Mister Cool und Lady Crazy

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Erst brennen die Häuser, dann die Herzen! Die neue sexy Romance von Bestsellerautorin Susan Andersen.

Zwei wie Feuer und Eis: die flippige Macy und der pflichtbewusste Gabriel. Denn obwohl zwischen der Videoclip-Produzentin und dem Feuerwehrchef von Sugarville genug Funken sprühen, um eine ganze Stadt anzuzünden, ist er für sie bloß ein überkorrekter Langweiler. Also absolut nicht ihr Typ! Aber vielleicht - nur vielleicht - muss sie ja doch noch ihre Meinung ändern … Zum Beispiel als die Gerüchte über ihre angeblichen Untaten mal wieder die Gemüter der Kleinstadtbewohner erhitzen - und Gabriel als Einziger cool bleibt. Oder als er sie todesmutig aus einem brennenden Haus rettet …


  • Erscheinungstag 10.08.2011
  • ISBN / Artikelnummer 9783862780860
  • Seitenanzahl 304
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Als Macy O’James in Sugarville auftauchte, wusste Gabriel Donovan sofort, dass diese Frau nichts als Ärger bedeutete. Verdammt, er wusste es schon, bevor sie überhaupt die Stadt betreten hatte. Allerdings war ihm da noch nicht klar, wer sie eigentlich war.

Gabriel saß neben Johnny Angelini im Streifenwagen. Die beiden Freunde trafen sich regelmäßig, um die Zusammenarbeit von Sheriffbüro und Fire Department zu besprechen. Zwar war der alte Sheriff Baxter gegen solche neumodischen Methoden. Doch das war den beiden Männern herzlich egal. Schließlich war Johnny Sugarvilles einziger Deputy und Gabe der Leiter der Brandschutzabteilung. An diesem heißen Julinachmittag planten Gabe und Johnny gerade die Durchsuchung eines alten Wohnwagens, der seit ewigen Zeiten am Stadtrand vor sich hingammelte. Gabe vermutete, dass es sich in Wahrheit um ein Drogenlabor handelte. Doch gerade als er Johnny seinen Verdacht näher erläutern wollte, ertönte plötzlich laute Rockmusik. Und in der nächsten Sekunde rauschte ein kirschrotes Corvette-Cabrio an ihnen vorbei.

Die beiden Männer wechselten einen Blick. „Hat das Tempolimit ja nur knapp überschritten“, kommentierte Gabe spöttisch.

„Stimmt.“ Johnny nickte. „Bei zwanzig drüber lohnt es sich kaum, einen Strafzettel auszustellen.“

„Das dachte ich auch gerade.“

„Andererseits“, sagte Johnny. „Heißer Wagen, heiße Fahrerin, Mann. Blond. Könnte meine zukünftige Braut sein.“

„Das ist ein Argument“, stimmte Gabe zu. Es war ihm zwar ein Rätsel, wie sein Freund bei der Geschwindigkeit noch die Haarfarbe erkannt hatte – ganz zu schweigen vom Erotikfaktor der Fahrerin. Trotzdem zweifelte er nicht an der Richtigkeit von Johnnys Aussage. Mr Angelini hatte Adleraugen, wenn es um Frauen ging.

Der Deputy strich sich über das Kinn. „Außerdem wird es eine ziemliche Sauerei geben, wenn Myerson gerade seine Kühe über die Straße treibt.“

„Kleines Auto, große Rindviecher“, bestätigte Gabe.

„Es ist meine Bürgerpflicht, meinen Job zu erledigen. Die zahlen mir schließlich nicht einen Haufen Kohle, damit ich unter einem Baum rumsitze. Also.“ Er hob eine Augenbraue. „Bist du dabei?“

Gabe überlegte. Es wäre vernünftiger gewesen, den Streifenwagen sofort zu verlassen. Er hatte nicht das geringste Bedürfnis, sich Johnnys „zukünftige Braut“ anzuschauen. Hin und wieder mal ein nettes Date – und das war’s dann auch. Im Gegensatz zu Johnny war Gabe nicht so wild hinter Frauen her.

