Mehr als ein sanfter Kuss

– oder –

 

Rückgabe möglich

Bis zu 14 Tage

Sicherheit

durch SSL-/TLS-Verschlüsselung

Da ist sie, denkt Donovan und spürt, wie sein Herz schneller schlägt. Zwar kann er sich nicht daran erinnern, was in jener Nacht vor seinem Unfall geschehen ist - aber während er Susannahs langen Beine betrachtet, ist es wie ein Déjà-vu. Plötzlich ist es da, das verräterische Kribbeln im Bauch. Oh ja, zwischen ihm und Susannah hat es bestimmt schon heiß geknistert, womöglich war es sogar mehr als das! Aber warum verhält sie sich jetzt so kühl und verhindert seinen wichtigsten Deal? Donovan beschließt, es herauszufinden - mit Küssen, die mehr sagen als tausend Worte


  • Erscheinungstag 13.09.2009
  • Bandnummer 1581
  • ISBN / Artikelnummer 9783862955435
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Sie war also tatsächlich gekommen. Donovan Keane hatte nicht so früh mit ihr gerechnet. Sie hatte weder das schlechte Wetter noch die lange Anreise in die Abgeschiedenheit der Ferienanlage gescheut. Mit Genugtuung bemerkte Donovan, dass sie allein hier war.

Sehr gut.

Grimmig lächelnd sah er zu, wie sie die Treppe zur Rezeption hinauflief. Den großen Regenschirm des Hotelpagen ignorierte sie völlig. Im Schutz der Vorhalle blieb sie stehen und ließ sich vom Portier die Tür öffnen. Die lockigen rotblonden Haare und ihre Art, sich zu bewegen, lösten ein heftiges Déjà-vu-Gefühl in Donovan aus. Für den Bruchteil einer Sekunde war er zwischen Gegenwart und Vergangenheit hin- und hergerissen, zwischen Traum und Realität.

Doch schon im nächsten Moment verschwand sie im Inneren des Gebäudes und somit aus Donovans Blickfeld. Er spürte, wie das selbstzufriedene Grinsen aus seinem Gesicht wich.

Er schlug die Fäuste gegeneinander und versuchte, sich zu erinnern. Vergebens. „Lassen wir uns überraschen“, murmelte er in Richtung der Laufbänder und Hantelbänke um sich herum.

Selbst im starken Regen hatte er Susannah Horton sofort erkannt. Nicht etwa, weil sie ein Wochenende zusammen verbracht hatten, sondern weil er im Laufe seiner Nachforschungen unzählige Fotos von ihr durchgesehen hatte. Die australischen Klatschreporter liebten die Hotelerbin heiß und innig und lichteten sie häufig ab. Donovan wandte sich vom Fenster ab und umkreiste mit erhobenen Fäusten den Boxsack, den er nur kurz vernachlässigt hatte. Zeit, sich den Frust wegzutrainieren.

Am Morgen zuvor war er von San Francisco nach Tasmanien angereist. Hier, in der Ferienanlage „The Palisades“ an der Stranger’s Bay, hatte er angeblich besagtes Wochenende mit Susannah verbracht. Doch selbst nach vierundzwanzig Stunden an diesem Ort konnte er sich an nichts erinnern. Verflucht, er hätte dieses Anwesen beinah gekauft, doch nichts kam ihm bekannt vor. Weder der Anflug auf Australiens Inselstaat noch der Helikoptertransfer in das abgelegene Hotel. Nicht einmal der atemberaubende Blick auf die Villen hoch oben auf einem Felsvorsprung mit direktem Blick auf das Meer.

Nichts. Paff. Nada. Paff. Null. Paff.

Donovan traktierte den Boxsack mit einem Trommelfeuer von Schlägen, doch die Frustration blieb. Das quälende Gefühl in seinem Inneren rührte nicht allein daher, dass er besagtes Wochenende vergessen oder dieses erstklassige Anwesen an eine australische Hotelkette verloren hatte. Der Grund war vielmehr, wie er verloren hatte.

Er hatte einen Schlag unter die Gürtellinie abbekommen, als er bewusstlos auf der Intensivstation gelegen hatte, unfähig, sich zu verteidigen oder gar zurückzuschlagen. Paff. Ein unschlagbares Gegengebot, zur richtigen Zeit perfekt platziert. Paff. Und all das hatte er einer verräterischen Rothaarigen namens Susannah Horton zu verdanken. Paff, paff, paff.

