Meeresbrise und sanfte Küsse

– oder –

Im Abonnement bestellen
 

Rückgabe möglich

Bis zu 14 Tage

Sicherheit

durch SSL-/TLS-Verschlüsselung

Die Meeresbrise streichelt ihr warmes Gesicht, als Maggie im Cabrio die Küstenstraße entlang braust. Und nie hat sie Abkühlung mehr gebraucht! Denn der Fahrer neben ihr ist ihr Exmann Nick. So umwerfend attraktiv wie damals – und genauso entschlossen, sie zu erobern!


  • Erscheinungstag 07.03.2024
  • ISBN / Artikelnummer 9783751529211
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

„Ihre Exfrau hat sich auf die Stelle beworben.“

Verblüfft blickte Nick Andreas zu seiner Sekretärin Julie Farnsworth, die kurz vor der Pensionierung stand.

Nach sechs Wochen in New York City war er gerade nach North Carolina zurückgeflogen. Er war erschöpft und konnte es kaum erwarten, in sein Strandhaus zu kommen, den albernen Anzug auszuziehen und sich in seiner Hängematte auszuruhen.

Trotzdem war er erst einmal ins Büro gefahren, weil er schnellstens ein Angebot erstellen musste, um den Regierungsvertrag zu erneuern, der die Hauptertragsquelle für seinen Produktionsbetrieb bedeutete. Dazu brauchte er dringend Unterstützung.

Allerdings zweifelte er, ob es vernünftig war, Maggie Forsythe als Julies Nachfolgerin anzuheuern. In Stresszeiten wie jetzt musste seine Assistentin zehn Stunden am Tag, sechs Tage die Woche direkt mit ihm zusammenarbeiten.

Kein Mann wollte so viel Zeit mit seiner Exfrau verbringen. Nicht einmal, wenn sie sich seit fünfzehn Jahren nicht gesehen hatten und er sich kaum noch an sie erinnerte.

Er warf seinen Kugelschreiber auf den Schreibtisch. „Sie würden mir das nicht erzählen, wenn sie nicht qualifiziert wäre.“

„In einigen Bereichen ist sie sogar überqualifiziert.“

Dass Maggie für ihn arbeiten wollte, erweckte seltsame Gefühle in ihm. Seit über einem Jahrzehnt hatte er nicht mehr an sie gedacht. Jetzt plötzlich fiel ihm wieder ein, wie ihr rotes Haar in der Sonne glänzte, wie melodisch ihr fröhliches Lachen klang. „Ich wundere mich nur, dass sie ausgerechnet bei mir arbeiten will, weil wir uns nicht gerade freundschaftlich getrennt haben.“

Julie sah ihn ernst an. „Sie braucht das Geld.“

Ist sie pleite? Wie ich damals, als wir uns kennengelernt haben? Erinnerungen aus Kindertagen und Jugendjahren stürmten auf ihn ein.

Maggie mit Zahnlücken im ersten Schuljahr, wie sie verstohlen ihr Pausenbrot mit ihm teilte, weil er wieder einmal leer ausgegangen war. Mit zwölf, wie sie mit ihm angelte, damit er und seine Mutter etwas zum Abendessen hatten. Mit sechzehn, wie sie ihm an den langweiligen Nachmittagen in der Vorsaison bei der Arbeit im Souvenirladen Gesellschaft leistete. Mit achtzehn und dickem Bauch, schwanger von ihm …

Ein lange vergessener Kummer versetzte Nick einen Stich in die Brust. Seine Miene verfinsterte sich. Die Frau, an die er mit so viel Zuneigung zurückdachte, hatte ihn nicht geliebt, sondern nur geheiratet, weil er sie in einer leichtsinnigen Nacht geschwängert hatte. Keine halbe Stunde nach ihrer Fehlgeburt hat sie mich wie eine heiße Kartoffel fallen lassen und ist aus meinem Leben verschwunden.

