Mein Ritter unterm Mistelzweig

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Nur einen Weihnachtswunsch hat die junge Noel: Sie will das Herz von Ritter Benedick erobern. Bis zum Dreikönigstag muss sie ihm zeigen, dass sie inzwischen eine Frau ist - eine Frau, die ihn seit Langem liebt. Sonst muss sie seine Burg für immer verlassen …


  • Erscheinungstag 19.12.2018
  • ISBN / Artikelnummer 9783733745295
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Weihnachten! Zwei Wochen des Feierns und des Fröhlichseins! Verratet mir mehr von dieser Burg, die Euch gehört, Benedick. Vielleicht finde ich ja dort eine hübsche Magd fürs Fest!“

Benedick Villiers beäugte seinen Knappen misstrauisch. Alard war erst kürzlich an die Stelle des umsichtigen Wystan getreten, der bedauerlicherweise bei einem Scharmützel ums Leben gekommen war, und wirkte viel jungenhafter als sein Vorgänger. Die Knappen werden ständig jünger, dachte Benedick finster, während er selbst sich viel älter fühlte, als er eigentlich war.

Inzwischen zählte er sechsundzwanzig Jahre, aber er kämpfte bereits seit einem Jahrzehnt, indem er gegen entsprechende Entlohnung seine Dienste als Ritter anbot. Die letzte Streitigkeit war kaum mehr gewesen als ein Geplänkel über einen Grenzverlauf, doch man hatte ihn dabei gefangen genommen, und dann war er einen ganzen Monat lang eingesperrt gewesen, bis man ihn gegen Lösegeld wieder freiließ. Der Kerker war nicht einmal der schlimmste gewesen, da hatte Benedick schon anderes gesehen, doch sein erzwungener Aufenthalt dort hatte an seinen Kräften gezehrt. Während er seinem neuen jungen Knappen einen kurzen Blick zuwarf, beneidete er ihn um seine Begeisterung, obwohl er gleichzeitig darüber spottete.

Er selbst war nie ein so fröhlicher Bursche gewesen.

„Mach dir mal keine großen Hoffnungen, Bengel.“ Benedick fühlte sich verpflichtet, den grinsenden Jungen vorzuwarnen. „Longstone Keep ist alt, kalt und feucht und alles andere als ein Quell der Lustbarkeit.“

Doch der Junge ließ sich nicht abschrecken und lachte. „Ihr seid zu bescheiden, Benedick. Euer Lehnsgut soll doch das schönste im ganzen Land sein!“, rief er aus und machte eine Armbewegung, die die grauen Außenmauern umfasste, denen sie sich nun näherten.

Benedick gab als Antwort auf diese albernen Schmeicheleien des Bengels nur ein Brummen von sich und wünschte sich zum wiederholten Mal Wystans eher gedämpftes Temperament zurück. Longstone war nicht mehr als ein bescheidenes Anwesen, aber er hatte lange darum kämpfen müssen, es in seinen Besitz zu bekommen. Schließlich war es ihm gelungen, das Land einem der niedrigeren Barone, der sich in finanziellen Nöten befand, für Gold und eine nicht unerhebliche Bestechungssumme abzukaufen. Und nun war er an dem Ziel, das er sein ganzes Leben lang verfolgt hatte: Longstone gehörte ihm, einem unrechtmäßig Geborenen. Obwohl ihm der Besitz eine gewisse grimmige Befriedigung verschaffte, hatte er ihm doch wenig Freude gemacht.

„Ich habe bisher kaum Zeit dort verbracht und keine Verschönerungen vornehmen lassen“, erklärte er dem Jungen. „Erwarte bloß keinen Luxus und schon gar nicht den Prunk eines Festes bei Hofe.“ Benedick war solchen Frivolitäten sowieso nicht zugeneigt, und von Feiertagen hielt er auch nicht viel. In seinen Augen waren Dinge wie Weihnachten nichts anderes als abscheulicher heidnischer Unsinn unter christlichem Deckmantel. Die ausgeklügelten Festivitäten und höfischen Spielereien, deren Zeuge er bei Gelegenheit werden durfte, verursachten ihm nur Unbehagen.