Letzte Nacht hatte er eine Nachricht auf ihrer Mailbox hinterlassen. Trotz der kaum verhüllten Drohung in seinen Worten hatte er nicht erwartet, dass sie umgehend hier aufkreuzte. Er hatte bestenfalls mit einem Rückruf gerechnet. Im schlimmsten Fall von ihrer Mutter, die ihn davor warnte, je wieder anzurufen. Dass Susannah ohne Voranmeldung und ohne Begleitung hierhergeeilt war, legte nahe, dass er die Zeichen richtig gedeutet hatte.

Sie war gekommen, weil er den Nagel auf den Kopf getroffen hatte. Und sie wusste genau, wo sie ihn suchen musste: im hochmodernen Fitnessstudio der Anlage.

Er hatte sie nicht hereinkommen hören, aber aus dem Augenwinkel erhaschte er eine Bewegung in der Fensterscheibe. Ihre Anwesenheit irritierte ihn so sehr, dass er den nächsten Schlag verpatzte und an der Seite des Boxsacks abglitt. Donovan sammelte sich kurz und feuerte letzte Schläge ab, schnell, stark, unbarmherzig. Erst als seine Lungen brannten und ihm fast schwindlig wurde, ließ er von dem Trainingsgerät ab.

Donovan zog die Boxhandschuhe aus und warf sich ein T-Shirt über. Dann schnappte er sich Handtuch und Wasserflasche und eilte an dem noch schwingenden Boxsack vorbei zum Ausgang. Im Gehen trank er einen Schluck aus der Wasserflasche, ohne den Blick von Susannah Horton zu wenden.

Von Nahem war sie noch umwerfender, als der Blick durch die regennasse Scheibe vermuten ließ. Sie war keine blendende Schönheit, aber sie hatte Klasse, und das machte sie so attraktiv. Groß und schlank, volle Lippen und eine schmale Nase. Ihr Haar schimmerte rotgolden, und mit ihrem hellen Teint musste sie in der Sonne sicher vorsichtig sein. Aus grünen Augen blickte Susannah ihn misstrauisch an.

Bis zu diesem Moment hatte Donovan leise Zweifel gehegt, wie sie die Tage und Nächte des Juliwochenendes wohl verbracht hatten. Er konnte sich verdammt noch mal an keinerlei Einzelheiten erinnern! Alles, was er wusste, hatte er von Miriam Horton, und das Gespräch war nicht gerade gut verlaufen. Doch seinem Instinkt konnte er trauen. Als ihre Blicke sich trafen und er das Funkeln in ihren Augen sah, war er wie elektrisiert. Direkt vor ihr blieb er stehen.

Oh ja, sie hatte mit ihm geschlafen.

Und dann hatte sie ihn abgezockt.

Susannah hatte geglaubt, für diesen Moment gerüstet zu sein. Seit seinem Anruf in der vergangenen Nacht hatte sie genügend Zeit gehabt, sich vorzubereiten. Mehr als einmal hatte Susannah sich für ihre unbedachte, ja beinahe panische Reaktion auf seine Nachricht verflucht. Sie war nahe dran gewesen, auf dem Absatz kehrtzumachen und zurück nach Hause zu fliegen.

Aber was hätte das genützt? Sie hatte sich den aggressiven Unterton seiner Nachricht ebenso wenig eingebildet wie die unverhohlene Drohung, die darin mitschwang. Möglicherweise hatte sie ihre Entscheidung nicht gut genug durchdacht – sie reagierte einfach sehr impulsiv auf Donovan Keane –, aber es war richtig gewesen hierherzufliegen.

Nachdem sie sich fünf Flugstunden lang den Kopf zerbrochen hatte, war ihre anfängliche Sorge in Ärger umgeschlagen. Erst ignorierte Donovan wochenlang ihre Anrufe, dann tauchte er zwei Monate später plötzlich auf und drohte ihr mit erpresserischen Anrufen! Susannah bereute das Wochenende und dessen Folgen zutiefst, aber sie trug nicht die alleinige Schuld daran. Und je länger sie über Donovans Nachricht nachdachte, desto mehr Fragen stürmten auf sie ein.

