Love & Hope Edition Band 3

– oder –

 

Rückgabe möglich

Bis zu 14 Tage

Sicherheit

durch SSL-/TLS-Verschlüsselung

DU BIST MEIN GESCHENK DES HIMMELS von KATE KEEDWELL

Allein zur Weihnachtshochzeit des Jahres? Wie peinlich! Da erscheint Elizabeth das Treffen mit Mark Hayes wie ein Wink des Schicksals: Der Ex der Braut ist bereit, ihren neuen Freund zu spielen. Nur warum fühlt es sich so echt an? Ohne es zu wollen, hofft sie plötzlich auf ein wahres Fest der Liebe mit ihm …

WIE EIN STERN IN DUNKELSTER NACHT von MINDY OBENHAUS

Bei ihrer Grandma in Hope Crossing sucht Jillian nach einem traumatischen Erlebnis Zuflucht für sich und ihr ungeborenes Baby. Als sie auf dem Adventsbasar den reizenden Tierarzt Gabriel wiedertrifft, schlägt ihr Herz höher. Kann er ihr das Vertrauen auf das Glück zurückzugeben?

ZEIT DER WÜNSCHE - ZEIT DER HOFFNUNG von BETSY ST. AMANT

Als ihr heimlicher Schwarm Preston Green bei einer Wohltätigkeitsauktion das Date mit ihr ersteigert, erwacht in Lulu eine zarte Hoffnung auf eine gemeinsame Zukunft. Oder will Preston bloß die Verkuppelungsversuche seiner Mutter beim traditionellen Weihnachtsessen verhindern?


  • Erscheinungstag 02.11.2024
  • ISBN / Artikelnummer 9783751530163
  • Seitenanzahl 400
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Kate Keedwell

1. KAPITEL

Es gab keinen besseren Ort, um dort die Weihnachtsfeiertage zu verbringen, als Herons Bay. Das wurde Elizabeth Brennan erneut bewusst, während sie die Main Street entlangging und Bekannten und Nachbarn zulächelte. Denk positiv. Bald ist Weihnachten. Sie schaute zu den Lichterketten empor, die über den Geschäften hingen. Die Luft war kühl und klar.

Es gelang ihr beinahe, die neugierigen Blicke zu ignorieren, die sie streiften. Und zu vergessen, dass sie keinen Ring an der linken Hand trug.

Vielleicht sollte sie eine öffentliche Bekanntmachung herausgeben. Nein, es macht mir nichts aus, dass mein Ex-Freund meine beste Freundin heiratet.

Und das stimmte. Elizabeth freute sich für Andrew und Melissa. Sie wollte nur nicht, dass man sie bemitleidete. Es gab keinen Grund dazu.

Beim Weitergehen betrachtete sie die Schaufensterauslagen. Der Weihnachtsbaum von Sweet Somethings, dem Süßwarenladen, war mit Zuckerstangen behangen. Blue Heron Books hatte ein ganzes Fenster mit Büchern „für die Feiertage“ dekoriert. Beach Rose Blooms verkaufte Tannenkränze und Weihnachtssterne.

Hinter dem Blumenladen lag Coastal Café, der örtliche Coffeeshop. Als sie eintrat, begrüßten sie die vertrauten Klänge von „Driving Home for Christmas“ und der Duft nach Kaffee. Elizabeth schaute sich um und strich sich das Haar zurück.

An der Theke bestellte sie einen Pfefferminztee. Zumindest war die Frau hinter dem Tresen keine alte Bekannte, auch wenn sie etwa in Elizabeths Alter war. Die bevorstehende Begegnung würde peinlich genug werden. Sie brauchte keine neugierigen Zuschauer.

Elizabeth bezahlte und holte tief Atem, bevor sie weiter nach hinten zu einem Tisch in der Ecke ging. Der dunkelhaarige Mann, der dort saß, hatte sie noch nicht bemerkt. Aktuell las er in einem eselsohrigen Taschenbuch, die Ärmel seines Henleyshirts ein Stückchen hochgeschoben. Ohne aufzusehen, nahm er einen Schluck von seinem Kaffee.

Mark Hayes, wie sie ihn kannte.

Noch einen tiefen Atemzug und ein stummes Bittgebet – lieber Gott, verleih mir Stärke –, dann setzte Elizabeth ein strahlendes Lächeln auf. Das der Schauspielerin, das sie seit zwanzig Jahren perfektionierte. Es fiel ihr nicht mehr ganz so leicht wie damals an der Highschool, als sie Mark das letzte Mal gesehen hatte.

„Hallo.“ Grüßend hob sie die Hand.

Er hielt inne. Bevor er das Buch aus der Hand legte, markierte er die Seite, auf der er war, mit einer Papierserviette.

Sie hatte vergessen, wie fesselnd seine Augen wirkten. Warum war ihr nie aufgefallen, wie blau sie waren? Vorhin in der Kirche hatte sie ihn nur flüchtig gesehen.

„Lange her, Brennan.“ Er nickte in Richtung des freien Stuhls.

Elizabeth hatte gehört, dass er dieses Jahr seinen Doktor in Literaturwissenschaft gemacht hatte und eine Unikarriere anstrebte. Das passte zu ihm. Sie konnte sich lebhaft vorstellen, wie er in einem Seminarraum umherging, während die Studenten sich Mühe gaben, ihn zu beeindrucken. „Danke, dass du gekommen bist“, sagte sie. „Ich kann kaum glauben, dass wir beide jahrelang in New York gelebt haben und uns erst hier wieder über den Weg laufen!“ Der Wortschwall kam einfach aus ihr heraus.

Mark neigte den Kopf. „Na ja, es ist eine sehr große Stadt.“

„Ja, natürlich, ich meine nur …“

„Und ich war mir nie ganz sicher, wie ich mit der Ex-Freundin meines Cousins umgehen sollte. Oder der besten Freundin meiner Ex-Freundin, was das angeht.“

Elizabeth lächelte, auch wenn es sie Mühe kostete. „Ich …“ Dann wusste sie nicht so recht weiter.

Glücklicherweise war in diesem Moment ihr Tee fertig. Die Verkäuferin rief ihren Namen auf, und sie erhob sich.

„Das ist für mich“, sagte sie unnötigerweise. „Ich bin kurz …“ Sie deutete in Richtung Tresen.

Normalerweise war sie nicht der Typ Mensch, der herumdruckste und Sätze unvollendet ließ. Ihr hätte klar sein müssen, dass Mark Hayes nicht auf Smalltalk stand. Die Einladung, mit ihr einen Kaffee zu trinken, kam für ihn wahrscheinlich aus dem Nichts.

Ja, sie kannten sich von früher und hatten sich lange in den gleichen Kreisen bewegt. Freunde waren sie nie gewesen. Eher schon Rivalen, was die Noten anging. Ihre Schnittmenge waren Andrew und Melissa.

Andrew Hayes, Marks Cousin, war Elizabeths fester Freund gewesen – von der Highschool bis zum ersten Jahr am College. Melissa Kent, ihre Sandkastenfreundin, war an der Highschool mit Mark zusammengekommen. Sie hatten viel zu viert unternommen, aber Mark und Elizabeth hatten nie wirklich einen gemeinsamen Nenner gefunden.

Und jetzt erinnerte sich Elizabeth auch wieder daran, wieso. Mark Hayes war kühl und distanziert und hatte sie nie besonders gemocht. Sie waren halbwegs höflich zueinander gewesen, mehr aber auch nicht.

Was es für ihn wahrscheinlich sehr seltsam aussehen ließ, dass sie ihn um ein Treffen gebeten hatte.

Elizabeth nahm ihren Tee entgegen und kehrte zu Mark zurück. Er hatte sein Buch nicht wieder in die Hand genommen. Stattdessen beobachtete er sie, als wäre sie ein besonders komplizierter Bandwurmsatz in einer schriftlichen Abhandlung.

Während sie ihren Platz wieder einnahm, dachte Elizabeth an eine ihrer Lieblingspassagen aus dem Philipperbrief, die ihr häufig in den Sinn kam, wenn sie sich in einer herausfordernden Situation befand. Sorgt euch um nichts.

Das war nicht unbedingt leicht zu beherzigen.

Elizabeth nahm einen Schluck Tee.

