisse voreinander. Schließlich kennen wir uns schon aus dem Kindergarten.“

Wenn du wüsstest, dachte Zoe. Erst jetzt merkte sie, dass das Wasser bereits überlief. Sie goss etwas ab und schaltete den Kocher ein. Dann drehte sie sich zu ihrer Freundin um.

„Ich wusste, dass irgendetwas nicht stimmt“, erklärte Suze. „Außerdem hat Simon mich angerufen.“

Das passt, ging es Zoe durch den Kopf. Suze hatte Simon Frobisher und sie miteinander bekannt gemacht. Simon war Mitglied in Suze’ „Netzwerk für Jungunternehmer“. Daher war es kein Wunder, dass er sich ihr anvertraute.

„Habt ihr euch gestritten?“

„Eigentlich nicht“, erwiderte Zoe unbehaglich. „Wir haben miteinander geredet, aber …“

Suze seufzte theatralisch. „Ihr habt miteinander geredet! Und wieder musste einer dran glauben. Ich fasse es einfach nicht!“

Zoe wandte den Blick ab. Sie verspürte Gewissensbisse. „Hat es ihn sehr mitgenommen?“

Suze machte einen Schmollmund. „Er ist vielmehr durcheinander.“

„Das tut mir leid.“

„Ich verstehe es gut. Er ist ein seltenes Exemplar, und er weiß es. Er ist Single, ein grundehrlicher Typ und solvent. Außerdem ist er Inhaber einer Firma, die ihn in fünf Jahren zum Millionär machen wird.“

Zoe fühlte sich schon besser. „Heißt das, er hat keinen Liebeskummer?“

Im Gegensatz zu ihr – Zoe trug ein kaputtes T-Shirt und abgeschnittene Jeans – war Suze in ihrem Kostüm sehr schick. „Nein, aber er ist ziemlich ratlos. Er sagte etwas von Sex …“

„Ach ja?“, meinte Zoe betont gleichgültig.

„Komm schon, Zo. Schieß los.“

„Trink deinen Kaffee“, forderte Zoe sie auf.

Nachdem sie Wasser über den Instantkaffee gegossen hatte, reichte sie Suze einen Becher. Diese krauste die Stirn, als sie ihn entgegennahm.

„Du kannst nicht einfach so weitermachen. Dein Verschleiß an Männern ist enorm“, sagte sie vorwurfsvoll. „Außerdem ist es den anderen Frauen gegenüber nicht fair.“

Zoe lachte humorlos. „Ach wirklich?“

„Ich weiß zum Beispiel nie, wen du zu einer Party mitbringst.“

Zoe strich sich die widerspenstigen braunen Locken aus dem Gesicht und setzte sich auf die Ecke des Tischs. „Wenn das alles ist …“

„Du könntest dich zur Abwechslung ein paar Mal mit demselben Mann verabreden.“

Du meine Güte, dachte Zoe. „Ja, Ma’am.“

„Du bist vielleicht eine!“, bemerkte Suze verzweifelt. „Okay, ich kümmere mich um meine Angelegenheiten. Also, was müssen wir tun, um das Haus in Ordnung zu bringen?“

„So ziemlich alles“, antwortete Zoe trocken. „Zuerst mal müssen wir alles verkabeln.“

Die Küche des großen Hauses der Browns war sehr geräumig. Ein kleiner Teil war momentan richtig gemütlich. Zoe hatte zahlreiche Ranken und Kerzen arrangiert, um die abblätternde Farbe auf dem Kaminsims und die Flecken auf dem Kieferntisch zu kaschieren. Auf dem Tisch hatte sie die Schälchen mit dem Essen verteilt, das sie am Vortag zubereitet hatte.

