Mach es… besser! Einfach nur Sex ist nicht genug (3-teilige Serie)

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SEX IST NICHT GENUG! von DAWN ATKINS
Die erfolgreiche Unternehmerin Sugar Thompson weiß, was sie will: fantastischen Sex – und ihre Freiheit! Bis ihr sexy Bett- und Geschäftspartner Gerald ihr aus heiterem Himmel seine Liebe gesteht und sie vor ein Ultimatum stellt ...

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  • Erscheinungstag 30.12.2021
  • ISBN / Artikelnummer 9783751512619
  • Seitenanzahl 480
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Cover

Dawn Atkins

Mach es… besser! Einfach nur Sex ist nicht genug (3-teilige Serie)

IMPRESSUM

Sex ist nicht genug! erscheint in der Verlagsgruppe HarperCollins Deutschland GmbH, Hamburg

Cora-Logo Redaktion und Verlag:
Postfach 301161, 20304 Hamburg
Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0
Fax: +49(0) 711/72 52-399
E-Mail: kundenservice@cora.de

© 2006 by Daphne Atkeson
Originaltitel: „With His Touch“
erschienen bei: Harlequin Enterprises, Ltd., Toronto
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe TIFFANY SEXY
Band 41 - 2008 by Harlequin Enterprises GmbH, Hamburg
Übersetzung: Christiane Bowien-Böll

Umschlagsmotive: Foremniakowski, enjoynz / Getty Images

Veröffentlicht im ePub Format in 12/2021.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783751512701

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.
CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:
BACCARA, BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY

 

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1. KAPITEL

Gerald Maguire sah zu, wie Sugar an dem Einstellknopf des vibrierenden Wasserbetts drehte. Die rhythmischen Wellenbewegungen, die daraufhin einsetzten, hätten selbst den größten Heiligen zu unzüchtigen Gedanken inspiriert.

In letzter Zeit passierte ihm das dauernd mit Sugar – selbst in ganz unverfänglichen Situationen wie zum Beispiel, wenn sie gemeinsam einen Papierstau im Kopierer beseitigten. Aber drei Tage mit Sugar auf der Fachmesse „Erotika International“, wo sie sich nach neuen Produkten für die Erotikboutique ihres Romantikhotels für Paare umschauten, das war wirklich zu viel.

Jetzt lagen sie also nebeneinander auf einem vibrierenden Wasserbett.

Geralds normalerweise gut funktionierendes Abwehrsystem drohte zu versagen – und das ging jetzt schon seit zwei Wochen so, seit er sich in aller Freundschaft von Adrienne getrennt hatte. Nein, es lag nicht daran, dass sie miteinander Schluss gemacht hatten, sondern an dem, was Adrienne zu ihm gesagt hatte.

„Du bist in deine Geschäftspartnerin verliebt, du Dummkopf“, hatte sie kopfschüttelnd festgestellt, als ob er ein hoffnungsloser Fall von emotionaler Blindheit sei.

Er hatte nur abweisend den Mund verzogen. Er in Sugar verliebt? Wie konnte das sein? Okay, sie hatten sich zueinander hingezogen gefühlt, als sie sich vor zwölf Jahren auf dem College begegneten, aber sie waren vernünftig genug gewesen, diesem Gefühl nicht zu folgen. Sugar war immer mit jemandem liiert gewesen, und Gerald war nicht der Typ, der anderen die Freundin ausspannte.

Okay, vor sechs Jahren, als sie sich geschäftlich zusammengetan hatten, da wären diese Gefühle fast noch einmal aufgeflammt, aber wieder waren sie vernünftig genug gewesen, die Flammen gleich im Keim zu ersticken. Ein wenig schwelte das Feuer allerdings immer noch, aber damit konnte Gerald umgehen.

Bis jetzt.

Sugar rollte sich auf die Seite, ihr Gesicht war nur wenige Zentimeter von seinem entfernt. „Würde dich so etwas anmachen?“, fragte sie, und ihre großen grünen Augen blitzten. Sie erinnerte ihn an eine Katze – sinnlich, geschmeidig, oft wohlig schnurrend, aber immer auf der Hut und beim geringsten Anlass flüchtend. Und nie kam sie, wenn man sie rief. „Dich vielleicht nicht“, stellte sie fest. „Aber die meisten Männer schon.“

Sie zog ihn immer damit auf, dass er so selbstbeherrscht war, ein Charakterzug, der ihm in den letzten sechs Jahren sehr geholfen hatte.

„Es ist wohl eher was für Männer, die auf Seegang stehen.“ Er versuchte, ganz locker und gelassen zu klingen.

„Stimmt.“ Sie drehte den Einstellknopf zurück. „Besser so?“ Ihre Arme berührten sich.

Der veränderte Rhythmus war sogar noch erotischer als die Bewegungen vorher. „Lass es gut sein, Sugar.“

„Ich weiß nicht. Vielleicht muss man das Ding eine ganze Nacht lang testen.“

Oh, verdammt. „Ich denke, ich habe schon einen gewissen Eindruck bekommen.“

Morgen war sein fünfunddreißigster Geburtstag, vielleicht war das sein Problem. Der fünfunddreißigste. Irgendwie hatte er das Gefühl, als müsse sich dadurch in seinem Leben etwas Wesentliches ändern.

„Bist du sicher?“

„Ja.“ Nur um zu beweisen, wie sehr er sich unter Kontrolle hatte, stützte Gerald sich auf die Ellenbogen und sah Sugar an.

Ein großer Fehler. Sein Herz pochte so heftig, dass ihm das Atmen schwerfiel. Ihre Brüste hoben und senkten sich heftig unter ihrem engen Top, und ihr schwarzes Haar kitzelte ihn am Arm. Was ihn aber wirklich bezauberte, war ihr Gesicht. Es war eher rund als oval, aber ihre Züge waren fein, mit einer kleinen Nase und weichen Lippen. Ihre großen grünen Augen drückten so vieles gleichzeitig aus: Intelligenz, Selbstbewusstsein. Und Feuer.

„Es ist eher wie eine Küchenmaschine auf niedrigster Stufe, findest du nicht?“ Sie lächelte vielsagend.

„Vielleicht.“ Er konnte einfach den Blick nicht von ihr losreißen. Was war nur in ihn gefahren? War er etwa in sie verliebt?

„Ein sanftes Wiegen wäre besser.“ Sugar drehte sich erneut zur Seite, um den Knopf noch ein wenig zu verstellen, aber als sie sich zurückrollen ließ, wäre sie fast auf Gerald gelandet. Er spürte ihre Brüste an seinem Körper und ihr dichtes, seidiges Haar an seiner Wange. Sie duftete nach Vanille und auch ein bisschen nach ihrem Lieblingskaugummi.

„Hoppla“, sagte sie und wurde rot.

Gerald hatte das Gefühl, als würde sie sich an ihn schmiegen. Konnte das sein?

„Selber hoppla.“ Plötzlich wurde er von Gefühlen überwältigt. Erregung, Verlangen und noch etwas. Etwas sehr viel Bedeutenderes.

Verdammt! Er war tatsächlich in Sugar verliebt!

Und jetzt? Er musste nachdenken und eine Entscheidung treffen. Aber Sugar erschauerte, leckte sich die Lippen und brachte ihn damit fast um den Verstand.

Küss sie!

Gerald war von Natur aus nicht impulsiv und wägte Entscheidungen gründlich ab.

Na los, küss sie, Blödmann.“

Spontan berührte er Sugars Wange, stützte sich auf einen Ellenbogen und …

„Wie finden Sie das Bett? Tolle Vibrationen, nicht wahr?“ Dieser Idiot von einem Verkäufer beugte sich schamlos über sie, gleichermaßen eifrig und nervend. „Ich garantiere Ihnen, das Modell ‚Good Vibrations 3000‘ ist zurzeit das beste auf dem Markt.“

„Wir sind gerade dabei, die verschiedenen Stufen auszuprobieren“, sagte Sugar und drehte sich auf die Seite. Sie schien erleichtert zu sein über die Ablenkung.

„Sie können das Bett gerne dreißig Tage unverbindlich ausprobieren. Mit Geld-zurück-Garantie.“

Während der Verkäufer und Sugar sich unterhielten, versuchte Gerald seine Gedanken zu sortieren. Er war also in Sugar verliebt. Wann war das passiert? Schon vor längerer Zeit? Womöglich vor Jahren? Hatte er es einfach verdrängt?

Und was sollte er nun mit dieser Erkenntnis anfangen? Hoffen, dass seine Verliebtheit wieder verfliegen würde? Etwas unternehmen? Irgendetwas musste er tun. Vor allem musste er Mr Good Vibrations loswerden.

„Wir sagen Ihnen Bescheid“, erwiderte Gerald abweisend, und der Verkäufer wich zurück, als ob er eine Pistole auf ihn gerichtet hätte.

„Findest du den Preis zu hoch?“, fragte Sugar, als der Mann außer Hörweite war, und tat, als lese sie das Preisschild. Gerald wusste genau, dass sie ihm auswich. „Na ja, unsere Gäste erzeugen wohl sowieso lieber ihre eigenen Tsunamis, meinst du nicht?“

Gerald antwortete nicht und blieb einfach auf der wogenden Matratze liegen.

„Sollen wir uns mal beim erotischen Spielzeug umschauen und danach eine Pause machen?“, schlug sie vor. Sie klang ein wenig außer Atem.

„Ich schätze, ich lasse das Spielzeug aus.“ Nicht um alles in der Welt hätte er jetzt aufstehen und irgendwo hingehen können.

„Ist alles in Ordnung mit dir?“ Sugar stand auf.

„Schon gut.“ Immerhin war er gerade von einem Panzer überrollt worden, bildlich gesprochen. Er war in seine Geschäftspartnerin verliebt. Wahrscheinlich schon seit Jahren. „Geh ruhig. Ich probiere hier noch ein paar Geschwindigkeitsstufen aus.“ Er tat, als wolle er an dem Knopf drehen.

„Wir sehen uns nachher bei dir zum Geburtstagsdinner?“

„Ja, um acht, und sei pünktlich, ich habe das Essen schon bestellt.“ Sugar hatte nur wenige Tage vor Gerald Geburtstag, deshalb feierten sie immer zusammen. Heute war es wieder so weit, sie würden in Geralds Geburtstag hineinfeiern.

„Gut.“ Sugar atmete hörbar aus. Offenbar wollte sie das Feuer, wie immer wenn es neu aufzuflammen drohte, austreten wie ein heruntergefallenes Streichholz.