„Hör zu“, sagte sie zu Mark. „Ich weiß, wir haben uns nie besonders gemocht. Du hast mich für überdreht gehalten. Und warst genervt von mir. Aber das macht jetzt nichts.“

Mark öffnete den Mund, aber Elizabeth sprach weiter. Sie musste es hinter sich bringen. „Es gibt einen Grund, warum ich dich gebeten habe, dich mit mir hier zu treffen.“

„Ich habe angenommen, es wäre wegen der Hochzeit.“

Röte stieg ihr in die Wangen. Er war so direkt. Kam immer gleich auf den Punkt. Warum konnte sie das nicht auch tun? Aber egal, wie oft sie es auf dem Weg hierher geprobt hatte, es war schwieriger als erwartet, das Thema anzusprechen. „Ich habe Angst, dass die Feier ein bisschen peinlich wird.“

Das entlockte ihm ein schwaches Lächeln. „Elizabeth Brennan, die im Jahrbuch einhellig zum Durchstarter gewählt wurde, ist etwas peinlich?“

Sie wollte nicht mit den Augen rollen – das wäre unhöflich. „Ach, bitte, gerade dir sollte klar sein, dass ich schnell verlegen werde.“

Elizabeth rechnete mit einer spöttischen Bemerkung, aber er blieb erstaunlich ernst. „So ist mir das nie vorgekommen.“

„Oh.“ Wirklich? „Danke.“ Sie schüttelte den Kopf. „Ich … ich hatte eine Idee. Wie es vielleicht weniger peinlich werden könnte.“

„Indem du nicht hingehst?“ Das erneute schwache Lächeln sagte ihr, er meinte es nicht ernst.

„Richtig, aber davon einmal abgesehen … Du suchst nicht zufällig noch nach einer Begleitung?“

Das war so ungefähr das Letzte, was Mark erwartet hatte.

Er konnte sich nicht daran erinnern, dass Elizabeth Brennan früher einen so seltsamen Sinn für Humor gehabt hatte. Das musste sich geändert haben, wenn sie ihn aus heiterem Himmel zum Kaffeetrinken einlud und anscheinend zusammen mit ihm auf die Hochzeit wollte.

Die Hochzeit allein war schon eigenartig genug. Es kam nicht jeden Tag vor, dass der eigene Cousin die Ex-Freundin heiratete. Andrew, der Spitzensportler, der Star ihres Highschooljahrgangs.

Mark war nicht stolz auf seine eigene Missgunst. Andrew war sein Cousin, und früher waren sie auch beste Freunde gewesen. Das vermisste er. Aber es blieb eine Tatsache: Alle hatten ihm Andrew vorgezogen. Lehrer, Eltern – auch seine eigenen – und Mädchen.

Die Frau, die ihn über ihren Becherrand hinweg hoffnungsvoll ansah, war nur ein Beispiel dafür.

Allerdings war es nie ein Geheimnis gewesen, dass Elizabeth Brennan nur Augen für Andrew gehabt hatte. Alle waren davon ausgegangen, die beiden würden nach dem College heiraten. Das hatte Andrew auch gedacht.

Es war sehr unerwartet gekommen, als sie sich noch im ersten Jahr am College getrennt hatten. Ihre Beziehung hatte die Distanz nicht überstanden.

Selbst Mark, zynisch, wie er war, hatte die Trennung überrascht.

Er musterte Elizabeth genauer. Unter dem Lipgloss, dem Make-up und dem professionellen Lächeln, an das er sich noch von früher erinnerte, als sie und Melissa an der Highschool zusammen Theater gespielt hatten, konnte er die Anspannung sehen.

Diese Woche musste schwierig für sie sein.

Wer heiratete überhaupt zu Weihnachten? Die Feiertage waren stressig genug, auch ohne zusätzliche Termine.

Aber sosehr er mit ihr mitfühlte, der Vorschlag, den sie ihm gerade unterbreitet hatte, war lächerlich. „Willst du wirklich so dringend mit mir ausgehen, Brennan?“, fragte Mark gedehnt.

Elizabeth errötete. Das Make-up, das sie trug, konnte das nicht überdecken. „Bevor du Nein sagst … Ich habe in letzter Zeit viel gebetet. Und heute in der Kirche ist mir dabei diese Idee in den Sinn gekommen.“

Er hob beide Augenbrauen. „Willst du damit sagen, Gott will, dass wir zusammen zu dieser Hochzeit gehen?“

Sie ignorierte seinen Spott. „Es wäre kein echtes Date.“

Ja. Schon klar. Natürlich nicht. Er fragte sich, warum er etwas anderes angenommen hatte.

„Aber … bist du die mitleidigen Blicke nicht ebenfalls leid? Als wärst du der tragische Held aus einem Hollywood-Film? Ich habe die ganze Zeit das Gefühl, alle erwarten von mir, mein Schicksal in einem traurigen Lied zu beklagen wie in einem Musical ‚On My Own‘ vielleicht.“

Mark starrte sie an.

„Aus ‚Les Misérables‘“, stellte sie klar.

„Ich kenne das Lied. Und kann es mir lebhaft vorstellen.“

Damals in der Highschool hatte Elizabeth andauernd gesungen. Wenn sie alle vier im Auto gesessen hatten, um ins Kino zu fahren. Oder in Melissas Keller, wo sie gemeinsam für Arbeiten gelernt hatten. Er hielt es nicht für ausgeschlossen, dass sie damit wieder anfangen würde.

Wieder errötete sie, als könnte sie seine Gedanken lesen. „Ich bin keine sechzehn mehr.“

Das war Mark auch nicht. Aber seit seiner Rückkehr nach Herons Bay fühlte er sich so. Wahrscheinlich, weil er wieder bei seinen Eltern wohnte. Es war nur temporär, für ein, vielleicht zwei Monate. Eine Übergangslösung, während er einen Job suchte.

Aber das machte es nicht leichter, sich wieder hier einzugewöhnen. Der Doktortitel, auf den er in den letzten Jahren so zielbewusst hingearbeitet hatte, war kein großer Trost. Er half nicht gegen die ständige Kritik seines Vaters und die Besorgnis seiner Mutter.

Mark war stolz auf seine Arbeit. Dankbar für die Freude, die er an der Beschäftigung mit Literatur und dem Lehren fand. Er war mit dem, was er aus sich gemacht hatte, zufrieden. Aber irgendwie wusste er nicht so recht, wie er den Menschen, der er geworden war, mit Herons Bay in Einklang bringen sollte.

„Mal ganz ehrlich“, unterbrach Elizabeth seinen Gedankengang, „würde es dir das Leben nicht auch einfacher machen, wenn du jemanden hättest, mit dem du zur Hochzeit gehen könntest?“

Mark zuckte die Schultern. „Ich versuche, nicht auf die Gerüchte zu hören.“ Eine Überlebensstrategie für alle, die mit Ende zwanzig auf einmal wieder bei ihren Eltern lebten.

Nicht, dass Elizabeth Brennan das nachvollziehen konnte.

Sie sank in sich zusammen. „Das versuche ich auch, aber …“

Sie ist es nicht gewohnt, dass die Stadt über sie tuschelt. Warum auch? Elizabeth war früher alles zugeflogen. Die guten Zensuren, um die er hart hatte kämpfen müssen. Die Rollen in den Theaterstücken der Cranberry Players, der örtlichen Laientheatergruppe. Und bestimmt war es in ihrem Leben als Erwachsene genauso weitergegangen.

„Meistens sind Besuche hier sehr schön“, sagte sie leise. „Aber die letzten Tage waren schwierig.“

Ihre Verwundbarkeit entwaffnete ihn ein bisschen. „Und du denkst, es wäre einfacher, Zeit mit mir zu verbringen?“

Das entlockte ihr ein trauriges Lächeln. „Besser, als wenn alle glauben, ich würde immer noch Andrew hinterhertrauern. Selbst meine Eltern machen sich Sorgen deshalb …“

Mark verzog das Gesicht. Klatsch und Tratsch konnte man ignorieren. Die eigenen Eltern nicht.

Trotzdem. „Ich bin mir sicher, es gibt mindestens sieben Typen aus unserem Jahrgang, die sich schier überschlagen würden, um mit dir zu dieser Hochzeit zu gehen. Warum fragst du nicht einen von denen?“

Elizabeth blinzelte. „Warum gerade sieben?“ Dann schüttelte sie den Kopf. „Ich schätze, ich habe einfach gedacht, wir säßen im selben Boot. Sorry.“

Das versetzte Mark einen Stich.

Sie war ihm gegenüber so offen. Unerwartet aufrichtig.

Aber das bedeutete nicht, dass er es auch sein musste.

Elizabeth trank ihren Tee aus. Sie griff in ihre Handtasche, holte einen Stift heraus und schrieb etwas auf eine Papierserviette, die sie ihm zuschob.

