Liebessommer mit einem Fürsten

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In London lernt Melissa den attraktiven Fürsten Cristiano von Zaffirinthos kennen. Mit feurigen Küssen umwirbt er sie heiß. Aber meint er es ernst? Oder sucht der begehrteste Junggeselle Europas nur eine sinnliche Sommerromanze?


  • Erscheinungstag 17.10.2024
  • ISBN / Artikelnummer 9783751535977
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Goldenes Licht strahlte von der hohen Decke herab, doch Melissa nahm es kaum wahr. Selbst ein Palast verblasste zur Bedeutungslosigkeit im Vergleich mit dem Wissen, dass der Augenblick gekommen war.

Endlich.

Manchmal schien es, als wäre ihr ganzes Leben auf diesen einen Moment ausgerichtet gewesen. Jenem Moment, in dem sie den kleinen Plastikstreifen in den zitternden Fingern gehalten und auf den blauen Punkt gestarrt hatte, der ihre Schwangerschaft bestätigte.

In diesem Augenblick hatte sich die Welt, wie Melissa sie kannte, komplett verändert.

„Hast du mich überhaupt gehört, Melissa?“ Stephens Stimme holte sie jäh aus ihren Gedanken zurück. „Ich sagte, der Fürst wird dich gleich empfangen.“

„Ja, natürlich habe ich gehört.“ Mit klopfendem Herzen warf sie einen kurzen Blick in einen der großen Spiegel, die im Vorzimmer zum Audienzraum des Palastes von Zaffirinthos hingen. Sie war nicht eitel, für Eitelkeit war in ihrem Leben kein Platz, selbst dann nicht, wenn ihr Aussehen die Rechtfertigung dafür geliefert hätte. Nein, mit ihrem Äußeren würde sie niemanden zu Begeisterungsstürmen hinreißen. Aber eine Audienz beim Fürsten …

Dem Fürsten, der Vater ihres Sohnes war.

Wohl zum hundertsten Male richtete sie sich das lange dichte Haar und hoffte, dass sie besser aussah, als sie sich fühlte. Denn sie wollte den bestmöglichen Eindruck machen. Cristiano sollte sehen, dass sie etwas wert war – dass sie es wert war, die Mutter seines Kindes zu sein.

Mit feuchten Handflächen strich sie sich das neu erstandene Leinenkleid glatt. „Wie sehe ich aus?“, fragte sie Stephen nervös.

Er warf ihr einen kurzen Blick zu, bevor er sich wieder auf das Clipboard in seinen Händen konzentrierte. „Gut. Dir ist schon klar, dass er nicht einmal bemerken wird, was du anhast, oder? Das tun Aristokraten nie. Wir sind angeheuert worden, gehören somit zur Dienerschaft – sozusagen zum Inventar. Und damit haben wir ungefähr den gleichen Status wie die Tapete an der Wand.“

„Tapete, also“, wiederholte sie tonlos.

„Richtig, Tapete. Wir gehören zum Hintergrund, zur Umgebung. Von dir will er nur knappe Informationen für den heutigen Ball. Den genauen Ablauf habe ich ihm schon unterbreitet, aber da du die Blumenarrangements und das Orchester organisiert hast, will er mit dir persönlich sprechen. Aus Höflichkeit, um dir zu danken. Also, denk dran – halte es kurz und bündig, und rede nur, wenn du gefragt wirst.“

„Das ist mir klar.“ Sie hielt inne. „Ich bin dem Fürsten schon einmal begegnet.“

Stephen sah mit gerunzelter Stirn auf. „Wann?“

Warum hatte sie das jetzt gesagt? Etwa, um den Weg für die Verwirklichung des Traumes zu ebnen, den sie schon so lange träumte? Nämlich, dass Cristiano ohne Zögern Ben als seinen Sohn und Erben anerkennen würde. Damit sie endlich stolz den Namen von Bens Vater preisgeben konnte, anstatt bei der Frage verlegen an der Lippe zu kauen und zu antworten, dass sie lieber nicht darüber sprechen würde.

Das Problem war nur, ein solches Traumszenario war eben nicht mehr als das – ein Traum. Der Fürst würde alles andere als begeistert sein, wenn sie die Bombe platzen ließ, vor allem, da die Frau seines jüngeren Bruders gerade erst einen Sohn zur Welt gebracht hatte. Die internationale Presse hatte die Geburt des Erben auf den Thron des märchenhaft schönen Fürstentums im Mittelmeer gefeiert. Nur wusste Melissa, dass es so nicht stimmte. Denn Ben war der wahre Thronerbe.