In dem Teil der Küche, in dem sie saßen, herrschte allerdings ein einziges Chaos, wie Zoe zugeben musste. Zusammen mit ihrer Schwester hatte sie die Wände Weihnachten gestrichen, um dem Raum eine fröhlichere Atmosphäre zu verleihen. Doch das ganze Haus wirkte im Grunde wie eine Baustelle. Suze’ Wohnung in der Londoner Innenstadt hingegen war so perfekt eingerichtet, dass man sogar in einer Lifestyle-Sendung im Fernsehen darüber berichtet hatte.

Suze folgte ihrem Blick. „He“, meinte sie sanft und bewies damit, dass sie zumindest in einer Hinsicht keine Geheimnisse voreinander hatten. „Das Haus ist ein bisschen mitgenommen, aber mach dir darüber keine Gedanken. Deswegen feiern wir ja auch hier.“

„Dann machen wir uns an die Arbeit“, sagte Zoe.

Schon seit vielen Jahren feierten sie ihre Geburtstage gemeinsam. Sie hatten sich auf einen Tag im Sommer geeinigt, den sie ihren offiziellen Geburtstag nannten. Suze hatte erklärt, dass sie so mehr Freiheit hätte als in ihrem Elternhaus und mehr Platz in ihrer Wohnung, doch Zoe wusste, dass mehr dahinter steckte. Seit ihr Vater sie verlassen hatte, war ihre Familie knapp bei Kasse, und ihre Mutter lebte in ihrer eigenen Welt. Die offizielle Geburtstagsparty war Suze’ Art, ihr zu helfen, ohne es zuzugeben.

„Du bist wirklich eine gute Freundin“, meinte Zoe.

Sie ging zu der Tafel, die ihre Familie für Notizen benutzte. An diesem Tag waren weder Anrufe für ihre zwanzigjährige Schwester Artemis vermerkt, die gerade mit ihrem Freund Ed unterwegs war, noch irgendwelche Dinge, die für ihren siebzehnjährigen Bruder Harry erledigt werden mussten. Sie hatte eine Liste gemacht und bereits die Hälfte durchgestrichen.

„Du bist so tüchtig“, bemerkte Suze und seufzte. „Eigentlich müsstest du eine Regierung leiten, statt in diesem Irrenhaus das Regiment zu führen.“

Zoe hob die Hand.

„Du musst wissen, was du tust“, lenkte Suze wie üblich ein. „Hast du schon einen Job für nächste Woche?“

Zoe schnitt ein Gesicht. „Nur ein paar Touristenführungen an der Themse. Wahrscheinlich rufe ich Montag in der Bibliothek an und frage, ob jemand krank geworden ist.“

„Ich wünschte, du würdest wieder für mich arbeiten“, sagte Suze, die eine erfolgreiche Zeitarbeitsfirma hatte. „Die Leute fragen immer nach dir.“

„Vielleicht im Herbst“, erwiderte Zoe ausweichend und blickte auf die Liste. „Was möchtest du übernehmen? Bunte Glühbirnen im Apfelbaum oder Discokugeln im Wohnzimmer aufhängen?“

Suze betrachtete ihre perfekt lackierten Fingernägel und schauderte. „Das klingt nach harter Arbeit. Machen wir es zusammen.“

Nachdem Zoe die Leiter aus dem Schuppen geholt hatte, gingen sie in den Obstgarten. Als Suze das Lied der Zwerge aus Schneewittchen sang, drehte Zoe sich lachend um.

„Ich bin kein Zwerg.“

Das stimmte, denn sie war fast genauso groß wie ihr Vater, der über einsachtzig maß, und genauso auffallend mit ihren großen braunen Augen und den dunkelbraunen Locken.

„Nein, aber du kannst zupacken wie ein Bauarbeiter.“ Suze beobachtete, wie Zoe die Leiter an den Stamm lehnte. „Wenn Simon hier wäre, könnte er es übernehmen. Dazu sind Männer schließlich da.“

„Simon kommt aber nicht“, erklärte Zoe, während sie nach oben kletterte. „Lehn dich gegen die Leiter“, fügte sie hinzu, als die Leiter wackelte, und Suze gehorchte.