In diesem Gemütszustand marschierte sie schnurstracks in den Fitnessraum des Hotels. Und tatsächlich, Donovan war dort. Nur mit einer Trainingshose bekleidet, drosch er wie wild auf einen Boxsack ein. Bei jedem Schlag zeichneten sich seine kraftvollen Muskeln unter der Haut ab. Ihre unterschwellige Empörung verflog. Auf einmal fühlte Susannah sich leer, unvorbereitet und viel zu empfänglich für die Flut an Gefühlen, die sie bei seinem Anblick übermannte.

In diesem Moment drehte er sich um und sah sie an. Sein Blick versetzte ihr einen Schlag, der viel heftiger war als alle, die er dem Boxsack zugefügt hatte.

Wie bei ihrer ersten Begegnung schienen seine durchdringenden silbergrauen Augen nur sie allein zu sehen. Und genau wie damals schien ihr Magen Purzelbäume zu schlagen, und ein warmes Prickeln überlief ihren Körper.

Sie war wie in Trance. Sprachlos. Unfähig zu reagieren.

Langsam trat er auf sie zu. Erst als er vor ihr stand, merkte sie, was nicht stimmte. Es schien, als begegneten sie sich zum ersten Mal. Wie er sie schweigend betrachtete – nicht wie ein Liebhaber, nicht einmal wie ein Freund. Eher wie ein Fremder.

Was war hier los? Erinnerte er sich nicht an sie? War dies derselbe Mann, in den sie sich an einem kalten Juliwochenende Hals über Kopf verliebt hatte?

„Donovan?“, fragte sie unsicher.

„Hast du jemand anderen erwartet?“

Er neigte den Kopf und sah sie aus zusammengekniffenen Augen an. Dieser Ausdruck war ihr ebenso vertraut wie seine klaren Gesichtszüge und die sexy Lippen. Oh ja, das war Donovan Keane. Mit kürzeren Haaren und härteren Gesichtszügen, als sie sie in Erinnerung hatte. Doch es war definitiv Donovan.

„Deine Nachricht klang so seltsam … Ich war nicht sicher, was überhaupt los ist“, entgegnete sie. Nur mühsam erlangte sie die Fassung zurück. „Ich habe jedenfalls nicht damit gerechnet, dass du so tust, als ob du mich nicht wiedererkennst.“

Donovan wischte sich mit dem Handtuch über das Gesicht, doch er konnte die Gefühlsregung nicht verbergen, die kurz in seinen Augen aufblitzte. Was Susannah darin las, war weder Freundlichkeit noch die Ironie, mit der er sie an besagtem Wochenende so oft aufgezogen hatte.

„Meine Nachricht war also nicht eindeutig?“, fragte er.

„Ehrlich gesagt, nein.“

Abrupt ließ Donovan das Handtuch sinken. Sein Gesichtsausdruck und die aufeinandergepressten Lippen sprachen Bände. Er war nicht kalt oder distanziert, er war zornig. Und diese Wut beherrschte er nur mühsam. „Welchen Teil der Nachricht hast du nicht verstanden?“

Susannah schüttelte den Kopf. Seine Feindseligkeit irritierte sie. „Den Grund, warum du so wütend auf mich bist.“

„Tu doch nicht so scheinheilig, Goldlöckchen. Du weißt genau, worum es hier geht.“

Scheinheilig? Goldlöckchen?

Allmählich schlug ihre Verwirrung in Ärger um. „Ich spiele dir nichts vor, das kannst du mir glauben!“

„Dann muss ich wohl deutlicher werden. Gleich nach unserem gemeinsamen Wochenende – einem Wochenende, für das ich dich gebucht und bezahlt habe – wurde mein Kaufgebot für dieses Hotel zurückgewiesen.“

„Du wurdest überboten.“

„Von der Carlisle Hotelgruppe, die von deinem guten Freund und Geschäftspartner Alex Carlisle geführt wird.“

Wollte er etwa andeuten, dass die Sache nicht korrekt abgelaufen war? „Das Gebot von Alex war in Ordnung.“

„Das wolltest du mich glauben lassen. Als ich vor einer Woche erfahren habe, dass er dein Verlobter ist, war ich wirklich überrascht. Sei ehrlich“, fuhr er im Plauderton fort, „hat er dich dazu angestiftet, mir die Details meines Angebots zu entlocken? Konnte er deshalb in der kurzen Zeit ein so präzises Gegengebot abgeben?“

„Das ist Unsinn!“, entgegnete sie aufgebracht. Diese unverschämte Anschuldigung brachte sie völlig aus dem Konzept. „Die Erinnerung an dieses Wochenende lässt dich wohl im Stich.“