Sie räusperte sich. „Damals bei der Ausstellung von Zaffirinthos’ Schätzen in London. Cristiano kam zu der Feier am Abend. Erinnerst du dich nicht?“

„Sicher erinnere ich mich. Du hast damals mitgeholfen, Kanapees anzubieten. Aber Mel, mal ehrlich … ich bezweifle, dass du mehr zu ihm gesagt hast als: ‚Noch ein Hors d’œuvre, Hoheit?‘ Meinst du, daran erinnert er sich noch?“

Melissa lächelte nur nervös. Natürlich war es ihrem Chef nicht aufgefallen. Zwischen der Assistentin des Eventplaners und dem illustren Ehrengast hatte es weder Augenkontakt noch sonstige Anzeichen gegeben, die bei irgendjemandem Vermutungen heraufbeschworen hätten.

Doch wie würde Stephen wohl reagieren, wüsste er, was der Fürst am nächsten Abend zu ihr gesagt hatte, als sie sich kalt und ausgebrannt gefühlt und sich nach menschlicher Wärme und Trost gesehnt hatte? Sinngemäß etwas in der Richtung, welches Verbrechen es sei, dass sie Unterwäsche trug … und dann hatte der Fürst begonnen, ihr die Unterwäsche auszuziehen, begleitet von heißen, leidenschaftlichen Küssen, die jeden möglichen Widerstand sinnlos erscheinen ließen.

Offensichtlich ahnte Stephen nicht einmal, dass sie eine Liebesnacht mit dem Regenten des reichen Inselfürstentums erlebt hatte. Dass Fürst Cristiano Bens Vater war. Aber, um genau zu sein, ihre Tante in England, die sich im Moment um Ben kümmerte, wusste es ebenso wenig. Niemand wusste es, nicht einmal Cristiano selbst. Ein schmerzliches Geheimnis, das sie bisher für sich behalten hatte. Aber schon bald würde sie endlich von dieser Last befreit sein.

„Und man ist natürlich noch immer um die Gesundheit des Fürsten besorgt“, sagte Stephen jetzt.

Melissa verspannte sich. „Er ist doch nicht etwa krank?“

„Krank? Nein, er ist der durchtrainierteste Mann, den ich je gesehen habe. Ein Wunder, wenn man bedenkt, dass er letztes Jahr noch mit dem Tod gerungen hat.“

Trotz des lauen Maiabends erschauerte Melissa. Nur zu gut erinnerte sie sich an die Zeit, da sie stundendenlang vor dem Fernsehgerät gesessen und auf Neuigkeiten in den Nachrichten gewartet hatte.

Der Fürst kämpft um sein Leben war die grausige Schlagzeile gewesen, die ihr klargemacht hatte, dass sie etwas unternehmen musste. Nach Cristianos Genesung konnte sie den Kopf nicht länger in den Sand stecken. Sie musste ihm von dem Baby erzählen. Bisher hatte sie keinen Erfolg gehabt, ihn zu kontaktieren – Leute wie sie kamen nun mal schwer in die Nähe von Landesregenten –, aber diese Gelegenheit musste sie wahrnehmen. Ben war mehr als nur der wunderschöne kleine Junge, den sie mehr als ihr Leben liebte. Er war ein Fürstensohn, ein Thronerbe. Und hatten nicht Vater und Sohn beide das Recht, voneinander zu erfahren?

„Er ist vom Pferd gestürzt, nicht wahr?“ Es war das Einzige, was sie über den Unfall wusste. Vielleicht konnte Stephen ihr ja mehr erzählen?

„Ja. Der tollkühne Narr. Ist direkt auf den Kopf gefallen, hat wochenlang im Koma gelegen.“

„Aber jetzt geht es ihm wieder gut?“

„Scheinbar. Einer aus der Dienerschaft war jedoch indiskret genug, um mir gegenüber anzudeuten, dass er seit seinem Unfall eine Kälte im Umgang mit anderen Menschen an den Tag legt, vor der jedem graust.“

Das war nicht das, was Melissa sich zu hören gewünscht hatte. Sie wollte hören, dass der Fürst der netteste, freundlichste Mensch auf der Welt war. Dass er ihr, nachdem sie ihm ihre weltbewegenden Neuigkeiten mitgeteilt hatte, lächelnd versicherte, dass sie sich keine Sorgen zu machen brauche, weil er sich von nun an um alles kümmern würde.