„Was soll das heißen: Simon kommt nicht?“, erkundigte sie sich wütend. „Das hier wird die Party des Jahres in Londons Norden. Er kann sich nicht einfach drücken.“

Zoe setzte sich rittlings auf einen der knorrigen Äste und blickte nach unten. Sie hatte das lange Haar aufgesteckt, damit es sich nicht in den Zweigen verfing. Vorsichtig beugte sie sich vor und streckte die Hand aus.

„Gib mir die Glühbirnen. Er hat sich nicht gedrückt.“

Suze reichte ihr das zusammengerollte Kabel mit den Glühbirnen. „Ach, erzähl mir doch nichts“, entgegnete sie. „Als du ihn abserviert hast, hast du ihm auch gesagt, dass er nicht mehr auf der Gästeliste steht.“

Zoe befestigte eine Haarnadel. Ihre Locken ließen sich nur schwer bändigen. „Wir sind übereingekommen, dass wir beide etwas Zeit für uns brauchen“, verteidigte sie sich.

„Aha. Du bist wirklich ein hoffnungsloser Fall.“

Zoe kletterte im Baum umher und wickelte dabei das Kabel ab. „Es war das Beste so.“

„Okay, ich weiß, dass du nichts Dauerhaftes suchst“, beharrte Suze. „Aber du hättest Simon wenigstens noch bis nach der Party behalten können.“

Zoe musste lächeln. Sie steckte den Kopf durchs Laub und blickte ihre Freundin an. „Dann würde ich Simon nur benutzen“, erklärte sie vorwurfsvoll. „Das wäre unfair.“

„Wer muss denn fair sein? Schließlich müssen wir drei Discokugeln aufhängen.“

„Dazu brauchen wir keinen Mann. Das schaffe ich auch allein.“

Zoe zögerte allerdings. Sie lehnte sich zurück, so dass Suze sie nicht mehr sehen konnte. Dort, wo die Nachmittagssonne durch die Blätter fiel, war es sehr warm. Es war ein wunderschöner Tag, und es würde ein perfekter Abend für eine Feier sein. Noch war sie jedoch mit Suze allein. Und Suze war ihre beste Freundin. Sie musste ihr die Wahrheit sagen, denn inzwischen hielt sie es kaum noch aus. Und wenn sie es ihr nicht erzählen konnte, wem dann?

„Suze, da ist etwas …“, begann sie von ihrem Versteck aus.

Suze hörte es aber nicht. Sie beschattete die Augen mit der Hand und blinzelte zu ihr auf. „Du bist so praktisch veranlagt – die geborene Unternehmerin.“

Zoe resignierte. Dies war einfach nicht der richtige Moment. Sie fuhr fort, das Kabel im Baum zu befestigen. Und Suze hatte offenbar nicht einmal gemerkt, dass sie ihr etwas sagen wollte, denn sie fuhr fort: „Natürlich schaffst du es allein. Gibt es überhaupt irgendetwas, was du nicht kannst?“

Wieder steckte Zoe den Kopf durch die Blätter. Sie waren gelbgrün und dufteten herrlich nach Sommer. „Nicht dass ich wüsste.“

Suze schüttelte den Kopf. „Ich begreife einfach nicht, warum ich so erfolgreich bin und du dich immer noch mit Gelegenheitsjobs über Wasser hältst.“

„Das liegt an meinem Haar“, erwiderte Zoe ernst. „Leute mit Locken werden einfach nicht für voll genommen. Du dagegen hast schon mit vier wie eine Geschäftsfrau ausgesehen.“

Suze war groß, blond und langbeinig und wirkte immer etwas überlegen.

Sie stieß einen verächtlichen Laut aus. „Du könntest dein Haar jederzeit glätten lassen. Aber im Ernst, Zoe, es ist zwei Jahre her, dass du das College beendet hast. Solltest du nicht allmählich mal etwas Vernünftiges machen?“

„Ich komme schon klar“, meinte Zoe.

