Mein Herz so weit

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Eine exklusive Safari in Afrika? Reisebloggerin Maddie nutzt die überraschende Einladung, um Abstand von London und ihren schmerzlichen Erinnerungen zu bekommen. Zu spät begreift sie, wer der Besitzer der luxuriösen Masoka Lodge ist: Kaden Barr, der einzige Mann, den sie je geliebt hat – und den sie gezwungen war zu verlassen. Allein mit ihm unter dem weiten Himmel Afrikas, wird sie bald schwach und verbringt gegen jede Vernunft eine Liebesnacht in seinen Armen. Doch bevor sie nicht mit der Vergangenheit abschließt, wird ihr Herz niemals frei sein …


  • Erscheinungstag 09.01.2024
  • Bandnummer 012024
  • ISBN / Artikelnummer 9783751524469
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

„Lina …? Hey! Miss James!“

Mit einem Ruck wachte sie auf. Ihr Herz klopfte wild, als sie versuchte, die fremde Stimme zuzuordnen. Sie öffnete die Augen und schaute sich in der Flugzeugkabine um. Durch die ovalen Fenster sah sie blauen Himmel und weiße Wolken.

Natürlich! Sie saß in einem winzigen ohrenbetäubend lauten Flugzeug, auf dem Weg zur Masoka Safari Lodge, und die Stimme kam aus dem Headset, das im Schlaf von ihren Ohren gerutscht war. Sie rückte die Kopfhörer zurecht.

Der Pilot Steve warf ihr über die Schulter einen Blick zu. „Tut mir leid, dass ich Sie wecken muss, aber wir setzen bald zur Landung an. Es könnte etwas wackelig werden. Vor uns liegt ein Bergkamm, und die Luftströmungen auf der anderen Seite sind manchmal lebhaft.“

„Sie meinen rau.“

Er grinste. „Ich nenne es lieber lebhaft.“

Sie lächelte. „Danke für die Vorwarnung.“

„Immer gerne.“ Er wandte sich wieder nach vorn und legte einen Schalter um. „Schlafen Sie nur nicht wieder ein, in Ordnung? Bei der Landung müssen Sie wach sein.“

Falls es einen Notfall gibt. Auch wenn er die Worte nicht aussprach, wusste sie, was gemeint war. Immerhin war sie eine erfahrene Reisende, hatte Hunderte Male in Flugzeugen geschlafen, in Zügen, in Bussen. Nur nachts, in einem richtigen Bett, fiel ihr das Schlafen schwer. Sie aktivierte das Mikrofon. „Verstanden!“

Sie streckte sich und unterdrückte ein Gähnen, dann sah sie aus dem Fenster auf das Buschland unter ihnen. Weit. Grün. Unberührt. Bei dem Anblick wurde ihr Herz ganz weit. Es war perfekt! Der perfekte Ort zum perfekten Zeitpunkt!

Normalerweise hatte sie nicht oft Glück … ganz und gar nicht. Aber an dem Morgen vor vier Monaten, als Fran Palmers E-Mail in ihrem Postfach aufgetaucht war, hatte sie geglaubt, vom Glück geküsst zu sein.

Liebe Lina,

ich weiß wie gefragt Sie sind, bestimmt haben Sie bereits Termine, aber wir würden Sie sehr gerne auf unsere Masoka Safari Lodge einladen.

Die Eröffnung findet Anfang Februar statt, und ein Artikel auf Ihrem Blog würde uns sehr helfen, schnell etwas bekannter zu werden.

Wenn Sie die Zeit finden, uns für eine Woche zu besuchen, bieten wir Ihnen eine Menge Unternehmungen für Ihren Artikel: Safari-Touren, eine Heißluftballonfahrt, eine Nacht unter den Sternen in unserem Luxus-Busch-Camp und im Anschluss eine Flussfahrt im Morgengrauen.