„Sie sollte genauso viele Vorbehalte gegen eine Zusammenarbeit haben wie ich“, bemerkte er tonlos.

„Ihre Stiefmutter ist kürzlich gestorben. Maggie ist zur Beerdigung nach Hause gekommen und hat gemerkt, dass ihr Vater sie braucht. Sie hat ihre Stellung aufgegeben und ist wieder hierher gezogen. Seit drei Wochen sucht sie vergeblich eine Stelle.“ Julie spähte ihn über den Rand ihrer Brille hinweg an. „Abgesehen von der Tourismusbranche sind Sie der einzige seriöse Arbeitgeber in Ocean Palms.“

Nick dachte nach. Er war kein egoistischer Unmensch, der jemanden nur wegen einer gemeinsamen Vorgeschichte leiden ließ. Zu gut wusste er, wie es war, ohne Perspektiven dazustehen. Seine ganze Kindheit über hatte er von der Hand in den Mund gelebt. Er wollte keinen Menschen im Stich lassen, der damals alles mit ihm geteilt und ihm immer beigestanden hatte. „Stellen Sie sie ein.“

„Wirklich?“

Er nickte. „Als wir heirateten, waren wir fast noch Kinder. Seitdem sind fünfzehn Jahre vergangen. Und wenn Sie sagen, dass Maggie die Richtige für den Job ist, wird es wohl stimmen.“

Erfreut eilte Julie zur Tür. „Sie ist im Vorzimmer. Und sie hat gesagt, dass sie heute schon anfangen kann.“

Abrupt richtete er sich auf seinem Stuhl auf. Sofort? Da blieben ihm nicht mal zehn Minuten, um sich mental vorzubereiten.

Er sah sich in seinem Büro um. Die teuren Perserteppiche auf dem Parkettfußboden, die Lampen aus China, die schweren Polstermöbel mit weichen Lederbezügen im Konversationsbereich, die Kunstwerke aus New York City – das alles bewies, wie reich und erfolgreich er war.

Er hatte sich seinen Jugendtraum erfüllt und mit Fleiß und Intelligenz in einem Maße Kapital geschlagen, wie es ihm niemand zugetraut hätte. Ein Blick in sein Reich sollte Maggie beweisen, dass er nicht mehr der unbedarfte Junge war, den sie verlassen hatte.

Das Klicken von High Heels auf dem Parkett kündigte ihren Auftritt an. Zwei Sekunden später erschien sie in der Tür.

Ihr wundervolles rotes Haar wallte um ihre Schultern. Es war nicht mehr glatt wie zum Zeitpunkt ihrer Hochzeit, sondern umrahmte ihr Gesicht in gestuften Locken. Die früher so übermütig funkelnden grünen Augen wirkten nun ernst und tiefsinnig. Ihre vollen roten Lippen verzogen sich zu einem widerstrebenden Lächeln.

Genau wie er nicht mehr der unreife Junge war, den sie damals verlassen hatte, sah sie überhaupt nicht mehr wie seine Maggie aus.

Er betrachtete sie eingehend. Sie trug ein schlichtes rotes, ärmelloses Kleid, das nicht nur eine sanfte Sonnenbräune enthüllte, sondern auch einen leicht gewölbten Bauch.

Ist sie schwanger? Er traute seinen Augen kaum, fühlte sich plötzlich wieder wie jener Achtzehnjährige. Sah seine Frau, die Liebe seines Lebens, mit dickem Bauch – von ihm.

Aber es war nicht sein Kind. Das hatten sie verloren. Und sie liebte ihn nicht. Verdammt, ich liebe sie auch nicht mehr.

„Komm rein.“ Seine Stimme klang angespannt und krächzend. Er deutete auf den Stuhl vor seinem Schreibtisch.

Zögernd trat Maggie ein paar Schritte vor.

