Margarets Traummann

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Er ist ihr Traummann - Tucker Hollis, der unkomplizierte neue Nachbar. Noch nie hat sich Margaret bei einem Mann so glücklich gefühlt wie bei ihm. Sie genießen sieben Tage voller Lust und Leidenschaft, bis die ersten Probleme ihre Liebe auf die Probe stellen: Margaret und Tucker scheinen in viel zu unterschiedlichen Welten zu leben ...


  • Erscheinungstag 27.01.2018
  • ISBN / Artikelnummer 9783733755263
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Seufzend holte Margaret Miller die Samstagszeitung aus den Büschen vor dem Haus und schimpfte wie immer über die schlechte Wurftechnik des Zeitungsboten. Seit Wochen fand sie die Zeitung in den Büschen, in den Beeten, im Brunnen oder auf dem Dach, nur nicht auf der Veranda, wo sie eigentlich sein sollte.

Ein pummeliger schwarzer Welpe jagte wedelnd und mit flatternden Ohren an ihr vorbei. Wenn sie sich nicht täuschte, gehörte er dem kleinen Jungen von nebenan. Tatsächlich stand nebenan die Gartenpforte offen, so dass der Hund alle Freiheiten hatte. Margaret schüttelte bloß den Kopf. Kinder sollten keine Tiere haben, wenn sie nicht auf sie aufpassen konnten.

Plötzlich hörte sie das näher kommende Geräusch eines Motors, ließ die Zeitung fallen und lief hinter dem Tier her. „Komm, mein Kleiner, komm her zu mir!“ Dabei bemühte sie sich um einen lockenden Tonfall, obwohl sie keine Erfahrung mit Hunden besaß und sie auch nicht sonderlich mochte. Aber sie konnte doch nicht tatenlos zusehen, wie das junge Tier womöglich von einem rücksichtslosen Autofahrer überfahren wurde. „Komm her, mein Kleiner!“

Endlich hörte der Hund auf sie, blieb stehen, legte den Kopf schief und ließ die Zunge heraushängen, während er sie betrachtete.

Margaret kniete sich hin und streckte die Hände aus. „Komm zu mir, Hundchen. Ich bringe dich nach Hause.“

Im nächsten Moment warfen sich sechs Pfund weiches Fell mit schlappender Zunge auf sie. Hastig drehte sie den Kopf weg, um nicht abgeleckt zu werden, hielt den Welpen fest und stand auf. Der Kleine drehte und wand sich so energisch, dass sie ihn beinahe wieder hätte fallen lassen. Deshalb klemmte sie ihn sich energisch unter den Arm und ging nach nebenan.

Bisher hatte Margaret die neuen Nachbarn noch nicht richtig kennen gelernt. Nur ein einziges Mal hatte sie den Jungen gebeten, keine Abkürzung durch ihre Blumenbeete zu nehmen, wenn er seinen Freund weiter unten in der Straße besuchte. Bei einer anderen Gelegenheit hatte sie seinen Baseball aus dem Brunnen holen und über den Zaun zurückwerfen müssen. Auf eine Ermahnung hatte sie zwar verzichtet, aber sie hatte den Jungen gebeten, in Zukunft vorsichtiger zu sein. Der Ball hätte schließlich auch ein Fenster zerschlagen können.

Beide Male hatte der Junge den Kopf gesenkt und etwas Unverständliches gemurmelt. Margaret musste jedoch zugeben, dass sie von Kindern genauso wenig verstand wie von Hunden.

Nun klingelte sie an dem Haus aus roten Ziegeln, das ihrem und den meisten anderen in dieser hübschen Wohngegend am Rand von Dallas ähnelte. Schon vor etwa drei Wochen waren die neuen Nachbarn hier eingezogen.

In letzter Zeit hatte Margaret viel gearbeitet und sich daher wenig um die Neuankömmlinge gekümmert, abgesehen von den beiden zufälligen Begegnungen mit dem Jungen. Sie wusste nicht mal, wie die Eltern aussahen. Zahlreiche Menschen gingen dort ein und aus, und Margaret hatte sich nicht die Mühe gemacht, herauszufinden, wer dort eigentlich wohnte.