In der Masoka Lodge erleben Sie nicht nur hautnah die Big Five – Löwen, Elefanten, Nashörner, Büffel und Leoparden! Hier erwarten Sie auch köstliche Gerichte, luxuriöse Zimmer und ein entspannender Spa-Bereich mit Infinitypool. Kurz gesagt, wie bieten die ultimative Luxus-Safari-Erfahrung. Wir würden uns sehr freuen, Sie in unserer Welt begrüßen zu dürfen …

Es stimmte, Lina hatte bereits andere Pläne gehabt. Trotzdem hatte sie keine Sekunde gezögert, ihre Termine umzulegen. Nicht, weil sie unbedingt die Big Five sehen oder im Morgengrauen über einen afrikanischen Fluss schippern wollte, sondern weil die Masoka Safari Lodge sechstausend Kilometer von London entfernt war. In dieser Woche wurde ihr verdammter Vater aus dem Gefängnis entlassen. Ganz weit weg zu sein klang wie die beste Idee der Welt.

Jetzt war sie hier, und das Flugzeug senkte sich tiefer und tiefer über den afrikanischen Busch. Mit jedem Kilometer fühlte sie sich freier und leichter. Fasziniert sah sie zu, wie der Schatten des Flugzeugs erst über das Gras und dann über silbrig funkelndes Wasser tanzte. In der Ferne erhoben sich goldene Hügel mit riesigen Felsbrocken, durch die sich verschlungene Linien wanden. Tierpfade?

Sie biss auf ihre Unterlippe. Kaden hätte es gewusst. Er hatte sich leidenschaftlich für Tiere und die Wildnis interessiert … Nicht!

Aber es war zu spät. Eine Erinnerung stieg in ihr auf. Kaden, tief gebräunt und noch nass von einem Bad im See. „Schau mal, Maddie!“ Seine Mundwinkel zuckten vor Belustigung, als er seine Hände öffnete … nur eine Kaulquappe, aber das Tier wand sich in seinen Händen, und sie stolperte rückwärts. Sie konnte noch immer sein Lachen hören. Seine Augen hatten geglänzt wie flüssiges Kupfer …

Warum konnte sie nicht endlich loslassen? Die Erinnerungen brachten jedes Mal Fragen mit sich. War er glücklich? Verheiratet?

Gedankenverloren berührte sie ihre Bauchtasche. Darin lag ihr Handy. Wie leicht wäre es, im Internet Informationen über ihn zu finden. Immerhin war er der Erbe des Barr Imperiums. Vielleicht war er inzwischen schon Geschäftsführer. Obwohl, nein. Mit siebzehn war er fest entschlossen gewesen, Tierarzt zu werden. Er hatte sich gerade bei den Universitäten beworben, als … Stopp!

Tierarzt … Geschäftsführer … Jedi Ritter. Ganz egal. Auf keinen Fall würde sie nach ihm suchen. Das hatte sie sich vor langer Zeit geschworen. Denn es brachte nichts als Schmerz. Außerdem konnte sie die Zeit nicht zurückdrehen.

Seit ihre Mutter sie damals in den Zug gesetzt hatte, gehörte die Beziehung zwischen Kaden und ihr der Vergangenheit an. Kein „Auf Wiedersehen“. Absolutes Kontaktverbot. Wie musste er sie dafür gehasst haben … Ihr Herz zog sich zusammen.

Aber sie hatte keine Wahl gehabt. Sie musste es tun. Für Mum. Mum hatte sich schreckliche Sorgen wegen der Presse gemacht, hatte Angst gehabt, dass ihre Telefone abgehört wurden. Ihre Mutter wollte sie nur beschützen. Aber das hatte es auch nicht leichter gemacht, hatte Maddie nicht davon abgehalten, monatelang jede Nacht in ihr Kopfkissen zu schluchzen.

Nachdem ihr Vater zu einer Gefängnisstrafe verurteilt worden war, wurde ihr klar, dass sie Kaden nie wieder anrufen konnte. Aus seinem Mund zu hören, dass er nicht mit ihr gesehen werden wollte, hätte sie zerstört. Und genau das hätte er gesagt.

Was sonst? Die Barrs waren gute Menschen mit einem hervorragenden Ruf in der Geschäftswelt. Ihr Vater Peter Saint James dagegen war Schatzmeister gewesen, eine Säule der Gesellschaft, aber dann war er wegen Korruption und Falschaussage ins Gefängnis gewandert.