„Meine Telefonnummer“, sagte sie, als hätte sie Angst, er könnte es für einen Geheimcode halten. „Falls du deine Meinung änderst. Es war schön, dich wiederzusehen, Mark.“

Und weg war sie, verließ das Café mit erhobenem Kopf und perfekter Haltung. Bevor er ihr hinterherrufen konnte, dass er ihr diese Beteuerung nicht abnahm.

2. KAPITEL

Elizabeth versuchte, sich nicht so niedergeschlagen zu fühlen. Es gab viel Schönes in ihrem Leben: wunderbare Eltern, gute Freunde, einen niedlichen Hund. Und gerade im Moment die Gelegenheit, im Dunkeln eine verlassene Straße entlangzugehen, ohne einen Alarmknopf in der Tasche zu haben. Auch Kleinigkeiten zählten. Sie versuchte, nichts als selbstverständlich hinzunehmen, sondern dafür dankbar zu sein.

Was machte es schon, dass Mark Nein gesagt hatte? Er war ohnehin so ein Miesepeter. Es war eine schlechte Idee gewesen, ihn anzusprechen, ganz gleich, wie inspiriert sie sich nach dem Gottesdienst gefühlt hatte.

Aber es war schwer, sich nicht wie eine Versagerin zu fühlen. Schon seit einer Weile hatte sie das Gefühl, dass sie nur noch Misserfolge einheimste, ganz egal, wie sehr sie sich anstrengte. Auf wie viele Rollen hatte sie sich in der letzten Zeit beworben?

Bewusst versuchte sie, sich auf die schönen Dinge zu konzentrieren. Die Weihnachtsbeleuchtung verlieh der Stadt einen besonderen Glanz. Die Sterne bei Familie Jacobs, der blinkende Weihnachtsmann bei den Wilsons, die hübsch illuminierte Krippe bei den Gowens … und dann natürlich ihr Elternhaus.

Am Schild, das auf das Bayside Bed & Breakfast verwies, bog sie in die lange Einfahrt ab. Bunte Lichterketten schmückten das Dach und die Tür des Hauses im Kolonialstil, das ihre Eltern vor fast zehn Jahren zu einer Pension umgebaut hatten, nachdem Elizabeth ihren Abschluss gemacht hatte und nach New York gezogen war.

Die Einfahrt stand voller Autos. Bei ihrem Anblick verließ Elizabeth erneut der Mut. Normalerweise war ihr Elternhaus für sie ein Zufluchtsort. Aber nicht, wenn jeder Winkel voll war mit Hochzeitsgästen.

Meistens schlossen ihre Eltern über die Feiertage die Pension. Im Dezember sah man in einer Kleinstadt an der Südküste von Massachusetts kaum Touristen. Die meisten Gäste kamen im Sommer zum Badeurlaub oder im Herbst, um die Laubfärbung in den Neuenglandstaaten zu genießen.

Dieses Jahr aber war die Pension ausgebucht. Daran war Melissas und Andrews Hochzeit schuld. Die beiden hatten viele Freunde von auswärts aus Collegezeiten eingeladen.

So hatte Elizabeth ihren Urlaub eigentlich nicht verbringen wollen. Sie half ihren Eltern gern und hatte nichts gegen die Gäste. Aber die neugierigen Blicke, die sie trafen, weil sie Andrews Ex-Freundin war, belasteten sie sehr.

Sie sehnte sich nach der Anonymität New Yorks. Dort kümmerte ihre Vergangenheit niemanden. Herons Bay hatte ein langes Gedächtnis, und selbst kleine Dramen blieben unvergessen.

Ihr Leben lang hatte Elizabeth sich nach dem Rampenlicht gesehnt. Sie stand gern auf der Bühne. Aber das hier war etwas anderes. Sie konnte sich nicht richtig entspannen, das gekünstelte Lächeln der Schauspielerin nicht ablegen.

Mark hatte sie daran erinnert, dass ihre Klassenkameraden damals tatsächlich eine große Zukunft für sie vorhergesagt hatten. War es so schlimm, dass sie den Erwartungen gerecht werden wollte? Glücklich und erfolgreich wirken wollte?

Stolz war eine Sünde.

Elizabeth straffte die Schultern, als sie auf die Veranda trat. Sie öffnete die Eingangstür, und im nächsten Moment stürzte ein dreifarbiges Fellknäuel auf sie los und sprang ausgelassen um sie herum. „Hallo, Mary Tyler Morkie“, sagte Elizabeth und ging in die Hocke, um ihre Hündin zu begrüßen.

Mary Tyler Morkie war ein Malteser-Yorkshire-Mischling. Und sie besaß die gleiche einnehmende Persönlichkeit wie die Schauspielerin Mary Tyler Moore, nach der sie benannt war. Seit sie hier in Herons Bay angekommen waren, spielte sie mit großer Begeisterung das Maskottchen der Pension. Glücklicherweise waren alle Gäste tierlieb. Und nicht allergisch gegen Hunde.

Im Haus war es still. Die Gäste waren entweder schon zu Bett gegangen oder aßen auswärts. Von ihren Eltern war nichts zu sehen.

Elizabeth hob Mary Tyler Morkie hoch und ging durch das Wohnzimmer zur Treppe, die hoch in den privaten Teil des Hauses führte. Sie könnte schwören, dass die Nussknacker auf dem Kaminsims sich schon wieder vermehrt hatten, seit sie vorhin in die Stadt gegangen war. Ihre Eltern hatten sich dieses Jahr wirklich Mühe mit der Weihnachtsdeko gegeben.

Sie klopfte an die Tür des Wohnzimmers. „Ich bin’s.“

Einen Moment später stand ihre Mutter auf der Schwelle, in einem übergroßen Pullover und einer Schlafanzughose mit Rentieren darauf. Ihr Haar, das den gleichen honigblonden Farbton hatte wie Elizabeths, war zu einem lockeren Knoten aufgesteckt. Hinter ihr döste Elizabeths Vater auf dem Sofa.

„Deine Nase ist ganz rot“, sagte ihre Mutter. „Ist dir kalt?“

„Nur ein wenig. Es ist mild heute.“

„Du hättest auch das Auto nehmen können.“ Ihre Mutter winkte sie ins Zimmer.

„Ich gehe gern zu Fuß. Zehntausend Schritte heute! Und ich konnte mir die Weihnachtsbeleuchtung ansehen.“

„Ja, die ist wieder wunderschön, nicht wahr?“

Elizabeth nickte und deutete auf ihren Vater. „Soll ich lieber gehen?“

„Du weißt doch, wenn er schläft, schläft er. Und verpasst meine Serie.“

Die Lieblingsseifenoper ihrer Mutter lief im Hintergrund. Die Schauspielerin, die gerade im Bild war, war ein Urgestein der Serie, schon seit Elizabeths Grundschulzeit. Ob sie sich ihre Karriere wohl so vorgestellt hatte? Hatte sie je eine andere Rolle gespielt oder über einen alternativen Job nachgedacht?

Elizabeth hatte nie etwas anderes gewollt. Schon als kleines Kind hatte sie ihre Liebe zum Theater entdeckt, und der Traum hatte sie niemals losgelassen. Eine Rolle zu spielen hieß, jemand anders zu werden und das Publikum auf diese Reise mitzunehmen.

Später war sie dem Laientheater von Herons Bay beigetreten, den Cranberry Players. Im College hatte sie bei so vielen Theaterprojekten mitgewirkt wie nur möglich. Und in den letzten Jahren hatte sie sich unablässig am Broadway beworben.

Was blieb ihr anderes übrig, als es immer und immer wieder zu versuchen? Sonst wären die vielen Jahre harte Arbeit, die Unterstützung ihrer Eltern und ihr Collegeabschluss eine Verschwendung.

Sie wäre eine Verschwendung.

Das waren düstere Gedanken. Elizabeth setzte sich auf einen der blauen Sessel, die um den Couchtisch standen. Mary Tyler Morkie sprang auf ihren Schoß und kuschelte sich dort zusammen.

„Wir haben dich kaum gesehen, seit du angekommen bist.“ Ihre Mutter setzte sich auf den Sessel daneben. „Das Bed & Breakfast ist sonst nie so voll …“

„Ist schon okay“, versicherte ihr Elizabeth. „Ich wusste ja, dass es hektisch werden würde wegen der Hochzeit.“

Eine Hochzeit zu Weihnachten. Ein kleiner Teil von ihr verübelte es Melissa und Andrew, dass sie ihr die Festtage verdarben. Sie hätte die Zeit mit ihren Eltern verbringen können. Stattdessen war das Haus voller Fremder. Nicht, dass ihre Eltern den zusätzlichen Umsatz nicht brauchen konnten … Und sie konnte schon verstehen, warum Melissa und Andrew gerade dieses Datum gewählt hatten. Vor zehn Jahren, kurz vor Weihnachten, hatten sie angefangen, miteinander auszugehen.