Die Tür wurde geöffnet, und besagter Junge, stämmig, dunkelhaarig und zwischen acht und neun, richtete die großen grünen Augen auf sie, stieß einen Schrei aus, wirbelte herum und verschwand blitzartig.

„Daddy!“, brüllte er. „Daddy, das ist sie! Das ist die gemeine Alte von nebenan! Sie hat sich Boomer geschnappt!“

Verdutzt schloss Margaret den Mund, nachdem ihr zunächst vor Erstaunen der Unterkiefer heruntergeklappt war. Was hatte das denn zu bedeuten?

„Hallo!“, rief sie, während der Hund wie verrückt strampelte. Sollte sie ihn auf den Boden setzen, weggehen und hinter sich die Tür schließen, oder sollte sie warten?

Jetzt winselte und kläffte der Hund auch noch. Im Haus schrie der Junge, und eine tiefe Stimme sagte: „Ganz ruhig, Sam.“

„Aber Daddy, sie hat Boomer!“

Margaret schüttelte den Kopf. So ging das nicht. Entschlossen drückte sie den Welpen fester an sich, trat ein und sah sich nach dem Mann um.

Genau wie bei ihr gelangte man von der Diele in ein großes Wohnzimmer. Margaret blieb stehen. Ein Mann saß im Schneidersitz auf dem Teppich. Als Erstes fielen ihr das zerzauste dunkle Haar, die Sonnenbräune, die unglaublich breiten Schultern und das attraktive und energisch geschnittene Gesicht auf. Er versuchte offenbar, dem kleinen dunkelhaarigen Mädchen vor ihm auf dem Boden einen Zopf zu flechten.

Daneben lag ein aufgeschlagenes Buch über Frisuren. Der Mann wirkte reichlich unschlüssig. Der Junge hüpfte neben seinem Vater auf und ab und versuchte verzweifelt, auf sich aufmerksam zu machen. Der Hund auf Margarets Arm kläffte wie wild und wollte offenbar mit dem Jungen spielen.

„Sam, geh mit dem Hund nach draußen“, sagte der Mann und starrte angestrengt auf das Buch. „Und du musst stillhalten, Kitten, sonst schaffe ich das nie.“

„Aber du ziehst mich an den Haaren, Daddy“, klagte das Mädchen.

„Du wolltest doch unbedingt … oh!“

Vielleicht war er endlich durch das Gebell aufmerksam geworden. Jedenfalls richtete er erstaunlich grüne Augen auf Margaret und betrachtete sie neugierig.

Sogar Margarets sorgfältig abgeschirmtes Herz schlug bei seinem unwiderstehlichen Lächeln schneller. Grübchen, dachte sie. Genau dafür hatte sie eine Schwäche, die sie jedoch für gewöhnlich ignorierte.

„Hallo“, sagte der Mann und neigte den Kopf seitlich, was sie an den Welpen erinnerte. „Können Sie zufällig Zöpfe flechten?“

„Ich … also …“, stammelte Margaret verwirrt. „Ja, aber …“

Er atmete erleichtert auf. „Würden Sie es mir zeigen? Sie will unbedingt einen Zopf für eine Geburtstagsfeier haben, aber ich verstehe dieses blöde Buch nicht. Das wurde bestimmt nicht für allein erziehende Väter geschrieben.“

Margaret war keinesfalls hier, um Unterricht im Zöpfe flechten zu erteilen. Außerdem hatte sie nicht gewusst, dass ihr neuer Nachbar allein stehend war.

„Ihr Hund ist aus Ihrem Garten auf die Straße gelaufen“, erklärte sie, weil der Mann offenbar den eigentlichen Grund für den Besuch noch nicht begriffen hatte. „Ich wollte ihn zurückbringen, damit er nicht überfahren wird.“

„Das ist sehr freundlich von Ihnen“, erwiderte er und zog vorsichtig die langen Finger aus dem Haar des Mädchens. „Sollte ich zuerst einen Pferdeschwanz machen? Das steht zwar nicht so im Buch, aber …“

„Nein“, wehrte Margaret ab. „Mister …“

„Hollis.“ Er stand auf. „Tucker Hollis. Meine Freunde nennen mich Tuck.“

Als er ihr die Hand reichte, gab sie ihm den Welpen, und er hatte Mühe, den strampelnden Hund festzuhalten.