Sie sah, wie er bei diesen Worten zusammenzuckte. Als er weitersprach, hatte seine Stimme jedoch nichts von dem vermeintlich ruhigen Ton verloren. „Vielleicht solltest du meine Erinnerung auffrischen.“

„Du hast mich engagiert. Deinetwegen habe ich meinen Terminplan komplett umgeworfen. Und das, obwohl ich dich vor einem möglichen Interessenkonflikt gewarnt habe. Schließlich besitzt meine Mutter einen großen Anteil an ‚The Palisades‘. Aber du hast auf meiner Hilfe bestanden. Du wolltest mich.

Ihre Blicke trafen sich. Die Luft zwischen ihnen knisterte vor Spannung. Aber da war noch mehr, etwas, das von diesen letzten Worten ausging. Du wolltest mich. Denn das hatte er – sein körperliches Interesse war nicht zu leugnen gewesen. Er hatte die Dienste ihrer Firma jedoch aus einem anderen Grund in Anspruch genommen.

„Du wolltest mich nur wegen der Anteile meiner Mutter“, stieß sie gepresst hervor. „Du wolltest, dass ich ein gutes Wort für dich einlege und der Vorstand deinem Angebot zustimmt. Aber kaum hattest du mich rumgekriegt, wurdest du selbstgefällig. Du hättest nur noch ein klein wenig länger den netten Kerl spielen müssen, dann wäre dein Gebot durchgekommen.“

Er kniff die Augen zusammen. „Ich war also nicht nett?“

„Kaum warst du zurück in den Staaten, hast du meine Anrufe abgeblockt. Es war nicht meine Absicht, mich aufzudrängen. Du hättest nur sagen müssen ‚Wir hatten unseren Spaß, Susannah, aber wir haben unterschiedliche Vorstellungen. Lass es uns dabei bewenden.‘ Wenn du dir nicht so sicher gewesen wärst, dass dein Gebot unter Dach und Fach ist … wenn du meine Anrufe beantwortet hättest, anstatt dich hinter deiner Sekretärin zu verstecken …“

Ihr versagte die Stimme. Nein, sie wollte ihm nicht zeigen, wie sehr sie diese Hinhaltetaktik verletzt hatte. Susannah straffte die Schultern und sah ihm ruhig und fest in die Augen. „Du hättest nur ans Telefon gehen müssen, Donovan. Nur ein einziges Mal.“

Er erwiderte ihren Blick, frustriert, wie es schien. Sie wappnete sich gegen die nächste Attacke. Doch Donovan schüttelte nur den Kopf und trat ans Fenster. Die Hände in die Hüfte gestemmt, starrte er hinaus in die verregnete Landschaft. Feiner Nieselregen überzog die Fensterscheibe mit einem grauen Schleier.

Dieselbe Farbe haben seine Augen, wenn er morgens aufwacht, dachte Susannah bedauernd. Als er sich wieder zu ihr umwandte, entdeckte sie einen Anflug dieser Sanftheit in seinem Blick. „Lass es mich auf den Punkt bringen. Du behauptest also, mir ist nach monatelanger Vorbereitung ein Geschäft in achtstelliger Höhe durch die Lappen gegangen, nur weil ich deine Anrufe nicht beantwortet habe?“

Aus seinem Mund klang das Ganze mit einem Mal wie ein alberner Kinderstreich. Donovans ungläubiger Seufzer bewies ihr, dass er genau das glaubte. Die harte Wahrheit traf Susannah wie ein Faustschlag. Es stimmte, sie hatte ihn zur Hölle gewünscht und sich davon leiten lassen. Aber das war nicht der einzige Grund gewesen.

Sie hob das Kinn und sah ihm direkt in die Augen. „Es ist weitaus komplizierter, als du denkst.“ „Die Komplikation besteht wohl in Alex Carlisle, deinem Verlobten.“ „Das ist eine Sache“, antwortete sie vorsichtig. Das war etwas, das Donovan Keane eigentlich nicht wissen sollte.

„Womit wir wieder bei meiner ursprünglichen Frage wären.“

Mit demselben bedächtigen Tempo, in dem er sprach, bewegte er sich auf sie zu. Die plötzliche Bestimmtheit in seinem Blick ließ Susannah erschauern. Unmittelbar vor ihr blieb er stehen. Ihr schlug das Herz bis zum Hals, sie wusste, worauf er hinauswollte. Er hatte die Frage in der letzten Nacht auf ihrem Anrufbeantworter hinterlassen.