„Kälte?“

„Eiseskälte“, bekräftigte Stephen lachend. „Also, wie ich gesagt habe – kurz und bündig.“

„Ich werd’s versuchen.“ Mit seltsam stockenden Schritten folgte sie dem Diener, der aufgetaucht war, um sie in das Arbeitszimmer des Fürsten zu führen.

Erst gestern war Melissa im Palast angekommen – eingeflogen mit einem Privatjet, um Stephen bei der Ausrichtung des Balls zu helfen, den der Fürst nachträglich für die Hochzeit seines jüngeren Bruders Xaviero und dessen Frau Catherine sowie zur Geburt ihres Sohnes gab. Sicherlich eine ganz andere Art zu reisen, als sie es sonst von den überfüllten Bussen und Bahnen her gewohnt war.

Stephen Woods, ihr Chef, schien dieser Tage das Monopol auf das Organisieren von Anlässen in höchsten Gesellschaftskreisen zu besitzen, vor allem beim Adel. Dabei war Melissa eher durch Zufall in diese Anstellung hineingestolpert. Sie hatte als Zeitkraft in einer seiner Filialen gearbeitet, nachdem sie nach dem Tod ihrer Mutter das Studium hatte abbrechen müssen.

Der extrovertierte Eventplaner erkannte ihr Talent sofort und machte sie zu seiner Assistentin. Immer wieder versicherte er ihr, wie unschätzbar wertvoll ihre Arbeit für ihn war. Daher stimmte er auch bedenkenlos zu, dass sie ihre Arbeitszeiten selbst bestimmte, damit sie sich um Ben kümmern konnte – und dafür war sie ihm unendlich dankbar.

Ben … Melissa befand sich so sehr in Gedanken verwoben über die Zukunft ihres kleinen Jungen, dass sie ihre prachtvolle Umgebung gar nicht wahrnahm, bis eine tiefe Stimme hinter der reich verzierten Flügeltür, an die der Diener geklopft hatte, kurz angebunden hervordrang.

„Sí?“

Schon wurden die Türen aufgestoßen. Melissas Hände zitterten leicht, als sie über die Schwelle trat – und nicht nur ihre Hände. Sie fragte sich ernsthaft, ob ihre Beine sie tragen würden …

Und dann sah sie ihn. Hinter seinem Schreibtisch sitzend, eine Aktenmappe vor sich, über die er den Kopf gebeugt hielt. Er hätte eine reglose Statue sein können, gehauen aus schwarzem Marmor. Ihre Gegenwart nahm er vorerst nicht wahr, und so nutzte Melissa den Moment, um seinen Anblick in sich aufzusaugen. Das dunkle Schimmern seiner Haare und die breiten Schultern ließen ihren Puls schneller schlagen. Er mochte geboren worden sein, um ein Land zu regieren, aber für sie war er einfach nur der attraktivste Mann, den sie je gesehen hatte. Daran schien sich auch in den fast zwei Jahren seit ihrer ersten Begegnung nichts geändert zu haben.

Sein Kopf ruckte hoch, er blickte zu ihr hin, und goldene Augen, umrahmt von dichten schwarzen Wimpern, bohrten sich in ihre. Das rabenschwarze Haar, die muskulöse Gestalt, die markanten Züge … ja, das war Cristiano, so, wie sie ihn in Erinnerung hatte, wie sie ihn immer wieder in ihren Gedanken und Träumen vor sich gesehen hatte. Und doch war etwas grundlegend anders. Seine Züge waren härter geworden, grimmiger. Melissa schluckte. Er trug eine Art Uniform, strahlte hochherrschaftlichen Stolz aus und schien absolut unnahbar.

Dabei war er damals durchaus zugänglich gewesen, oder etwa nicht? Melissa versuchte, sich die Nächte in Erinnerung zu rufen, als ihre Körper sich in hitziger Leidenschaft vereint hatten, doch das half nicht, ihre plötzliche Nervosität zu dämmen. Nur, weil man etwas mit dem Verstand begreifen konnte, hieß das nicht, dass man auch in der Lage war, emotionell damit umzugehen.

Doch es war zu spät, um noch einen Rückzieher zu machen. Mit hämmerndem Herzen lächelte Melissa. Er war der Vater ihres Kindes. Ganz gleich, was in der Vergangenheit geschehen war … die Zukunft konnten sie sicherlich wie vernünftige Erwachsene besprechen, oder?