„Ich bin Margaret Miller“, sagte sie steif. „Ihre Nachbarin.“

„Freut mich, Sie kennen zu lernen.“ Tucker wandte sich an seinen Sohn, der sich hinter einem Sessel verstecken wollte. „Sam, bring den Hund hinaus und achte darauf, dass von jetzt an die Gartenpforte geschlossen bleibt, hörst du? Oder willst du, dass Boomer überfahren wird?“

„Nein, Dad“, murmelte der Junge, warf Margaret einen kurzen Blick zu, griff nach dem Hund und jagte aus dem Zimmer.

Margaret hatte ihn neulich vielleicht doch strenger als beabsichtigt ermahnt. Jedenfalls führte er sich auf, als wäre sie eine böse Nachbarin, die ihm seinen Hund wegnehmen wollte.

Tucker Hollis stützte die Hände in die Hüften und betrachtete Margaret lächelnd. „Sie sind also die gemeine Alte von nebenan. Ich muss sagen, dass ich Sie mir nach den Schilderungen meines Sohnes ganz anders vorgestellt habe.“

„Ich bin absolut keine gemeine Alte“, gab sie gereizt zurück. Schließlich war sie erst dreißig.

Forschend betrachtete er seine schlanke Nachbarin von ihrem ordentlich gekämmten kastanienbraunen Haar bis zu den praktischen Schuhen, als wollte er sich ihr Äußeres genau einprägen. Braune Augen, eine leicht nach oben gebogene Nase, ein geschwungener, ungeschminkter Mund, lange Beine und kaum vorhandene Rundungen. Seine ungenierte Musterung war Margaret äußerst unangenehm, auch wenn sie es sich nicht anmerken lassen wollte.

„Nein, Sie sind wirklich keine alte Frau“, stellte er fest.

Deutlich spürte sie, dass sie rot wurde, was ihr schon seit Jahren nicht mehr passiert ist.

„Daddy“, drängte das Mädchen, das noch immer auf dem Boden saß. „Mein Haar!“

„Ach ja.“ Er sah Margaret flehend an. „Könnten Sie …?“

Hätte sie ihm die Hilfe verweigert, dann wäre sie wahrscheinlich wirklich eine gemeine Alte gewesen. Da ihr Zeitplan für diesen Samstagvormittag sowieso schon durcheinander geraten war, kam es auf einige Minuten mehr nun auch nicht mehr an, und da sie Hose und Pulli trug, konnte sie sich auch hinter das Kind knien, ohne auf die Kleidung achten zu müssen.

„Wie heißt du?“, fragte sie das Mädchen.

„Christine, aber alle nennen mit Kitten. Ich bin fünf, fast schon sechs. Wie heißen Sie?“

„Margaret Miller.“

„Und wie werden Sie genannt?“ Kitten sah sie neugierig an. „Haben Sie auch einen Spitznamen?“

„Nein. Man nennt mich einfach Margaret.“

„Oh.“ Kitten war mit der Antwort gar nicht zufrieden.

Margaret drehte das Gesicht des Kindes behutsam nach vorn und strich mit dem Kamm durch das seidige Haar. Tucker Hollis stand direkt neben ihr. „Sie gucken doch hoffentlich zu?“, fragte sie, weil er schließlich lernen wollte, einen Zopf zu flechten.

„Aber natürlich“, bestätigte er, obwohl er nicht ihre Hände, sondern ihr Gesicht betrachtete.

Hastig begann Margaret mit ihrer Arbeit und erklärte dabei, was sie tat. „Man teilt das Haar in drei Stränge. Dann fängt man zu flechten, indem man von jeder Seite einen Haarstrang nimmt und …“

„Möchten Sie Kaffee oder etwas anderes zu trinken?“, fragte Tucker Hollis, ohne auf ihre Anweisungen zu achten.

„Nein, danke. Ich habe schon Kaffee getrunken.“

„Trinken Sie noch einen. Ganz frisch gemacht“, fügte er lockend hinzu.

Sie schüttelte den Kopf. „Nein, wirklich nicht. Jetzt nimmt man diesen Haarstrang hier und …“

„Sie haben keine Kinder, nicht wahr, Miss Miller?“, fragte Kitten und blickte erneut über die Schulter nach hinten.