Immer noch zog sich bei dem Gedanken ihr Magen zusammen. Wegen ihm musste sie damals untertauchen, musste ihren Namen und ihr Aussehen ändern. Musste ein ganz neues Leben beginnen. Tränen stiegen in ihre Augen. Und schon wieder lief sie seinetwegen davon.

Diesmal wegen seines verdammten Buchs. Die Autobiografie, die er im Gefängnis geschrieben hatte, war schon vor der Veröffentlichung ein Bestseller. Wofür machte er das? Geld? Öffentliche Aufmerksamkeit? Hatte er von beidem nicht längst genug? Verschwendete er jemals einen Gedanken an Mum und sie?

Verdammt, würde sie das alles nur kaltlassen! Aber sie schämte sich jede einzelne Sekunde ihres Lebens dafür.

Sie schloss die Augen und lehnte die Stirn an das kühle Fenster. Genug damit. Selbstmitleid half niemandem. Stattdessen musste sie sich auf das Gute konzentrieren. Ja, ihr Vater war ein elender Kerl, aber ihre Mutter war ein Fels in der Brandung. Und Maddies Blog war ein voller Erfolg, einer der bekanntesten Luxus-Reiseblogs im Internet.

Was Kaden anging … Natürlich dachte sie noch an ihn, er besaß immer noch einen Platz in ihrem Herzen. Aber bestimmt ging das jedem Menschen mit der ersten Liebe ähnlich. Mit dem ersten Liebhaber. Damals hatte es sich angefühlt wie für immer. Sie schluckte. Aber sie waren kaum mehr als Kinder gewesen. Was hatten sie von der Welt gewusst?

Plötzlich neigte sich das Flugzeug zur Seite, dann ruckte es. Die alte Maschine knarzte. Und sie presste sich in ihren Sitz und wappnete sich für die nächste Turbulenz. Sie hatte keine Angst. Wenn überhaupt, war sie froh. Das Flugzeug hatte sie zurück in die Gegenwart geholt.

Sie öffnete die Augen und sah zu, wie die leuchtend grünen Büsche und die rotbraune Erde unter ihnen vorbeirasten. Die Vergangenheit lag hinter ihr. Kaden und Maddie waren Geschichte.

Im Hier und Jetzt war sie Lina James, eine preisgekrönte Reiseschriftstellerin. Und sie stand kurz davor, sich kopfüber in ihr erstes Safariabenteuer zu stürzen. Alles in allem, sah ihr Leben gar nicht so schlecht aus.

Kaden lenkte den Land Cruiser so schnell durch die Kurve, dass der Wagen ins Schlingern geriet. Zu schnell! Was hatte seine Großmutter immer gesagt? Besser fünf Minuten zu spät in dieser Welt als fünf Minuten zu früh in der nächsten …

Er drehte kraftvoll das Lenkrad und trat auf das Gaspedal. Großmutter Barrs Weisheiten waren gut und schön, aber zu spät zu kommen war keine Option. Ganz besonders nicht, wenn die bedeutendste Reisebloggerin des Internets auf einen wartete. Jedenfalls laut Fran. Fran!

Sein Herz zog sich schmerzhaft zusammen. Sie würde nicht zu spät kommen, Fran hätte alles unter Kontrolle. Aber auf keinen Fall durfte er ausgerechnet jetzt an sie denken. Sie war weg, und er … Oh Gott. Er steckte in Schwierigkeiten.

Das Flugzeug stand schon auf der Landebahn, die Tür weit geöffnet. Er fuhr langsamer. Dann erkannte er Steve, der gerade einer Frau aus dem Flugzeug half. Lina James! Wahrscheinlich gab sie Masoka direkt einen Minuspunkt, weil kein Willkommenskomitee auf sie wartete. Verdammt!

Hätte er bloß Jerry heute Morgen losgeschickt, um nach den Wildhundwelpen zu sehen, statt selbst zu fahren. Dann wäre er rechtzeitig hier gewesen. Aber wenn es um Tiere ging, konnte er keine Verantwortung abgeben. Das war keine Gefühlsduselei. Tierärzte konnten sich keine Gefühlsduselei leisten.