Ihm waren Mühsal, Elend und die Härte der Schlacht viel vertrauter.

„Nun, was mich angeht“, erwiderte der unbelehrbare Bengel, „freue ich mich zumindest auf ein warmes Essen und ein prasselndes Feuer.“

„Das ist wohl wahr“, stimmte Benedick zu, als sie durch das Tor ritten. Ihn verlangte es in seiner Burg weder nach fröhlichem Treiben noch danach, neue Kraft zu schöpfen, ja nicht einmal nach Frieden. An seinen Händen klebte Blut, und er hatte viel zu viele Narben davongetragen, um sich jemals wirklich entspannen zu können. Doch zumindest durfte er nach all den Jahren des Kämpfens auf etwas Ruhe hoffen, auf die Behaglichkeit eines weichen Betts und auf eine anständige Mahlzeit.

Im Burghof ging es geschäftiger zu, als er es in Erinnerung hatte, und ihm fielen einige frisch mit Stroh gedeckte Dächer und ausgebesserte Mauern auf. Offenkundig hat Hardwin gute Arbeit geleistet, dachte Benedick mit Anerkennung, besonders in Anbetracht der sehr beschränkten Mittel, die er dem Verwalter zur Verfügung stellen konnte. Vermutlich, so nahm Benedick an, war es ein gutes Jahr gewesen, sodass er hoffen konnte, dass eine gute Ernte sie durch den langen bevorstehenden Winter bringen würde. Benedick überließ es seinem Knappen, sich um die Pferde zu kümmern. Die neugierigen Blicke der Bauern und Mägde beachtete er nicht und schritt auf das steinerne Hauptgebäude zu, dass er seit fünf Jahren nicht mehr gesehen hatte. Er trat durch die breiten Türen – und blieb verdutzt stehen.

Und er fragte sich, ob er sich hier an einem falschen Ort befand.

Der Saal, den er als höhlenartig und düster in Erinnerung hatte, war nun sauber, hell erleuchtet und voller Farben. Ein Feuer brannte im Kamin, die Nachmittagssonne fiel durch hohe Fenster auf lebhafte Wandbehänge, die den größten Teil der Mauern bedeckten. Die Luft war ihm früher schal und abgestanden vorgekommen, doch sie duftete nach frisch gebackenem Brot, Gewürzen und Laub und Nadelholz. Stechpalmen, Efeu, Lorbeer und Kiefernzweige hingen in Büscheln an jeder Wand und waren auch auf den steinernen Platten unter seinen Füßen verstreut. Ein breiter Streifen roten Stoffs flatterte von den Balken herab, und Mistelzweige, jeweils zu einem Dutzend gebündelt, waren über den Bogengängen angebracht. Dies alles sollte wohl eine festliche Weihnachtsstimmung schaffen.

Benedick konnte die Veränderung des Gemäuers und dessen prunkvolle Ausschmückung kaum fassen. Derart aufwendige Vorbereitungen für die Wintersonnenwende hatte er selten zu Gesicht bekommen; niemals hätte er so etwas in seinem eigenen Haus zugelassen. Aber das war noch nicht alles. Benedick riss vor Erstaunen den Mund auf, als eine Frau auf ihn zueilte, um ihn zu begrüßen.

Sie war jung und blond, ihr goldenes Haar fiel ihr in langen seidigen Wellen offen über den Rücken. Sie war hübsch, sogar liebreizend, denn ihre Haut war makellos, ihr kleiner Mund besaß anmutig geschwungene Lippen, und ihre Augen waren blauer als der Himmel.