„Nein, ich war nie verheiratet“, gab Margaret zu und drehte das Gesicht des Mädchens erneut nach vorn. „Du musst stillhalten, wenn du einen Zopf haben willst.“

„Okay“, sagte Kitten, nickte eifrig und zog Margaret damit wieder die Strähnen aus den Händen.

Seufzend begann Margaret von vorn. „Also“, sagte sie und zwang sich zur Ruhe. „Man teilt das Haar hier oben in drei gleich große Strähnen und …“

„Daddy!“ Sam kam mit dem lebhaften Welpen auf den Armen herein. „Der Riegel von der Gartenpforte ist abgebrochen. Sie geht nicht zu. Du musst das reparieren, sonst läuft Boomer wieder weg.“

„Mist“, murmelte Tucker Hollis, strich sich durchs Haar, das ihm sofort wieder in die Stirn fiel, und wandte sich bedauernd an Margaret. „Könnten Sie ohne mich weitermachen? Ich muss mich um die Gartenpforte kümmern, damit wir den Hund in den Garten schicken können.“

„Aber …“

„Daddy!“, protestierte Kitten noch schneller als Margaret. „Ich komme zu spät zum Geburtstag!“

„Bestimmt nicht, Kitten“, versicherte er. „Miss Miller kümmert sich um dein Haar, und ich bin gleich mit dem Schloss fertig. Dann ist noch genug Zeit.“

„Wir kommen zu spät“, murmelte das Mädchen, während Vater und Bruder hinausgingen. „Wir kommen doch immer zu spät.“

Das glaubte Margaret gern, obwohl sie sich erst seit ungefähr fünf Minuten in dieser chaotischen Familie aufhielt. Diesen Leuten fehlte wirklich jeder Ordnungssinn.

Als sie fertig war, band sie um Kittens Zopf eine hellrot karierte Schleife, die zum Faltenrock des Mädchens passte. Wenigstens wirkte das Kind mit der weißen Bluse sauber, ordentlich und gut genährt. Von Verwahrlosung keine Spur. Aber im Zimmer lagen Spielzeug, Bücher, Zeitungen, Zeitschriften, Schuhe und Buntstifte durcheinander herum. In einer Ecke standen mehrere Kartons, die noch ausgepackt werden mussten.

„Wohnst du mit deinem Bruder bei eurem Vater?“, erkundigte sich Margaret und bereute diese persönliche Frage sofort, weil es sie nichts anging.

„Ja“, bestätigte Kitten, ohne zu zögern. „Mommy hat mit Benny einen Autounfall gehabt, und die beiden sind jetzt im Himmel. Daddy kümmert sich um uns, wenn er nicht arbeitet. Er ist Lehrer. Er unterrichtet die großen Kinder an der Junior High School. Grandma holt uns nach der Schule ab. Dann essen wir bei Grandma und Grandpa und sehen fern, bis Daddy mit der Arbeit fertig ist und uns abholt. Manchmal hat er in der Schule noch Besprechungen und muss länger bleiben. Dann macht Grandma Abendbrot für uns.“

Margaret war betroffen, weil die Kinder die Mutter verloren hatten. „Ich …“

„Ich gehe in den Kindergarten“, fuhr Kitten eifrig fort. „Die Tante da heißt Miss Clark. Ich mag sie, weil sie lustig ist, aber manchmal schreit sie Tommy Perkins an, und sie schreit sehr laut.“

„Aha. Also …“

„Sam geht in die vierte Klasse. Er ist neun. Seine Lehrerin heißt Mrs. Dixon. Sie lässt ihn nicht in die Pause gehen, wenn er im Unterricht mit den anderen redet. Daddy hat gesagt, dass er ihm das Nintendo für einen ganzen Monat wegnimmt, wenn das noch einmal passiert.“

Margaret zog sich zur Tür zurück, um die Flucht zu ergreifen. Woher hätte sie auch wissen sollen, dass man mit einer schlichten Frage solche Informationsflut auslöste?