Wahrscheinlich ist sie verheiratet, dachte er. Nicht wie damals verängstigt und ohne Perspektive, weil ihre Stiefmutter sie aus dem Haus geworfen hatte, sondern glücklich. Weil sie ein Kind von dem Mann erwartet, den sie liebt.

Nick schluckte den Kloß hinunter, der ihm bei diesem Gedanken in die Kehle stieg. „Julie möchte dich gern einstellen. Ich dagegen habe einige Vorbehalte.“ Er versuchte gar nicht erst, die Wahrheit zu beschönigen. Auch wenn er ihrer Anstellung bereits zugestimmt hatte, löste ihre Schwangerschaft nun Bedenken aus. Nicht aus emotionalen, sondern aus rein beruflichen Gründen.

Sie setzte sich graziös auf den Stuhl vor seinem Schreibtisch und lächelte sanft. „Weil wir verheiratet waren?“

Erschrocken griff Julie sich an den Hals und murmelte: „Ich hole uns mal einen Kaffee.“

Er sagte: „Sie darf keinen trinken.“

Gleichzeitig entgegnete Maggie: „Ich trinke keinen.“

Julie murmelte: „Dann hole ich einen für mich selbst.“ Sie floh aus dem Raum und schloss die Tür hinter sich.

Nick lehnte sich zurück und bemühte sich, Maggie wie eine normale Angestellte zu behandeln. „Meine Assistentin muss in den kommenden vier Wochen zehn Stunden am Tag arbeiten.“

„Sechs Tage die Woche. Das habe ich verstanden. Julie hat es mir erklärt.“

„Kannst du das bewältigen?“

„Natürlich. Ich bin schwanger, nicht krank.“

Ein unheimliches Schweigen entstand. Erinnerungen an den Tag, an dem sie ihr Baby verloren hatte, suchten Nick wie böse Geister heim.

Sie seufzte, als ahnte sie, wohin seine Gedanken gewandert waren. „Es geht mir gut. Wirklich! Und ich brauche diesen Job. Wenn du mich nicht einstellst, muss ich mir eine Arbeit in der Stadt suchen und jeweils eine Stunde hin und zurück pendeln.“

„Das wäre für eine Schwangere vielleicht besser, als in diesem riesigen Werk herumzurennen, um Dokumente und Informationen aus verschiedenen Abteilungen einzuholen und …“ Er sah ein Funkeln in ihren grünen Augen und vergaß alles, was er sonst noch sagen wollte. Denn dieser Blick hatte sie unzählige Male direkt ins Bett geführt.

„Ich habe doch gesagt, dass ich es schaffe.“ Sie lachte kurz auf. „Außerdem werde ich in ein paar Monaten nicht mehr schwanger sein. Dann wird es dir leidtun, dass du die Chance vertan hast, mich einzustellen.“

Er lachte. Ja, sie war tatsächlich seine Maggie. Hitzig in einem Moment, heiter gelassen im nächsten. Und in vernünftigen Augenblicken ebenso sexy wie in leidenschaftlichen. Aber sie ist verheiratet. Und du bist zum Herumtreiber geworden.

Seine frühere Sehnsucht nach einer festen Bindung und Familie existierte nicht mehr, nachdem Maggie ihn verlassen hatte. Er war nicht mehr der Nick Roebuck, der sich Frau und Kinder wünschte. Der sich von seinem Vater im Stich gelassen fühlte und deshalb dessen Namen ablehnte. Nein, er war jetzt Nick Andreas, der Playboy.

„Außerdem braucht mein Vater mich in seiner Nähe“, erklärte Maggie.