Sie näherte sich Benedick mit einem Lächeln, das gerade, weiße Zähne sehen ließ, und sie sprach mit einer weichen Stimme, die in seinen Ohren sowohl süß als auch sinnlich klang. „Willkommen daheim, Sir“, sagte sie und blickte mit einem Glühen in den Augen zu ihm auf.

Er hatte nicht die geringste Vorstellung, wer diese Frau sein mochte.

„Wer zum Teufel seid Ihr?“, wollte er wissen.

Noel Amery versuchte, das Entsetzen zu verbergen, das beim Anblick ihres Vormunds in ihr aufstieg. Seine Ankunft kam nicht nur unerwartet; er schien auch ein ganz anderer Mensch geworden zu sein, seit sie ihn zuletzt gesehen hatte.

Es war schon fünf Jahre her, seit sie gemeinsam mit ihrem Vater dem neuen Nachbarn einen Besuch abgestattet hatte. Doch diese Jahre schienen den Mann, der nun vor ihr stand, schwer mitgenommen zu haben. Oh, er sah noch immer gut aus, mit dem mächtigen Leib eines Ritters und Gesichtszügen, die wie gemeißelt wirkten. Aber in dieses Gesicht hatten sich tiefe Linien eingegraben, und es wies zahlreiche Narben auf; der ganze Mann wirkte rau und ungepflegt, das dunkle Haar hing ihm zerzaust bis über die Schultern, in seinen schwarzen Augen funkelte Verachtung.

Er wirkte so furchterregend, dass sie beinahe ein paar Schritte rückwärts gemacht hätte. Doch sie widerstand dem Drang und reckte entschlossen das Kinn, denn er hatte kein Recht, grob zu ihr zu sein. „Ich bin Noel Amery“, sagte sie klar und deutlich. „Euer Mündel.“

Er starrte sie voller Abscheu an, und Noel spürte, wie ihr die Hitze in die Wangen schoss. Sein unedles Verhalten ist gar nicht das eines Ritters, dachte sie empört. So hatte sie ihn nicht in Erinnerung. Er musterte sie, als wäre sie eine der Dirnen, die den Lagern der Ritterheere nachzogen.

Mit seinen schwarzen Augen, die sie damals so anziehend gefunden hatte, musterte er sie von oben bis unten. Hatte sie sich alles nur eingebildet? War dies derselbe Mann, der sie vor fünf Jahren so sehr betört hatte?

„Ich habe kein Mündel“, sagte er kalt. Noel hätte beinahe vernehmlich nach Luft geschnappt. Hatte er nicht nur seine Manieren vergessen, sondern auch den Verstand verloren?

„Ähm, Sir, ich bitte um Vergebung, Sir, aber doch, Ihr habt ein Mündel, Sir.“ Hardwin, der freundliche Verwalter, eilte zu ihrer Rettung herbei, und Noel schickte ein stummes Dankgebet zum Himmel. „Vor etwas mehr als einem Jahr habe ich Euch eine Botschaft gesandt, dass Euer guter Nachbar Master Amery verstorben ist und Euch zum Vormund seiner Tochter Noel berufen hat.“

Der Ritter kniff die Augen zusammen, und Noel hielt es für das Beste, ihm weitere Erklärungen zu liefern. „Wir wurden uns bereits vorgestellt, Sir Villiers.“ Sein Name klang ganz fremd in ihren Ohren, hatte sie doch so oft nur als Benedick an ihn gedacht. Ihr Benedick.

Was er offenkundig überhaupt nicht war.

Noel holte tief Luft und fuhr fort. „Mein Vater und ich kamen hierher, um Euch willkommen zu heißen, als Ihr Longstone in Euren Besitz genommen habt. Er war so von Euch beeindruckt, dass er Vorkehrungen traf, mich im Falle seines Todes Eurer Güte zu überlassen.“ Sie versuchte, es nicht so klingen zu lassen, doch der stumme Vorwurf, dass er nicht nur sie, sondern auch ihren Vater im Stich ließ, war unüberhörbar. Der hochgewachsene Ritter erwiderte nichts.