„Daddy hat eine kleine Wohnung gehabt, als ich und Sam bei Mommy und Benny gewohnt haben, aber die Wohnung war für uns alle zu klein. Darum haben wir jetzt das Haus. Wollen Sie mein Zimmer sehen? Ich habe ein neues Bett und noch viel mehr. Es hat sogar einen Himmel.“

„Im Moment nicht“, wehrte Margaret ab. „Ich sollte jetzt …“

„Wohnen Sie ganz allein, Miss Mc… Mc…?“

„Du kannst Margaret zu mir sagen. Ja, ich wohne allein.“

„Haben Sie da keine Angst? Ich habe manchmal nachts Angst. Wenn es donnert, darf ich mit meinem Schlafsack zu Daddy ins Zimmer kommen, weil ich keinen Donner mag. Es hat in der Nacht gedonnert, in der meine Mommy in den Himmel gekommen ist“, fügte Kitten hinzu.

Margaret hatte sich noch nie so unsicher gefühlt. Sollte sie dem Kind ihr Mitgefühl aussprechen, oder war das bei einem so kleinen Mädchen nicht angebracht? Vorsichtshalber antwortete sie nur auf Kittens Frage.

„Nein, ich habe nachts keine Angst.“ Zumindest jetzt nicht mehr, ergänzte sie in Gedanken. Nicht mehr, seit sie ihr Leben in Ordnung gebracht und alles unter Kontrolle hatte: ein Zuhause, einen wohltuend gleich bleibenden Tagesablauf und ein sicheres Einkommen.

Natürlich erwähnte sie das nicht, da sie nie über ihr Leben und erst recht nicht über ihre Vergangenheit sprach. Das galt auch für dieses redselige kleine Mädchen. Zu Margarets Erleichterung kam Tucker Hollis wieder herein und rieb sich zufrieden die Hände.

„Erledigt. Siehst du, Kitten, ich habe dir gesagt, dass es nicht lange dauert. Hey, dein Haar sieht toll aus.“

Kitten fasste sich strahlend an den Zopf. „Ich weiß. Ich habe es im Spiegel über der Couch gesehen.“

„Hast du dich schon bei Miss Miller bedankt?“

„Sie hat gesagt, dass ich sie Margaret nennen soll. Danke, Margaret.“

„Gern geschehen … Kitten.“ Unwillkürlich stockte Margaret, weil sie den Spitznamen Kätzchen albern fand. „Viel Spaß bei der Feier.“

„Den werde ich haben“, versicherte Kitten fröhlich. „Pattys Mommy hat für alle immer coole Party-Geschenke.“

Ihr Vater stöhnte. „Materialistischer Satansbraten. Zieh die Schuhe an. Wir sollen in zehn Minuten dort sein.“

Seufzend verließ Kitten das Zimmer. „Habe ich doch gesagt. Wir kommen immer zu spät.“

„Kommen wir nicht.“ Tucker wandte sich an Margaret. „Wollen Sie wirklich keinen Kaffee oder etwas anderes zu trinken?“

Entschlossen zog sie sich zur Tür zurück. „Nein, danke.“

Er folgte ihr. „Eigentlich wollte ich schon zu Ihnen kommen und mich vorstellen, aber seit dem Einzug war es hier so hektisch, dass ich keine Zeit hatte. Ich habe Sam gesagt, dass er den Bürgersteig benutzen und sich von Ihren Beeten fern halten soll. Falls es noch einmal Ärger mit ihm gibt, sagen Sie mir Bescheid. Er ist ein lieber Junge, aber manchmal vergisst er seine guten Manieren. Das gilt wohl für die meisten Kinder.“

„Ja, natürlich.“

Tucker ging mit ihr nach draußen. „Wohnen Sie hier schon lange?“

„Ich habe das Haus vor fünf Jahren gekauft.“

„Da waren Sie aber noch ziemlich jung für eine Hausbesitzerin, oder?“

„Fünfundzwanzig.“ Margaret schlug bewusst einen kühlen Ton an. Mr. Hollis sollte merken, dass sie keine persönlichen Fragen mochte.

„Dann sind wir beide gleich alt. Ich habe vor zwei Monaten meinen dreißigsten Geburtstag gefeiert.“

„Gratuliere.“

„Wo haben Sie denn früher gewohnt?“, erkundigte sich Tucker Hollis unverdrossen.

„Meine Familie ist oft umgezogen.“ Margaret verließ die Veranda, und damit war das Gespräch für sie beendet.