Nicht mehr jedenfalls.

Auf der anderen Seite gehörte es zum Spiel, seinem Freund die Sache nicht so einfach zu machen.

„Ist wohl besser“, sagte Gabe trocken. „Wenn sie dich wegen sexueller Belästigung anzeigt, braucht sie einen Zeugen.“

Grinsend lenkte der Deputy den Cruiser unter den Bäumen hervor, hinter denen sie sich versteckt hatten, rumpelte über ein Rasenstück und bog in den Highway ein. Dort gab er Gas und schaltete gleichzeitig die Polizeisirene an.

Nur wenige Augenblicke später hatten sie die Corvette eingeholt. Der Wagen wurde erst langsamer und hielt dann am Straßenrand. Die plärrende Musik brach ab.

Zwei Koffer, die auf dem Rücksitz gestapelt waren, versperrten die Sicht auf die Fahrerin. In der plötzlichen Stille öffnete sich die Tür, ein langes nacktes Bein erschien, und ein blauer High-Heel senkte sich zu Boden.

„Du kannst hier warten“, sagte Johnny, die Hand am Türgriff. „Da muss eindeutig ein Experte ran.“

Gabe schnaubte. „Von wegen. Was für ein Kumpel wäre ich, wenn ich dir nicht Rückendeckung geben würde?“ Er kletterte aus dem Cruiser und warf Johnny über das Dach hinweg einen Blick zu. „Die Frau könnte ja schließlich bewaffnet und gefährlich sein.“

„Yeah, das macht mir auch Sorgen. Vielleicht muss ich sie durchsuchen.“

Nie im Leben! Beinahe hätte Gabe laut gelacht. So gerne Johnny mit Frauen flirtete, so groß war sein Respekt vor ihnen. Davon abgesehen, dass er sein Amt niemals derart missbrauchen würde.

Inzwischen hatte sich die Frau aus dem niedrigen Fahrzeug geschält. Mit dem Rücken an die Fahrertür gelehnt und die Hände in die Hüften gestemmt sah sie ihnen entgegen.

„Heilige Scheiße“, murmelte Gabe. Sie sah aus wie ein Pin-up-Girl aus den Zwanzigerjahren. Weißes Matrosenhemd, Schuhe im Retrostil und dazu knappe Hüfthosen – noch mehr Retro –, die ihre ellenlangen Beine betonten. Zum Teufel, sie trug sogar einen weißen Matrosenhut, unter dessen breiter Krempe ein Wust von Locken hervorquoll.

Und natürlich war sie blond. Mit einem Seitenblick auf seinen Freund schüttelte Gabe den Kopf. „Ich weiß echt nicht, wie du das machst, Mann.“

„Ist eben Talent“, sagte Johnny über die Schulter zu Gabe.

Die beiden Männer blieben stehen. „Hey, Seemann“, sagte Johnny leichthin. „Neu in der Stadt?“

„Nicht neuer als du, Angelini“, entgegnete die Frau. Ihre dunkle, heisere Stimme ließ Gabes Nervenenden vibrieren. „Wenn man bedenkt, dass wir ungefähr zur selben Zeit hierhergezogen sind.“ Sie zuckte träge mit den Schultern. „Allerdings habe ich mich aus dem Staub gemacht, während du ... nun, du bist noch immer hier.“ Ihr Blick fiel auf Gabe. Sie musterte ihn ausführlich von Kopf bis Fuß, was zu seinem Entsetzen ein gewisses ... Ziehen in seiner Leistengegend auslöste. „Ich schätze, die Ehre, neu in der Stadt zu sein, gebührt eher deinem Freund da.“

Johnny fand mühsam die Sprache wieder. „Macy?“, fragte er ungläubig. „Macy O’James?“

Als Gabe diesen Namen hörte, betrachtete er die Frau noch genauer. Zwar hatte er sie noch nie zuvor getroffen, aber selbstverständlich von ihr gehört. Macy O’James war das schwarze Schaf von Sugarville. Es gab nichts, das ihr nicht nachgesagt wurde: Angeblich war sie eine schreckliche Herzensbrecherin, ein Mädchen ohne Anstand und Moral, das auf ihrem Weg nach Los Angeles eine Spur der Verwüstung hinter sich gelassen hatte.