„Sicher kommst du klar. Du verdienst dir deinen Lebensunterhalt selbst und führst ein flottes Leben.“ Suze schlug mit der Faust gegen die Leiter. „Aber denkst du gar nicht an die Zukunft?“

Ein wenig überrascht blickte Zoe sie an. „Immerhin habe ich noch ein Leben. Wann hast du eigentlich angefangen, wie dein Vater zu reden?“

Suze seufzte. „Ich weiß, Karriere zu machen ist kein Zuckerschlecken. Bist du jetzt fertig?“

„Ja. Wenn du bitte aufhören würdest, an der Leiter zu rütteln …“

Nachdem Zoe auch die letzte Lampe befestigt hatte, kletterte sie mit dem restlichen Kabel wieder hinunter. „So, einen Baum hätten wir rausgeputzt“, stellte sie fest. Dann klappte sie die Leiter zusammen und ging damit zum Haus. „Wer braucht schon einen Mann?“

Suze folgte ihr. „Okay, okay. Du brauchst keinen Mann, um deine Partybeleuchtung aufzuhängen. Aber was ist mit dem Rest?“

Das war die ideale Gelegenheit, um es Suze zu erzählen. Na los, dachte Zoe. Sag deiner besten Freundin die Wahrheit. Sie zögerte allerdings. „Welcher Rest?“

Suze machte eine ausholende Geste. „Zusammen sein. Urlaub. Sonntags im Bett frühstücken.“

Zoe antwortete nicht. Es hatte sowieso keinen Sinn, etwas zu sagen, wenn Suze ihr Vorschriften machen wollte, wie sie ihr Leben zu gestalten hatte.

„Ich meine, bei Simon wusstest du, woran du warst“, fuhr Suze fort. „Er ist auch praktisch veranlagt.“ Plötzlich kam ihr offenbar ein Gedanke. „Außerdem sollte er doch die Getränke abholen, oder?“

„Die wurden schon geliefert“, informierte Zoe sie schnell.

„Ich hätte mir denken können, dass du dich darum gekümmert hast.“ Wieder schüttelte Suze den Kopf. „Was hat er eigentlich getan, der Arme? Hat er dir einen Heiratsantrag gemacht?“

„Nein, natürlich nicht. Schließlich kenne ich ihn erst ein paar Monate.“

„Stimmt“, bestätigte Suze trocken. „Aber die Männer scheinen in dir die ideale Ehefrau zu sehen. Der Himmel weiß, warum – bei deinem Verschleiß.“

Es duftete herrlich im Garten. Um nichts in der Welt hätte Zoe diesen Tag verderben mögen. Sie beschloss, auf eine günstigere Gelegenheit zu warten, und setzte ihre bewährte Maske auf – die der dynamischen jungen Frau, die mit allem fertig wurde und noch Witze darüber machte. Insgeheim nannte sie ihr anderes Ich „Schauspieler-Zoe“.

„Das liegt an meinen Kochkünsten“, erklärte sie fröhlich. „Seit Gran mir beigebracht hat, wie man Bread and Butter- Pudding macht, hängen die Männer wie Kletten an mir.“ Sie ging mit der Leiter die vier Stufen zum Schuppen hinunter. „Machst du mir bitte die Tür auf?“

Suze öffnete ihr die Tür. „Das liegt nicht nur am Bread and Butter-Pudding“, bemerkte sie finster.

Zoe betrat den Schuppen. Zahlreiche Bretter waren bereits verrottet, und das Werkzeug hatte auch schon bessere Zeiten gesehen. Allerdings war es darin sehr ordentlich. Sie hängte die Leiter an den Haken.

„Das bezweifle ich.“

Da das Haus an einen Hügel gebaut war, erstreckte sich der Garten über drei terrassenförmig angelegte Ebenen. Der Obstgarten befand sich oben, und die mittlere Ebene, auf der sie sich gerade befanden, war die größte. Sie bestand aus einer großen, von zahlreichen Beeten gesäumten Rasenfläche. Zwischen den stark duftenden Gartennelken summten die Bienen. Suze legte sich ins Gras und schnupperte an einer kleinen grauen Pflanze mit weißen Blüten.