Tucker Hollis gab nicht auf und ließ hinter sich die Haustür offen. „Arbeiten Sie zu Hause? Ich habe bemerkt, dass Sie selten weggehen.“

Es gefiel ihr nicht, dass er sie beobachtet hatte. Eigentlich sollte sie ihn zurechtweisen, aber sie wollte es nicht mit ihren neuen Nachbarn verderben. „Ja, ich arbeite zu Hause“, sagte sie daher zögernd. „Ich bin Buchhalterin und betreue mehrere kleine Betriebe, die sich keinen eigenen Buchhalter leisten können.“

„Kaum zu glauben. Sie sind gar nicht der Typ dafür.“

Zielstrebig näherte sie sich dem Bürgerteig. „Kitten hat mir erzählt, dass Sie Lehrer sind. Sportunterricht?“

„Geschichte“, stellte er richtig. „Achte und neunte Klasse.“

„Ach ja? Sie sind gar nicht der Typ dafür.“

„Eins zu null für Sie“, stellte er lächelnd fest.

Sie waren an der Gartenpforte angelangt. Tucker öffnete sie für Margaret und folgte ihr.

„Sie brauchen mich nicht nach Hause zu begleiten“, wehrte sie ab.

„Warum nicht?“, meinte er. „Ich gehe gern raus. Heute ist doch ein schöner Tag.“

Das war ihr bisher nicht aufgefallen, aber Tucker Hollis hatte recht. Es war tatsächlich ein schöner Vormittag für Ende September. Der Himmel war blau, die Bäume leuchteten in allen Farben, und die Luft war nach dem besonders heißen Sommer angenehm frisch.

„Da bleiben Sie doch bestimmt nicht mit Ihrer Arbeit im Haus, oder?“

„Ich arbeite samstags fast immer von zehn bis zwölf. Die Nachmittage sind für Einkäufe und andere Besorgungen reserviert.“

„Gehören Sie vielleicht zu diesen völlig durchorganisierten Menschen, die jede Minute verplanen?“, fragte Tucker vorsichtig.

Jetzt musste sie über sein sichtliches Unbehagen lächeln. „Ja, das trifft es ziemlich genau.“

„Das könnte ein Problem werden“, meinte er kopfschüttelnd.

„Und wieso?“, fragte sie erstaunt.

Bei seinem Lächeln verstärkten sich die Grübchen in den Wangen so sehr, dass Margaret eine Gänsehaut bekam. „Ich bin das genaue Gegenteil, und Sie wissen doch, was man so sagt. Gegensätze ziehen sich an.“

Und wirklich fühlte Margaret sich von Tucker angezogen. Zugegeben, er war zwar ein attraktiver Mann, aber das bedeutete noch lange nicht, dass sie deshalb gleich den Verstand verlor. Mit diesem Mann würde sie jede Menge Ärger und Schwierigkeiten bekommen, das spürte sie instinktiv.

„Nun, ich gebe nichts auf Redensarten“, gab sie entschieden zurück. Als sie bei ihrer Veranda ankam, hob sie die Zeitung auf. „Hat mich gefreut, Sie kennen zu lernen, Mr. Hollis.“

„Ja, und vielen Dank, dass Sie den Köter zurückgebracht haben.“ Tucker hatte es noch immer nicht eilig, obwohl Margaret schon die Hand nach dem Türgriff ausstreckte. „Kann ich Sie wirklich nicht dazu bringen, mit mir einen Kaffee zu trinken?“

„Danke, aber ich muss arbeiten, und Sie sollten Ihre Tochter zu der Geburtstagsfeier bringen.“

Tucker sah auf die Uhr. „Ach ja, richtig. Sie müsste schon dort sein.“

„Dann beeilen Sie sich.“

„Gut. Aber wir verschieben unser Kaffeekränzchen, ja?“ Da er sofort loslief, brauchte Margaret sich keine Ausrede einfallen zu lassen.

Sie schüttelte den Kopf, betrat das Haus und schloss die Tür hinter sich. Die kleine Kitten hatte recht gehabt. Vater und Tochter würden auch diesmal zu spät kommen.