Die zehn Welpen würden nicht alle überleben, das wusste er. Aber das machte es nicht leichter. Was ihn antrieb, war ein innerer Drang. Leidenschaft, Verantwortungsgefühl für die Tiere, die er pflegte und beschützte. Ganz besonders gefährdete Arten wie Wildhunde. Genau deshalb hatte er das Masoka Wildreservat gekauft.

Nein, er würde sich nicht schuldig fühlen, weil er die Tiere an erste Stelle setzte. Das Geschäft mit romantischen Luxussafaris interessierte ihn nur insoweit, als er mit den Einnahmen sein Wildreservat finanzieren konnte. Aber dafür brauchte er einflussreiche Gäste wie genau diese Frau, die schon auf ihn wartete.

Er parkte neben dem Flughafengebäude und stieg aus. Zwei große Lederkoffer standen im Schatten der Flugzeugflügel. Vermutlich gehörten sie Lina James. Aber wo war sie? Und wo war Steve? Vielleicht zeigte er ihr gerade die Waschräume?

Wenigstens konnte er so einen Moment lang durchatmen und schon einmal ihr Gepäck ins Auto laden. Er holte ihre Koffer und hob sie auf die Ladefläche.

„Hallo … oh! Sie haben schon meine Koffer eingeladen. Danke schön. Ich musste kurz die Waschräume aufsuchen, es war so warm im Flugzeug.“

Sein Herz klopfte schneller. Die Stimme kam ihm bekannt vor. Schmerzhaft bekannt. Aber das konnte nicht sein. Nein. Bestimmt spielte ihm seine Erinnerung einen Streich. Reiß dich zusammen! Er atmete tief ein und drehte sich um.

Na also! Blondes Haar. Kurz. Nicht dunkelrot und endlos lang … außerdem waren verspiegelte Sonnenbrillen nicht Maddies Geschmack … Mit einem Mal fühlte sich sein Mund trocken an. Aber diese Nase. Und diese Lippen. Plötzlich fiel ihm das Atmen schwer. Er griff nach dem Türrahmen und hielt sich fest.

Wie in Zeitlupe hob sie die Hand zu ihrer Sonnenbrille und nahm sie ab. Ihre blauen Augen weiteten sich. „Oh mein Gott.“ Ihre Augen schimmerten. „Kaden …?“

„Madeleine.“ Seine Stimme war kaum mehr als ein Flüstern.

Stand sie wirklich vor ihm? Das Mädchen, das er mehr als alles andere geliebt hatte? Längst vergessene Gefühle stiegen in ihm auf, wirbelten durcheinander. Allen voraus eine Welle von purer Freude.

Wie von allein machte er einen Schritt auf sie zu, dann schloss er die Arme um sie und hielt sie ganz fest. Sie schmiegte sich an ihn. Genau wie damals. Für eine Sekunde war die Welt in Ordnung. Nichts anderes zählte. Aber dann versteifte sie sich in seiner Umarmung und löste sich von ihm.

„Es tut mir leid … ich …“ Ihr Atem ging viel zu schnell. „Das habe ich nicht erwartet.“ Ihre Augen suchten seinen Blick. „Ich meine … dich …“

Sein Herz sank. Natürlich hatte sie nicht erwartet, ihn hier zu sehen. Sonst wäre sie nicht gekommen. Jedenfalls wenn die letzten zwölf Jahre ein Anhaltspunkt waren. Er hätte seinem Impuls widerstehen müssen, hätte sie nicht einfach umarmen dürfen. Ab jetzt musste er besser aufpassen.

Mit einer Hand strich er durch sein Haar. „Ich habe auch nicht mit dir gerechnet. Ich dachte, es kommt …“

„Lina James.“ Sie ließ die Schultern sinken. „Ich habe meinen Namen vor langer Zeit geändert. Das musste ich, nach allem, was passiert ist.“

Natürlich. Das ergab Sinn. Deshalb hatte er sie nie in den sozialen Medien gefunden. All die Stunden, in denen er nach ihr gesucht hatte, auf den Profilen von Freunden, dann bei Freunden von Freunden … Jede Verbindung, die ihm eingefallen war, war ins Leere gelaufen.