„Wie das duftet!“, sagte sie verträumt. „Ich wette, du machst auch die Gartenarbeit allein.“

Zoe verließ den Schuppen. „Was?“

Suze drehte sich auf den Rücken, ohne darauf zu achten, ob ihr elegantes marineblaues Kostüm dabei Grasflecken abbekam. „Komm schon, Zoe. Du weißt, was für eine heiße Nummer du bist. Dein Bread and Butter-Pudding ist nur ein Bonus.“

Zoe setzte sich neben sie und riss einige Grashalme aus. „Danke.“

„Es stimmt“, meinte Suze ausdruckslos. „Wenn du nicht meine beste Freundin wärst, hätte ich längst einen Vertrag mit dir gemacht.“

Zoe riss ein Gänseblümchen aus und warf es nach ihr. „Nein, hättest du nicht.“

„Doch. Wenn du dir einen von meinen Männern gekrallt hättest.“

Der Tonfall ihrer Freundin erschreckte Zoe, und sie sah sie entgeistert an. „Das würde ich nie tun.“

„Das müsstest du auch nicht. Du brauchst nur irgendwo allein zu erscheinen, und schon ist es passiert.“

„Wie bitte? Nun komme auf den Teppich, Suze.“

Suze setzte sich auf und legte die Arme um die Knie. „Die Männer – zumindest bestimmte Männer – bekommen schon bei deinem Anblick weiche Knie.“

„He, ich bin nicht mal schön.“

„Ich weiß“, gestand Suze. „Aber du hast das gewisse Etwas. Das ist mir schon oft aufgefallen.“ Sie stützte das Kinn auf die Knie. „Zuerst dachte ich, es würde daran liegen, dass du dir nicht so viel Mühe gegeben hast wie alle anderen Frauen. Du hast immer so ausgesehen, als hättest du deine Sachen erst im letzten Moment übergeworfen, bevor du aus dem Haus gegangen bist. Das habe ich auch mal zu David gesagt.“

David war Suze’ vorletzter Freund gewesen, und sie, Zoe, hatte sich schon einige Male gefragt, ob Suze wirklich über die Geschichte mit ihm hinweg war. Dass dies nicht der Fall war, bewies ihr Tonfall, als Suze weitersprach.

„Und David war ganz meiner Meinung. Er sagte, du würdest den Männern den Eindruck vermitteln, dass du gerade aus dem Bett gekommen bist, und es nicht schwer sein dürfte, dich wieder ins Bett zu bekommen.“

Zoe setzte sich ebenfalls auf und dachte nicht mehr an das gebrochene Herz ihrer Freundin. „Das ist nicht wahr.“

„Doch, das ist es.“

„Es ist verrückt. Ich …“

Suze wandte sich ihr zu. „Warum warst du eigentlich mit Simon zusammen?“, erkundigte sie sich leise. „Und jetzt sag mir die Wahrheit.“

Das ist ja das Problem, dachte Zoe und begann, einen Löwenzahn zu zerpflücken. Sicher konnte sie Suze die Wahrheit sagen: Er wollte mit mir ins Bett, und ich habe die Nerven verloren. Allerdings würde Suze ihr nicht glauben, und daran wäre sie, Zoe, selbst schuld. Ihre Freunde hielten sie alle für eine Femme fatale, und nicht einmal Suze wusste, dass sie keine war.

Genau wie früher vertraute Suze ihr immer noch alles an. Nur sie, Zoe, hielt sich zurück. Natürlich log sie sie nicht an. Die anderen zogen nur falsche Schlüsse, ihre Freunde taten nichts, um diese falschen Schlüsse zu widerlegen, und so war ihr Image entstanden. Sogar ihre Geschwister dachten, sie würde ihre Freunde ständig wechseln, weil sie sich schnell langweilte.