Aber diesmal nicht. Diesmal würde er etwas unternehmen.

Sugar zögerte, biss sich auf die Unterlippe, drehte sich um, blieb dann doch stehen. Das war so gar nicht typisch für sie. Sugar hatte immer eine ganz entschiedene Meinung zu allen Dingen, mehr als alle anderen Frauen, die er kannte. Sie stritten andauernd, auch wenn Sugar das lieber als Diskutieren bezeichnete. Sie behauptete, auf die Art würden sie den Dingen auf den Grund gehen. Anstrengend war das schon, aber nie langweilig.

Ihre plötzliche Unentschlossenheit erfüllte ihn mit Hoffnung. Sugar winkte ihm zu und ging unsicher rückwärts. Wie gut ihr dieses Kleid stand! Sie sollte immer Seide tragen. Oder vielleicht auch Leder.

Er hatte zufällig beobachtet, wie sie in der Geschenkboutique des Hotels ein Lederkostüm bewundert hatte. Das wäre ein besseres Geburtstagsgeschenk gewesen als der Taschencomputer, den er für sie gekauft hatte, weil ihrer kaputt gegangen war.

Jetzt war es zu spät.

Oder vielleicht nicht. Warum nicht mal etwas Spontanes tun? Er würde ihr das Kostüm kaufen und ihr seine Gefühle offenbaren.

Fast als hätte sie seine Gedanken mitbekommen, drehte Sugar sich plötzlich um und ging schnell weiter.

Gerald schaltete das Wasserbett aus und blieb einen Moment liegen, um zur Ruhe zu kommen. Es war noch nicht zu spät, die Sache einfach zu vergessen. Er musste nichts unternehmen.

Aber er konnte nicht mehr so tun, als sei nichts gewesen. Die Wahrheit hatte ihn getroffen wie ein Blitz. Plötzlich erschien ihm alles schmerzlich klar: Sugar war der Grund dafür, dass keine seiner Beziehungen funktioniert hatte und dass das Leben eines verheirateten Mannes, das er sich so sehr wünschte, ein unerreichbares Ziel zu sein schien.

Sugar hatte es ihm schon immer angetan. Ihr Lachen, das für ihn wie die schönste Musik klang. Ihre verrückten Ideen, mit denen sie ihn immer wieder aus der Bahn warf. Sie öffnete Türen, wo er nur Wände sah. Sie lockte ihn immer wieder aus der Reserve und brachte ihn dazu, Dinge aus dem Bauch heraus zu tun, sich als Mann zu fühlen und ihr alles geben zu wollen. Sie gab ihm das Gefühl, lebendig zu sein.

Und er liebte sie.

Er musste es ihr sagen.

Vielleicht heute Abend beim Essen? Ja, natürlich. Er würde ganz vorsichtig sein, schließlich war Sugars Verhältnis zu dem Wort Liebe nicht ganz unproblematisch. Sie ging damit um, als handle es sich um ein tödliches Gift.

Lass uns mal probieren, was zwischen uns alles möglich ist. Ja, das wäre nicht schlecht, es hörte sich ziemlich locker an – in keiner Weise bedrohlich.

Diese Erotikmesse war vielleicht nicht der beste Ort für eine Liebeserklärung, aber sie waren nun einmal hier, das Dinner war schon bestellt, und er war ein praktisch denkender Mensch.

Er würde Blumen besorgen und das Lederkostüm. Wer weiß, vielleicht würde er es ihr vom Leib reißen, noch bevor diese Nacht vorbei wäre.

Er wollte Sugar. In seinem Bett. Und in seinem Leben. Manchmal musste man einfach mutig sein und aktiv werden.

Auch wenn man dabei ein mulmiges Gefühl hatte. Immerhin ging es hier um Sugar, und sie war unberechenbar.

Auf wackligen Beinen macht Sugar sich auf den Weg zu dem Raum, in dem das Sexspielzeug ausgestellt war. Ihr war so schwindlig, dass sie kaum richtig sehen konnte, geschweige denn klar denken. Was, zum Teufel, war gerade passiert?

Als sie mit Gerald auf dem Wasserbett gelegen und ihm in die Augen geschaut hatte, war ihr plötzlich unerträglich heiß geworden.

Sie hatten das doch alles schon hinter sich gebracht, sie und Gerald: Sie waren über ihre Teenager-Verliebtheit am College hinweggekommen. Und damals, als sie beide einen Cocktail zu viel getrunken hatten, weil sie am nächsten Morgen ihr Hotel eröffnen würden, da hatten sie endgültig geklärt, welcher Art ihr Verhältnis zueinander war. Zum Glück hatte ihr Handy geklingelt, bevor aus der Umarmung zweier Beschwipster mehr hätte werden können.

Sie hatten erleichtert gelacht und waren übereingekommen, dass sie ihre geschäftliche Partnerschaft nicht aufs Spiel setzen wollten, indem sie miteinander schliefen.

Aber vorhin, da hatte Gerald sie so merkwürdig angeschaut, und ihr hatte das gefallen. Ach, Blödsinn! Gerald war nicht nur ihr Geschäftspartner, er war auch ihr bester Kumpel – der Mann, der ihr seit Jahren in allen Höhen und Tiefen des Lebens beistand: während der Krebserkrankung ihrer Mutter, angesichts des Beziehungschaos ihres Vaters, bei der problematischen Scheidung ihrer Schwester und bei ihren eigenen hin und wieder auftretenden Stimmungsstiefs. Gerald war ein großartiger Zuhörer, klug und witzig, und so anders als sie selbst, dass seine Kommentare denselben Effekt hatten wie frischer Wind in einer stickigen Kammer.

Sugar zählte auf ihn, und Gerald zählte auf sie. Jedenfalls nahm sie das an. Sie drehte sich unauffällig um. Er lag noch immer auf diesem verflixten Bett. Und noch immer verspürte sie ein Prickeln am ganzen Körper, nicht wegen des Bettes, sondern wegen der Art, wie Gerald sie angeschaut hatte. Als ob er sein ganzes Leben nur auf sie gewartet hätte. Als ob er einzig und allein mit ihr glücklich werden könnte.

Ihre Knie zitterten sogar ein bisschen.

Verdammt!

Sie biss sich auf die Unterlippe und kämpfte gegen den idiotischen Ausbruch von überschäumender Freude an. Nein, nein, nein! Das hatte doch wirklich keinen Sinn.

Vergeblich versuchte sie, sich auf die Ausstellung des Sexspielzeugs zu konzentrieren.

Sie würden sich also nachher in seinem Zimmer treffen, um gemeinsam Geburtstag zu feiern. Und natürlich stand in seinem Zimmer auch ein Bett!

Sugar hatte das Gefühl, als würde ihr Blut kochen.

Vielleicht war sie einfach nur sexuell ausgehungert? Seit Monaten war sie nicht mehr mit einem Mann zusammen gewesen, allerdings war ihr das kaum aufgefallen. Merkwürdig, mit fünfunddreißig sollte man sich eigentlich auf dem Höhepunkt seiner sexuellen Aktivität befinden.

Gerald war doch ihr Geschäftspartner und bester Freund. Der war doch tabu für alle Zeiten.

Was dachte sie sich eigentlich?

Ihre Freundschaft war doch so viel wichtiger als das, was eine Affäre jemals für sie sein könnte. Denn mehr würde es bestimmt nicht sein – eine heiße, aber kurze Affäre.

Gerald war ein wundervoller Mann, aber ihr fehlte wohl irgendwie die genetische Veranlagung für eine lebenslang glückliche Beziehung. Kein Grund, stolz zu sein, aber es war besser, den Tatsachen ins Auge zu blicken, als sie zu verdrängen oder sich selbst zu bemitleiden.

Der Augenblick auf dem Wasserbett hatte eine tiefe Sehnsucht in ihr ausgelöst, ein Verlangen nach etwas, von dem sie nie geglaubt hatte, dass es das für sie geben könnte. Vielleicht irrte sie sich? Vielleicht musste sie nur die Hand ausstrecken und danach greifen?

Nein, das war total verrückt.

Vielleicht hatte ihre besondere Empfindlichkeit etwas mit ihrem grandiosen Plan zu tun, ihr Hotel zu einer Hotelkette zu erweitern. Vielleicht hatte sie das alles zu sehr aufgewühlt. Heute Abend wollte sie mit Gerald darüber reden. Vielleicht wäre alles wieder wie früher, wenn sie ihn von ihrer Idee überzeugt hatte.

Leicht würde das allerdings nicht werden. Gerald war absolut solide und sehr auf Sicherheit und Stabilität bedacht. Ihre gute geschäftliche Partnerschaft beruhte auf der nicht endenden Bereitschaft zu immer neuen Kompromissen nach intensiven Diskussionen.

So wie die Dinge lagen, bestand zwischen ihnen ein fein abgestimmtes Gleichgewicht aus Feuer und Wasser, Leidenschaft und Vernunft, Yin und Yang. Das würde durch Sex nur zerstört werden. Sie würden also diesen Augenblick auf dem Wasserbett hinter sich lassen müssen, auch wenn Sugar deswegen noch immer weiche Knie hatte.

Energisch strich sie ihr Haar zurück und sah sich die Luxusversion eines Vibrators an. Sie hoffte, ein paar Neuheiten mit nach Hause bringen zu können. Letitia, die Geschäftsführerin ihrer Boutique, zählte auf sie.

Sugar konzentrierte sich jetzt wieder ganz auf ihren Job. Das half ihr stets, innerlich zur Ruhe zu kommen. Zugegeben, sie nahm ihre Arbeit wahrscheinlich zu wichtig, und vermutlich hatte sich deshalb ihr Privatleben fast auf null reduziert. Aber das Hotel hatte nun mal von Anfang von Gerald und ihr den vollen Einsatz gefordert, und dass sie jetzt so erfolgreich damit waren, war eine tolle Leistung. „Spice It Up“ hatten sie ihr Hotel genannt, was so viel bedeutete wie „sorg für ein bisschen Würze“. Es war speziell für Paare gedacht, die frischen Wind in ihre Beziehung bringen wollten. Es war sozusagen eine Kombination aus Romantik- und Wellnesshotel und Sexualtherapie. Im Gegensatz zu anderen Hotels dieser Art, die sich entweder ganz auf den erotischen Aspekt oder ganz auf Wellness konzentrierten, legte man im „Spice It Up“ das Hauptgewicht darauf, Intimität und Nähe zwischen den Partnern zu fördern.