Lina James – Madeleine Saint James. Jetzt erkannte er die Namensähnlichkeit. Aber als Fran davon gesprochen hatte, eine Reisebloggerin namens Lina James anzuschreiben, war ihm das nicht aufgefallen. Er schluckte. Aber jetzt war Fran nicht mehr hier, und vor ihm stand Lina James. Nur dass sie in Wirklichkeit Madeleine hieß. Maddie.

Unter ihrem Blick fühlte er sich … ja, wie denn? Er konnte es nicht benennen. Um genau zu sein, konnte er keinen klaren Gedanken fassen. Er konnte nichts tun, außer sie anzusehen.

Ihre Wangenknochen wirkten noch höher als damals, und er sah feine Linien um ihre Augen, aber die Sommersprossen auf ihrer Nase waren dieselben wie früher. Sie passten zu ihrem Haar. Nicht zu diesem Haar, sondern zu ihrem natürlich dunkelroten Haar, mit dem er so gerne gespielt hatte. Das in seidigen Wellen über ihre Schultern gefallen war, wie in einer Shampoo-Werbung.

Ein plötzlicher Kopfschmerz zog in seine Stirn, und er rieb seine Augenbrauen. „Du hast dein Haar …“

„Ja.“ Sie lächelte schwach. „Es war ein zu eindeutiges Erkennungsmerkmal.“

Berühmtes Haar. Natürlich! Und dann, bevor er die Worte zurückhalten konnte, kamen die Worte aus seinem Mund: „Verdreh ihnen den Kopf mit Tresses Organix!“, sagte er in dem übertriebenen amerikanischen Akzent, der damals schon schrecklich gewesen war.

Ihr Mund verzog sich zu einem strahlenden Lächeln, genauso bezaubernd wie in seiner Erinnerung. Dann lachte sie und nahm eine Modelpose ein. Genau wie in der Werbung. „Komm schon …“ Sie hob eine Augenbraue. „Du weißt, du willst es!“

Er lachte. Maddie. Unter dem Wasserstoffperoxid war sie immer noch da. Immer noch dieselbe. Immer noch wunderschön. „Du hast es immer noch drauf.“

„Danke.“ Einen Moment lang erwiderte sie seinen Blick, dann hob sie verspielt einen Mundwinkel. „Aber dein Synchronsprechen ist leider immer noch miserabel.“

Früher wäre das sein Signal gewesen. Sie hätte gekichert, hätte ihn mit einem Blick herausgefordert, und er wäre darauf eingegangen. Hätte sie zum Quietschen gebracht, ihre Handgelenke gegriffen und sie an sich gezogen.

Dann hätte sich die Atmosphäre zwischen ihnen geändert, Maddie hätte die Hände in seinem Haar vergraben, ihre Lippen auf seine gelegt … Stopp!

Er vergrub beide Hände in seinen Hosentaschen. Solche Gedanken waren keine gute Idee. Er durfte die Vergangenheit nicht wieder lebendig werden lassen. Was zählte, war das Hier und Jetzt.

„Kaden?“

Er zuckte zusammen. Der Klang ihrer Stimme ließ sein Herz auf eine Weise schlagen, wie er es bei Fran nie gespürt hatte.

„Was machen wir jetzt?“ Ein Schatten verdunkelte ihre Augen. „Ich meine, möchtest du, dass ich bleibe?“

Seine Brust wurde eng. Wollte er das? Sein Instinkt sagte ihm, dass er sie hier haben wollte. Aber konnte er damit umgehen, wenn sie blieb? Konnte sein Herz damit umgehen? Verdammt. Er musste ihr antworten, bevor sie sein Schweigen für Zögern hielt.

„Warum sollte ich das nicht wollen?“

Einen Moment lang sah sie ihn ungläubig an, dann presste sie die Lippen zusammen. Er glaubte Tränen in ihren Augen schimmern zu sehen.

„Weil …“

Weil sie nach dem Skandal ihres Vaters ohne ein Wort verschwunden war. Dabei hatte er gedacht, sie liebte ihn. Weil sie in zwölf Jahren kein einziges Mal Kontakt zu ihm aufgenommen hatte. Weil sie anscheinend jetzt plötzlich Schuldgefühle bekam.