Nein, so konnte es nicht weitergehen. Sie hatte es sich in der Silvesternacht vorgenommen, als sie in Suze’ Schlafzimmer in den Spiegel blickte. Als Einzige unter den Gästen war sie noch völlig nüchtern gewesen. Sie hatte den armen, verwirrten Alastair um Mitternacht geküsst, und ihr Lächeln war dabei zur Maske erstarrt. Und danach hatte sie entschieden, dass es ein Ende haben musste. Zuerst hatte sie es Suze erzählen wollen und anschließend allen anderen. Dann bräuchte sie nicht mehr zu schauspielern, und alle wüssten, dass sie noch Jungfrau war.

Es bot sich nur nie eine Gelegenheit. Und alle hatten ein völlig falsches Bild von ihr. Selbst so ein netter Mann wie David glaubte, sie sofort ins Bett bekommen zu können. Und heute hatte ihre beste Freundin ihr gesagt, zu einer Beziehung würde mehr als nur Sex gehören.“

Teilweise war sie selbst daran schuld, das war Zoe klar. Silvester lag mittlerweile sechs Monate zurück. Sie hatte also genügend Gelegenheiten gehabt, es Suze zu erzählen. Sie hatte sie nur nicht ergriffen. Und Simon war bereits der dritte Mann in diesem Jahr, dem sie den Laufpass gegeben hatte.

„Okay“, erwiderte sie schließlich. „Simon ist ein toller Typ. Er hat nichts getan …“

Suze lachte anzüglich. „Was hat er denn nicht getan?“

Zoe lachte, obwohl sie innerlich zusammenzuckte.

„Er hat alles richtig gemacht. Es lag wirklich nicht an ihm, sondern an mir.“

„Es liegt immer an dir.“ Suze machte einen Schmollmund. „Du hast eine gespaltene Persönlichkeit.“

„Was?“, fragte Zoe entgeistert.

„Du weißt nicht, was du willst. Du servierst einen lockeren Typ wie Alastair ab, weil er keine Lust auf deine verrückte Familie hat. Und dann lässt du dich mit Simon ein, der so häuslich ist, dass er sogar einen Labrador mit in die Beziehung bringt. Und auch er kann dich nicht lange begeistern.“

Zoe verlagerte ihre Position. „So ist es nicht.“

Suze war so fasziniert von ihrer Persönlichkeitsanalyse, um es zu bemerken. „Erkennst du denn kein Muster? Du willst immer das, was du nicht hast.“

„Hör zu, Suze …“, begann Zoe eindringlich.

In dem Moment klingelte allerdings Suze’ Handy. Sie nahm es aus der Tasche ihrer Kostümjacke und schaltete es ein. „Hallo, Jay. Was kann ich für dich tun?“

Zoe blickte über den Garten. Wieder eine verpasste Chance!

Inzwischen war Suze wieder in die Rolle der Geschäftsfrau verfallen. Sie war aufgestanden und ging auf dem Rasen auf und ab, als wäre sie in ihrem Büro. Einige Male stellte sie in scharfem Tonfall Fragen, doch die meiste Zeit hörte sie zu.

„Du brauchst also jemanden, der recherchieren kann“, erklärte sie gerade, als Zoe sich wieder auf sie konzentrierte. „Und jemanden, der eigenständig arbeitet. Und das bis Montag. Du verlangst nicht zu viel, oder?“

Ihr Gesprächspartner erwiderte offenbar etwas Schmeichelhaftes.

Suze lachte. „Okay, Jay, ich tue, was ich kann. Aber ich brauche die Unterlagen noch heute Abend, und ich bin nicht im Büro. Wenn es dir damit ernst ist, musst du sie hier vorbeibringen.“ Sie nannte ihm Zoes Adresse.

Er sagte wieder etwas.