Ihr Erfolg war nicht unbemerkt geblieben. Die Konkurrenz schlief nicht. Und jetzt, nach vier Jahren, war es an der Zeit, sich zu vergrößern. Wachs oder stirb, das war das Gesetz, auf dem jeder geschäftliche Erfolg beruhte. Es war auch Sugars Devise. Jede neue Herausforderung gab ihr ein Gefühl der Genugtuung. Sie liebte es, sich weiterzuentwickeln.

Ja, sie musste sich ganz auf ihr Ziel konzentrieren und unbedingt heute Abend mit Gerald über ihre Pläne sprechen. Vielleicht sollte sie noch auf einen Drink in die Bar gehen. Sie könnte sich ein bisschen entspannen, versuchen, einen klaren Kopf zu bekommen, sich vielleicht mit anderen Messegästen unterhalten und sich innerlich auf die Diskussion mit Gerald einstellen.

In der Bar entdeckte sie einen Bekannten, mit dem sie kurz während einer Marketingpräsentation gesprochen hatte. Der Mann saß am Tresen, hatte die Ärmel seines weißen Hemdes bis zu den Ellbogen aufgekrempelt und die Krawatte gelockert. Er sah ziemlich gut aus, und ein kurzer heißer Flirt wäre bestimmt nicht schlecht. Oder sie könnten auch einfach übers Geschäft reden.

Sugar ließ sich auf dem Barhocker neben ihm nieder. „Wie gefällt Ihnen die Veranstaltung?“ Sie legte den Kopf schief.

Er lächelte. „Ich habe einige interessante Kontakte geknüpft.“ Er wandte ihr das Gesicht zu, signalisierte Interesse. „Und Sie?“

„Ich auch. Und ich habe viel dazugelernt.“

„Was möchten Sie trinken?“

„Dasselbe wie Sie, wenn es Gin ist. Ich bin übrigens Sugar Thompson.“

„Conner Jameson, von ‚ExerSystems‘. Wir liefern Fitnesstraining-Systeme für Hotels.“ Er gab ihr seine Karte, sie reichte ihm ihre. „Wir sind uns, glaube ich, schon einmal begegnet.“

„Ja, ich erinnere mich.“

Er las ihre Karte. „Hm, ‚Spice It Up‘. Ich habe schon davon gehört.“

„Tatsächlich?“ Sugar war allerdings nicht wirklich überrascht. Sie hatte schon von anderen Teilnehmern gehört, wie bekannt ihr Hotel inzwischen war. Die Mitarbeiterin eines Reisebüros für Singles – „Singles Travel Network hieß es“ – hatte ihr erzählt, dass bereits zwei ihrer Partnerhotels Sexualberatung in ihr Programm aufgenommen hätten. Umso mehr ein Grund für Gerald und Sugar, zu expandieren, bevor andere ihnen die Show stahlen.

„Ich habe gehört, Ihr Hotel soll eine echte Goldmine sein.“

„Ach, wirklich? Von wem?“, hakte Sugar nach.

„Von einer Mitarbeiterin von TravelQuest. Sie sind spezialisiert auf Geschäftsreisen. Ihren Namen habe ich vergessen. Sie kannte sich sehr gut aus. Groß, blond …“

„Und sehr attraktiv? Das muss Rionna Morgan gewesen sein.“ Diese Frau war eine wandelnde Kontaktbörse.

„Sie kennen sie?“

„Die Reise- und Hotelbranche ist eine kleine Welt. Da kennt man sich untereinander.“ Außerdem war Rionna offenbar scharf auf Gerald. Jedenfalls hatte sie in seiner Gegenwart so demonstrativ mit den Wimpern geklimpert, dass Sugar sie gefragt hatte, ob sie ein Problem mit ihren Kontaktlinsen habe. Gerald schien es nicht mitbekommen zu haben, aber damals war er ja noch mit Adrienne zusammen gewesen.

„Das stimmt. Umso mehr wundere ich mich, wieso wir uns vor dieser Messe noch nicht begegnet sind.“ Conner sah ihr tief in die Augen.

Sie aber wollte immer noch übers Geschäft reden. „Ich hoffe, Rionna hat recht. Wir überlegen nämlich, ob wir uns nicht Franchisingpartner mit ins Boot holen sollen.“

„Das scheint dem derzeitigen Trend zu entsprechen“, erwiderte er. „Man kann ganz schön Geld damit machen.“

„Ich weiß. Ich hatte schon ein Gespräch mit einer Unternehmensberatung, die auf Franchising von Motels und Hotels spezialisiert ist.“

„Welche Unternehmensberatung?“

„Matthews und Millhouse. Kennen Sie die?“, fragte Sugar.

„Ich habe von ihnen gehört. Sie sind seriös. Wir haben auch an Franchising gedacht, aber es war für uns nicht das Richtige.“

„Wieso nicht?“

„Zu viel Konkurrenz. Außerdem hätte es zu lange gedauert, ein gutes Franchising-Team zusammenzubekommen. Das ist das Wichtigste.“

Sugar nickte. „Foster Matthews hat das auch gesagt. Vor allem müsste erst einmal eine gründliche Bestandsaufnahme gemacht und ein Plan erstellt werden.“

„Haben Sie schon potenzielle Franchising-Partner im Visier?“

„Nein, noch nicht.“ Dazu würde sie Geralds Hilfe brauchen. Sie wollte mit ihm eine Broschüre zusammenstellen, um sie bei der regionalen Tagung der Reisebüros nächsten Monat in San Diego zu verteilen. „Haben Sie noch mehr Ratschläge?“, fragte sie.

„Achten Sie darauf, dass Ihre Partner gut zu Ihnen passen“, erwiderte Conner Jameson. Offenbar war sein Interesse an dem Thema längst nicht so stark wie sein Interesse an ihr als Frau. „Wie sind Sie eigentlich dazu gekommen, ein Hotel für Paare zu eröffnen?“, fragte er.

„Das ist eine lange Geschichte.“ Ihr Drink wurde serviert, und Sugar nippte daran.

„Ich habe Zeit.“ Er lächelte, schien sich immer mehr für sie zu erwärmen.

Das Dumme war nur, ihr ging es nicht so. Da war einfach nichts, nicht einmal ein leises Prickeln.

Zu dumm. Jetzt Sex mit Conner zu haben, das wäre perfekt, um die Sache mit Gerald zu verdrängen. Leider war sie viel mehr an dem interessiert, was er zum Thema Franchising zu sagen hatte, als an ihm selbst.

Sie erzählte ihm, wie es zur Gründung von „Spice It Up“ gekommen war, wie sie und Gerald sechs Jahre zuvor auf die Idee gekommen waren und nach zweijähriger, intensiver Vorbereitung schließlich das Hotel eröffnet hatten.

„Sehr interessant“, sagte Conner, aber er schien ihre Lippen zu meinen, nicht ihr Hotel.

Sugar fühlte sich noch immer nicht fit für ihr Gespräch mit Gerald. Als sie zufällig zum Ausgang blickte, entdeckte sie ihn. Er ging zu den Boutiquen. Wieso das? Er war nicht der Typ, der seine Zahnbürste vergaß, wenn er verreiste, und er aß nie etwas zwischen den Mahlzeiten. Er wirkte so zielstrebig.

Gerald zu beobachten weckte manchmal in ihr den Wunsch, innezuhalten und tief durchzuatmen – sich einmal in ihrem Leben einfach Zeit zu nehmen. Als sie vorhin mit ihm auf dem Wasserbett gelegen hatte, hatte sie das Gefühl gehabt, zum ersten Mal sein Gesicht wirklich in allen Einzelheiten wahrzunehmen. Ein markantes, sehr männlich wirkendes Gesicht, mit Bartschatten auf Kinn und Wangen, einem festen Blick und einem Mund, derr Entschlossenheit verriet. Eigentlich mochte sie weiche Lippen lieber, aber …

„Ein Königreich für Ihre Gedanken“, sagte Conner.

„Nichts von Bedeutung“, erwiderte sie.

„Dann haben Sie wohl nichts gegen eine kleine Unterbrechung?“ Conner beugte sich vor.

Seine weichen Lippen waren eigentlich genau das, was sie mochte. Aber sie dachte immer noch an Gerald. Plötzlich wollte sie diesen Kuss von Conner gar nicht mehr. Sie war ganz erfüllt von einer merkwürdigen Sehnsucht, wie in einem Traum, wo man von einem Zimmer ins andere ging, auf der Suche nach etwas, das man unbedingt finden musste.

Sie legte die Hand auf Conners Wange. „Tut mir leid, ich glaube, ich bin doch zu müde.“

Er sah sie beunruhigt an. „Habe ich etwa …?“

„Mich falsch eingeschätzt? Nein, überhaupt nicht. Ich habe es mir nur gerade anders überlegt. Es tut mir leid, ich würde Sie nur enttäuschen.“

„Das glaube ich kaum.“ Er lächelte wehmütig. „Vielleicht ein andermal?“

„Vielleicht“, sagte sie und ließ den Blick über den Tresen gleiten. „Dort drüben sitzt übrigens eine sehr attraktive Frau.“

Er folgte ihrem Blick und lächelte. „Guter Geschmack.“

Sugar zuckte mit den Achseln. „Ich helfe gern.“ Sie schob ihr Glas weg und stand auf. „Ich gehe besser. Falls Sie jemandem begegnen, der sich für eine Franchising-Partnerschaft interessieren könnte, hätten Sie etwas dagegen, ihm oder ihr meine Karte zu geben?“ Sie reichte ihm einen kleinen Stapel.

„Mach ich.“

„Super.“

„Aber vergessen Sie auch uns nicht. Hochwertige Trainingssysteme zu Großhandelspreisen.“ Er lächelte vielsagend. Er gefiel Sugar, sie hatte nur keine Lust, mit ihm zu schlafen.

Er gab ihr einen Abschiedskuss. „Schlafen Sie gut.“ Er streichelte ihre Wange.

„Das werde ich.“ Was zum Teufel war nur mit ihr los? Sie kannte ihren Körper und wusste normalerweise, was sie brauchte. Und sie kam auch immer auf ihre Kosten. Aber jetzt tat sich bei ihr gar nichts. Vielleicht sollte sie ihre Schilddrüse durchchecken lassen?

Doch der Zwischenfall auf dem Wasserbett war genug Beweis, dass mit ihrer Libido alles in Ordnung war. Was in ihr vorging, hatte nichts mit ihrer Libido zu tun, und das beruhigte sie keineswegs.