Nur einen Monat nachdem Andrew und Elizabeth sich voneinander getrennt hatten.

Auch, wenn es lange vorbei war und der Schmerz beinahe vergessen, konnte Elizabeth sich noch lebhaft an das Gefühl der Übelkeit erinnern. Die Erkenntnis, wie schnell Andrew über sie hinweggekommen war. Und mit wem er nun zusammen war.

„Ich weiß, ich weiß“, sagte ihre Mom. „Trotzdem ist es schade. Wir sehen dich so selten.“

„Jetzt bin ich ja hier.“ Elizabeth versuchte, ihre übliche gute Laune wiederzugewinnen.

Schuldgefühl machte ihr zu schaffen. Sie hatte wirklich wenig Zeit für Besuche daheim. Bis vor einiger Zeit hatte sie als Nanny für einen Haushalt an der Upper West Side gearbeitet. Die Eltern von Juliet und Ophelia hatten sie gut bezahlt, waren immer sehr verständnisvoll gewesen und hatten ihr sogar erlaubt, die Arbeitszeiten um ihre Termine für Castings herumzulegen. Elizabeth half immer noch ab und zu bei den Carmichaels aus. Aber irgendwann hatte sie einen Job gebraucht, bei dem sie krankenversichert war. Seitdem arbeitete sie in einem Coffeeshop hinter der Theke. Lange Zeit hatte sie gehofft, irgendwann über die Actor’s Equity Association versichert zu sein. Aber dieser Traum rückte in immer weitere Ferne. Sicher, sie konnte ein paar kleine Erfolge verzeichnen, aber nichts Großes. Nichts Dauerhaftes. Nichts, was ihr den Durchbruch ermöglichen würde.

„Zumindest werden wir als Familie zur Hochzeit gehen“, sagte ihre Mom. „Es sei denn, es kommt noch jemand aus der Stadt?“ Sie lächelte. „Einem netten jungen Mann zuliebe könnte ich vielleicht auf dich verzichten.“

In der Stimme ihrer Mutter lag zu viel Hoffnung. Es war zu schwer zu erklären, dass Elizabeth zwischen den vielen Terminen zum Vorsprechen, den Schichten im Coffeeshop und dem Babysitten die Zeit fehlte, sich zu verabreden. Und die Energie.

Und der Mut.

Jedes Vorsprechen kostete Kraft. Herzblut. Und ihr Herz konnte es nicht riskieren, noch mehr Blut zu verlieren.

„Ich glaube nicht, dass Melissa begeistert wäre, wenn ich fünf Tage vor der Hochzeit noch überraschend einen Gast auf die Liste setzen würde“, sagte sie.

Genau deshalb wäre die Lösung, die sie Mark vorgeschlagen hatte, so praktisch.

Ihre Mom winkte ab. „Sie ist deine älteste Freundin. Sie hätte sicher nichts dagegen. Hmm, lass mich überlegen, mit wem könnte ich dich noch schnell verkuppeln …?“

Elizabeth beugte sich vor und griff nach der Fernbedienung. „Lass uns zusammen weiter deine Serie schauen.“

Ihre Mutter meinte es gut, aber sie begriff nicht, dass die Aussicht auf ein Blind Date mit einem ihrer alten Schulkameraden Elizabeth abschreckte. Sie wollte sich nicht der Schadenfreude, dem Mitgefühl oder der Enttäuschung ihrer alten Mitschüler aussetzen, wenn sie begriffen, dass Elizabeth Brennan, die Überfliegerin von damals, ihre Träume nie verwirklicht hatte.

Mit Mark wäre das nicht so schlimm. Er hatte sich nie von dem schönen Schein blenden lassen. Und heute, während des Gottesdienstes, hatte er genauso unbehaglich gewirkt, wie sie sich fühlte.

„Na gut.“ Ihre Mutter hob die Hände. „Themenwechsel. Aber im Gegenzug musst du mir helfen herauszufinden, ob Priscilla tatsächlich von den Toten auferstanden ist, oder ob wir es mit ihrer verschollenen Zwillingsschwester zu tun haben.“

Nur zu bereitwillig ließ sich Elizabeth auf den Waffenstillstand ein.

Marks altes Kinderzimmer kam ihm klein vor. Kleiner als das Schlafzimmer in seiner winzigen Wohnung in Manhattan. Vielleicht war es das schmale Bett. Oder der Schreibtisch, an dem er früher Aufgaben gerechnet und Diagramme gezeichnet hatte. Oder die Fülle an Erinnerungen …

Vielleicht, dachte Mark, während er müßig die Bücher in seinem Regal betrachtete, war es auch die dröhnende Stimme seines Vaters unten im Wohnzimmer.

Er hatte sich gerade für ein Buch von C. S. Lewis entschieden, als sich die ebenso laute Stimme seines Onkels dazugesellte. Es war schwer zu sagen, ob die Brüder die eigene Mannschaft anfeuerten oder auf die Gegner schimpften.

Mark hatte nicht damit gerechnet, je wieder hier zu leben. Posten an der Uni waren hart umkämpft, keine Frage, aber er hatte gehofft, einen Job in Aussicht zu haben, wenn er mit der Doktorarbeit durch war, oder zumindest gleich danach einen zu finden. Leider hatte die erste Runde an Bewerbungen nichts ergeben. Es ging ihm nicht allein so – viele seiner Studienkollegen waren auch noch auf der Suche.

Bis vor Kurzem hatte Mark in einem Buchladen in New York gearbeitet, aber als der befristete Mietvertrag ausgelaufen war, hatte er sich nicht dazu durchringen können, ihn zu verlängern. Er hatte keine Ahnung, wann seine Jobsuche von Erfolg gekrönt sein würde.

Vielleicht würde er nach New York zurückkehren. Vielleicht sich hier in New England eine neue Stelle suchen. Vielleicht nach Nebraska oder Louisiana gehen. Im Endeffekt musste er es dem Schicksal überlassen. Gott vertrauen, dass er einen Plan für ihn hatte. Er hatte jedenfalls alles getan, was er konnte.

Wie sollte er seinen Eltern sonst beweisen, dass die harte Arbeit der letzten Jahre nicht umsonst gewesen war?

„Mark!“, rief sein Onkel. „Bist du da oben?“

Mark ließ sein Buch liegen und ging die weihnachtlich dekorierte Treppe hinunter ins Wohnzimmer, wo sein Vater und sein Onkel auf der Ledercouch saßen und Sport schauten, während sich seine Mutter mit ihrem E-Book-Reader im Sessel zusammengerollt hatte.

„Mark!“ Sein Onkel begrüßte ihn so enthusiastisch, als hätte sein Eishockey-Team den Puck direkt ins Tor geschossen. „Setz dich doch dazu! Bei uns geht wegen der Hochzeit alles drunter und drüber. Ich habe dich kaum gesehen, seit du wieder zurück bist.“

Wieder zurück. Das klang so permanent. Mark widerstand dem Drang, seinen Onkel zu korrigieren. „Schön, dich zu sehen. Ich schätze, es ist für euch eine anstrengende Woche?“

Sein Onkel schüttelte den Kopf. „Mein Sohn musste auch unbedingt zu Weihnachten heiraten! Gina ist völlig durch den Wind. Im Moment brütet sie über der Sitzordnung. All ihre Cousinen müssen sorgfältig verteilt werden.“

Mark fragte sich, wo seine Tante ihn hinsetzen würde. An einen Tisch mit anderen Singles? Mit seinen Eltern? Andrew hatte ihm letztes Jahr per Textnachricht versichert, dass er Mark nicht in Verlegenheit bringen würde, indem er ihn zum Trauzeugen machte und Aufmerksamkeit auf seinen Singlestatus lenkte.

Marks Pullover fühlte sich zu eng an. Ihm war heiß.

„Du kommst ohne Begleitung, oder?“, fragte Brad.

Sein Dad lachte. „Zählt sein Doktortitel?“

„Keine Freundin in New York?“, hakte sein Onkel nach.

Mark betete darum, dass das Match gleich weiterging. „Im Moment nicht.“

Elizabeths Worte hatten sich in seinem Kopf festgeheftet wie ein besonders klebriges Karamellbonbon. Mitleidige Blicke. Als wärst du der tragische Held aus einem Hollywood-Film.