Weiß dein Verlobter, dass du mit mir geschlafen hast?

Die unausgesprochene Frage schwebte im Raum. Susannah musste nichts sagen. Sie wusste, dass er die Antwort bereits in ihren Augen gelesen hatte und es sinnlos wäre zu leugnen. Aber eines musste gesagt werden, etwas sehr Wichtiges.

„Ich war damals noch nicht mit Alex verlobt.“

„Und trotzdem bist du heute hier. Ich nehme an, du willst dein schmutziges Geheimnis bewahren.“

Seine Worte versetzten ihr einen Stich. Sie hatte geglaubt, das mit ihm wäre etwas Besonderes gewesen. Doch mit seinen Worten zog er alles in den Schmutz. Wie dumm war sie gewesen, zu glauben, dass sie mehr verband als ein heißes Wochenende! „Du hast Alex bisher nicht kontaktiert. Ich vermute, du erwartest eine Gegenleistung von mir dafür, dass ich Stillschweigen über meine Fehleinschätzung bewahre?“

Seine Augen begannen zu funkeln. Er hatte ihre Wortwahl also bemerkt. Eins zu null für mich, dachte Susannah. Ihr angeschlagenes Ego erholte sich umgehend.

„Warum bist du zurückgekommen, Donovan?“, fragte sie. „Was willst du von mir?“

„Ich möchte wissen, wie und wann Carlisle involviert wurde. ‚The Palisades‘ waren nicht offiziell auf dem Markt. Ich habe die ganze Vorarbeit geleistet, sie überredet, zu verkaufen.“ Er blickte sie scharf, beinahe kalt an. „Hast du ihm das Geschäft angeboten?“

„Ja“, gestand Susannah nach einem Moment. „Aber nur …“

„Kein Wenn und Aber. Du hast ihn da mit hineingezogen, du kannst ihn auch wieder loswerden.“

„Wie stellst du dir das vor?“ Ihre Stimme wurde lauter, sie konnte nicht glauben, was er von ihr verlangte. „Das Management von Horton hat Carlisles Angebot akzeptiert. Die Verträge sind bereits aufgesetzt.“

„Aufgesetzt, aber nicht unterzeichnet.“

Natürlich waren die Verträge nicht unterzeichnet – das würde auch erst geschehen, wenn Alex seine Seite der Abmachung erfüllt hatte.

„Wie du das machst …“, er unterbrach sich, um ein Sweatshirt überzuziehen, „… ist mir egal. Das ist dein Problem.“

Diese dreiste Forderung schockierte sie. Es dauerte einen Moment, bis Susannah reagieren konnte. Er griff nach Handtuch und Wasserflasche. „Du gehst?“, fragte sie alarmiert.

„Es ist alles gesagt. Du solltest jetzt einige Telefonate führen.“

Eine innere Stimme schrie sie an, ihn aufzuhalten, ihm zu erklären, dass er Unmögliches verlangte. Aber sosehr sie sich auch dagegen wehrte, er hatte recht. Sie musste nachdenken, ihre Möglichkeiten abwägen und überlegen, wen sie anrufen konnte.

Ihre Gedanken wirbelten durcheinander, als er an der Tür stehen blieb.

„Einer der Anrufe sollte deiner Mutter gelten“, sagte er, als hätte er ihre Gedanken gelesen. „Frag sie, was sie dazu zu sagen hat, dass ich angeblich nie zurückgerufen habe. Und wenn ihr schon dabei seid, könnt ihr gleich eure Versionen über den Zeitpunkt deiner Verlobung abgleichen.“

Er hatte angerufen.

Genau eine Woche zuvor. Miriam Horton hatte den Anruf im Melbourner Büro von Susannahs Serviceagentur entgegengenommen. Susannahs Mutter war keine feste Angestellte, Gott bewahre, aber sie half aus, wenn Not am Mann war. Manchmal war auch Miriam selbst in Not, und nicht die Agentur. Miriams Mann war vor drei Jahren gestorben. Seitdem engagierte sie sich in diversen Wohltätigkeitsausschüssen und im Vorstand von Horton Holdings. Dies reichte jedoch nicht immer, um die Lücke zu füllen, die ihr Mann hinterlassen hatte.