2. KAPITEL

Das Geschenkpaket unterm Arm, blieb Gerald wie angewurzelt im Eingang zur Bar stehen.

Unfassbar! Dieser Typ im Armani-Anzug versuchte, Sugar anzumachen. Und sie ließ es auch noch zu. Und das nach dem dramatischen Augenblick auf dem Wasserbett!

Der Kerl durfte Sugar auf keinen Fall haben. Sicher war er scharf auf sie, weil sie sexy, interessant und witzig war. Aber er, Gerald, kannte auch die verletzliche Frau, die sich hinter der Fassade der kühlen Geschäftsfrau verbarg.

Gerald war fast schon im Begriff, hineinzugehen, um diesen Typen vom Hocker zu kippen, da stand Sugar auf, lächelte den Kerl zum Abschied an und ging.

Schnell versteckte Gerald sich in einer Aufzugkabine, bevor sie ihn entdecken konnte. Auf keinen Fall sollte sie denken, er spioniere ihr nach.

In seinem Zimmer ging er nervös auf und ab und überlegte fieberhaft. Was hatte Sugar vor? Wer war dieser Kerl? Wie lange dauerte es noch bis zu ihrem gemeinsamen Abendessen? Er blickte auf seine Armbanduhr. Zu lange.

Er versuchte, sich zu beruhigen. Alles war bereit. Er hatte einen Plan ausgearbeitet, wie immer. Er hatte das Lederkostüm für Sugar gekauft und Rosen. Sie standen in einer Vase, die wie ein Frauenkörper geformt war. In einer Stunde würde das Essen serviert werden. Und dann würde auch Sugar kommen.

Aber was, wenn sie sich mit Mr Armani verabredet hatte? Was, wenn Mr Armani gerade auf dem Weg zu ihrem Zimmer war, für einen Quickie?“

Sie hatte seit Monaten nichts mehr mit einem Mann gehabt, das wusste Gerald, und das war überhaupt nicht typisch für sie. Sugar war immer ganz furchtbar beschäftigt, aus Angst vor Langeweile. Im Gegensatz zu ihm, der sich bei allem, was er tat, Zeit ließ. Er war eben zu vorsichtig und zu langsam. Wie viel Zeit hatte er schon verschwendet, ohne überhaupt zu wissen, was er wirklich wollte!

Er lachte über sich selbst, obwohl die Erkenntnis wehtat.

Er hatte genug davon, sich selbst zu belügen und immer nur abzuwarten. Nein, er würde nicht zulassen, dass ihm ein anderer Sugar wegschnappte, schon gar nicht einer, der nur gut war für eine Nacht. Nicht Sugar, nicht die Frau, die er liebte! Der Gedanke verursachte ihm Herzrasen. Aber Gerald war viel zu bodenständig und zu realistisch, um sich selbst zu belügen.

Entschlossen ging er zu Sugars Zimmer. Irgendwie war er sich bewusst, dass er offenbar den Verstand verloren hatte. Trotzdem klopfte er an ihre Tür. Auf keinen Fall würde er jetzt einen Rückzieher machen.

Sugar öffnete die Tür und riss überrascht die Augen auf. „Gerald, was machst du denn hier?“

„Das.“ Er nahm ihr Gesicht in beide Hände und küsste sie, noch während er mit dem Fuß die Tür hinter sich zukickte. Er legte alles in diesen Kuss – all sein Verlangen, all seine Sehnsucht –, und die ganze Zeit umfasste er Sugars Gesicht.

Sie seufzte leise und schmiegte sich ein paar Sekunden lang an ihn, genau wie auf dem Wasserbett. Dann riss sie sich plötzlich los. „Moment mal …. Nein!“ Sie stemmte die Hände in die Hüften. „Warte.“

Wie war das noch mit seinem Plan? Ganz locker bleiben. Okay, dafür war es nicht zu spät. Nur die Ruhe, sagte er sich. Gib ihr Zeit, und dann fang noch mal an. Aber laut sagte er das, was in diesem Augenblick am unvernünftigsten war. „Sugar, ich liebe dich.“

„Ich muss mich erst mal setzen.“ Sugar fühlte sich außerstande, einen klaren Gedanken zu fassen. Sie ging rückwärts zum Bett und ließ sich darauf fallen.

Zitternd holte sie Luft. „Was hast du gesagt?“ Sie hob die Hand, bevor Gerald antworten konnte. „Schon gut, ich habe es gehört. Gib mir eine Sekunde.“

Was war los mit ihrem stets so nüchternen, vernünftigen Partner?

Dieser Kuss, er hatte alles damit ausgedrückt, wilde Entschlossenheit und überwältigende Zärtlichkeit. Es war so erregend gewesen.

Und dann hatte Gerald das Wort ausgesprochen, das mit L begann.

„Du liebst mich?“, wiederholte sie verblüfft. Das konnte doch nicht sein, oder?

Der Gedanke weckte in ihr die widersprüchlichsten Gefühle. Einerseits wollte sie jubeln, andererseits entsetzt schreien.

Gerald ließ sich neben ihr auf dem Bett nieder. Er nahm ihre beiden Hände in seine, verflocht seine Finger mit ihren.

„So hatte ich mir das eigentlich nicht gedacht“, sagte er.

„Nein?“ Vielleicht könnten sie das Ganze ja einfach wegklicken und die Datei neu öffnen?

„Aber es stimmt“, sagte er. „Ich liebe dich.“

Verdammt! „Ich weiß nicht, was ich sagen soll, Gerald.“ Ihr war schwindlig, und ihr Verstand streikte.

„Ich versteh schon.“ Er lächelte sarkastisch. „Du bist geschockt. Falls es dir hilft, ich auch. Ich meine, eigentlich hatten wir ja alles geklärt, oder? Ich meine damals auf dem College.“

„Genau.“ Damals hätte sie sich fast in ihn verliebt – seine ruhige, solide Art hatte sie angezogen –, aber sie war mit Dylan zusammen gewesen, der total sexy war, und da war auch noch Riley gewesen, und all die anderen. Das Tolle am College war, dass es nie wirklich ernst wurde. Außer bei Gerald. Er fand es nie gut, dass sie mit so vielen verschiedenen Typen ausging. Sie hatte daraus geschlossen, dass er wohl ein bisschen verklemmt war, aber das hatte sie ihm nicht weiter verübelt. Schließlich war er ihr immer ein guter, verlässlicher Freund gewesen. „Und als wir das Hotel eröffneten, haben wir es noch einmal geklärt“, fügte sie hinzu.

„Richtig.“

„Dann ist das jetzt also einfach nur ein Anfall von körperlicher Anziehung?“ Allerdings fühlte es sich eher an wie ein gewaltiges emotionales Feuerwerk.

„Rein körperlich?“, wiederholte er, alles andere als überzeugt.

„Das Wichtigste ist unsere geschäftliche Partnerschaft. Und dass wir Freunde sind. Vergiss das nicht.“

„Das könnte ich nie vergessen.“ Gerald seufzte und verstärkte den Druck seiner Hand. „Vielleicht könnten wir ja, wenn wir so gute Partner und Freunde sind, auch noch mehr sein …“

„Das war nur dieses blöde Wasserbett!“, platzte Sugar heraus.

Gerald schüttelte den Kopf.

„Nein?“

„Ich glaube, diese Gefühle waren schon immer da. Jedenfalls bei mir.“ Er sah ihr in die Augen. „Ich habe sie nur verdrängt.“

Halt, stopp, das war die falsche Richtung! „Wir sind so verschieden, Gerald.“ Sugar liebte die Abwechslung, war unternehmungslustig, ging spät zu Bett. Er hingegen schätzte Beständigkeit und Ruhe, ging früh zu Bett und stand früh auf. Wahrscheinlich war er auch im Bett ziemlich berechenbar.

„Das muss kein Problem sein …“, wandte er ein.

Aha, er zögerte ein wenig. „Du weißt doch, ich habe es nicht so mit festen Beziehungen.“ Gerald war der Typ, der nur einmal im Leben heiratete, und zwar für immer. Eigentlich wunderte es sie, dass er noch immer ledig war.

Sein Blick wich keine Sekunde von ihrem Gesicht. „Mit mir wäre das anders“, schien er sagen zu wollen.

Aber Sugar wusste es besser. Sie hatte es ein paar Mal zugelassen, dass ein Mann ihre Beziehung zu ernst nahm. Das führte nur dazu, dass sie sich irgendwann eingesperrt und unterdrückt fühlte. Das Ende war immer schrecklich, und sie fühlte sich, als hätte sie dem betreffenden Mann etwas vorgemacht. Sie hatte sich geschworen, es nie wieder so weit kommen zu lassen. Offenbar war es für sie besser, einfach nur Sex zu haben.

Viele Frauen waren so wie sie, aber sie weigerten sich, das einzusehen, heirateten und machten sich und ihre Männer nur unglücklich.

Sugar wollte das nicht. Schon gar nicht mit einem Mann, der ihr so viel bedeutete wie Gerald. „Wir betrachten Beziehungen unter ganz verschiedenen Blickwinkeln. Denk nur daran, wie unterschiedlich wir auf die Scheidung unserer Eltern reagiert haben.“ Gerald fand, dass seine Eltern sich viel zu schnell getrennt hatten, während Sugar sich nie über die Trennung ihrer Eltern beklagt hatte. Eine Beziehung war etwas Lebendiges, das sich ändern und auch auflösen konnte. Besonders bei solchen Menschen wie ihren Eltern. Es hatte keinen Sinn, sich selbst oder seinen Partner oder die Familie deswegen zu quälen.

„Das ist etwas anderes“, erwiderte Gerald.

„Ich bin nicht wie du, Gerald.“ Leute wie Gerald wussten, wie man die Liebe am Leben erhielt. Und wenn es ein bisschen fad wurde, gab es Orte wie „Spice It Up“, um wieder ins richtige Gleis zu kommen. Sugar fand es wunderbar, mit ihrer Arbeit dazu beizutragen. Irgendwie machte das ihre eigene Schwäche ein bisschen wett. Und eigentlich war es ja gar keine Schwäche, oder? Aber von Zeit zu Zeit befiel sie ein Gefühl der Leere, und daran wurde sie gar nicht gerne erinnert.