„Wirf doch einfach einen Blick in den Stadtplan“, erklärte sie zuckersüß. „Die gute Nachricht ist, dass du auch zu später Stunde noch hier aufkreuzen kannst. Wir feiern nämlich eine Party.“

Das war das Stichwort für Zoe. Sie sprang auf, gab Suze ein Zeichen und lief hinunter über die Terrasse ins Haus. Dort machte sie sich daran, in der Küche aufzuräumen.

Kurz darauf kam Suze. Sie blieb auf der Schwelle stehen und atmete tief ein. „Zo? Weißt du, dein Job nächste Woche …“

„Was?“ Zoe, die gerade die Arbeitsfläche putzte, blickte auf.

„Ich weiß, dass du keinen Vertrag mit mir abschließen willst, aber was hältst du davon, zwei Wochen für mich zu arbeiten? Es könnten auch vier daraus werden. Es ist ein sehr interessanter Job.“

Zoe kannte ihre beste Freundin gut. „Und was ist der Haken an der Sache?“

„Es gibt keinen. Ehrlich. Es ist ein toller Job.“

„Und warum hast du dann niemanden, der ihn machen kann?“

Suze seufzte. „Habe ich ja. Ein paar sogar. Allerdings habe ich die bereits verplant. Außerdem ist es nichts, was jeder machen kann.“ Sie kam zu ihr und knuffte sie in die Seite. „Du wärst sowieso meine erste Wahl gewesen.“

„Du schmeichelst dich immer bei mir ein, wenn irgendetwas nicht stimmt“, stellte Zoe fest. „Also, was ist der Haken?“

„Na ja, es ist im Westend“, gestand Suze.

„Oh. Das heißt, ich müsste aus dem Haus, bevor Harry zur Schule geht.“ Zoe schüttelte den Kopf. „Auf keinen Fall. Er hat bald Prüfungen.“

„Vielleicht lassen sie sich ja darauf ein, dass du später kommen kannst. Sagen wir, um halb elf? Dann ist es auch in der U-Bahn nicht mehr so voll.“ Suze legte den Arm um sie. „Ach komm, Zoe. Du brauchst das Geld. Außerdem könnten wir zusammen Mittag essen.“

Zoe zögerte. Es stimmte. Sie und ihre Familie konnten das Geld gut gebrauchen. Die Wasserleitungen mussten dringend repariert werden. In einem der Schlafzimmer im Obergeschoss war schon ein nasser Fleck an der Decke.

„Wenn ich das Haus nach Harry verlassen könnte …“, überlegte sie laut.

„Du bist ein Schatz.“ Suze zog sich Gummihandschuhe an und nahm ihr den Schwamm ab. „Ich mache weiter.“

„He, ich habe noch nicht zugesagt“, erklärte Zoe schnell. „Ich werde darüber nachdenken.“

„Mehr verlange ich auch gar nicht. Danke.“

Zoe inspizierte schnell den Inhalt des Kühlschranks und machte anschließend Platz für die Weinflaschen.

Suze betrachtete sie nachdenklich. „Ist es in Ordnung, dass ich diesen Typen eingeladen habe?“

Zoe war überrascht. „Es ist auch deine Party. Du kannst einladen, wen du willst.“

„Er ist zwar ein Kunde, aber wirklich cool“, versicherte Suze. „Um nicht zu sagen, fantastisch.“

Zoe zuckte die Schultern. „Selbst wenn nicht, könnte ich damit leben. Schließlich bringt Lauren ihren langweiligen Buchhalter mit.“

Sie stöhnten beide.

„Apropos cool … Kommt deine Mum auch?“, fragte Suze dann.

Seit ihr Vater sie verlassen hatte, lebte Zoes Mutter praktisch ihr eigenes Leben. Und falls jemand kochte oder Großeinkauf machte, dann war es Zoe, nicht Deborah Brown.

„Nein. Sie hat die Flucht ergriffen“, erklärte Zoe ungerührt.