In L. A. hatte Macy O’James in Musikvideos mitgespielt, ziemlich erotischen Videos, wie man sich erzählte. Je nachdem, wer gerade von ihr sprach, war sie entweder Sugarvilles Version von Pamela Anderson, Carmen Electra oder Paris Hilton. Nur dass Macy meistens ihre Klamotten anbehielt.

Als Gabe sie jetzt so herausfordernd an die Corvette gelehnt sah, begriff er, warum Macy das Gesprächsthema der Stadt war. Die Sonne schien auf ihre langen Beine und ihre vollen, zu einem süffisanten Lächeln verzogenen Lippen. Früher einmal hatte er selbst viel zu viel Zeit mit Frauen wie ihr verschwendet. Frauen, die schöner waren, als ihnen guttat.

Tja, nun, so war es damals gewesen. Heute war heute. Und es ging ihn einen feuchten Kehricht an, was diese Frau trieb. Leben und leben lassen, das war Gabes Motto. Auch wenn er ein Problem mit solchen Partymäusen hatte, weil er – salopp gesagt – von einer großgezogen worden war. Aber natürlich würde er Macy O’James mit derselben Höflichkeit begegnen wie jedem anderen Menschen auch.

Gabe trat einen Schritt zurück, verschränkte die Arme vor der Brust und sah, wie Macy seinem Freund ein sinnliches Lächeln zuwarf.

„Hallo Johnny“, hauchte sie. „Lange nicht gesehen.“ Sie hob eine schmale Augenbraue. „Du hast doch nicht vor, mir wegen der paar Stundenkilometer einen Strafzettel zu verpassen?“

Sie sprach in leichtem Ton, doch der herausfordernde Blick, den sie Johnny zuwarf, brachte Gabes Blut zum Kochen. Mit einem Schlag war es um seine mühsam antrainierte Gelassenheit geschehen. Diese Erkenntnis verblüffte und ärgerte Gabe. Und doch konnte er nicht anders, als sie anzustarren.

Als ob sie das gespürt hätte, wandte sie sich ihm zu und nahm mit einer lasziven Bewegung die Sonnenbrille ab. Macys Augen waren groß und grün. Oder vielleicht braungrün. Das konnte Gabe nicht mit Sicherheit sagen.

Welche Farbe auch immer diese Augen hatten, sie waren überwältigend. Und es machte Gabe stinksauer, welche Wirkung sie beinahe auf ihn ausgeübt hätten. Doch eben nur beinahe, denn zum Glück war Gabe kein Mann, der sich so leicht kleinkriegen ließ.

„Nun, Sie schauen aber ganz genau hin“, sagte sie. „Bitte schön. Ich zeige Ihnen auch noch den Rest.“ Sie drückte die Ellbogen in die Taille, öffnete die Handflächen und begann, sich langsam zu drehen. Sie zeigte sich von links, dann von hinten und schließlich von rechts.

Und jede Seite sah gut aus.

Als sie ihm wieder zugewandt war, warf sie Gabe unter langen Wimpern einen Blick zu. „Hat Ihnen der Anblick gefallen, Schätzchen?“

Er zuckte die Achseln. „Nicht übel.“

Sie hob einen Mundwinkel. „Vorsichtig ausgedrückt.“

Doch innerlich lächelte Macy nicht. Dieser Typ musste knapp zwei Meter groß sein und hundert Kilo wiegen. Wobei kein Gramm davon Fett war. Eine unerwartete Hitzewelle erfasste sie, ihr Herz führte einen Stepptanz auf. Reflexartig drehte Macy noch etwas mehr auf. Dass sie sich dabei mit der Zunge über die Unterlippe leckte, geschah unabsichtlich. Doch den Du-bist-so-groß-und-stark-Blick warf sie ihm ganz bewusst zu. „Und Sie sind ...?“

„Das ist Gabe Donovan, Macy“, sagte Johnny. „Sugarvilles Fire Chief. Gabe, das ist Macy O’James.“

„Sugarvilles berühmte Schlampe“, murmelte sie.