„Ihr habt mir eine Botschaft zukommen lassen, Sir“, fügte Hardwin etwas nervös hinzu, „ich solle mich der Angelegenheit annehmen.“

Benedick ließ Noel nicht aus den Augen, während er sich in grobem Ton an seinen Verwalter wandte. „Und Eure Vorstellung davon, Euch der Angelegenheit anzunehmen, war, ihr die Schlüssel meines Heims zu übergeben und sie hier zur Hausherrin zu machen?“

Hardwin wurde rot, und Noel hätte Benedick seine Grobheit am liebsten um die Ohren geschlagen. „Sie, äh, hatte sonst keinen Platz, wo sie hingehen konnte, Sir, und wir haben hier doch genug Räumlichkeiten. Im Haus von Master Amery gab es nur wenig Dienerschaft, die kaum in der Lage war, ein junges Mädchen zu beschützen, schon gar nicht die Erbin aus einer guten Familie“, erklärte er.

„Ich verstehe“, sagte Benedick, obwohl er wirkte, als würde er überhaupt nichts verstehen. Sein Verhalten erschütterte Noel bis ins Mark – hatte sie sich doch so viel Mühe gegeben, diese kalte und wenig einladende Burg in ein schönes Zuhause zu verwandeln. Bemerkte dieser undankbare Schuft denn gar nicht, welche Verbesserungen sie hier eingeführt hatte?

„Ihr könnt doch unmöglich der Ansicht sein, dass Euch Euer Heim vor meiner Ankunft besser gefallen hat, Sir.“ Diese Spitze konnte sie sich einfach nicht verkneifen.

Er lächelte, obwohl kaum eine Bewegung seiner entschlossenen Lippen zu erkennen war. Er schien für all ihre Bemühungen nur Hohn und Spott übrigzuhaben. „Ich möchte Euch nicht beleidigen, mein Fräulein, aber alles, was ich will, ist etwas Ruhe und Erholung von meinen Anstrengungen. Ich habe nicht vor, die Verantwortung für einen Gast zu übernehmen.“

Noel riss entsetzt die Augen auf. Ein Gast? Während des vergangenen Jahres hatte sie Longstone mehr und mehr als ihr Zuhause betrachtet, nicht als einen zeitweiligen Unterschlupf, und sich selbst als Hausherrin, nicht als Eindringling gesehen. Und die ganze Zeit hatte sie geschuftet, um aus der Burg einen behaglichen und angenehmen Aufenthaltsort zu machen, nicht nur für Benedick, sondern auch für sich selbst. Schließlich war er ihr Vormund, wenn nicht sogar mehr …

Obwohl sie erst zwölf Jahre alt gewesen war, als sie ihren Vater begleitete, um den neuen Nachbarn willkommen zu heißen, war Noel ganz verzaubert gewesen von dem gut aussehenden, strammen Ritter. Es stimmte schon, er war eher abweisend und distanziert gewesen, doch in ihrem jugendlichen Eifer meinte sie, Geheimnisse in seinen dunklen Augen zu entdecken. Bald darauf war er aufgebrochen, um sich einen Namen zu machen, wie ihr Vater sagte, doch Noel konnte ihn nie wieder vergessen. Und keiner der Verehrer, die Vater danach ins Gespräch brachte, konnte ihm das Wasser reichen.

Da er von ihrer Vernarrtheit wusste und außerdem auf die Ehrenhaftigkeit des edlen Ritters vertraute, der so wacker kämpfte, hatte ihr treuer Vater sie seiner Güte überlassen. Und Noel war einfach überzeugt gewesen, dass Benedick bei seiner Rückkehr entzückt von dieser Hinterlassenschaft wäre. Diese Annahme war in ihren Augen so selbstverständlich, dann aber doch so falsch gewesen, dass ihr beinahe übel wurde.