Einen Moment lang schwiegen sie beide. Philipp Brown hatte ihre Familie an ihrem sechzehnten Geburtstag verlassen. Alle Nachbarn wussten davon. Suze’ Mutter hatte ihnen mit warmen Mahlzeiten und seelischem Beistand durch die schwere Zeit geholfen, bis ihre Mutter sie vergrault hatte. Danach hatte Zoe das Regiment im Haus übernommen.

„Schade!“, bemerkte Suze. „Dann lebt sie also immer noch auf ihrem Planeten?“

„Ja“, erwiderte Zoe kurz angebunden.

Es klingelte an der Tür. Die alkoholischen Getränke und die Weingläser wurden geliefert, und Zoe und Suze halfen dabei, die Kisten hereinzutragen. Danach waren sie zu beschäftigt, um weiter über persönliche Dinge zu reden. Zoe wusste nicht, ob sie deswegen frustriert oder erleichtert sein sollte.

„Hilfe!“, sagte sie, als Suze und sie sich daran machten, die Gläser auszupacken. „In weniger als drei Stunden wimmelt es hier nur so von Gästen, und erst der Garten ist fertig.“

Allerdings waren Suze und sie ein gut eingespieltes Team. Zweieinhalb Stunden später stand das Essen auf dem Tisch, die Disco im Wohnzimmer war betriebsbereit, und alle Wertsachen und zerbrechlichen Gegenstände waren im Zimmer ihrer Mutter eingeschlossen.

Zoe nutzte die verbleibende Zeit, um zu duschen und sich die Haare zu waschen. Anschließend föhnte sie sie kurz und beobachtete resigniert, wie sie sich wieder kringelten. „Ich kann nichts dagegen tun“, sagte sie. „Locken sind mein Fluch.“

„Und was für ein Fluch!“ Suze hatte ein knappes Kleid mitgebracht, das sie nun anzog. Dann belegte sie Zoes Frisierkommode mit Beschlag, um sich zu schminken.

Nachdem Zoe sich das Haar aufgesteckt hatte, schlüpfte sie in ihre Sachen.

„Warum vergesse ich bloß immer, wie viel Arbeit die Vorbereitungen für eine große Party machen?“, fragte Suze.

„Weil wir gut darin sind.“ Zoe schwankte zwischen einem kurzen weißen Top und einer durchsichtigen schwarzen Chiffonbluse. „Was soll ich anziehen?“

Suze drehte sich um und überlegte einen Moment. „Kein Weiß“, entschied sie schließlich. „Du bist noch nicht braun.“

Zoe nickte, warf das weiße Top in den Schrank und nahm schwarze Satinunterwäsche heraus. Dazu zog sie eine tiefviolette Hose aus handschuhweichem Leder an. Sie ließ Suze allein und ging ins angrenzende Bad, um die immer noch feuchten Locken mit einem Kamm zu bändigen, bis sie ihr in weichen Wellen über die Schultern fielen.

Schließlich verließ sie das Bad. „Na, was meinst du?“

Suze hatte inzwischen ihre Augen geschminkt. „Sieht sehr präraffaelitisch aus“, bemerkte sie beifällig.

„Nicht, als würde ich gerade aus dem Bett kommen?“

„Natürlich nicht.“

„Die Männer werden also nicht denken, dass ich gleich mit ihnen ins Bett hüpfe, wenn sie mich nett darum bitten?“

Suze lachte. „Du kennst ja die Männer. Sie hoffen immer.“

Gespielt verzweifelt fasste Zoe sich an die Schläfen.

„Im Notfall kannst du ja mit dem langweiligen Buchhalter tanzen“, tröstete Suze sie. „Lauren hat mir erzählt, dass er auf eine Jungfrau wartet.“

Autor

Sophie Weston
Sophie Weston reist leidenschaftlich gern, kehrt aber danach immer wieder in ihre Geburtsstadt London zurück. Ihr erstes Buch schrieb und bastelte sie mit vier Jahren. Ihre erste Romance veröffentlichte sie jedoch erst Mitte 20. Es fiel ihr sehr schwer, sich für eine Karriere zu entscheiden, denn es gab so viele...
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