Nick wechselte die Sitzposition und seufzte. Wer er war, zählte nicht. Wer sie war, ebenso wenig. Sie war tabu. „Es tut mir leid wegen Vicki.“

„Danke.“

„Ich war auswärts. Sonst hätte ich ihr die letzte Ehre erwiesen.“

Sie senkte den Blick. „Ich weiß.“

„Ist so weit alles … in Ordnung?“, fragte er und wollte eigentlich wissen, ob sie sich mit ihrer Stiefmutter ausgesöhnt hatte. Ob sie verzeihen konnte, dass Vicki ihren leiblichen Sohn Charlie junior immer vorgezogen und ihre schwangere Stieftochter aus dem Haus geworfen hatte.

Maggie zuckte die Schultern. „Es geht. Jemanden zu verlieren ist immer hart.“

Das verriet ihm nicht, was er wissen wollte. Nicht, dass es ihn etwas anging. „Ich weiß. Mein Vater ist im Januar gestorben.“

„Oh, das tut mir leid. Dann hast du ihn also kennengelernt? Habt ihr eine Beziehung aufgebaut?“

„Ja und nein.“ Er trommelte mit den Fingerspitzen auf den Schreibtisch, um den unerwarteten Drang zu unterdrücken, ihr alles zu erzählen. Sie mochte sich wie das Mädchen verhalten, das er gekannt und geliebt hatte, aber sie waren keine Freunde mehr. Und er war nicht mehr der liebeskranke Junge von damals. Trotzdem konnte er ihre Frage nicht ignorieren. „Ich habe ihn kennengelernt, aber eine richtige Beziehung hatten wir nicht. Zumindest nenne ich es nicht so, wenn man alle zwei Jahre mal zusammen essen geht.“

„Das ist sehr schade. Und wie geht es deiner Mutter?“

Er lachte. „Sie leitet ihre Kita wie ein kleiner General. Sie liebt die Kinder, lässt aber keines aus der Reihe tanzen.“

„Ich habe sie sehr vermisst.“

„Wir haben dich vermisst.“ Die Worte waren Nick ganz unbedacht herausgerutscht. Maggie wurde ihm wieder vertraut, und das war falsch. Wenn sie miteinander arbeiten wollten, musste er Grenzen abstecken und sich wie ein Chef verhalten.

Sie wandte den Blick ab. „Es hätte keinen Sinn gehabt, nach der Fehlgeburt zu bleiben.“

Ihre Aussage tat beinahe so weh wie an jenem Tag, an dem sie gegangen war. „Richtig.“

„Bevor ich schwanger wurde, hatten wir beide Pläne.“

„Hast du daran gedacht, während ich mit dem Anwalt meines Vaters gesprochen habe?“ Jahrelang hatte er sich über den seltsamen Zufall gewundert, dass sein Vater, der ihn ein Leben lang ignoriert hatte, ihm ausgerechnet an dem Tag der Trennung einen Fonds einrichten wollte. War es ein Geschenk des Schicksals an Maggie oder ein Fluch des Schicksals für ihn?

Sie begegnete seinem Blick. „Ja.“

Warum stellte er eigentlich so dumme Fragen? Er hatte das alles bereits durchdacht und abgehakt. Fünfzehn Jahre waren vergangen, und er liebte das Leben, das er sich ohne Maggie aufgebaut hatte.

Wenn er sie wirklich einstellen wollte, musste er die Vergangenheit ruhen lassen. Es ging einzig und allein um die Frage, ob Maggie die nötige Ausbildung und Erfahrung für die Aufgabe mitbrachte. „Du hast also einen Abschluss in Betriebswirtschaft?“

„Ja.“ Sie straffte die Schultern; ihre Miene wurde sachlich. „Aber ich bin mir nicht zu schade für den Job. Ich glaube, dass ich dir in vielerlei Hinsicht helfen kann.“

„Wo und als was hast du zuletzt gearbeitet?“

„Als Analytikerin in einer Firma, die Risikokapitalgruppen mit unrentablen Firmen auf der Suche nach Investoren oder Käufern zusammenführt.“

„Kennst du dich im Produktionsbereich aus?“

Sie lachte. „Die meisten Firmen, die nach Investoren oder Aufkäufern suchen, produzieren etwas.“

Nick tippte mit dem Kugelschreiber auf den Schreibtisch, während er sich vorzustellen versuchte, ab sofort zehn Stunden am Tag, sechs Tage die Woche mit seiner Exfrau zu verbringen.