Sie hatte nicht unbedingt damit gerechnet, dass er aufspringen und sie beglückt in seine Arme ziehen würde, aber irgendein Zeichen des Erkennens hätte sie schon erwartet – Erstaunen, auch Schock und Empörung, doch nichts. Seine Haltung blieb kühl und distanziert – frostig, eiskalt.

„Hallo“, brachte sie nur mühsam hervor.

Cristiano war so sehr in seine Arbeit vertieft gewesen, dass er für einen Moment nicht auf den Gruß mit dem weichen britischen Akzent reagierte. Erst jetzt musterte er die Frau, die vor ihm stand, mit zusammengekniffenen Augen.

Ihr langes Haar hatte die Farbe starken Tees, ihre Augen waren grün, die Haut so hell, dass sie fast durchsichtig schien. Die auffälligste Eigenschaft ihres klassisch geschnittenen Kleides war die Tatsache, dass es die Aufmerksamkeit automatisch auf lange, wohlgeformte Beine zog.

Er runzelte die Stirn. Sein ganzes Leben wurde von Protokoll und Etikette bestimmt, sie gehörten zu seinem Leben wie jeder Atemzug, den er tat. Des Öfteren lehnte er sich dagegen auf, aber … dass ihm beides plötzlich abhanden gekommen schien, reichte aus, um ihn zu verärgern.

Der Fürst legte den goldenen Füllfederhalter ab. „Und Sie sind …?“

Melissas Lächeln wankte. Sollte das ein Scherz sein? Und hieß es nicht, bernsteinfarbene Augen seien warm? Doch der Blick, mit dem Cristiano sie musterte, war eiskalt. Mit hämmernden Herzen suchte sie in seiner hochmütigen aristokratischen Miene nach einem Zeichen des Erkennens, irgendeine Andeutung, dass er in ihr die Frau sah, die er immer und immer wieder geliebt hatte. Doch nichts. Nichts außer dieser frostigen, ablehnenden Musterung. Und langsam dämmerte ihrem protestierend aufbegehrenden Verstand die unfassbare Wahrheit.

Er weiß nicht, wer du bist!

Sicher, ihre Affäre hatte nur wenige Tage gedauert. Aber war sie wirklich so leicht zu vergessen? Hatte er ihr nicht sogar versichert, dass er die Leidenschaft, die sie miteinander geteilt hatten, auf immer in Erinnerung behalten würde? Oder war das nur sein üblicher Spruch, den er bei allen seinen Gespielinnen aufsagte? Auch wenn er ihr damals das Gefühl gegeben hatte, etwas Besonderes für ihn zu sein …

Melissa blinzelte und musste sich zusammennehmen, um nicht etwas völlig Verrücktes zu tun. Um nicht herauszusprudeln: „Hoheit, ich kann das Gesicht meines Sohnes in Ihren Zügen sehen.“ Oder anders: „Zu Hause habe ich jeden Tag eine Miniaturversion von dir vor Augen, Cristiano. Deinen Erben, von dem du noch nichts weißt.“

Nur konnte sie das unmöglich tun, erst recht nicht, da er sie anschaute, als wäre sie unerwartet vom Himmel gefallen und würde jetzt ein Loch in den kostbaren Seidenteppich brennen.

„Ich bin Melissa.“ Gegen alle Vernunft hoffte sie, dass ihr Vorname eine Erinnerung in ihm wachrief. Hatte er nicht einmal zu ihr gesagt, ihr Name ließe ihn an köstlichen Nektar denken? „Melissa Maguire.“

Gelangweilt schaute er sie an. „Jetzt weiß ich auch nicht mehr.“

Was könnte sie sagen, um an seine Erinnerung zu rühren? „Ich … ich lebe ein wenig außerhalb von London, in Walton-on-Thames.“ Hatte er ihr nicht gestanden, dass der Tag, an dem sie mit dem kleinen Boot den Flussarm entlanggerudert waren, einer der schönsten seines Lebens gewesen war? „Man kann dort Ruderboote mieten. Vielleicht können Sie sich ja …“

„Ich wollte nicht Ihre Lebensgeschichte hören, sondern wissen, weshalb Sie in meine Privaträume eindringen und zudem eine Haltung an den Tag legen, der es eindeutig an Respekt für meine Position mangelt. Weder senken Sie den Blick noch machen Sie einen Hofknicks, Dinge, die mir normalerweise entgegengebracht werden. Stattdessen richten Sie das Wort an mich wie an einen alten Bekannten.“

Zutiefst erniedrigt schlug Melissa den Blick nieder und sank in einen Hofknicks, während heißer Zorn an ihr nagte. Wieso sollte sie vor ihm kriechen, wenn sie die Mutter seines Kindes war?!