Der gute Johnny zuckte zusammen. Auch wenn er damals auf der Highschool hinter jedem Rock her gewesen war, hielt sie ihn für einen ziemlich netten Kerl.

Fire Chief Donovan hingegen nickte nur knapp, als wäre er nicht im Geringsten überrascht. Und aus irgendeinem Grund versetzte Macy das einen Stich. Als sich ihre Blicke gekreuzt hatten, hatte sie eine Nanosekunde lang geglaubt, dass da etwas gewesen wäre. Etwas, das leider Gottes im nächsten Moment verschwunden war. Denn nun, da dieser Gabe ihren Namen kannte, hatte sie keine Chance mehr.

Moment, das war dann doch etwas zu pathetisch. Sie war doch keine arme missverstandene kleine Frau, die immer nur über die Ungerechtigkeit des Lebens jammerte. Macy straffte die Schultern. Dann bedachte sie Gabe Donovan mit einem Blick, der ihn eindeutig wissen ließ: „Weißt du was, mein Junge? Ich bin auch nicht gerade verrückt nach dir.“

Nein, auch wenn er wirklich eine heiße Nummer war mit seinen hübschen, kühlen Augen. Nicht nachdem ihm ein einziger Blick gereicht hatte, um das Getuschel der braven Bürger von Sugarville zu glauben. Er scherte sich nicht um die Wahrheit.

Aber das juckte sie überhaupt nicht, wie Macy sich in Erinnerung rief. Sie war, was sie war. Sie bereute nichts.

Absolut nichts.

Trotzdem hatte sie jetzt genug davon. Mit erhobenem Kinn sah sie Johnny an. „Also“, sagte sie. „Was nun? Strafzettel oder nicht?“

„Ich lass dich noch mal laufen.“

„Gute Entscheidung“, stimmte sie zu, öffnete die Autotür und glitt hinein. Sie ließ den Motor mit einem Röhren anspringen und legte den ersten Gang ein. „Bis dann, Jungs.“

Ohne die beiden Männer eines weiteren Blickes zu würdigen, steuerte sie die Corvette vom Seitenstreifen auf die Straße und fuhr nach Hause.

2. KAPITEL

Deine Klamotten sind echt super“, sagte Macys Cousine Janna. „Aber die hast du doch nicht die ganze Fahrt lang angehabt, oder? Wo auch immer du hergekommen bist. Wusste ja keiner, wo du steckst.“

Macy war gerade dabei, ihren Koffer auszupacken. Sie blickte auf und sah ihre Cousine an, die in einem Chintzsessel im Arbeitszimmer der Familienpension saß. Jannas Oberschenkel war bis zum Knie in Gips, Krücken standen in Reichweite.

„Medford“, antwortete Macy knapp. Medford lag in Oregon, etwa sechs Stunden entfernt. „Und bitte. Natürlich hab ich diese Klamotten nicht die ganze Zeit angehabt. Hältst du mich für irre?“

„Tja. Schwer zu sagen, solange du gekleidet bist wie eine Seemannsbraut. Genauer gesagt, wie die Seemannsbraut aus einem feuchten Männertraum.“

Macy grinste. „Dann lass es mich anders ausdrücken. Komme ich dir wie eine Märtyrerin vor? Nein, sicher nicht“, fuhr sie hastig fort, als ihre Cousine den Mund öffnete. Garantiert wollte Janna jetzt mal wieder über diese Nacht mit ihr diskutieren. Aber dazu hatte Macy echt keine Lust. Das war alles viel zu lange her. Und sowieso sinnlos, die ganze Angelegenheit noch mal aufzuwärmen. Schnell lenkte sie ab: „Ich habe mich in Wenatchee extra umgezogen, Baby. Schließlich haben die braven Bürger von Sugarville ein Recht auf ihren Skandal.“