Ihre Blicke begegneten sich; die Jahre schmolzen dahin. Zweifel überkamen ihn. Unter den vielen Frauen, mit denen er seit der Pubertät verkehrt war, blieb sie die einzige, die er wirklich geliebt hatte. Es hatte Jahre gedauert, über sie hinwegzukommen. Und nun löste bereits ein Gespräch von fünf Minuten eine Flut an Erinnerungen aus.

Die Tür öffnete sich; Julie kam herein. „Die Personalabteilung hat angerufen. Maggie muss dort ein Formular ausfüllen. Sie kann erst ab morgen für Sie arbeiten.“

„Ich wollte heute sowieso noch nicht mit dem Angebot anfangen“, sagte Nick.

„Kommen Sie mit mir?“, bat Julie, und Maggie folgte ihr zur Tür hinaus.

Er stützte den Kopf in die Hände. Nachdem er wochenlang in New York den milliardenschweren Konzern geleitet hatte, der seiner Familie gehörte, brauchte er seinen freien Tag, um sich zu entspannen.

Doch das Liegen in der Hängematte war gestrichen. In Anbetracht der aufgescheuchten Erinnerungen konnte er nicht schlafen. Da war es wohl das Beste, eine ausgedehnte Spazierfahrt an der Küste zu machen.

Maggie Forsythe trat hinaus in den drückend heißen Junitag und atmete tief durch, um sich zu beruhigen. Voller Zuversicht hatte sie sich für die Stelle bei Nick beworben. Schließlich waren inzwischen fünfzehn Jahre vergangen. Doch bei seinem Anblick hatte ihr Herz einen Schlag lang ausgesetzt. Als wäre ich noch mal achtzehn, und er würde wieder mir gehören.

Kein Mensch kann einen anderen besitzen, dachte sie und seufzte niedergeschlagen. Nick hatte nie wirklich ihr gehört. Ebenso wenig wie ihr Exmann Josh, der zwar ein Treuegelübde vor einem Geistlichen abgelegt, sie dann aber nach Strich und Faden betrogen hatte.

Der Schmerz über die zweite gescheiterte Ehe war noch frisch und heftig. Maggie hätte für immer von Männern kuriert sein sollen. Doch bloße fünf Minuten mit Nick reichten, damit ihr Gedächtnis sie in vergangenen glücklicheren Zeiten schwelgen ließ. In den fünfzehn Jahren danach war ihr entfallen, wie sehr sie ihn einmal geliebt hatte. Wie umwerfend er mit seinen seidigen schwarzen Haaren und dunklen Augen aussah. Wie bezwingend er wirkte.

Sie schalt sich einen Dummkopf, während sie in ihr Auto stieg und den Motor startete. Es war vollkommen unerheblich, wie sehr sie sich zu Nick hingezogen fühlte. Wenn sie einen vierzigjährigen Anwalt mit Halbglatze nicht halten konnte, brauchte sie sich nicht einzubilden, dass sie auf einen dreißigjährigen griechischen Gott wie Nick attraktiv wirkte. Schon gar nicht, nachdem sie ihn verlassen hatte. Das war zwar aus gutem Grund geschehen, aber sie hatte ihm damit das Herz gebrochen und seinen Stolz verletzt.

Maggie erreichte die Farm ihres Vaters und fand ihn in der Küche. Es war ein gutes Zeichen, dass er schon vom Feld hereingekommen war.

„Wie ist es gelaufen?“, wollte Charlie wissen.