Nur war es vermutlich nicht der richtige Zeitpunkt, sich widerspenstig zu geben. Also vollzog sie den besten Knicks, der ihr möglich war, so weit ihre Rage und ihr Kleid es zuließen. „Verzeihen Sie, Hoheit.“

„Hoheit“ – nicht mehr lange würde man ihn mit diesem Titel anreden. Düster dachte er an den Weg, den er einzuschlagen gedachte. Schon bald würde er frei von allen Pflichten sein, die sein Leben zu einem goldenen Käfig machten. Wenn er erst seine Ankündigung auf dem Ball heute Abend gemacht hätte, würde das ein für alle Mal die Spekulationen beenden.

Noch während er auf das gebeugte Haupt der Engländerin schaute, meldete sich seine Intuition – etwas, das nach dem Reitunfall nicht verloren gegangen war, obwohl der Sturz ihm vieles geraubt hatte. Etwas an ihr, an ihrem Verhalten, ergab keinen Sinn, auch wenn er es nicht greifen konnte.

„Stehen Sie auf!“, wies er ungeduldig an.

Melissa richtete sich auf und hob den Blick. „Ja, Hoheit?“

„Wieso sind Sie hier?“

„Sie haben nach mir geschickt.“

Hatte er? In Wahrheit beschäftigte er sich schon länger so intensiv mit dem Schritt, den er unternehmen wollte, dass er sich um das Tagesgeschäft im Palast kaum noch gekümmert hatte. Kühl schaute er sie an. „Nun gut, dann frischen Sie meine Erinnerung auf. Beantworten Sie endlich meine Frage – wer sind Sie, und was wollen Sie?“

Auf beleidigendere Weise hätte er ihre Unwichtigkeit wohl kaum betonen können, nur würde sie ihn nicht sehen lassen, wie sehr es sie verletzte. Sie würde sich auf die Tatsache beschränken, die den Vorwand für ihr Hiersein geliefert hatte.

„Ich arbeite für Stephen Woods, den Eventplaner. Von England aus habe ich bei der Organisation des heutigen Balls mitgewirkt. Gestern bin ich angekommen, um die letzten Details zu arrangieren. Stephen bat mich, Ihnen eine kurze Übersicht über den zeitlichen Ablauf zu geben.“ Stephen hatte auch gesagt, der Fürst wolle ihr danken, aber irgendwie hielt sie das jetzt für unwahrscheinlich.

„Hat er das?“ Cristianos Augen wurden schmal. „In diesem Falle … Setzen Sie sich und führen Sie mich durch die Planung.“

Melissa befeuchtete sich die trockenen Lippen und ermahnte sich, nicht nervös zu sein. Vielleicht sollte sie ihn mit ihrer Professionalität beeindrucken, bevor sie ihn damit überrumpelte, dass er Vater war.

„Sie eröffnen den Ball um acht, Hoheit. Mit Ihnen kommen auch Prinz Xaviero, seine Frau, Prinzessin Catherine, und ihr Sohn, Prinz Cosimo an.“

„Ist das nicht zu spät für ein Baby?“, presste er sofort hervor.

„Nun, ein wenig vielleicht schon.“ Sie räusperte sich. „Wir hielten es für eine gute Gelegenheit, einen Fototermin zu genehmigen. Es liegen bereits zahllose Anfragen der Presse nach Fotos des jungen Elternpaares mit ihrem Sohn vor. Wir gehen davon aus, dass endlich Ruhe einkehrt, sobald die Presse entsprechendes Fotomaterial erhält.“

Mit starrem Blick hörte er ihr zu. Natürlich hatte sie recht. Nicht nur sein Volk, die ganze Welt war neugierig auf seinen neugeborenen Neffen. Ein Baby in einem regierenden Fürstenhaus fesselte immer die öffentliche Aufmerksamkeit. Nicht nur, weil Cosimo ein hübsches Baby war, sondern weil er die Zukunft einer der ältesten Adelsfamilien Europas symbolisierte. Und hatte die Geburt des Babys etwa nicht den Druck auf Cristiano erhöht, sich eine Frau zu nehmen, um einen Thronfolger zu zeugen?