Geralds Blick drückte so viel Sehnsucht und Hoffnung aus, dass Sugar in Panik geriet. „Ich brauche viel Abwechslung. Ich brauche einfach immer wieder mal was Neues. Du willst Beständigkeit. Die Schuhe, die du trägst, stammen noch aus der Amtzeits von Bill Clinton.“

„Na, na, ich habe sie frisch besohlen lassen.“ Gerald betrachtete seine Schuhe, dann richtete er den Blick wieder auf Sugar. „Was ist falsch daran, wenn man Wert auf gute Qualität legt?“

„Nichts. Aber es hat nichts mit mir zu tun. Ich kaufe mir lieber mal etwas Neues, während du auf Tradition und alles, was klassisch ist, stehst.“

„So sind wir, Sugar. Kein Paar aus einem Hausfrauenmagazin. Lass uns mal so tun, als hätte ich nicht gesagt, was ich gesagt habe, sondern ‚Hey, Sugar, wie wär’s? Lass uns mal probieren, was geht.‘ Wäre das besser?“ Er lächelte sarkastisch. Sie liebte dieses Lächeln.

„Nicht wirklich, nein.“ Er hatte es nun mal gesagt, und dass er sich so untypisch verhielt, war nur ein Beweis dafür, wie stark seine Gefühle waren. Ihn knallhart abzuweisen erschien ihr schrecklich, aber was sollte sie sonst tun? Ihr wurde ganz flau im Magen.

„Lass dir doch erst mal Zeit“, sagte Gerald.

Aber das hatte keinen Sinn, und es stand auch zu viel auf dem Spiel. Sie musste irgendwie aus diesem Dilemma herauskommen. Was würde Gerald an ihrer Stelle tun? Diese Frage stellte sie sich immer dann, wenn sie sich emotional überfordert fühlte.

„Lass uns die Sache mal ganz rational angehen“, begann sie. „Warum passiert das ausgerechnet jetzt? Du hast dich gerade von Adrienne getrennt, nicht wahr? Also fühlst du dich einsam. Du und ich, wir verbringen sehr viel Zeit zusammen. Wir sind enge Freunde. Außerdem feiern wir einen besonders wichtigen Geburtstag. Fünfunddreißig, das ist die Zeit, wo man wichtige Entscheidungen trifft. Ich selbst habe mir auch schon meine Gedanken gemacht. Allerdings …“ Sugar zögerte. „Allerdings in ganz anderer Hinsicht.“

Gerald runzelte die Stirn. „In welcher?“

„Im Hinblick auf das Hotel. Ich wollte beim Essen mit dir darüber sprechen, aber …“

„Nein, red weiter. Erzähl es mir jetzt.“ Er verschränkte die Arme vor der Brust.

„Vielleicht später. Wenn wir wieder zu Hause sind.“

„Komm schon.“ Er wurde misstrauisch. „Was hast du dir ausgedacht, Sugar?“

Eines war jedenfalls sicher, sie brauchten unbedingt einen Themenwechsel. „Versprich mir, mich erst ausreden zu lassen, bevor du anfängst, dagegen zu argumentieren.“

„Jetzt sag schon.“

„Okay … du weißt ja, wie ausgebucht wir in der Hauptreisezeit sind?“

„Ja?“

„Da entgeht uns ganz schön viel Geld. Das Interesse an Hotels, die Paaren sexuelle Anregung bieten, nimmt zu. Das sieht man schon an dieser Veranstaltung hier. Denk nur an die vielen Artikel, die in letzter Zeit über uns geschrieben wurden. Dieses Konzept ist eine wahre Goldgrube. Aber wenn wir nicht zusehen, dass wir im Trend weiterhin ganz vorne liegen, dann werden andere uns überrennen.“

„Was schlägst du vor?“, fragte er.

Der Analytiker in ihm ist zum Leben erwacht, dachte sie. Sehr gut. „Zuerst dachte ich, wir könnten einfach ein zweites Hotel eröffnen, aber dafür würden wir sehr viel Kapital einsetzen müssen, und wahrscheinlich hätten wir erst einmal eine viel zu dünne Personaldecke. Dann habe ich einen Artikel über Franchising in der Hotelbranche gelesen. Der Verfasser gehört einer Unternehmensberatung in San Diego an, also habe ich dort angerufen.“

„Franchising?“ Gerald sah sie erstaunt an. „Du willst aus „Spice It Up“ eine Hotelkette machen?“

„Das ist das Beste, was man tun kann. Gerade vorhin hatte ich dazu ein interessantes Gespräch. Außerdem würden wir sehr viel Geld damit verdienen, und …“

„Du hast mit einer Unternehmensberatung gesprochen? Ohne erst mit mir zu reden?“

Seine Entrüstung war immer noch besser als sein verletzter Blick von vorhin. „Das war nur ein vorbereitendes Gespräch. Ganz unverbindlich. Ich wollte dir davon erzählen, auch von den Daten, die ich schon gesammelt habe. Es ist alles hier drin.“ Sie deutete auf ihre Aktenmappe, die auf dem Tisch neben der Tür lag.

Gerald schüttelte den Kopf. „In einer Hotelkette läuft alles nach Schema F. ‚Spice It Up‘ ist zu einzigartig, um es in so ein Schema zu zwängen.“

Sugar ließ sich nicht beirren. „Zunächst dachte ich das auch. Aber dann habe ich mehr darüber gelesen. Es gibt da ein Buch – ‚Franchising für Dummies‘, stell dir vor – das musst du dir unbedingt mal anschauen.“

„Was ist mit uns, Sugar?“ Gerald sah ihr tief in die Augen.

Uns – das klang zu gut, um wahr zu sein. Am liebsten hätte sie sich einfach fallen lassen. Wieso waren ihr nie zuvor die dunkelbraunen Sprenkel in Geralds Augen aufgefallen?

„Uns gibt es nur als Geschäftspartner, Gerald“, sagte sie. „Wir haben wohl die Kontrolle verloren. Wir sind schon lange befreundet, und es gibt eine gewisse Anziehung. Du bist einsam, ich auch, schätze ich. Und dann dieses Wasserbett … da kann so etwas schon mal passieren.“ Sie versuchte, belustigt zu klingen, aber ihre Kehle war wie zugeschnürt, und sie brachte einfach kein Lächeln zustande.

„Du willst also nicht einmal darüber nachdenken?“ Wieder sah er ihr in die Augen. „Du fühlst nichts …?“

„Es geht nicht.“ Sie wusste nicht genau, was sie fühlte, aber sie wollte Gerald auf keinen Fall etwas vormachen. Also schüttelte sie den Kopf. „Und selbst wenn … Nein, Gerald.“

„Oh.“ Er ließ ihre Hände los. „Und was jetzt?“, fragte er leise. Es klang sehr traurig.

Sugar holte tief Luft. „Jetzt tun wir, was wir am besten können …“ Sie zögerte einen Moment. „Wir sind Geschäftspartner. Also werden wir jetzt über das Franchising diskutieren, bis wir zur Entscheidung gekommen sind, und dann …“

„Das kann ich nicht“, erwiderte Gerald. „Ich kann nicht einfach so tun, als wäre nichts gewesen.“

„Was meinst du damit?“

„Oder vielleicht will ich es auch nicht, jetzt wo mir alles klar geworden ist.“

„Was soll das heißen?“ Sugars Herz pochte heftig. Entsetzt stellte sie fest, dass er ihr auswich. Normalerweise, wenn sie eine Meinungsverschiedenheit hatten, kämpfte Gerald mit allem, was er zu bieten hatte, bis sie beide erschöpft waren und sich auf den besten Kompromiss einigten.

Diesmal nicht. Ihr wurde ganz kalt.

„Vielleicht brauche ich jetzt eine Veränderung“, sagte Gerald.

„Was für eine Veränderung?“ Plötzlich bekam sie Angst.

„Ich meine, vielleicht ist es Zeit für mich, zu gehen.“

Sugar fühlte sich, als habe ihr jemand einen Dolchstoß versetzt. „Du kannst doch ‚Spice It Up‘ nicht einfach verlassen.“ Das war nicht die Veränderung, die sie sich wünschte. „Ist es wegen des Franchising? Du weißt einfach noch nicht genug darüber. Sieh dir erst einmal an, was ich dazu ausgearbeitet habe, bevor du die Idee total verwirfst.“ Sie holte ihre Mappe vom Tisch, öffnete sie und nahm den Ordner mit ihren Unterlagen zum Thema Franchising heraus. Geralds Schweigen war fast bedrohlich. Sie hielt ihm den Ordner hin, doch er sah sie unverwandt an.

„Ich kann mir nicht vorstellen, jetzt noch zu bleiben, Sugar. Du brauchst mich nicht mehr.“

„Natürlich brauche ich dich. Vor allem für das Franchising. Ich …“

„Alles ist jetzt anders zwischen uns.“

„Das muss nicht so sein.“ Insgeheim stimmte sie ihm zu. Sie empfand es auch so. „Was willst du denn tun?“, fragte sie entmutigt und sank auf den Stuhl.

„Darüber habe ich noch nicht nachgedacht. Du könntest mich ausbezahlen, schätze ich.“

„Ich habe nicht genug Geld dafür. Wie soll das gehen?“ Fieberhaft suchte sie nach einem Vorwand. Alles wäre ihr recht, um Gerald zu halten. Das Hotel bedeutete ihr alles, und er war so sehr ein Teil davon, dass sie es sich ohne ihn gar nicht vorstellen konnte.

„Ich bin recht flexibel, was das betrifft. Es hat keine Eile.“

„Aber ich würde einen neuen Partner brauchen, und … so weiter.“ Das Sprechen fiel ihr schwer. „Mit dem Franchising …“

„Du könntest meinen Job mit übernehmen, oder Oliver könnte befördert werden. Und was das Franchising betriff – ich glaube nicht, dass es richtig wäre.“

„Hör zu, Gerald, wir sind jetzt beide ziemlich aus der Fassung. Lass uns nicht Dinge sagen, die wir später bereuen.“

Aber er wirkte total ernst, gar nicht erregt oder überfordert. Sie war es, die im Begriff war, hysterisch zu werden. Gerald stand auf.

Sugar stand ebenfalls auf. „Lies dir das mal durch, bitte.“ Sie drängte ihm den Ordner auf, und diesmal nahm er ihn.

„Ich sehe keinen Sinn darin“, erklärte er.

„Ich komme in einer Stunde zum Essen zu dir, und dann können wir darüber reden.“ Diskussionen waren immer gut gelaufen zwischen ihnen, warum nicht auch diesmal?

Als Gerald fort war, lehnte Sugar die Stirn an die Tür. Er brauchte bestimmt einfach nur Zeit, um die Zurückweisung zu verarbeiten.