„Du willst dich nicht festlegen, wie?“ Sein Onkel blinzelte ihm zu, als wäre Mark auf einmal zum Weiberhelden geworden.

„Unser Junge hat keine Zeit für Frauen“, warf sein Vater ein. „Nicht, seit er Melissa hat entwischen lassen.“

Mark unterdrückte ein Stöhnen. Seine Trennung von Melissa war ewig her. Natürlich hatte er sich seitdem mit Frauen getroffen – ab und zu. Aber in letzter Zeit war er mit anderen Dingen beschäftigt gewesen. Mit seinem Doktortitel. Seinem Job im Buchladen. Und der Hoffnung auf einen Job an der Uni.

Nicht, dass sein Vater damit etwas anfangen konnte. Marks Errungenschaften – seine Noten, sein Abschluss – zählten nicht. Für seinen Dad war es schlicht die falsche Studienrichtung.

Würde sein Dad ihm mit mehr Respekt begegnen, wenn er Zahnmedizin studiert hätte? Oder an der örtlichen Highschool unterrichtete wie Andrew? Wenn er es wäre, der Melissa Kent heiraten würde?

„Na ja, für meinen Sohn hat es sich ausgezahlt.“ Sein Onkel lachte, aber es klang ein wenig betreten.

„Das hat es. Mark hat sich ein Juwel durch die Finger gleiten lassen.“ Sein Vater schaute auf den Bildschirm und nahm sich eine Handvoll Chips aus der Schale auf dem Couchtisch.

Eines Tages würden ihm die beiläufigen Bemerkungen seines Vaters egal sein, hoffte Mark. Aber heute war er noch nicht so weit. Stattdessen sah er auf einmal Andrew und Melissa vor sich, wie sie zum ersten Mal händchenhaltend durch Herons Bay geschlendert waren. Im ersten Jahr am College, in den Winterferien. Sie hatten es ihm persönlich sagen wollen, aber er war einen Tag früher gekommen als geplant und hatte sie durch Zufall in der Main Street gesehen.

Er und Melissa hatten sich nach dem Abschluss an der Highschool getrennt. Sie waren beide realistisch genug gewesen, um zu erkennen, dass sie keine mehrjährige Fernbeziehung wollten. Aber tatsächlich war Mark schon früher innerlich auf Distanz zu ihr gegangen. Was mit der Enttäuschung seines Vaters darüber zusammenhing, dass er nicht in seine Fußstapfen treten und Zahnmedizin studieren wollte. Was, wenn Melissa seinem Dad zugestimmt hätte? Oder wenn sie Mark gedrängt hätte, seinem Herzen zu folgen, und nun erleben müsste, dass der Erfolg ausblieb? Es war einfacher, nur sich selbst etwas schuldig zu sein.

Sein Dad ließ es beinahe so klingen, als hätte Melissa ihn um Andrews willen verlassen. Andrew stand als Sieger da, Mark als Verlierer. Die Wahrheit blieb dabei auf der Strecke.

Ohne, dass er es geplant hatte, und ohne sich zu überlegen, was er eigentlich tat, hörte sich Mark auf einmal sagen: „Ich habe übrigens ein Date für die Hochzeit.“

Schlagartig hob seine Mutter den Kopf. „Wirklich?“

Mark biss sich auf die Lippen. Was hatte er getan?

Das war sagenhaft dumm gewesen.

Im Stillen flehte er Gott um Hilfe an. Wie hieß es noch im Brief des Jakobus? Ein jeder Mensch sei langsam zum Reden? Normalerweise fiel es Mark nicht schwer, diesem Credo zu folgen.

Sein Vater schaute ihn skeptisch an; sein Onkel beunruhigt. „Weiß Andrew davon? Ich freue mich natürlich, aber ich hätte schwören können, dass du nur für eine Person zugesagt hast.“

Das war alles Elizabeths Schuld. „Das habe ich“, sagte er. „Sie ist auch eingeladen.“

Jetzt hefteten sich drei Augenpaare auf ihn. Die Sportschau war vergessen.

„Wer?“, fragte seine Mutter und beugte sich vor.

Es gab kein Zurück mehr. „Elizabeth.“

Obwohl nur eine Elizabeth auf der Gästeliste stand, die sie alle kannten, blinzelte sie ihn an. „Elizabeth … Brennan?“

„Elizabeth Brennan.“ Er konnte jetzt keine halben Sachen machen.

„Wie ist es denn dazu gekommen?“, fragte sie verblüfft. „Ich dachte, ihr beide wärt damals nicht besonders gut miteinander ausgekommen.“

„Sie lebt auch in New York. Und wir sind beide erwachsen geworden.“

Sein Vater fand einen Grund, die Stirn zu runzeln.

Sein Onkel lachte. „Na, das ist ja ein Ding! Ich richte es Gina aus, damit sie euch nebeneinandersetzen kann.“

„Danke.“

„New York muss sie verändert haben“, sagte sein Dad. „Wir wissen alle, wer an der Highschool ihr Typ war … und wer nicht.“

„Doug“, tadelte seine Mutter.

„Hast du deinen Cousin gefragt, was er dazu sagt?“

Mark starrte seinen Vater an. „Sie haben schon vor Jahren Schluss gemacht!“

„Entspann dich, Doug“, sagte sein Onkel. „Andrew hat keinen Grund, sich zu beschweren. Er wird sich freuen, dass Mark jemanden gefunden hat.“

Sein Dad winkte ab. „Ja, ja, schon gut.“

Ein paar Minuten später waren die beiden wieder in ihren Sport vertieft.

Mark tastete in der Tasche nach der Serviette, die Elizabeth ihm gegeben hatte.

Es war ja nicht für immer. Nur über die Feiertage. Im neuen Jahr würde er irgendwo eine Stelle finden und sich eine Wohnung suchen. Und Elizabeth würde nach New York zurückfahren. In ein paar Monaten würde es niemanden mehr interessieren, ob sie zusammen auf einer Hochzeit gewesen waren.

Seine Mom riskierte einen vorsichtigen Blick zu ihm. „War es Elizabeths Idee?“

Mark zuckte die Schultern. „Wir haben uns beide gemeinsam dazu entschieden.“ Das war keine Lüge.

Seine Mutter kaute an ihrer Unterlippe. „Ich bin froh, dass du hier wieder Anschluss findest. Du wirkst sehr einsam, seit du zurück nach Hause gekommen bist.“

Er hörte das unausgesprochene „Aber“.

In diesem Haus gab es immer ein Aber.

„Sei vorsichtig“, sagte sie schließlich. „Dieses Mädchen war immer wie der Sonnenschein. Hübsch und strahlend. Ich möchte nur nicht, dass du dich verbrennst.“

„Mach dir deswegen keine Sorgen, Mom. Es ist nur ein Date.“

Außerdem gehörte Mark nicht zu den Typen, die schnell Sonnenbrand bekamen.

Es war ein weiterer wolkenloser Dezembertag in Herons Bay. Elizabeth verbrachte einen Moment damit, die falschen Schneeflocken zu bewundern, die die Fensterscheiben von Daisy’s Diner zierten. Bisher gab es keine Anzeichen für weiße Weihnachten, trotz der tiefen Temperaturen.

Sie blieb einen Moment draußen stehen.

Ihre Eltern bedauerten es, dass sie bei diesem Besuch noch nicht dazu gekommen waren, mit ihr hier zu frühstücken, aber sie mussten jeden Morgen ihre Gäste versorgen. Wenn Elizabeth versuchte zu helfen, scheuchten sie sie weg. Ihre Mutter sagte, sie solle ihren Urlaub genießen; ihr Dad beharrte auf die zu kleine Küche für drei. Elizabeth aber vermutete, sie wollten nur nicht in ihren vertrauten Abläufen gestört werden.

Während sie auf dem Gehweg stand, die Arme wegen der Kälte um sich geschlungen, knabberte Elizabeth an ihrer Unterlippe. Herons Bay würde immer ihr Zuhause sein. Aber hatte sie hier nach beinahe zehn Jahren in New York noch einen Platz?

Früher hätte sie irgendetwas mit Melissa unternommen. Aber sie hatte sich nicht getraut, diese Woche mit ihr Kontakt aufzunehmen, weil sie bestimmt bis über die Ohren in Hochzeitsvorbereitungen steckte.