Halt!

Hatte er sich nicht gerade vorgenommen, die Vergangenheit hinter sich zu lassen? Ganz besonders durfte er nicht in alter Bitterkeit versinken. Das hier war nicht der Moment, um wieder den alten Schmerz zu fühlen. Er brauchte Abstand. Einen klaren Kopf. Brauchte diesen Artikel über seine Safari Lodge. Mit ihrem Blog erreichte sie viel mehr Menschen, als er es alleine jemals könnte.

Und Masoka war sein Leben. Das hieß, Masoka war seine oberste Priorität. Und das bedeutete, Maddie musste bleiben.

Er holte tief Luft und zog die Hände aus den Hosentaschen. „Maddie, woran auch immer du denkst, du musst es loslassen.“

Wieder schimmerten ihre Augen, als hielte sie ihre Tränen zurück. „Aber ich …“

„Bitte. Nicht.“ Vielleicht war es selbstsüchtig, sie nicht ausreden zu lassen. Aber er konnte es nicht zulassen. Sonst würde der alte Schmerz wieder hochkommen, und wofür? Nein. Er musste sich voll und ganz aufs Geschäft konzentrieren.

Er hob beide Hände. „Schau, lass mich ganz offen sein. Ich möchte, dass du hierbleibst. Aber was ich nicht möchte … was ich nicht kann …“ Mit einem Mal fühlte seine Zunge sich an wie ein Fremdkörper. Warum brachte er die Worte nicht heraus? Lag es an dem Ausdruck in ihren schönen Augen? Oder lag es daran, dass ein Teil von ihm doch über die Vergangenheit reden wollte?

Ja. Wahrscheinlich. Die Worte waren eine Lüge, und im Lügen war er immer schon schlecht gewesen. Aber wie konnte er ihr sagen, dass ein Teil von ihm sich verzweifelt nach einer Erklärung für ihr Verhalten sehnte?

Das konnte er nicht. Jedenfalls jetzt nicht. Dazu war er weder stark genug noch gelassen genug. Im Gegenteil, es kam ihm vor, als wäre er plötzlich wieder der wütende siebzehnjährige Junge von damals. Aber das war er nicht mehr. Er war ein erwachsener Mann, und genauso musste er sich verhalten.

Sie erwiderte seinen Blick. „Du möchtest nicht über die Vergangenheit reden, oder? Du willst nicht zurückschauen.“ Sie schluckte. „Habe ich recht?“

Nicht ganz. Aber das würde er nicht zugeben. „Ja. Genau das wollte ich sagen, auch wenn ich kläglich gescheitert bin.“ Er hob einen Mundwinkel. „Hör zu, ich möchte mich nicht wie ein Unmensch verhalten. Aber um ehrlich zu sein, bin ich geschockt. Und dir geht es doch bestimmt genauso, oder nicht?“

Sie nickte kaum merklich.

„Um ehrlich zu sein, kann ich keinen klaren Gedanken fassen. Falls ich irgendwie unhöflich wirke oder das Falsche sage, dann tut es mir leid.“

„Das tust du nicht. Ganz und gar nicht.“ Sie legte eine Hand auf seinen Unterarm und drückte ihn ermutigend. „Und was den Schock angeht, hast du recht. Das hier ist ganz bestimmt kein Tag wie jeder andere.“ Ihre Augen funkelten.

„Das kannst du laut sagen.“ Er strich mit einer Hand durch sein Haar. „Also, was sagst du dazu? Wollen wir uns einfach auf die Gegenwart konzentrieren?“

„Klingt wie ein guter Plan.“

Erleichterung durchströmte ihn. So würde es funktionieren. Sie wollten beide das Gleiche. „Dann hoffe ich, du bist bereit für die wilden Abenteuer einer Luxussafari.“

„Hmm …“ Sie legte übertrieben nachdenklich einen Finger ans Kinn. „Klingt schwierig, aber ich gebe mein Bestes.“

Maddie! Sie war unwiderstehlich, wenn sie herumalberte. Um genau zu sein, war sie immer unwiderstehlich. Aber er musste ihr widerstehen.