Erfreut stellte sie fest, dass er geduscht und saubere Kleidung angezogen hatte. Trotzdem lagen in seinen Augen immer noch dunkle Schatten. Deswegen musste sie bei ihm bleiben. Seine guten Tage mochten erfreulich sein, aber seine schlechten Tage waren furchtbar. Sie lächelte. „Kaum zu glauben: Ich habe den Job!“

Verwirrung spiegelte sich auf seinem wettergegerbten Gesicht wider. „Wieso wundert dich das? Du und Nick – ihr wart doch immer Freunde. Warum sollte sich das geändert haben?“

Sie wandte sich ab. Er glaubte, dass sie Nick nur wegen der Schwangerschaft geheiratet hatte und nach der Fehlgeburt keine Veranlassung sah, weiterhin bei ihm zu bleiben. Niemand kannte den wahren Trennungsgrund. Kein Mensch wusste, dass sie mitgehört hatte, wie Nick ein Treuhandfonds über fünf Millionen Dollar angeboten worden war – unter der Bedingung, dass er die Ehe beendete. Und er hatte sich geweigert.

Völlig überreizt durch den Verlust ihres Babys, hatte sie eine Entscheidung getroffen, die sie noch heute für richtig hielt. Nick hätte sich niemals zu dem Mann entwickeln können, der er nun war, wenn sie aus reinem Egoismus zugelassen hätte, dass er auf das Geld verzichtete. Also hatte sie ihre Sachen gepackt und war gegangen.

Maggie verdrängte diese Gedanken. Das war Schnee von gestern. „Du solltest mal sein Büro sehen, Dad. Total vornehm und elegant.“

„Das wird gemunkelt.“ Charlie schlenderte zum Kühlschrank und holte frisches Gemüse heraus. „Nick hat mehr Geld als alle anderen Leute in dieser Stadt zusammen.“

Sie empfand auf einmal Stolz. Nick war so erfolgreich, wie sie es sich erhofft hatte. Sie bedauerte nur, dass sie ihn in dem Glauben lassen musste, ihn nie geliebt und nur wegen des Babys geheiratet zu haben. Sonst hätte er sie nicht gehen lassen. Sie zweifelte nicht an der Richtigkeit ihres Handelns, wusste aber auch, dass er sie deshalb nie wieder lieben konnte.

Das wollte sie allerdings auch gar nicht. Inzwischen wusste sie aus bitterer Erfahrung, dass vermeintliche Liebe meistens nur Lust war. Und selbst wahre Liebe kann unter Umständen sterben, und dann bleibt man allein zurück.

Doch sie war nicht allein. Sie wurde gebraucht. Von ihrem Vater und ihrem ungeborenen Kind. Sie hatte wieder Arbeit und eine echte zweite Chance in ihrer geliebten Heimatstadt bekommen.

Es war klüger, sich über diese Dinge zu freuen, anstatt um etwas zu trauern, das nicht sein konnte.

2. KAPITEL

Nicks Telefon klingelte, als er seinen Porsche in die Garage unter seinem Strandhaus lenkte. Er war zwei Stunden lang durch die Gegend gefahren, zu einem späten Imbiss in eine Fischerhütte eingekehrt, eine Stunde über einen abgelegenen, nicht erschlossenen Strand gewandert und dann nach Hause gefahren.

Und ihm war immer noch nicht wohl dabei, dass er Maggie angeheuert hatte.

Er stellte den Motor ab, nahm das Handy vom Beifahrersitz und prüfte das Display. Der Anrufer war Darius, sein älterer Bruder. „He, alter Mann, was gibt’s?“

„Du musst nach Saudi-Arabien fliegen und dich mit dem Prinzen treffen.“

„Ich?“

„Da du für mich eingesprungen bist, während Whitney und ich auf Hochzeitsreise waren, bist du mit dem Fall vertraut. Außerdem kann ich momentan nicht hier weg. Gino gewöhnt sich gerade wieder an Whitney und mich.“