Nun, er würde nicht mehr mitmachen. Sein ganzes Leben lang hatte er sich an Anweisungen und Erwartungen gehalten. Aber er würde kein Kind zeugen, nur um seine Pflicht zu erfüllen. Seit Monaten fühlte er eine tiefe Rastlosigkeit in sich, noch verschlimmert durch den Sturz. Und ein rastloser Herrscher war kein guter Herrscher. Cristianos Mund wurde schmal. Da gab es auch noch einen anderen Grund, etwas, das ihn heimsuchte, seit er aus dem Koma erwacht war …

„Hätten Sie Einwände gegen einen zeitlich begrenzten Fototermin für die Familie Ihres Bruders, Hoheit?“

Er lachte bitter auf. „Mindestens hundert. Aber ich sehe den Sinn in dem, was Sie sagen. Arrangieren Sie das mit meinen Sicherheitsleuten. Und achten Sie darauf, dass die Zeit nicht überschritten wird. Ein Blitzlichtgewitter ist nicht gut für ein Neugeborenes. Für Erwachsene auch nicht“, fügte er trocken hinzu. „Was folgt danach?“

„Das Dinner. Mit zweihundert geladenen Gästen. Ihr Bruder wird Ihnen eine kurze Dankesrede widmen, da Sie die Feier ausgerichtet haben. Dann kommt das Feuerwerk, und danach …“

„Halt.“ Sein harscher Befehl ließ sie abrupt verstummen, und er wunderte sich über das seltsam bleierne Gefühl in seinem Herzen. „Vor meinem Bruder möchte ich eine Ansprache halten.“

Alarmiert setzte Melissa sich aufrechter hin. „Aber Hoheit …“

Seine Augen blitzten warnend. „Was?“

Er konnte unmöglich in letzter Minute den Zeitplan umwerfen, wenn doch all die Honoratioren aus Übersee und der gesamte Hochadel Europas anwesend waren. Der Zeitplan war so oder so schon eng genug. „Der Ablauf ist bis auf die letzte Sekunde detailliert ausgearbeitet …“

„Dann arbeiten Sie ihn um“, knurrte er harsch. „Werden Sie dafür nicht bezahlt?“

Seine unfreundlichen Worte versetzten ihr einen schmerzhaften Stich, was sie sich jedoch nicht anmerken ließ. „Sehr wohl, Hoheit. Wenn Sie mich nur wissen lassen könnten, wie viel Zeit Sie für Ihre Rede benötigen …?“

Während sie sprach, suchte ihr Blick ein allerletztes Mal in seiner Miene nach irgendeinem Zeichen des Erkennens. Erinnere dich an mich, flehten ihre Augen, erinnere dich an die Zeit, die wir zusammen verbracht haben …

Cristiano runzelte die Stirn. Irgendetwas schien von ihr auszugehen und auf ihn zuzukommen. Ihre grünen Augen waren plötzlich dunkler geworden, ihre Lippen hatten sich leicht geöffnet. Als wären sie zum Küssen geschaffen … Auch wehte ihr Parfüm an seine Nase, ein dezenter Fliederduft, und für einen Moment verharrte er verdutzt.

Dieser Duft … In den Tiefen seines Gedächtnisses regte sich etwas, doch er bekam es nicht zu fassen. Still fluchte er, als sich ein eindeutiges Ziehen in seinen Lenden meldete. Einen verrückten Moment lang verspürte er das überwältigende Bedürfnis, sie in seine Arme zu ziehen, seine Finger in das glänzende braune Haar zu schieben und diese rosigen Lippen mit seinem Mund zu bedecken.

Verärgert schüttelte er den Kopf. Was war nur mit ihm los?! Vor ihm saß eine kleine Bedienstete und keine atemberaubende Frau. Sicher, es war Ewigkeiten her, seit er sich in körperlichen Freuden verloren hatte, noch lange vor dem Reitunfall, da war er aus irgendeinem Grund sicher. Aber war er tatsächlich so frustriert, dass sein Urteilsvermögen darunter litt? Er konnte doch jede Frau haben, die er wollte. Schon bald würde er das auch ausnutzen, wie er sich schwor.

Anfangen würde er damit heute Abend auf dem Ball. Alle Frauen würden um seine Aufmerksamkeit buhlen, die meisten davon aus adeligen Familien und somit durchaus passende Ehefrauen. Aber er suchte nicht nach einer Ehefrau, er brauchte nur eine Geliebte. Eine Geliebte, die sich mit dem zufrieden gab, was er ihr bot.

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