„Elle?“

Wenn man vom Teufel spricht …

Elizabeth wusste, bevor sie sich umdrehte, wen sie sehen würde. Die einzige Person, die Elizabeth je „Elle“ nannte. Und da war sie: rotblondes Haar, Rehaugen, Sommersprossen. Impulsiv umarmte sie ihre alte Freundin. „Melissa, hi!“

Melissa erwiderte die Umarmung. Einen Moment lang waren sie sich wieder so nahe wie damals. „Ich wusste nicht, dass du schon hier bist!“

„Ich bin gestern erst angekommen.“ Früher hätte sie Melissa gleich angerufen.

Erst jetzt fiel ihr auf, dass Melissa nicht allein war. Neben ihr stand Andrew mit seinem blonden Haar, den blauen Augen und dem freundlichen Gesicht. Und neben Andrew … seine
Eltern.

„Hallo, Andrew“, sagte sie und fragte sich, was die Etikette vorsah: ihren Ex-Freund zu umarmen oder es lieber zu lassen. Welche versteckte Botschaft sendete sie mit der jeweiligen Option? Sie nickte seinen Eltern zu. „Hallo, Mr. und Mrs. Hayes.“ Sie hatte Andrews Eltern immer gemocht.

Beide lächelten sie an.

„Schön, dich wiederzusehen“, sagte seine Mutter.

„Danke, dass du es hergeschafft hast“, sagte Andrew und traf die Entscheidung für sie, indem er einen Arm um ihre Schultern legte und sie flüchtig an sich zog. „Es bedeutet mir und Mel sehr viel.“

Elizabeth lächelte und nickte. Die beiden heirateten einen Tag vor Weihnachten. Wo sollte sie sonst sein als in Herons Bay? „Danke für die Einladung.“

„Wir gehen dann mal rein und suchen uns einen Tisch“, sagte Brad Hayes zu seinem Sohn und wandte sich an Elizabeth. „Wir sehen dich und Mark auf der Hochzeit! Vielen Dank an deine Eltern – sie kümmern sich rührend um all unsere auswärtigen Gäste!“

Zu dem Zeitpunkt, als Brad und Gina längst durch die Tür verschwunden waren, versuchte Elizabeth noch, das Gehörte zu verarbeiten. Dich und Mark? Hatte jemand ihre Unterhaltung gestern Abend mitangehört und die falschen Schlüsse gezogen? Denn Mark hatte ihr ja eine deutliche Absage erteilt.

Andrew fuhr sich mit der Hand durch das helle Haar. „Ich konnte es kaum glauben, als ich es gehört habe. Aber meine Eltern haben nichts falsch verstanden, oder? Du bist die Elizabeth, mit der er zur Hochzeit kommt?“

Melissa schlug Andrew spielerisch auf die Schulter. „Wir sind nicht mehr auf der Highschool, Babe. Ich bin sicher, sie haben inzwischen eine Menge mehr gemeinsam als damals.“

Andrew kniff die Augen zusammen. „Stimmt. Ihr habt beide in New York gelebt.“

Melissa lachte. Es klang ein bisschen unsicher. „Es muss mehr an der Sache sein.“

Elizabeth war kein Improvisationstalent. Was sie noch nie so sehr bedauert hatte wie in diesem Moment. Ihr fehlten schlicht die Worte.

„Ich kann es nicht abwarten zu hören, wie ihr beide euch wiedergetroffen habt“, sagte Melissa. „Wollen wir uns vielleicht später auf einen Kaffee treffen? Im Moment ist alles so hektisch, ich kann eine Pause gebrauchen.“

„Ja“, sagte Elizabeth, dankbar für die Rettungsleine, die Melissa ihr zuwarf. „Auf jeden Fall.“

Melissa und Andrew folgten seinen Eltern ins Diner. Elizabeth ging weiter. Der Gedanke an ein Frühstück war vergessen.

Hatte sie Mark gestern missverstanden?

Sie zog ihr Telefon aus der Tasche und wollte sich schon bei Facebook einloggen, um ihm eine Nachricht zu schreiben, da sah sie die beiden Textnachrichten eines unbekannten Absenders.

Ich muss mit dir reden.

Und:

Ich bin’s, Mark.

Darauf wäre sie tatsächlich selbst gekommen. Sie tippte zurück.

Ich höre gerade, dass du es dir anders überlegt hast. Nervt dich das Gerede doch mehr als gedacht?

Er tippte eine ganze Weile. Die Nachricht, die zurückkam, war dafür ziemlich kurz.

So in etwa.

Die nächste Nachricht ließ nicht so lange auf sich warten.

Hast du schon gefrühstückt?

Daisy’s Diner gab es schon länger als Mark. Es sah aus wie immer: einzelne Abteile mit blauen Lederbänken, in denen Familien saßen, eine Theke mit Drehstühlen davor, die meistens von älteren Herren in Beschlag genommen wurden. Und natürlich die Tafel mit den Sonderangeboten hinter der Theke, die eng in Daisys Handschrift beschrieben war. Für Touristen unlesbar.

Es war das älteste Restaurant der Stadt. Hier gab es das beste Frühstück. Und es war so laut, dass man seine Nachbarn nicht belauschen konnte.

Trotzdem …

„Ich hatte gedacht, es wäre vielleicht besser, uns irgendwo anders zu treffen“, sagte Mark, als er sich Elizabeth gegenübersetzte.

Am besten in irgendeinem Nachbarort. Irgendwo, wo nicht auch sein Cousin, sein Onkel, seine Tante und seine Ex-Freundin aßen. Obwohl sie auf der anderen Seite des Raums saßen, spürte er ihre Gegenwart im Nacken wie einen Juckreiz, anhaltend und irritierend.

Elizabeth hob die Augenbrauen. „Möchtest du nicht mit mir gesehen werden?“

Sie neckte ihn nur. Das sah er an dem Schwung ihrer Lippen. Aber er hatte trotzdem das Bedürfnis, sich zu verteidigen. „Das wäre ein Problem, da wir beide anscheinend zusammen zu einer Hochzeit gehen, oder?“

„Davon habe ich auch gehört.“ Elizabeth schaute ihn über den Rand ihrer Speisekarte an. „Warum hast du deine Meinung geändert?“

Mark verzog das Gesicht und nahm einen Schluck schwarzen Kaffee. Eigentlich trank er ihn lieber mit Milch, aber Kuhmilch bekam ihm nicht so gut, und Daisy’s hatte keine Mandel- oder Hafermilch im Angebot.

„Diese Stadt“, sagte er nur. Er meinte sich zu erinnern, dass Elizabeth und ihre Eltern eine sehr innige Beziehung hatten. Sie würde nicht nachempfinden können, wie es war, ständiger Kritik ausgesetzt zu sein und die Enttäuschung in den Augen ihres Vaters zu sehen.

„Herons Bay fühlt sich manchmal an wie eine Schneekugel“, sagte sie.

Das war eine Art, es auszudrücken. „Was gleichzeitig gut und schlecht sein kann.“

In diesem Moment trat Daisy persönlich an ihren Tisch. „Elizabeth Brennan und Mark Hayes! Dass ich das noch erleben darf.“

Daisys Haar war schon grau gewesen, bevor Mark die Stadt verlassen hatte. Sie trug es immer noch in einem Pferdeschwanz, der heute mit einer weihnachtlichen roten Schleife verziert war.

„Hallo, Mrs. Mitchell.“ Elizabeth erhob sich und umarmte sie. „Es ist so schön, Sie zu sehen!“

Daisy schnaubte. „Du bist jetzt eine erwachsene Frau, nenn mich Daisy! Und versuch lieber nicht, vom Thema abzulenken. Die Leute vertrauen darauf, dass ich ihnen den neusten Klatsch erzähle, weißt du.“

Elizabeth lachte. „Wie könnte ich das vergessen?“

Ihre gute Laune und ihr Charme schienen so natürlich. Unterdessen kam sich Mark vor wie unter der Lupe. Eine Vorlesung vor hunderten Studienanfängern zu halten, war nichts dagegen.

„Wie ihr zwei euch an der Highschool gekabbelt habt! Wer hätte gedacht, dass Ihr jetzt miteinander ausgeht?“

„Wir jedenfalls nicht“, sagte Elizabeth.

Vielleicht hatte sie doch einen Sinn für Humor.

„Gott hält viele Überraschungen für uns parat“, sagte Daisy. „Und jetzt erzähl mir alles über New York. Spielst du immer noch Theater?“

Einen Moment lang zögerte Elizabeth. Mark wollte gerade etwas sagen, um ein peinliches Schweigen zu überbrücken, als sie sich wieder fing: „Ich habe gut zu tun. Sehr viele Termine zum Vorsprechen!“

Sie klang so gutgelaunt wie immer. Es gab keinen Grund anzunehmen, dass ihr Lächeln gezwungen war.