„Aber mal ganz im Ernst, wir sind wirklich darauf angewiesen, dass du Masoka auf deinem Blog in den höchsten Tönen lobst.“ Plötzlich verspürte er den Drang, selbst einen Scherz zu machen. Einen Drang, dem er nicht widerstehen konnte. Er unterdrückte ein Lächeln. „Das heißt, wenn du genauso gut schreiben kannst wie diese Lina James …“

Einen Moment lang sah sie ihn regungslos an, dann lachte sie. Ihre Augen funkelten. „Oh, ich bin viel besser als sie.“ Dann hob sie eine Augenbraue auf diese bezaubernde Weise, an die er sich noch genau erinnerte. „Jetzt mal unter uns beiden, sie ist eine Hochstaplerin.“

2. KAPITEL

Maddie sah zu, wie er um das Auto herumging und einstieg. Derselbe geschmeidige Gang wie damals, dieselbe Neigung seines Kopfes. Sie erschauerte. Passierte das gerade wirklich? Erst vor zwanzig Minuten war sie aus dem Flugzeug gestiegen und hatte sich gewundert, dass Fran Palmer nicht auf sie wartete.

Jetzt saß sie im Auto neben dem einzigen Jungen, den sie jemals geliebt hatte. Außer, dass er kein Junge mehr war. Seine breiten Schultern von damals waren noch breiter geworden. Unter seinem Hemd sah sie das Spiel seiner Muskeln. Sein Haar war noch immer dicht und zerzaust. Aber der Bartschatten auf seinem Kinn war neu.

Als er sie in den Arm genommen hatte, hatte sie seine raue Wange an ihrer gefühlt. Am liebsten hätte sie die Hände ausgestreckt und ihn berührt. Aber er gehörte nicht mehr ihr. Also hatte sie sich von ihm gelöst, bevor sie etwas tat, was sie bereute.

Immer noch schien jeder Nerv in ihrem Körper zu vibrieren, und ihr Herz schlug viel zu schnell. Dicht neben ihm zu sitzen, half auch nicht.

Als könnte er Gedanken lesen, sah er sie an. „Alles in Ordnung?“

Ihr Herz hüpfte, und sie unterdrückte ein nervöses Kichern. Diese Situation war vieles, aber nicht in Ordnung. „Ja, ich habe nur …“ Sie konnte den Satz nicht beenden.

„Ich auch.“

„Ich auch was?“

Er zuckte mit den Schultern, dann nahm er seine Sonnenbrille vom Armaturenbrett und setzte sie auf. „Ich weiß nicht, das ist ja das Problem. Ich denke, im Moment sind wir beide zu nichts zu gebrauchen.“

Gegen ihren Willen lächelte sie. Kaden. Niemand hatte sie je so zum Lachen gebracht wie er. Zum Glück hatte er ihr erlaubt zu bleiben. Einen Moment lang hatte sie einen Ausdruck in seinen Augen gesehen, als wollte er sie wegschicken. Als würde er jeden Moment sagen, dass er nichts mehr mit ihr zu tun haben wollte.

In dem Moment wäre sie fast in Tränen ausgebrochen, hätte sich beinahe für alles entschuldigt, hätte versucht zu erklären. Hätte versucht, die Vergangenheit wieder in Ordnung zu bringen. Zum Glück hatte er sie unterbrochen. Diesmal ging es nur um das Hier und Jetzt. Sie würden die Vergangenheit hinter sich lassen und noch mal ganz von vorne anfangen.

„Erde an Maddie.“

Sie drehte den Kopf zu ihm und sah direkt in seine warmen kupferfarbenen Augen mit den hellen Flecken, die wie kleine Sterne funkelten. Bei dem Anblick stockte ihr Atem. „Ja. Entschuldige. Was hast du gesagt?“

„Die Windschutzscheibe ist heruntergeklappt, wenn du also keine Käfer in den Augen haben möchtest, setze lieber die Sonnenbrille auf.“ Dann startete er den Motor.