Weshalb sollte er eigentlich nicht fortgehen? Sugar war überzeugt, dass man gehen musste, wenn einem die Zeit dafür reif schien, warum also nicht Gerald? Selbst seine Beständigkeit hatte irgendwann ihre Grenze erreicht.

Das Ganze war irgendwie seltsam. Sie fühlte sich erpresst. Sei meine Geliebte, oder ich löse unsere Partnerschaft auf? Eigentlich sollte sie sauer auf ihn sein.

Aber das war sie nicht. Der Gedanke, Gerald könne tatsächlich gehen, machte ihr große Angst. Nein, er durfte nicht gehen.

3. KAPITEL

Eine Stunde später stand Sugar mit Geralds Geburtstagsgeschenk in der Hand vor dessen Zimmertür, wild entschlossen, alles positiv zu sehen. Auf keinen Fall sollte er „Spice It Up“ verlassen wegen etwas so Verrücktem wie einer plötzlichen Anwandlung von sexuellem Verlangen. Im Grunde war es nicht anders, als wenn sie sich auf einem Ehemaligentreffen betrunken und sich eine frühere Verliebtheit gestanden hätten.

Gerald hatte mittlerweile Zeit gehabt, ihre Unterlagen zu lesen. Sie würden also die Franchising-Frage diskutieren, und dann wäre alles wieder okay. Eines Tages würden sie beide über diese absurde Wasserbettgeschichte lachen.

Sie klopfte an. Eine Sekunde lang wünschte sie, Gerald würde die Tür aufreißen und sie wieder so küssen wie vorhin. Dieser Kuss war einerseits leidenschaftlich gewesen und hatte ihr doch ein Gefühl der Geborgenheit gegeben. Er war so gut gewesen, dass sie fast Angst davor hatte, überhaupt noch einmal daran zu denken.

Die Tür öffnete sich. Gerald stand vor ihr. Er sah aus, als wäre nichts gewesen.

Zu ihrer Überraschung versetzte ihr das einen Stich. Was war los mit ihr? Sie sollte erleichtert sein.

„Komm rein“, sagte er und trat zur Seite.

Hm, es duftete gut. Nach Orangen, Knoblauch und noch etwas anderem. Was konnte das sein?

Rosen. Auf dem Servierwagen stand eine Vase, umgeben von kleinen weißen Teelichtern.

„Du hast sogar an Rosen gedacht?“ Sugar beugte sich über die Blumen.

„Damit du dir einen Moment Zeit nimmst, um daran zu riechen.“ Gerald lächelte traurig.

„Sag es mit Blumen, was?“ Sie wich seinem Blick aus und strich mit dem Finger über die Umrisse der Vase, die geformt war wie der Körper einer Frau.

„Sie erinnert mich an dich“, sagte Gerald.

Sugar wollte einen Scherz machen und sagen, dass ihre Taille viel dicker, die Hüften breiter seien, aber irgendwie war ihr nicht zum Lachen, und ihm anscheinend auch nicht.

Auf dem Bett lagen zwei Geschenke, eines klein und selbst verpackt, das andere wesentlich größer und aufwändig in Goldfolie gehüllt und mit einem Aufkleber von der Geschenkboutique des Hotels versehen.

Das Herz tat ihr weh. Wäre sie doch die Art von Frau, die Ja zu Gerald sagen und es wirklich ernst meinen könnte. „Gerald, wegen vorhin …“

„Lass es uns für heute einfach vergessen“, sagte er. „Wir müssen über vieles nachdenken und Entscheidungen treffen.“

„Hast du meine Unterlagen gelesen?“ Sie deutete auf das Kopfende des Bettes, wo der Schnellhefter lag.

Gerald schüttelte den Kopf. „Im Moment feiern wir einfach nur unseren Geburtstag, okay?“ Er klang erschöpft.

„Klar.“

Sugar reichte ihm sein Präsent. Es war ein GPS-Gerät mit Satellitenkarten von der ganzen Welt. Sie hatte Gerald mehrmals beobachtet, als er im Internet eine Website mit solchen Geräten studierte.

Als er ihr das Geschenk aus der Hand nahm, streiften sich ihre Finger. Sofort zitterten Sugar wieder die Knie. Das war eigenartig. Während der Arbeit berührten sie sich immer wieder mal zufällig. Aber jetzt hatte eine leichte Berührung seiner Finger ihr fast den Atem genommen. Sie hatte also auch ihre Gefühle verdrängt, genau wie Gerald.

Doch das schien jetzt nicht mehr möglich zu sein.

Wie gut er duftete! Nach Rasierwasser, nach Seife und noch etwas – eben Gerald. Außerdem wirkte er irgendwie größer als sonst … breitschultriger … mehr präsent.

Es war, als wäre sie bisher blind durch die Welt gegangen und würde erst jetzt all die liebenswerten Details an diesem Mann wahrnehmen – zum Beispiel seinen warmen Blick, die kleinen Lachfältchen um seinen Mund, die Art, wie sich sein dichtes Haar im Nacken zu kleinen Löckchen ringelte, und seine Haltung, die Gelassenheit und Selbstsicherheit ausdrückte.

Wieder blickte Sugar zu den beiden Geschenken, die auf dem Bett lagen.

Auf dem Bett. In seinem Zimmer.

Und sie waren allein.

Plötzlich fühlte sie sich ganz kraftlos. Sie ließ sich auf einen der Stühle an dem gedeckten Tisch sinken. Fast wäre dabei die Weinflasche umgefallen. Gerald hielt sie rasch fest und setzte sich Sugar gegenüber.

„Und was gibt es Schönes zum Essen?“ Sie lächelte, entschlossen, dieses Mahl zu genießen.

Gerald hob die silbernen Warmhalteglocken von der Vorspeise – goldbraun gebackenes Entenfleisch auf italienischer Pasta, dazu ein Salat, der sehr exotisch aussah. „Ente à l’Orange in der kohlenhydratarmen Version. Ich habe das extra mit dem Chefkoch besprochen. Dann gibt es noch Sojapolenta, auch kohlenhydratarm. Außerdem Palmherzensalat …“

„Palmherzen?“

„In deinem Kühlschrank habe ich ein Glas gesehen, also nahm ich an, es gehört zu deiner Diät.“

Sie peppte damit ihre Thunfischsandwiches auf. „Dir entgeht wirklich nichts.“

„Nicht, wenn es dich betrifft“, erwiderte er trocken, als ob es das Selbstverständlichste der Welt wäre.

Gerald verwöhnte sie so. Ihr Herz schlug schneller.

Aber das hatte nichts zu bedeuten. Sie hatten eben manchmal Anfälle von kurzfristiger Verliebtheit. Das würde bald vorbeigehen wie ein erotischer Traum, den man im Laufe des Tages vergaß. „Gerald, du hast dir so viel Mühe gemacht. Es tut mir leid, dass dieser Abend nicht so verläuft, wie …“

„Schon gut. Das Essen habe ich schon gestern mit dem Küchenchef besprochen, damit du kein schlechtes Gewissen bekommst wegen deiner Diät.“

Er war sich noch gar nicht bewusst gewesen, dass er sie liebte, und hatte sich trotzdem solche Mühe gemacht?

„Den Wein habe ich mitgebracht.“

Sugar betrachtete das Etikett. Es war der kohlenhydratarme Merlot, von dem sie gelesen hatte. „Du bist ein wahrer Freund.“

„Mach es nicht schlimmer, als es ist“, erwiderte er. „Lass uns loslegen.“

Sugar probierte die Ente. Sie spürte Geralds Blick auf ihren Lippen. „Hm“, machte sie. „Exquisit. Das musst du probieren.“

Er griff ebenfalls zur Gabel und nahm sich einen Bissen. Sugar beoachtete Gerald und dachte unwillkürlich daran, wie er sie geküsst hatte. Dieser Kuss hatte Gefühle in ihr geweckt, die sie schon sehr lange nicht mehr empfunden hatte, oder vielleicht überhaupt noch nie.

Aber das hatte nichts mit Liebe zu tun. Es war nur ein lang verdrängtes Verlangen, und momentan begehrte sie ihn wirklich sehr. Ihr wurde ganz heiß.

„Sugar, ist alles in Ordnung?“

„Äh, ja, natürlich“, antwortete sie verlegen. „Ich konzentriere mich gerade auf den Geschmack.“ Sie hielt ihr Weinglas mit beiden Händen, um nicht in Versuchung zu kommen, Gerald am Kragen zu packen und …

Sex mit ihm konnte so gut auch wieder nicht sein. Nun ja, vielleicht am Anfang. Viele Paare kamen ja gerade deshalb in ihr Hotel, weil ihr Liebesleben nicht mehr so spritzig war wie am Anfang.

Und selbst wenn es im Bett immer toll wäre, würde nicht ihr Alltag in Langeweile ersticken? Gerald würde morgens beim Frühstück die Zeitung lesen und seine Eier auf eine ganz bestimmte Art zubereitet haben wollen – wahrscheinlich würde er sich selbst an den Herd stellen, er war nämlich ein sehr guter Koch. Danach würden sie zusammen zum Hotel fahren, sich im Radio die Nachrichten anhören und sich über den Verkehr, das Wetter und die Arbeit unterhalten.

Abends auf dem Heimweg würden sie über die gleichen Themen plaudern. Dann zu Hause die Abendnachrichten im Fernsehen, früh ins Bett, ein Quickie und am nächsten Tag das Gleiche von vorn. Am Wochenende vielleicht ein Kinobesuch, ein Konzert und von Zeit zu Zeit ein kleiner Urlaub. Gerald wollte eine Kreuzfahrt nach Alaska machen. Konnte es etwas Langweiligeres geben, als auf einem Schiff gefangen sein, wo man nichts weiter tun konnte als essen, herumhängen und Bingo spielen?

Sie würde versuchen, ihn glücklich zu machen und sich einzureden, sie sei glücklich, aber in Wirklichkeit wäre sie einfach nur unglücklich.

„Na, war es gut?“, fragte Gerald.