„Gut für dich!“ Daisy lächelte ermutigend. „Deine Eltern werden mir sicher erzählen, wenn du am Broadway deine erste Hauptrolle hast.“ Sie schaute zu Mark. „Und du hast dieses Jahr deinen Doktor gemacht, richtig?“

„Ja, Ma’am.“

„Glückwunsch! Da hast du wirklich etwas erreicht.“ Sie strahlte. „Aber bitte nenn mich doch auch einfach Daisy.“

Es bedeutete Mark mehr, als er zugeben wollte, dass sie ihm Anerkennung schenkte. Warum fiel es seinem Vater so schwer, dasselbe zu tun?

„So, ich muss zurück in die Küche, aber es war schön, euch beide zu sehen. Lasst euch das Frühstück schmecken.“ Sie zwinkerte ihnen zu. „Und kabbelt euch nicht, während ich weg bin.“

Das war das zweite Mal, das sie davon sprach. Mark konnte sich nicht daran erinnern, je Auseinandersetzungen mit Elizabeth gehabt zu haben. Ja, sie hatten in Konkurrenz gestanden. Und viel miteinander diskutiert. Jedenfalls ab und zu. Über Bücher und Filme vor allem. Ihre Geschmäcker waren sehr unterschiedlich. Elizabeth hatte immer Musicals oder romantische Komödien sehen wollen. Und Mark alles andere, nur nicht das.

Aber „kabbeln“ klang verspielt. Freundschaftlich.

Mark nahm einen Schluck Kaffee. „Das ist übrigens der Grund, weshalb ich dachte, wir sollten zum Frühstück vielleicht lieber woanders hingehen.“

Ich war es nicht, der allen erzählt hat, wir würden jetzt miteinander ausgehen“, sagte sie. Ganz ruhig und besonnen. „Du weißt, wie schnell sich Gerüchte hier verbreiten.“

Normalerweise war Mark der Ruhige, Besonnene. „Es war deine Idee!“

„Dass wir zusammen zur Hochzeit gehen, ja.“ Sie schaute sich um und senkte ihre Stimme. „Aber Melissa glaubt, wir hätten uns in New York wiedergesehen. Ich hatte nicht vorgehabt zu lügen!“

„Ich auch nicht. Meine Eltern hören nicht immer richtig zu.“ Er hatte ihnen nicht gesagt, dass Elizabeth und er ein Paar wären. Aber das jetzt zu korrigieren, nachdem sie die Neuigkeit schon überall verbreitet hatten, war ein Ding der Unmöglichkeit.

Elizabeth öffnete gerade den Mund zu einer Erwiderung, als eine Kellnerin zu ihnen an den Tisch kam, um ihre Bestellung aufzunehmen.

„Cranberry-Apfelpfannkuchen, bitte“, sagte Elizabeth. „Mit Schokolade.“

Mark fühlte sich geradezu spießig, als er pochierte Eier und Toast bestellte.

„Ich glaube, ich weiß eine Lösung“, sagte Elizabeth, nachdem die Kellnerin gegangen war. „Sodass wir nicht lügen müssen.“

Das ließ ihn die Ohren spitzen.

Sie beugte sich vor. „Es sind noch vier Tage bis zur Hochzeit. Wir könnten bis dahin ein paar Dinge gemeinsam unternehmen. Dann wäre es nicht gelogen …“

Mark nickte.

„Allerdings hieße das …“ Sie senkte verschwörerisch die Stimme. „Du müsstest Zeit mit mir verbringen.“

Er konnte ein Lächeln nicht komplett unterdrücken. „Ich schätze, das werde ich überleben.“

Aber würde sie das auch? Alle in Herons Bay waren sich wahrscheinlich einig, dass Elizabeth Brennan deutlich charmanter war als der schweigsame Mark Hayes. Und „schweigsam“ war noch die taktvolle Variante. Humorlos. Kalt. Distanziert.

„Gut“, sagte Elizabeth und zog ein Notizbuch und einen Stift aus der Tasche. „Das hier ist unsere zweite Verabredung, wenn man den Kaffee gestern Abend mitzählt.“

„Kein besonders tolles erstes Date.“

„Glaub mir, ich war schon auf schlimmeren.“

„Dating in New York ist anstrengend“, sagte er.

Das war besser, als zu sagen: Du triffst dich mit den falschen Männern. Als wäre es ihre Schuld.

Elizabeth nickte. „Hoffentlich wird es hier nicht so schlimm. Ich denke, ein Ausflug pro Tag sollte reichen.“

Ein bisschen von der Anspannung, die Mark empfunden hatte, löste sich. Er hatte vorgehabt, die Woche über weiter nach Arbeit zu suchen und ein paar von den Büchern zu lesen, die das Jahr über liegengeblieben waren, aber er fürchtete sich vor den Kommentaren seines Vaters. So würde er zumindest aus dem Haus kommen.

„Okay“, sagte Elizabeth. „Was machst du am liebsten, wenn du hier bist?“

Sie hatte „Ausflüge“ oben auf die Seite geschrieben. Und das aktuelle Datum dazu. Alles in ihrer perfekten Handschrift. Schon an der Highschool hatte sie einen Kalender mit sich herumgeschleppt und ständig Listen geschrieben. Als Mark damals nach einem guten College gesucht hatte, hatte sie ihm auch vorgeschlagen, eine zu machen.

Nicht, dass er damals für solche Vorschläge aufgeschlossen gewesen war.

„Wir könnten noch mal Kaffee trinken gehen“, sagte er. „Und diesmal lade ich dich ein. Du weißt schon, weil …“ Weil ich gestern so ein Mistkerl war.

„Danke“, sagte Elizabeth. „Aber das ist nicht nötig. Wir können halbe-halbe machen.“

Er wünschte sich, sie wäre nicht so nett. Und so hübsch, mit ihrem goldenen Haar, das ihr in die Stirn fiel, während sie mit dem Stift aufs Papier tippte. Das würde es einfacher machen, ihr gegenüber ungerührt zu bleiben.

„Du magst Bücher!“, sagte sie einen Moment später und schrieb „Buchladen!“ auf ihre Liste. „Wir könnten morgen zusammen zu Blue Heron Books gehen.“

Mark liebte Blue Heron Books. Ganz egal, wie viele Bücherläden er in New York betrat, keiner reichte an Blue Heron heran. Er konnte es nicht erklären. „Das passt. Ich muss noch ein paar … letzte Weihnachtseinkäufe machen.“

Elizabeth hatte bestimmt all ihre Weihnachtseinkäufe schon im September erledigt, aber alles, was sie sagte, war: „Perfekt. Ich auch. Außerdem möchte ich nächstes Jahr mehr lesen. Vielleicht kaufe ich mir endlich eine Ausgabe von ‚Ulysses‘.“

„Bitte nicht“, sagte Mark. „Wenn du James Joyce lesen möchtest, tu dir selbst einen Gefallen und nimm ein anderes Buch.“

Sie hob die Augenbraue. „Bist du als Akademiker nicht verpflichtet, die unlesbaren Klassiker anzupreisen?“

„Ich bin ein echter Rebell“, sagte er trocken. „Du hast in der Schule immer viel gelesen. Ist das nicht mehr so?“

Elizabeth zuckte die Schultern. „Ich lese immer noch Zeitung. Und die Bibel, jeden Morgen. Aber Romane … Mit zunehmendem Stress habe ich immer seltener welche in die Hand genommen.“

„Viel Arbeit?“ Das konnte er nachempfinden.

Sie nickte. „Ich arbeite Schicht und muss häufig tauschen, damit ich zum Vorsprechen kann. Manchmal springe ich für meine Kolleginnen ein. Es ist oft ein bisschen viel. Arbeiten, Castings, Proben für bestimmte Rollen.“

Ein bisschen viel. Er wusste genau, was sie meinte. „Schicht?“

„Coffeeshop.“ Sie verzog das Gesicht. „Krankenversicherung.“

Mark verstand sie nur zu gut. Wusste, wie es war, wenn man einem Traum folgte, den die meisten längst aufgegeben hätten. Aber bevor er etwas dazu sagen konnte, war Elizabeth schon einen Schritt weiter. „Wir könnten zu Sweet Somethings gehen, zu einer dieser Vorführungen, wo sie Zuckerstangen machen. Egal, wie oft ich es mir anschaue, es wird nie langweilig.“

Das ging ihm genauso. Er erinnerte sich noch daran, wie er abends im Dezember oft dort gewesen war. So seltsam das auch klang, aber in den stillen Momenten, wenn er den Angestellten dabei zusah, wie sie Stangen aus dem zähen Siruplaib zogen, spürte er Gottes Gegenwart. Es war ein Moment stiller Besinnung.