Sie setzte ihre Sonnenbrille auf. Das einzige Problem daran, sich auf die Gegenwart zu konzentrieren, war die Tatsache, dass Kaden direkt neben ihr saß.

Gegen ihren Willen stieg die Erinnerung an ein anderes Auto in ihr auf. Eins mit einer Abtrennung zwischen Rücksitz und Fahrerkabine und einer luxuriösen Rückbank. Stopp! Am besten konzentrierte sie sich ganz schnell auf etwas anderes.

Sie ließ den Blick über das staubige Armaturenbrett wandern, dann drehte sie sich auf ihrem Sitz um. Hinter ihnen gab es zwei Reihen von Sitzen, die etwas höher gelegt waren. Wahrscheinlich um den Fahrgästen einen besseren Blick auf die Wildtiere zu bieten. Anstelle eines Dachs spannte sich sandfarbenes Segeltuch über ihren Köpfen. Keine Fenster. Keine Kissen. Keine Minibar.

„Hey, Kaden.“ Aus dem Flughafengebäude kam Steve zu ihrem Wagen.

„Hi Steve.“ Kaden lehnte sich mit einem Arm aus dem Fenster. „Wie geht’s?“

„Gut, danke. Ich wollte nur kurz Lina fragen …“ Er sah sie an. „Geht’s dir wieder besser?“

Oh nein! Sie spürte, wie Kaden sie ansah, konnte seine Neugier fühlen. Der Schock ihn wiederzusehen, hatte jeden Gedanken an die dramatische Landung vertrieben. „Ja, mir geht es gut, danke.“

Kaden wandte sich zu Steve. „Was meinst du?“

„Eine Wildschweinfamilie hatte sich entschieden, genau in dem Moment über die Landebahn zu laufen, als wir gelandet sind. Lina war …“ Er befeuchtete mit der Zunge seine Lippen. „Lina war etwas besorgt.“

„Konntest du noch ausweichen?“ Kaden schaute zur Landebahn hinüber. Jeder Muskel in seinem Körper schien angespannt.

„Alles ist gut, Kade“, sagte Steve beruhigend. „Kein Tier wurde verletzt.“

„Gott sei Dank!“ Kaden entspannte sich sichtlich. Eine Sekunde sah er Maddie an, dann wandte er sich wieder zu Steve um.

Sie holte tief Luft. Also war Kaden immer noch Tierschützer mit Leib und Seele. Das ergab Sinn. Immerhin gehörte er auf irgendeine Weise zur Masoka Lodge. Aber was genau war seine Position?

Sie beobachtete ihn, die Art und Weise wie er mit den Händen gestikulierte, während er mit Steve sprach. Seine Körpersprache war ihr unglaublich vertraut, aber es gab so viele Dinge, die sie nicht über ihn wusste. Zwölf Jahre waren eine lange Zeit.

Ihr Herz setzte für einen Schlag aus, als ihr ein Gedanke kam. War er verheiratet? Vielleicht war Fran seine Ehefrau. Oh Gott. Wenn sie darüber nachdachte, hatten Frans E-Mails immer irgendwie den Anschein erweckt, als wäre sie die Besitzerin der Lodge.

Wir können es kaum erwarten, Sie willkommen zu heißen.

Hatte Kaden nicht auch „wir“ gesagt, als er über den Blogbeitrag gesprochen hatte? Hieß das für ihn und Fran? Vielleicht sogar für ihre Kinder? Bei dem Gedanken schoss ein messerscharfer Schmerz durch ihr Herz.

Sie senkte den Blick auf ihre Hände und versuchte, sich zu beruhigen. Natürlich war Kaden verheiratet. Wie konnte es anders sein? Ein atemberaubender Mann wie er war selbstverständlich längst vergeben.

Autor

Ella Hayes

Ella Hayes lebt zusammen mit ihrem Ehemann und ihren beiden erwachsenen Söhnen in einer ländlich geprägten Region von Schottland. Ihre frühere Arbeit als Kamerafrau fürs Fernsehen und als professionelle Hochzeitsfotografin habe ihr eine Fülle an Material für ihre schriftstellerische Tätigkeit beschert, vor allem im Hinblick auf ihre Liebesromane, so die...

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