„Äh, was? – Ja, ja, wundervoll. Die Ente, die Polenta, der Salat.“ Sugar hatte nur ein paar Bissen zu sich genommen, und schon stand sie in Gedanken kurz vor der Scheidung. Du lieber Himmel! „Ich bin irgendwie gar nicht besonders hungrig. Warum packst du nicht dein Geschenk aus?“

Gerald wischte sich mit der Serviette den Mund ab und holte das Geschenk, das Sugar für ihn aufs Bett gelegt hatte. Er schnitt das Band mit dem Taschenmesser durch – Gerald war immer für alle Gelegenheiten gerüstet –, riss das Papier auf und lächelte, als er die Schachtel sah. „Ein GPS-Gerät. Super.“

„Der Verkäufer sagte, es sei das beste. Und du kannst dir noch mehr Karten dafür herunterladen, wenn du willst.“

„Ich wünsche mir das schon ziemlich lange.“ Er sah ihr zärtlich in die Augen. „Danke.“

„Ich habe gesehen, dass du dich dafür interessierst.“

Anscheinend hatte sie ihn also auch ziemlich genau beobachtet.

„Jetzt bist du dran“, sagte Gerald und reichte ihr seine beiden Päckchen. „Mach das kleine zuerst auf.“

„Warum hast du denn zwei Geschenke für mich?“

Er zuckte nur mit den Schultern.

Das kleine Päckchen enthielt einen elektronischen Organzier. „Woher wusstest du das das? Meiner ist …“

„Kaputt. Ja, das habe ich gemerkt.“

Natürlich hatte er das. „Danke.“

„Und jetzt das andere.“ Gerald strahlte vor Vorfreude.

Sugar öffnete das größere Päckchen. Es war das teure Lederkostüm, das sie sich fast gekauft hätte. Das Leder glänzte im Schein der Kerzen. „Das ist zu viel, Gerald.“

„In dem Augenblick erschien es mir einfach richtig.“

Als er sich vorgenommen hatte, ihr seine Liebe zu erklären. Sugar tat das Herz weh bei dem Gedanken. Sie nahm die Jacke und atmete den Geruch des Leders ein. „Es ist wundervoll.“

„Stimmt die Größe?“

Sie schaute auf dem Etikett nach. „Perfekt.“

„Vielleicht solltest du es trotzdem anprobieren. Dann kannst du es, falls nötig, noch umtauschen, bevor wir abreisen.“ Er wollte sie wohl unbedingt in dem Kostüm sehen.

„Okay“, sagte sie, „ich ziehe es an.“

Es passte wie eine zweite Haut, das konnte sie im Badezimmerspiegel sehen. Die Jacke wurde vorne mit einem Reißverschluss geschlossen, der Rock an der Seite. Sie wirkte sogar schlanker darin, wunderbar. Barfuß schlüpfte sie in ihre hochhackigen Pumps und ging hinaus zu Gerald.

Er starrte sie an, als wäre sie eine Erscheinung. „Die Männer werden dir rudelweise folgen, wie heulende Wölfe.“

„Wohl kaum.“ Sie wurde rot, ging aber noch ein paar Schritte auf ihn zu, bis sie direkt vor ihm stand.

„Machst du Witze? Sie werden sich gegenseitig zerfleischen. Aber das war mir ja schon klar, als ich das Kostüm kaufte.“

„Es fühlt sich so gut an.“ Sie strich mit beiden Händen über das glatte Leder. Geralds Blick folgte jeder ihrer Bewegungen.

„Lass mich sehen.“ Gerald machte sich an dem offenen Kragen zu schaffen. Dabei streifte er Sugars Haut mit dem Knöchel. „Es ist Handschuhleder. Das ist besonders weich.“ Sie spürte genau, dass er darüber nachdachte, ob er sie nicht gleich wieder aus diesem besonders weichen Leder herausschälen sollte.

Sugar schwankte innerlich. Geralds Begierde zog sie an wie ein Magnet. Nur zwei Reißverschlüsse wären aufzuziehen, und sie stände nackt bis auf ihren Slip vor ihm. Auf einen BH hatte sie verzichtet, wie immer, sofern die Kleidung es zuließ.

„Es ist wundervoll, Gerald, aber du hast viel zu viel Geld für mich ausgegeben.“

„Dich darin zu sehen ist den Preis wert.“

Sugar zwang sich, einen Schritt rückwärts zu machen. „Hast du auch an die Geburtstagskerzen gedacht?“

Er klopfte auf seine Hosentasche. „Klar.“

„Du bist immer für alles gerüstet.“ Ob er wohl auch Kondome dabeihatte? Sie hatte welche in ihrer Handtasche …

Er zeigte ihr die Schachtel mit den Miniaturkerzen. „Ich würde sagen, wir nehmen sieben“, schlug er vor. „Fünfunddreißig mal zwei, das macht siebzig. Also eine Kerze pro Jahrzehnt.“

„Einverstanden.“

Sie schafften es, die sieben Kerzen zwischen den Erdbeeren auf der Mini-Sahnetorte zu verteilen, die als Dessert gedacht war. Gerald brauchte nur ein Streichholz, um sie alle anzuzünden. Was für schöne Hände er hatte!

Wie geschaffen, um sie zu streicheln.

Stopp!

Aber es war so schwer. Sugar reagierte ganz stark auf Gerald.

Es ist nichts weiter als Sex, Sugar.

Na und? Kein Grund, es nicht zu tun. Sex ist schön.

Wäre es möglich, dass sie einfach nur einmal miteinander schliefen und damit die Sache ein für allemal aus der Welt schafften? Aber was war mit Geralds Liebeserklärung? Vielleicht hatte er ja wirklich nur Liebe mit Lust verwechselt.

„Wünsch dir was“, flüsterte er.

Ich wünschte, wir könnten miteinander schlafen.

Nein, das war zu riskant. Unwillkürlich schüttelte Sugar den Kopf.

„Was ist los?“

„Ich überlege nur, was ich mir wünschen soll.“ Sie schloss die Augen. Ich wünschte, wir könnten zur Vernunft kommen.

Sie beugten sich über den Kuchen, ihre Gesichter waren sich ganz nah, und der Kerzenschein ließ Geralds Pupillen aussehen, als glühten sie. Was immer er sich wünschte, es musste etwas mit Sex zu tun haben.

Sie bliesen alle Kerzen auf einmal aus.

„Was hast du dir gewünscht?“, wollte Gerald wissen.

„Wenn ich es dir sage, erfüllt sich der Wunsch nicht.“

„Vielleicht wollen wir ja gar nicht, dass deiner sich erfüllt“, sagte er leise. „Sondern meiner.“

Vielleicht. Sugar musste daran denken, dass Gerald immer für sie da gewesen war. Er hatte sie getröstet, wenn es ihr schlecht ging, hatte mit ihr jeden Erfolg gefeiert, und immer war da sein liebes, humorvolles Lächeln gewesen. Sie hatten eine Menge zusammen erlebt – die ersten Jahre, in denen das Geld knapp gewesen war, dann die Freude am Erfolg. Sie hatten alles miteinander geteilt. Sie waren wirklich gute Freunde.

Und die ganze Zeit hatte Sugar verdrängt, wie sehr sie Gerald begehrte. Das schien nicht mehr möglich zu sein. Nie mehr. Jetzt, da sie dieses Lederkostüm trug, das er ihr gekauft hatte, jetzt da sie das Verlangen in seinen dunklen Augen sah, jetzt erfüllte auch sie heißes Verlangen, zu stark, um es noch länger zu ignorieren.

Zum Teufel mit aller Logik und Vernunft! Sie wollte diesen Mann. Jetzt. Sugar legte die Hände auf Geralds Wangen und küsste ihn heiß und fordernd.

Er fühlte sich so vertraut an und doch so neu, als er den Kuss voller Begeisterung erwiderte. Der Tisch wackelte. Sugar merkte, dass sie beide etwas von der Torte auf der Kleidung hatten, aber es war ihr egal.

Schließlich beendete Gerald den Kuss. „Was tun wir da?“ Er hörte sich ganz atemlos an.

„Was wir beide brauchen“, erwiderte sie. „Freundschaft und noch ein bisschen mehr.“ Was auch immer.

Die Warmhalteglocken fielen scheppernd auf den Boden, ein Weinglas kippte um, aber keiner von ihnen schien sich etwas daraus zu machen. Sugar wusste nur eines: Gerald küsste sie, und das war wundervoll. Aber es reichte ihr nicht. Sie wollte Gerald ganz spüren, Haut an Haut. Sie stand auf, zog Gerald mit sich, weg vom Tisch, bis sie beide auf dem Bett landeten, sie oben.

Gerald legte beide Hände auf ihre Brüste, dann zupfte er an ihrem Reißverschluss.

„Warum, sagtest du, ist das jetzt doch okay?“, murmelte er.

„Weil wir befreundet sind, und weil wir es beide wollen. Warum sollten wir uns dagegen wehren?“

Ihre Jacke klaffte auf, sodass ihre Brüste entblößt waren. „Einverstanden“, sagte Gerald und nahm begierig eine ihrer Brüste in den Mund. Heiß strich sein Atem über ihre nackte Haut. Er ließ seine Zungenspitze über ihre Brustspitze gleiten, bis Sugar sich ekstatisch wand. Ihr Rock rutschte bis zu den Hüften hoch. „Oh.“ Wann hatte sich das jemals zuvor so gut angefühlt?

Das Dumme war nur, dass da immer noch so viel Kleidung zwischen ihnen war. Sugar machte sich an Geralds Gürtel zu schaffen, aber er wechselte zu ihrer anderen Brust, und da war sie völlig verloren.

Gedanken schossen ihr blitzartig durch den Kopf: Was tust du da, Sugar? … Hör auf zu denken … Was ist mit diesem Gürtel los? … Ob ich ihn wohl mit den Zähnen aufkriege? Du denkst ja schon wieder …

Sugar ließ den Gürtel Gürtel sein und streichelte Gerald durch die Hose. Was sie da ertastete, wollte sie in sich fühlen, ganz tief. Jetzt. So hungrig nach Sex war sie schon seit einer Ewigkeit nicht mehr gewesen. Sie begehrte Gerald mehr als je einen Mann zuvor.

Er schob ihren Rock noch ein Stück höher, glitt mit der Hand zwischen ihre Schenkel und streichelte sie.

„Oh ja. Ja.“

Tastend schob er zwei Finger unter den Slip, spürte, wie bereit sie für ihn war. Sugar seufzte und stöhnte vor Erregung und verlor immer mehr die Kontrolle über sich.