Empfand Elizabeth das Gleiche?

„Wenn wir in New York wären, würdest du bestimmt ein Musical oder Theaterstück sehen wollen.“ Wenn sie wirklich miteinander ausgingen.

„Ich weiß, was du von Musicals hältst“, sagte Elizabeth. „Das würde ich dir nicht antun.“

„Ich glaube nicht, dass mir jemand abnehmen würde, dass ich mit Elizabeth Brennan zusammen bin und nicht mit ihr ins Theater gehe.“

Das entlockte ihr ein schwaches Lächeln. „Du bist aufmerksamer als die meisten Männer, mit denen ich mich verabredet habe.“

Was sollte er dazu sagen? Jahrelang war Elizabeth Brennan in seinem Kopf nur das perfekte goldene Mädchen gewesen. Er wollte sich nicht vorstellen, wie sie enttäuscht von einem Date kam. Oder von einem erfolglosen Vorsprechen. In ihrem Lächeln sollte keine Traurigkeit liegen.

„Das war nur ein Scherz“, sagte sie. „Mehr oder weniger.“

Er wünschte, er könnte ihr eine Horrorstory über ein misslungenes erstes Date erzählen, einfach, um sie zum Lachen zu bringen. Aber dafür hatte er zu wenig Erfahrung damit. Die wenigen Dates, auf denen er seit dem College gewesen war, waren … okay gewesen. Steifer Smalltalk. Funken waren nicht gesprüht. Aber es gab auch keine besonders peinlichen Anekdoten. „Du machst es mir schwer, dich nicht zu mögen“, sagte er.

„Das ist aber schade“, spöttelte sie. „Hast du Mitleid mit mir?“

Es war nicht Mitleid, das er empfand, sondern etwas viel Gefährlicheres – Verbundenheit.

Aus den Augenwinkeln sah er, wie Andrew und der Rest seiner Familie aufstanden. Sie waren mit dem Frühstück fertig. Er hatte ihre Anwesenheit ganz vergessen.

Sein Cousin grinste ihn an und winkte, bevor er das Diner verließ. Melissa tat das Gleiche. Sie sah dünner aus als an Thanksgiving, als er sie das letzte Mal gesehen hatte. Hagerer. Die Hochzeitsplanung war sicher anstrengend. Oder war es nur das Licht, das sie so erschöpft wirken ließ?

Die Kellnerin kam mit ihren Tellern.

„Oh, das ist wirklich fantastisch“, sagte Elizabeth nach ein paar Bissen. „Möchtest du probieren?“

Normalerweise startete Mark seinen Tag nicht mit Zucker. Eine Regel aus seiner Kindheit im Haus eines Zahnarztes, die er nie gebrochen hatte. Aber die Pfannkuchen waren ein ganz besonderer Genuss, und als er sah, wie Elizabeths grüne Augen beim Essen strahlten, musste er nickten. „Ja, bitte.“

Der Pfannkuchen, den sie ihm auf den Teller gelegt hatte, war dekadent weich, süß und warm. Er schmeckte nach mehr. Das war das Problem mit Zucker.

Elizabeth grinste ihn an. „Was denkst du?“

Perfekt.

Mark schaute auf seinen Teller. „Ein bisschen zu süß für mich.“

3. KAPITEL

Elizabeth lag im Wohnzimmer auf dem Sofa mit ihrem Laptop und durchsuchte die neusten Castingaufrufe, als ihr Telefon einen Glockenton von sich gab.

Ihr Herz schlug schneller, wie es das immer tat, wenn ihr Telefon sich mit diesem besonderen Signal meldete.

Mary Tyler Morkie, die am Fußende lag, legte den Kopf auf die Seite.

„Drück mir die Pfoten“, flüsterte Elizabeth. Sie hatte ihr Handy so eingestellt, dass es sich bei jeder E-Mail meldete, damit sie auf keinen Fall irgendeine Rückmeldung verpasste. Bisher hatte sie nur Spam und private Mails bekommen. Aber vielleicht …

Auf die anfängliche Hoffnung folgte prompt die Enttäuschung. Mehr Spam. Keine Einladungen. Sie wollte wirklich gern in dem letzten Stück auftreten, für das sie vorgesprochen hatte, einem Musical, das das Leben berühmter Frauen aus der Bibel aufgriff.

Wenigstens waren ihre Eltern nicht da und sahen ihre Enttäuschung.

Sie hatten sie gebeten, auf die Pension aufzupassen, während sie die Einkäufe erledigten. Über die Feiertage wollten sie ihren Gästen etwas Besonderes bieten. Einen Kennenlernabend mit heißem Kakao und Plätzchen. Weihnachtsbasteln mit den Kindern. Diese Pläne lagen schon länger in der Schublade für den Fall, dass das Bed & Breakfast einmal über Weihnachten geöffnet blieb.

Ihre Eltern lebten ihren Traum.

In letzter Zeit hatte Elizabeth begonnen, sich zu fragen, ob sie ihren Traum besser aufgab. Mit jeder Absage. Jeder Tür, die sich schloss. In der Highschool und am College war sie der Star gewesen, hatte jede Rolle bekommen, auf die sie sich beworben hatte. Manchmal nur im Chor oder als Nebendarstellerin. Brotkrumen. Aber meistens das Baguette.

Schon seit einer Weile hatte sie nicht einmal mehr ein paar Krümel.

Natürlich hatte sie immer gewusst, dass es am Broadway viel schwerer sein würde. Aber sie hatte nicht damit gerechnet, dass ihr das so zusetzen würde. Dazu kam die Angst, alle zu enttäuschen – und dem Potenzial, mit dem Gott sie gesegnet hatte, nicht gerecht zu werden. Mit achtundzwanzig als Versagerin dazustehen.

Du hast noch nichts gehört, ermahnte sie sich. Wer weiß, vielleicht gibt es doch noch gute Nachrichten. Gott ließ immer wieder kleine Wunder geschehen. Gerade heute wieder. Nachdem Mark ihr am Vorabend eine Absage erteilt hatte, würden sie sich nun die Woche über jeden Tag treffen und zusammen zur Hochzeit gehen.

Als ob sie ihre Trübsal spürte, krabbelte Mary Tyler Morkie, die sich am Fußende zusammengerollt hatte, auf ihren Schoß und stupste ihren Laptop an. Aus großen braunen Augen sah sie Elizabeth an. Mach Platz für mich!

Elizabeth nahm es zum Anlass, ihren Laptop beiseitezustellen. Auch wenn ein Teil von ihr weitersuchen wollte. Was, wenn die Gelegenheit zum Durchbruch gerade jetzt in einer neuen Anzeige auf sie wartete?

Mary Tyler Morkie stupste sie wieder an und winselte ein wenig.

„Du hast recht.“ Elizabeth streichelte sie. „Ich bin im Urlaub. Es hat keinen Sinn, die ganze Zeit zu grübeln.“

Sie musste darauf vertrauen, dass Gott einen Plan für sie hatte.

Es klingelte an der Tür. Mary Tyler Morkie sprang auf und bellte erwartungsvoll.

Wahrscheinlich kamen die Gäste, mit denen ihre Eltern erst am späten Nachmittag rechneten, doch etwas früher.

„Still.“ Elizabeth eilte zur Tür und setzte ihr professionelles Kaffeehaus-Lächeln auf. Aber als sie die Tür öffnete, stand davor kein kofferbeladener Gast, sondern Melissa.

„Hi, Elle.“

Heute hielt das Leben wirklich eine Überraschung nach der anderen parat.

Mary Tyler Morkie wedelte mit dem Schwanz und begrüßte Melissa überschwänglich.

„Hallo!“ Melissa bückte sich und streichelte sie. Die Hündin leckte ihr die Hand. „Haben deine Eltern jetzt einen Hund? Nach all den Jahren, in denen du um einen gebettelt hast?“

„Sie gehört mir“, sagte Elizabeth und hob Mary Tyler Morkie hoch. „Aber im Moment hilft sie, wie du sehen kannst, an der Rezeption aus. Wir hoffen auf gute Rezensionen.“

„Was für ein Schätzchen.“ Melissa kraulte sie am Kopf. „Und gut für dich! Du warst immer eine Hundeliebhaberin.“

„Sie hat mir das Herz gestohlen.“

Mary Tyler Morkie schaute aus großen Augen zu ihr auf, als hätte sie das Kompliment verstanden.

Es brauchte einen Augenblick, bis Elizabeth bewusst wurde, dass di...

Autor