Sie wollte gebraucht werden. Ein Umstand, den Susannah nur allzu gut nachvollziehen konnte.

Was sie nicht verstand, war Miriams Stillschweigen über Donovans Rückruf. Vor einer Woche. In dieser Woche hatte Susannah jeden Tag eng mit ihrer Mutter zusammengearbeitet, um sie auf ihre zweiwöchige Abwesenheit vorzubereiten.

Mit steifen Fingern legte Susannah den Telefonhörer aus der Hand. Der Hotelmanager hatte ihr sein Büro kurz überlassen. Ruhelos lief sie vor dem Fenster auf und ab. Was hatte ihre Mutter sich nur dabei gedacht?

„Du wolltest gerade mit Alex zur Farm seiner Eltern aufbrechen“, hatte Miriam sich verteidigt. „Du warst so angespannt, erinnerst du dich? Schließlich wolltest du nicht nur seine Mutter kennenlernen, sondern auch seine Brüder überzeugen, dass du die richtige Frau für Alex bist. Ich wollte dich nicht noch mehr belasten.“

„Ein Kunde ist niemals eine Belastung“, hatte Susannah eingewandt.

„Ein Kunde?“ Miriam stieß einen verächtlichen Laut aus.

„Wir wissen beide, dass Donovan Keane diese Grenze überschritten hat.“

Susannah ignorierte die Anspielung und konzentrierte sich auf die eigentliche Frage. „Du hättest mir sagen müssen, dass er angerufen hat.“

„Was hätte das gebracht, Liebling?“

Ich wäre vorgewarnt gewesen, dass er wieder auftaucht. Ich hätte meine Erklärung besser vorbereitet und mich nicht lächerlich gemacht. „Dann wäre ich von seinem Rückruf nicht völlig überrumpelt worden.“

Für einen Moment herrschte Stille am anderen Ende der Leitung, nur ein leises Atmen drang durch den Hörer. „Ich habe ihm unmissverständlich klargemacht, dass er dich nie wieder anrufen soll.“

„Das war nicht deine Aufgabe.“

„Es ist immer die Aufgabe einer Mutter, ihr Kind zu beschützen“, entgegnete Miriam. „Das wirst du merken, wenn du selbst Kinder hast. Der Mann hat dich benutzt, Liebling, und dann fallen gelassen. Jetzt bist du mit einem ehrenhaften Mann verlobt, dem du vertrauen kannst. Daran muss ich dich wohl nicht erinnern, oder?“

Das musste sie natürlich nicht, aber Susannah hatte noch immer Donovans Bemerkung über den Zeitpunkt ihrer Verlobung im Ohr. „Was genau hast du ihm über meine Verlobung erzählt?“

„Ich kann mich nicht genau erinnern.“

„Hast du erwähnt, wann ich den Antrag angenommen habe?“

Als Miriam mit der Antwort zögerte, war Susannah wie erstarrt. Miriam Horton vergaß nie etwas. Im Gegenteil, in der Melbourner Gesellschaft war sie bekannt für ihr präzises Gedächtnis. Es machte sie darüber hinaus zu einem wichtigen, wenn auch unangenehmen Mitglied von Susannahs Service-Team. „Hast du ihm gesagt, ich wäre bereits verlobt gewesen, als wir uns kennengelernt haben? Als wir das Wochenende zusammen verbracht haben?“

„Möglicherweise ist dieser Eindruck entstanden. Aber wo liegt das Problem?“

Susannah rieb sich die Nase. Sie wusste nicht, ob sie wütend werden oder einfach klein beigeben sollte. Jetzt verstand sie zumindest, warum er sie so seltsam angesehen hatte, und begriff seine bissigen Worte. Er ging davon aus, dass eine geheime Absprache zwischen ihr und Alex existiert hatte.

„Er hat dich also angerufen?“

„Letzte Nacht. Er ist hier, Mutter, in Australien.“

„Bitte sag mir, dass ihr euch nicht trefft, Susannah. Bitte sag mir, dass er nicht der Grund ist, warum Alex bei mir angerufen hat. Er wollte wissen, wo du so überstürzt hingefahren bist. Er klang ganz anders als sonst, so kurz angebunden und ein bisschen … verärgert“, hatte Miriam gesagt.