„Ich will dich schon so lange“, flüsterte Gerald atemlos. „Ich habe mir selbst nie eingestanden, wie sehr.“

„Ich weiß“, sagte sie. Da war so viel zwischen ihnen. Ihr Körper reagierte, als ob jemand eine Tür durchbrochen hätte, die jahrelang blockiert gewesen war. Halb von Sinnen vor Lust, presste sie sich an Geralds Hand. Er sah ihr dabei in die Augen. Sugar fühlte sich unlösbar mit ihm verbunden, erfüllt von diesem Gefühl, das nur er in ihr auslösen konnte. Sie fürchtete, sie würde niemals genug davon bekommen.

Gleich würde sie den Gipfel erreichen.

Ich könnte gemeinsam mit ihm kommen, schoss ihr durch den Kopf. Es verblüffte sie. Normalerweise sorgte sie selbst dafür, dass sie zum Orgasmus kam – entweder kurz nachdem ihr Partner den Höhepunkt erreichte oder kurz davor. Sie betrachtete das als kleinen Defekt im System, aber das ging vielen Frauen so. Sie hatte die Kontrolle über ihren Körper, und das war gut so. Auf die Weise ersparte man sich Enttäuschungen.

Aber jetzt, mit Geralds Händen auf ihrem Körper, hatte sie das Gefühl, etwas ganz Neues zu erleben, das sich jeder Steuerung entzog. Es erregte und ängstigte sie gleichermaßen.

„Ist alles in Ordnung?“ Gerald verharrte mitten in der Bewegung, als er spürte, dass Sugar zögerte. Immer noch sah er ihr in die Augen. Er ließ einfach nicht zu, dass sie sich ihm entzog.

„Ich dachte nur … ich nehme übrigens die Pille. Bist du gesund?“ Ein gutes Thema, um Zeit zu gewinnen.

„Alles in Ordnung“, erwiderte Gerald.

„Oh, natürlich, davon bin ich ausgegangen.“ Wieder machte sie sich an seinem Gürtel zu schaffen.

Sachte hielt er ihre Hand fest. „Was war das gerade, Sugar?“

„Nichts“, sagte sie, peinlich berührt, dass ihre Unsicherheit ihm aufgefallen war. „Ich schätze, ich habe darauf gewartet, dass irgendwo ein Handy oder Telefon klingelt und uns unterbricht.“

Er lächelte über den Scherz. „Brauchen wir eine Unterbrechung?“

„Natürlich nicht. Freundschaft und ein bisschen mehr, das ist es. Wir …“

Unglaublich, aber das Telefon klingelte tatsächlich. Ungläubig starrten sie es an, dann lachten sie.

Sugar ließ sich neben Gerald aufs Bett fallen. Er nahm den Hörer ab und meldete sich. „Ja? … Oh, hallo, Mr Winslow.“ Er lächelte Sugar zu, konzentrierte sich dann aber wieder auf den Anrufer. „Das Essen war hervorragend. Wir haben es sehr genossen … Ja, die Auswahl der Speisen war sehr gelungen. Absolut. Kein Problem … vielen Dank.“

Er legte auf und blickte auf Sugar herab.

„War das der Chefkoch?“

„Jawohl. Er hat extra ein kohlenhydratarmes Menü ausgearbeitet. Ich habe es nicht fertiggebracht, ihm zu sagen, dass wir nicht einmal die Sahnetorte probiert haben. Halt, warte.“ Er tunkte einen Finger in den Sahneklecks auf ihrer Jacke und leckte ihn ab. „Exzellent.“

Er ließ den Blick über sie gleiten, sodass sie sich völlig entblößt fühlte, obwohl sie noch immer die Jacke und den Rock anhatte. Gerald schien sich wieder unter Kontrolle zu haben. „Wahrscheinlich war es gut, dass wir unterbrochen wurden, was? Wir hatten aufgehört zu denken.“

„Vergiss all das Denken“, sagte sie. „Lass uns weitermachen, wo wir aufgehört haben.“ Sie wollte ihn küssen, aber sein Gesichtsausdruck hielt sie davon ab. Aha. Er wollte mehr als nur Sex.

Aber mehr als Sex konnte sie ihm nicht geben.

Also würde er gehen. Plötzlich wurde ihr kalt. „Ich will nicht, dass du ‚Spice It Up‘ verlässt“, sagte sie leise.

„Wie kann ich jetzt noch bleiben?“ Er nahm ihre Hand und verflocht seine Finger mit ihren.

Sie verstand, dass nichts ewig so blieb, wie es war. Alles änderte sich irgendwann, Dinge ebenso wie Menschen. Selbst Gerald konnte sich ändern. „Aber ich werde deine Hilfe bestimmt brauchen.“

„Das Franchising ist keine gute Idee, Sugar.“

Sie überlegte fieberhaft. „Wir brauchen einfach Zeit. Das hast du selbst gesagt. Wir müssen erst einmal über alles nachdenken, bevor wir eine Entscheidung treffen.“

„Wie lange?“

„Einen Monat. Bis zur Reisemesse. Gib mir einen Monat, um dich zu überzeugen, dass Franchising das einzig Richtige für uns ist.“ Einen Monat, um ihn zu überzeugen, dass er bleiben musste.

„Das Franchising wird nicht funktionieren, Sugar.“

„Du hast einen Monat, um mir das zu beweisen.“

„Meinst du das wirklich ernst?“

„Du kannst nicht einfach so weggehen, Gerald. Noch nicht.“

Sie waren doch so ein tolles Team. Sie sträubte sich dagegen, daran zu denken, dass er sie tatsächlich verlassen könnte. Nicht solange er sie mit leuchtenden Augen ansah, ihre Hand hielt und sie sich wünschte, er würde sie niemals loslassen.

Sugar wollte also noch mehr Zeit.

Gerald eigentlich auch. Es war dumm von ihm gewesen, zu schnell zu viel von ihr zu verlangen. Hatte er etwa geglaubt, das sei ein romantischer Film, mit Geigen und rosa Sonnenuntergängen? Sugar war Sugar. Sie behandelte Männer wie Bücher aus der Leihbücherei – man las sie zügig und sah zu, dass man sie schnell zurückbrachte – am besten noch vor dem Rückgabedatum.

Auf der anderen Seite waren sie seit zwölf Jahren Freunde. Wären sie dazu bestimmt, ein Paar zu werden, hätte das nicht längst passieren müssen? Vielleicht machte er sich etwas vor?

Nein. Da war etwas Wundervolles in Sugars Blick aufgestrahlt, als er sie berührt hatte – sie war überrascht gewesen und erregt. Aber dann hatte sie offenbar Angst bekommen. Wovor genau hatte sie Angst? Vor ihren eigenen Gefühlen? Oder vor dem, was sein Blick ausdrückte?

„Einen Monat?“, wiederholte er. Einen Monat, um sie dazu zu bringen, dass sie sich in ihn verliebte.

Vielleicht einen Monat lang Sex? Oh, wie sehr er sich das wünschte!

Aber Sugar benutzte Sex, um sich dahinter zu verstecken. Sie war viel zu schnell bereit dazu, aber so absurd es scheinen mochte, sie benutzte Sex, um ihre Partner auf Distanz zu halten. Ihn jedoch hatte sie nicht auf Distanz gehalten. Auch das hatte er in ihrem Blick gesehen: Nähe, Verbundenheit. War es das, was ihr Angst machte?

Vielleicht verbarg sie ihre Angst hinter ihrer Distanziertheit. Was hatte sie über die Scheidung ihrer Eltern gesagt? „Nichts bleibt, wie es ist. Man muss einfach lieben und loslassen.“ Das kaufte er ihr nicht ab. Es war offenbar ihre Angst, die sie nie zur Ruhe kommen ließ.

Okay, sie hatten sich auf einen Monat Bedenkzeit geeinigt. Jetzt war es an ihm, die Bedingungen festzulegen. Denk nach, Mann. Reiß dich zusammen.

Sag etwas Intelligentes.

Leider konnte er an nichts anderes denken als an Sugars Brüste und daran, was für ein Gefühl es war, die Hand zwischen ihre Schenkel zu schieben und zu spüren, wie weich sie war und wie bereit.

Sag etwas Intelligentes.

Sugar sah ihn erwartungsvoll an. Ihre Wangen waren gerötet, ihre Brüste schauten halb aus der offenen Jacke heraus. Wie war das noch mal? Freundschaft und ein bisschen mehr?

Nein, das war nicht annähernd das, was Gerald wollte. Er zog den Reißverschluss ihrer Jacke zu und setzte aller Verlockung ein Ende. „Okay. Einen Monat. Aber du musst etwas für mich tun.“

„Was?“ Sie legte den Kopf schief.

„Lass mich dir den besonderen Zauber von ‚Spice It Up‘ zeigen.“

„Den kenne ich. Ich bin schließlich mit verantwortlich dafür.“ Sie waren beide der Überzeugung, dass die beste Therapie für Paare darin bestand, die Intimität zu fördern und ihr immer wieder eine Chance zu geben. Genau das versuchten sie in ihrem Hotel. Gerald hatte sich sein Wissen durch intensive Lektüre angeeignet, Sugar aufgrund ihrer dreijährigen Tätigkeit als Eheberaterin. Ein Wochenendurlaub konnte nicht mehr als ein Anfang sein, deshalb wollten sie mit ihrem Hotel eine besonders inspirierende Umgebung für Paare schaffen.

„Aber es ist dir alles nicht mehr so richtig bewusst. Mir übrigens auch nicht. Ich möchte, dass wir unser Hotel einmal aus der Perspektive der Gäste erleben.“

„Du meinst, wir sollen zusammen im Hotel wohnen?“

„Nicht wohnen. Aber ein Gefühl dafür bekommen, was es heißt, bei uns Gast zu sein. Wir können uns anmelden wie ganz normale Gäste, uns als Paar von Erika beraten lassen, vielleicht sogar an dem einen oder anderen Workshop teilnehmen und so viele Eindrücke wie möglich sammeln.“

„Und was ist mit …?“ Sugar deutete erst auf ihn, dann auf sich.

„Sex wäre zu einfach.“

„Zu einfach?“ Sie seufzte, aber er spürte genau, dass sie erleichtert war. Was gerade zwischen ihnen geschehen war, hatte sie total durcheinandergebracht.

„Wir tun das als Geschäftspartner.“

Autor

Dawn Atkins
Obwohl es immer Dawn Atkins’ größter Traum war, Autorin zu werden, war sie nicht sicher, ob sie wirklich den Funken Genialität besaß, den es dazu braucht. So wurde sie zunächst Grundschullehrerin und fing dann allmählich an, für Zeitungen und Zeitschriften Artikel zu verfassen. Schließlich gab sie ihre Arbeit an der...
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