Tucker Hollis würde jede Menge Aufregung und Chaos in ihr Leben bringen. Das stand für Margaret fest, wenn sie an die Grübchen dachte. Zum Glück war sie in der Lage, solchen Risiken auszuweichen.

Fast jeden Samstag um vier Uhr nachmittags ruhte Margaret sich eine Dreiviertelstunde aus. Das gönnte sie sich nach der Hausarbeit und den Besorgungen, die vorher auf dem Plan standen.

Jedes Mal dämpfte sie das Licht, legte klassische Musik auf und streckte sich im Schlafzimmer auf der antiken Couch aus. Außerdem deckte sie sich mit der herrlich weichen Häkeldecke zu, die sie vor einigen Jahren in einem Handarbeitsgeschäft auf dem Land gekauft hatte. Um diese Uhrzeit schlief sie nie tief, sondern döste nur und genoss die Musik und den seltenen Luxus des Nichtstuns. Einen Wecker brauchte sie nicht. Sie stand immer genau nach fünfundvierzig Minuten wieder auf.

Fünf vor halb fünf wurde sie durch beträchtlichen Lärm scheinbar direkt vor dem Schlafzimmerfenster aus dem leichten Schlummer gerissen. Sie hörte Musik, Gelächter, fröhliche Stimmen, schrill lachende Kinder, hektisches Hundegebell. Und alles auf einmal. Es klang nach einer Party, die wohl noch eine Weile dauern würde.

Seufzend rieb Margaret sich den Schlaf aus den Augen und trauerte der verlorenen restlichen Ruhezeit nach. Damit man sie nicht bemerkte, stellte sie sich neben das Fenster des im ersten Stock gelegenen Schlafzimmers. Etliche Leute hatten sich in Tucker Hollis’ großem Garten versammelt. Rauch stieg vom Grill auf, Klapptische standen auf der Wiese, und Kinder jagten zwischen den Erwachsenen hinter dem fröhlichen schwarzen Welpen her, den Margaret gerettet hatte.

Familienleben, dachte sie und empfand wie immer bittere Wehmut. Sie ließ den Vorhang los und wandte sich ab. Schließlich hatte sie noch viel zu erledigen.

Eine Stunde später drangen die Partygeräusche noch immer zu ihr, als es an der Haustür klingelte. Da sie eine Freundin erwartete, mit der sie ausgehen wollte, bürstete sie sich hastig das Haar, ließ die Bürste fallen und eilte nach unten. Bevor sie öffnete, strich sie noch einmal über die weiche weiße Bluse und die graue Hose.

Zu ihrer Überraschung stand ihr Nachbar vor ihr. „Mr. Hollis, was …“

„Tucker oder Tuck. Ich höre auf alles außer auf Mister, abgesehen bei meinen Schülern.“

„Kann ich irgendetwas für Sie tun?“, fragte Margaret.

„Ich wollte Sie zum Essen einladen. Wir grillen. Ganz locker und lässig, sozusagen eine Einweihungsparty. Kitten hat allen Leuten erzählt, dass Sie ihr den Zopf geflochten haben, und ich dachte, Sie möchten vielleicht einen Hamburger mit uns essen.“

Hinter ihnen bog eine lange schwarze Limousine in die Einfahrt. Eine hoch gewachsene Blondine in einem bunten Sweater und eng sitzenden Jeans stieg aus.

„Danke“, erwiderte Margaret, „aber ich habe schon etwas vor. Ich gehe mit meiner Freundin ins Kino.“

„Hi, Margaret! Wer ist denn das?“, fragte Jackie beim Näherkommen.

„Das ist mein neuer Nachbar Tucker Hollis“, stellte Margaret vor. „Jackie Shelton.“

Jackie reichte ihm die Hand. Ihre Fingernägel waren schrill lackiert. „Freut mich, Tucker. Möchten Sie sich ein Tässchen Zucker ausleihen?“

Tucker lächelte. Damit hatte Margaret gerechnet. Jackie brachte jeden Mann zum Lächeln. „Eigentlich wollte ich Margaret zu unserer Grillparty einladen. Aber wenn Sie natürlich schon andere Pläne haben …“

Jackie zuckte mit den Schultern und musterte Tucker eingehend. „Wir wollten einfach ins Kino gehen und haben uns noch gar nicht für einen bestimmten Film entschieden. Eine Party klingt viel verlockender.“

„Aber …“, setzte Margaret an.