Mehr als nur ein bisschen, vermutete Susannah. Seufzend wandte sie sich vom Fenster ab. Sie konnte es ihm nicht einmal übel nehmen. Nachdem ihre Entscheidung gefallen war, nach Tasmanien zu fliegen, hatte sie Alex angerufen, um ihm zu sagen, dass sie die ganze Sache noch einmal überdenken müsse. Er war allerdings nicht ans Telefon gegangen, wie so viele Leute in letzter Zeit.

In der morgendlichen Hektik hatte Susannahe ihre Halbschwester Zara gebeten, ihm Bescheid zu sagen. Susannah zweifelte nicht daran, dass ihre Schwester Alex informiert hatte, ohne sich von ihm einschüchtern zu lassen. Zara hatte sicher nichts verraten.

Nun ja, Susannah hatte in den letzten dreißig Minuten gelernt, wie leicht es zu Missverständnissen kommen konnte … Und jetzt musste sie die Konsequenzen tragen. Die Vorstellung, mit Alex telefonieren und sein angekratztes Ego aufbauen zu müssen, erfüllte sie mit Unbehagen. Aber es musste sein. Er soll wissen, dass es mir gut geht und ich ihn nicht verlassen habe, dachte sie. Schließlich war alles nur eine überstürzte Reaktion auf ein Problem aus ihrer Vergangenheit. Und Susannah wollte Alex immer noch heiraten, sobald sie einen Termin und einen Pfarrer gefunden hatten.

Entschlossen ging sie zum Schreibtisch und hob den Telefonhörer ab. In diesem abgelegenen Teil des Landes hatten Handys keinen Empfang. Was für oder gegen das Hotel sprach, je nach den Absichten des Gastes. Sicher hatten sowohl Alex als auch Zara versucht, sie zu erreichen. Einfach so zu verschwinden war sonst nicht ihre Art. Niemand wusste, wo sie steckte, und sie war auch nicht wie sonst erreichbar.

Bei all den Missverständnissen, die im Raum standen, erschien es Susannah nur klug, ihren Aufenthaltsort geheim zu halten. Eine offene Konfrontation zwischen Alex und Donovan würde sicher böse enden. Außerdem hatte sie dieses Durcheinander angerichtet, und nur sie konnte es wieder beheben.

Als Erstes würde sie Alex anrufen. Und danach bekam Donovan die Erklärung, die er verdient hatte.

2. KAPITEL

Donovan saß in dem Whirlpool auf der überdachten Terrasse der Villa und beobachtete, wie sich jemand mit einem gelben Regenschirm seinen Weg durch Gestrüpp und Felsen bahnte. Neben den Anfahrtsstraßen zu den Unterkünften durchzog eine Reihe von rustikalen Wanderwegen die steil aufragende Landspitze. Donovan glaubte jedoch nicht daran, dass Susannah gerade einen netten, belebenden Spaziergang im Regen unternahm.

Er hatte selbst einen Versuch in diese Richtung unternommen, nachdem er das Fitnesscenter verlassen hatte. Er war mehr gerannt als gelaufen und hatte seinen überanstrengten Körper schließlich doch lieber in das sprudelnde Wasser des Whirlpools gleiten lassen. Um die Entspannung perfekt zu machen, hatte er eine Flasche Pinot Noir geöffnet. Die Kombination von Wein und sprudelndem Wasser hatte Wunder gewirkt, bis der gelbe Regenschirm in sein Blickfeld gekommen war. Im Zickzack näherte er sich der abgeschiedenen Villa.

Das Gespräch mit Susannah lag gerade einmal neunzig Minuten zurück. Neunzig Minuten Zeit, um zu telefonieren, Unterlagen durchzusehen und schließlich die Lösung auszuhecken, die sie ihm präsentieren würde. Donovan hatte keinen Zweifel daran, dass Susannah ihm einen Handel anbieten würde. Sie wäre nicht hierhergekommen, wenn sie nicht etwas zu verlieren hätte. Dann hätte sie auf seine Anschuldigungen sicher nicht so heftig reagiert, sondern sie mit einem Schulterzucken abgetan und ihm die Visitenkarte von Alex Carlisle in die Hand gedrückt. Sie hätte ihn richtig lächerlich machen können.

Anfangs war er sehr angespannt gewesen. Er wollte keinesfalls seinen wunden Punkt preisgeben. Wenn sie gemerkt hätte, wie wenig er nur noch von dem Wochenende wusste, hätte sie einen Riesenvorteil für sich herausschlagen können. Stattdessen war sie ganz scharf darauf gewesen, ihm alles zu verraten. Er musste nur die richtigen Fragen stellen und das Gespräch lenken, dann würde sie schon einige seiner Gedächtnislücken füllen … und nachdem er sie getroffen hatte, wollte er das unbedingt.