„Aber ich habe Euch hier ein Heim geschaffen, wie Ihr unschwer erkennen könnt!“, erhob Noel Einspruch.

Benedick hob seine schwarzen Brauen. „Soviel ich weiß, besitzt Ihr selbst ein Zuhause, oder etwa nicht?“

Völlig verwirrt von dieser Feststellung wickelte Noel eine ihrer Locken um den Finger. Wie oft hatte sie von seiner Heimkehr geträumt! Doch die Wirklichkeit erwies sich nun als ein einziger Albtraum. „Außer einigen Dienern hält sich dort niemand mehr auf.“ Sie dachte an das kleine, einsam gelegene Haus, in dem in jeder Ecke Erinnerungen an ihren Vater lauerten. Es war traurig und leer. Sie schluckte schwer.

Benedick musterte sie mit versteinerter Miene, offensichtlich vollkommen ungerührt, während sie eine goldene Locke zwischen den Fingern hin und her zwirbelte. Langsam, aber unerbittlich wurde ihr klar, dass er sie tatsächlich fortschicken wollte, und diese Vorstellung entsetzte sie. Hatte sie sich in all den Jahren nur etwas vorgemacht? In den langen Monaten seit dem Tod ihres Vaters hatte sie sich daran festgehalten, dass ihr Ritter, ihr Benedick, bald zurückkehren würde – und nun zerschmetterte er all ihre Hoffnungen und Träume mit einem einzigen Schlag. Sie ließ die Locke los und streckte flehend beide Hände aus.

„Aber das Haus ist nicht bewacht. Ihr wollt mich doch sicher nicht dorthin zurückschicken, wo ich nur mir selbst überlassen bin?“, fragte sie, verzweifelt auf der Suche nach irgendeinem Grund, der diesen kaltherzigen Fremden umstimmen könnte.

Erneut spürte sie, wie seine Augen sie kalt musterten, und errötete wegen seiner Anmaßung. Er verhielt sich schlichtweg empörend, doch es wollte ihr einfach nicht gelingen, angemessen entrüstet zu reagieren. Stattdessen fühlte sie sich leicht berauscht, wie am Tag ihrer ersten Begegnung; eine seltsame Erregung flatterte in ihr auf, als würde er sie mit seinem finsteren Blick berühren.

„Wie alt seid Ihr?“

Sein barscher Ton ließ Noel erneut erröten. „Siebzehn“, antwortete sie, plötzlich außer Atem.

„Nun gut, mein Mündel“, er spie das Wort aus, als würde es in seinem Mund bitter schmecken. „Ich werde Euch ein paar Männer zum Schutz mitgeben – bis ich einen Gatten für Euch finden kann.“

Noel unterdrückte einen entsetzten Aufschrei. Er wollte sie bloß loswerden, und zwar nicht nur jetzt, sondern für immer! „Das kann doch nicht Euer Ernst sein. Nicht nach alledem, was ich hier unternommen habe, um ein behagliches Heim für Euch zu bereiten und die Burg für das Weihnachtsfest herzurichten! Es wird doch von mir erwartet, dass ich mich um die Festlichkeiten kümmere. So gebietet es die Tradition! Ich habe den Julklotz selbst ausgesucht und …“ Der Julklotz war ein riesiger Holzklotz, den man aus dem Wald holte und nach altem Brauch von Weihnachten bis Dreikönig Tag und Nacht brennen ließ.

Noel versagte die Stimme. Sie drohte jeden Augenblick in Tränen auszubrechen und sich damit zusätzlich zu blamieren.

Hardwin wollte etwas sagen, doch ein finsterer Blick von Benedick brachte ihn zum Schweigen. Grimmig sah der Ritter sich im Saal um. Noel folgte seinem Blick, mit dem er die Phalanx von Dienern, die ihn vorsichtig und ängstlich beäugten, musterte.