„Die Einladung gilt natürlich für Sie beide“, sagte Tucker und zeigte seine Grübchen. „Es gibt Hamburger und Rippchen. Meine Mutter hat ihren weltberühmten Kartoffelsalat mitgebracht. Der Krautsalat ist von meiner Schwester. So einen haben Sie noch nie probiert. Und das selbst gemachte Eis von meinem Bruder ist eine Klasse für sich.“

„Ihr Bruder?“, fragte Jackie interessiert. „Ist er verheiratet?“

„Nein“, erwiderte Tucker lachend, „Mick ist derzeit auch ungebunden.“

„Selbst gemachtes Eis. Das klingt einfach unwiderstehlich.“ Jackie wandte sich an ihre Freundin. „Du erwartest doch wohl nicht, dass ich ablehne, oder?“

Genau das habe ich gehofft, dachte Margaret. Beinahe hätte sie es auch gesagt. Das Lächeln fiel ihr schwer. „Nun, ich …“

„Großartig.“ Jackie wandte sich wieder an Tucker. „Wir sind gleich bei Ihnen.“

Er nickte erfreut. „Wir sind hinten im Garten. Kommen Sie einfach herein.“

„In zehn Minuten“, versprach Jackie.

Tucker lächelte Margaret leicht bedauernd zu. Er hatte wohl gemerkt, dass sie gerade manipuliert worden war. „Sie werden sich bestens amüsieren“, versicherte er und ging wieder in seinen Garten.

Margaret sah ihre beste Freundin scharf an. „Ich könnte dich erwürgen – aber ganz langsam.“

„Wieso hast du mir denn nicht erzählt, dass du so interessante neue Nachbarn hast?“

„Weil ich Tucker und seine Kinder erst heute Vormittag kennen gelernt habe. Ganz sicher habe ich nicht für heute Nachmittag mit einer Einladung zum Grillen gerechnet. Warum hast du …“

„Er ist hinreißend“, hauchte Jackie und sah Tucker schmachtend nach. „Vermutlich ist er verheiratet, wenn du von Kindern sprichst. Aber hast du gehört, dass er einen allein stehenden Bruder hat? Den könnten wir uns teilen.“

„Ich teile keine Männer, Jackie“, wehrte Margaret ab. „Und Tucker ist nicht verheiratet, sondern ein allein erziehender Vater.“

„Wow, das wird ja immer besser! Dann kriegt jede von uns einen Bruder ab. Sobald wir den anderen gesehen haben, entscheiden wir, wer welchen bekommt.“

Wenn Margaret temperamentvoller gewesen wäre, dann hätte sie spätestens jetzt aufgeschrien. So begnügte sie sich damit, tief Luft zu holen und den Kopf zu schütteln. Jackie meinte es nie wirklich ernst. Die beiden Frauen könnten unterschiedlicher nicht sein, aber Margaret hätte sich keine bessere Freundin als Jackie wünschen können – abgesehen von gelegentlichen Anwandlungen wie gerade eben.

„Quatsch“, erklärte Margaret. „Ich bin nicht interessiert. Du kannst von mir aus beide Brüder haben.“

„Hmm … zwei Brüder?“ Jackie ließ sich diese Perspektive durch den Kopf gehen und strahlte dann. „Das schaffe ich.“

„Gut. Wenn du uns schon in diese Sache hineingeritten hast, sollten wir hingehen. Wir sind freundlich zu den neuen Nachbarn, essen schnell einen Hamburger und ziehen uns dann höflich zurück. Einverstanden?“

„Natürlich“, meinte Jackie. „Aber wir können nicht mit leeren Händen ankommen. Was bringst du mit?“

Autor

Gina Wilkins
Die vielfach ausgezeichnete Bestsellerautorin Gina Wilkins (auch Gina Ferris Wilkins) hat über 50 Romances geschrieben, die in 20 Sprachen übersetzt und in 100 Ländern verkauft werden! Gina stammt aus Arkansas, wo sie Zeit ihres Leben gewohnt hat. Sie verkaufte 1987 ihr erstes Manuskript an den Verlag Harlequin und schreibt seitdem...
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