Nick unterdrückte ein Stöhnen, stieg aus und ging zum Haus. Er musste sich erst einmal um seine eigene Firma kümmern. Auch wenn er verstehen konnte, dass Gino, ihr einjähriger Halbbruder, seine Zieheltern vermisst hatte. „Du wirst Cade einschalten müssen.“

„Cade? Der hasst mich.“

„Ach was! Er hält nur nichts von Dads Vorstellung, dass der Älteste das Familienimperium führen muss.“ Er schloss die Haustür auf. „Cade spielt bloß die Nervensäge, damit du aktiv werden musst.“

„Reicht es etwa nicht, dass ich unseren kleinen Bruder großziehe und einen Weltkonzern leite, obwohl ich frisch verheiratet bin?“

Nick lachte und warf seinen Aktenkoffer auf den Tresen, der den Wohnbereich von der Küche trennte, die mit Arbeitsflächen aus schwarzem Granit, glänzendem Fliesenspiegel in Metallic-Optik und modernen Einbauschränken ausgestattet war. „Niemand hat behauptet, dass es leicht ist, sich wie richtige Brüder zu benehmen.“

Darius seufzte. „Stimmt. Aber immer noch besser, als die anderen zu ignorieren.“

„Das finde ich auch.“

Ihr Vater hatte Darius’ Mutter mit Nicks und Cades Mutter betrogen, allerdings nur für Darius die Vaterschaft anerkannt.

„Deswegen bitte ich dich auch um Hilfe.“

„Tut mir leid. Ich kann momentan nicht aus meiner Firma weg“, beharrte Nick. „Das Angebot für den wichtigsten Vertrag wird fällig. Außerdem muss ich meine neue Assistentin einarbeiten.“

„Also hast du endlich eine eingestellt?“

„Die Personalabteilung hat sie eingestellt.“

Darius lachte. „Magst du sie nicht?“

„Doch. Ich habe sie mal geliebt. Sie ist meine Exfrau.“

„Nur ein Idiot stellt seine Exfrau ein.“

„Ich war damals achtzehn. Sie war schwanger. Es ist verdammt lange her. Wir haben uns seit der Trennung nicht wiedergesehen.“

„Trotzdem gibt es Altlasten.“

Nick öffnete einen Schrank, holte seinen Whisky und ein Glas heraus. „Wem sagst du das! Aber ich stehe mit dem Rücken zur Wand, und sie ist qualifiziert. Ich muss damit klarkommen.“

„An deiner Stelle würde ich die Vergangenheit ganz offen ansprechen, damit du keine Zeit daran verschwenden musst, lange um den heißen Brei herumzureden.“

Mit finsterer Miene schenkte Nick sich ein Glas ein. Das hatte ihm gerade noch gefehlt! Ein Privatgespräch, bei dem Maggie ihm womöglich erzählte, wie sie die Liebe ihres Lebens gefunden hatte! „Fünfzehn Jahre sind eine verdammt lange Zeit. Wir müssen nicht wieder aufwärmen, was damals passiert ist.“

„Deine Entscheidung. Wenn du anfängst, komische Sachen zu machen, wie am Nachmittag zu trinken, hast du allerdings ein Problem.“

Nick hielt mit dem Glas auf halbem Weg zum Mund inne. Es war nach fünf – irgendwie noch Nachmittag, aber fast schon Abend. Ach, verdammt, wem machte er etwas vor? Er stand im Begriff, am helllichten Tag zu trinken. Trotzdem kippte er den Whisky hinunter.

„Du weißt, dass ich recht habe.“

Autor

Susan Meier
<p>Susan Meier wuchs als eines von 11 Kindern auf einer kleinen Farm in Pennsylvania auf. Sie genoss es, sich in der Natur aufzuhalten, im Gras zu liegen, in die Wolken zu starren und sich ihren Tagträumen hinzugeben. Dort wurde ihrer Meinung nach auch ihre Liebe zu Geschichten und zum Schreiben...
Mehr erfahren