Es war nicht nur ihre Schönheit – er hatte Fotos von ihr gesehen und war darauf vorbereitet gewesen –, sondern vielmehr ihre Einstellung, die ihn so aus dem Konzept gebracht hatte. Ob sie nun den Satz Wie kannst du es wagen, mich zu beschuldigen? tatsächlich gesagt hatte oder nicht. Zumindest schienen ihre abwehrende Haltung und der stolze Blick diese Botschaft geradezu hinauszuposaunen.

Wer hätte gedacht, dass eine beleidigte Leberwurst so erregend sein konnte? Oder dass ein einziger Blick aus ihren grünen Augen sein Blut zum Kochen bringen würde?

Trotz der anschließenden Joggingrunde durch Regen und eisigen Wind wirkte das hitzige Zusammentreffen noch immer nach. Es überraschte Donovan wirklich nicht, dass sie ihn an dem besagten Wochenende ins Bett gelockt hatte. Oder vielmehr, wie gern er sich hatte locken lassen, wenn er ihrer Version der Geschehnisse glauben wollte. Er konnte sich gut vorstellen, wie leicht er zu verführen gewesen war.

Ein einfaches Hallo, ich bin Susannah, ein langer Blick aus ihren so trügerisch kühlen Augen, und sie hätte alles mit ihm anstellen können … zum Beispiel ihn zu Boden schubsen und direkt auf dem harten Boden zu verführen.

Es tat weh, dass er sich weder daran erinnerte, wo noch wann oder wie oft sie miteinander geschlafen hatten. Trotzdem, die Genugtuung über den Verlauf des ersten Zusammentreffens milderte die Enttäuschung. Er freute sich schon auf ihr nächstes Wiedersehen.

Er hatte wirklich hart dafür gekämpft, jetzt war es Zeit, sich zu amüsieren.

Als Susannah mit dem Regenschirm hinter den Bäumen verschwand, die den Zugang zur Villa markierten, schwang er sich aus dem Wasser. Für einen kurzen Moment überlegte Donovan, ihr so die Tür zu öffnen, wie er war. Nackt, nass und – angesichts des bevorstehenden Gastes – erregt.

Im letzten Moment entschied er sich dagegen und hüllte sich in einen der Hotelbademäntel. Nicht aus falscher Bescheidenheit, sondern aus demselben Grund, aus dem er im Geräteraum ein T-Shirt übergezogen hatte: Er wollte nicht, dass sie die Narben auf seinem Körper sah. Diese Karte wollte er wirklich nur im Notfall ausspielen.

Mit der Flasche und dem leeren Glas in der Hand lief er über die Terrasse hinüber ins Wohnzimmer. Obwohl der Garten einigen Schutz vor dem Wetter bot, erwischte ihn eine Böe des nasskalten Südwestwinds. Der Bademantel klebte sofort an seinen feuchten Beinen fest. Genau solche Windböen waren perfekt dafür geeignet, den Schirm einer Frau durcheinanderzuwirbeln. Doch als er die Tür öffnete, stand Susannah Horton in einem bis oben zugeknöpften Regenmantel vor ihm. Und zu seiner Enttäuschung sah sie sehr trocken aus.

Ihre ganze Haltung spiegelte Entschlossenheit wider, doch als sie sein Outfit sah, begann die Fassade zu bröckeln. Es war nur ein ganz flüchtiger Blick, ehe sie ihm energisch in die Augen sah, doch die plötzliche Röte in beiden Wangen verriet ihr Unbehagen. „Entschuldige“, sagte sie schnell. „Ich habe dich wohl aus der Dusche geholt.“

„Aus dem Whirlpool, um genau zu sein. Möchtest du mir Gesellschaft leisten?“

Autor

Bronwyn Jameson
Es hat lange gedauert, bis Bronwyn Jameson wusste, welchen Beruf sie einmal ergreifen wollte. In ihrer Kindheit träumte sie davon, Tierärztin zu werden – leider kann sie kein Blut sehen, sodass daraus nichts wurde. Danach spielte sie mit dem Gedanken, sich dem Journalismus zuzuwenden, war allerdings zu schüchtern, um sich...
Mehr erfahren