„Na schön“, seufzte Benedick, dem das Missvergnügen ins Gesicht geschrieben stand. „Ihr könnt über Weihnachten bleiben, aber nach dem Dreikönigsfest müsst Ihr in Euer eigenes Heim zurückkehren, denn ich will hier allein sein.“

Noels Herz machte einen Satz, doch Benedick hob eine Hand, um etwaige Bekundungen von Dankbarkeit zu unterbinden. „Unterdessen werde ich zusehen, für Euch einen Gatten zu finden“, fügte er hinzu.

Einen Gatten! Noels Erleichterung verflog angesichts seines süffisanten Lächelns. Sie konnte nicht begreifen, was hier vorging. Alles lief völlig falsch. Warum nur wollte er sie unbedingt loswerden?

Was war aus dem Ritter geworden, den sie damals gekannt hatte, zwar ernst, aber mit einem guten Herzen? Noel musterte seine steinerne Miene auf der Suche nach dem Mann, der er war, als sie ihm zum ersten Mal begegnet war. Von diesem Mann war nichts mehr zu erkennen, doch sie glaubte, ihn noch spüren zu können, irgendwo hinter diesen schwarzen Augen. War er vielleicht gefangen in dieser Grobheit, hinter der rauen äußeren Schale? Wie sollte sie ihn herauslocken, zum Vorschein bringen können, wenn sie bald einem anderen versprochen wäre?

Unerschrocken warf Noel ihrem Ritter ein breites Lächeln zu. „Ihr habt wirklich keinen Grund, Euch mit einem solchen Vorhaben zu belasten, denn es gibt eine viel einfachere Lösung für alle unsere Schwierigkeiten.“

Benedick hob beide Brauen, doch Noel ließ nicht locker. „Ich möchte Longstone nicht verlassen, und Ihr werdet jemanden brauchen, der sich um Euer Anwesen kümmert und dafür sorgt, dass Ihr hier die Erholung findet, die Euch zusteht. Ich wäre überglücklich, hier als Euer Mündel bleiben und Euch ohne jegliche Vergütung dienen zu dürfen, aber wenn Ihr wünscht, dass ich heirate …“ Noel unterbrach sich und sah ihn ermutigend an. „Warum könnt nicht einfach Ihr mich heiraten?“

Er starrte sie völlig verblüfft an, und angesichts seiner offensichtlichen Verwunderung erstarb Noels hoffnungsfrohes Lächeln. Konnte er denn nicht begreifen, wie klug und sinnvoll dieser Vorschlag war? Sie jedenfalls hielt ihn für sehr vernünftig, doch zu ihrem Entsetzen warf Benedick den Kopf zurück und brach in unbändiges Gelächter aus. Tatsächlich lachte er heftig und lange, er lachte sogar Tränen, die er mit dem Handrücken wegwischte. Noel starrte ihn fassungslos an.

Sie verschränkte die Arme vor der Brust und klopfte irritiert mit dem Fuß auf den Boden, während sie darauf wartete, dass sein Lachanfall vorüberging. Sie versuchte, diesen Ausbruch nicht als Beleidigung zu betrachten, aber was sollte sie sonst davon halten? Endlich ließ er sich in einen Stuhl sinken. Es war einer von zwei Stühlen, die sie bestellt hatte, damit sie nach seiner Rückkehr gemeinsam vor dem Kamin sitzen konnten. Nun wünschte sie sich nichts sehnlicher, als dass der Stuhl in tausend Teile zerbarst und dieser ungehobelte Ritter auf die Steinplatten krachte.

Autor

Deborah Simmons
Die ehemalige Journalistin Deborah wurde durch ihre Vorliebe für historische Romane angespornt, selbst Historicals zu schreiben. Ihr erster Roman "Heart's Masquerade" erschien 1989, und seitdem hat sie mehr als 25 Romane und Kurzgeschichten verfasst. Zwei schafften es bis ins Finale der alljährlichen RITA Awards, einer Auszeichnung für besondere Leistungen im...
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