Janna verdrehte die Augen. „Oh ja, Gott behüte, dass die Leute mal nichts zum Tratschen haben.“

„Verdammt richtig. Das wäre das Ende der Welt für die.“ Macy griff nach einem Kleiderbügel und schob die Träger eines hauchdünnen Sommerkleidchens darüber. Ihre Schuhe türmten sich bereits auf dem Boden des Schranks. „Die haben einen männermordenden Vamp aus mir gemacht. Also kann ich die Rolle auch spielen.“

„Klar. Du bist ja so tough.“

„Und ob.“ Sie fing Jannas Wem-willst-du-hier-eigentlich-was-vormachen-Blick auf. „Sieh mich nicht so an – das bin ich wirklich. Du hingegen ...“, Macys Stimme wurde sanft vor Sorge, als sie in das bleiche Gesicht ihrer Cousine blickte. „Du siehst aus, als könnte dich ein einziges hartes Wort umhauen.“

„Mir geht’s gut.“ Janna verlagerte vorsichtig ihr Gewicht. „Ist nur schwer, eine Haltung zu finden, die nicht wehtut. Der Arzt hat gesagt, dass ich mein Bein hochlegen soll, aber ...“

Reue überrollte Macy wie ein Frachtzug. „Ach, Scheiße, Janny, warum hast du nichts gesagt?“ Sie räumte ihren Designerkoffer von dem Hocker und zuckte mitfühlend zusammen, als Janna ihr eingegipstes Bein hochlegte und dabei das Gesicht vor Schmerz verzerrte.

Verflucht, Janna war so etwas wie eine Schwester für sie. Am liebsten hätte sie sie in Watte gepackt und ihr eine Tasse heißen Tee nach der anderen gekocht. Und das, obwohl draußen ungefähr 32 Grad waren.

Janna seufzte. „Ich hasse es, krank zu sein, und manchmal bin ich etwas empfindlich. Deswegen hat Mom dich ja zu Hilfe gerufen – weil ich von dir nicht gleich so genervt bin.“ Jana fuhr sich durch ihr stumpfes Haar und lächelte müde. „Danke, dass du sofort gekommen bist.“

„Soll das vielleicht ein Scherz sein?“ Macy ging vor Janna in die Hocke, nahm ihre Hand und drückte sie zärtlich. „Wo sonst sollte ich jetzt sein? Wir sind eine Familie. Weißt du, wie sehr ich Sugarville geliebt habe, bevor dieser ganze Mist losging? Und zwar wegen dir, Onkel Bud und Tantchen Lenore. Nichts gegen meine Mom, aber bei euch habe ich mich zum ersten Mal im Leben richtig zu Hause gefühlt.“

„Ich fand es so cool, als du zu uns gekommen bist.“

Verlegen wegen der Tränen, die ihr in die Augen stiegen, blickte Macy sich im Zimmer um. Obwohl nur noch zwei Kommoden und zwei schmale Betten hier standen, gab es kaum Platz. „Willst du wirklich, dass ich mich bei dir einquartiere?“, fragte sie. „Ich könnte doch auch in der Rumpelkammer schlafen.“

„Die ist schon besetzt“, sagte Janna. „Wir haben im Februar umgeräumt, um einen weiteren Gast aufnehmen zu können. Tyler ist in die Kammer gezogen, und ...“

„Ihr habt Tyler aus seinem Zimmer geworfen und in die Rumpelkammer gesteckt?“, unterbrach Macy sie entrüstet. „Janna, das geht doch nicht!“

Ihre Cousine lachte. „Tyler ist da anderer Meinung. Ihm gefällt es nämlich. Die Kammer ist sein Atom-U-Boot, und er ein Meisterspion. Sein Freund Charlie findet die ganze Sache auch obercool.“ Sie lächelte schief.

„Jungs!“ Bei der Vorstellung, dass jemand eine Schuhschachtel als obercool bezeichnete, schüttelte Macy den Kopf. „Und wie steht es mit unserem alten Zimmer?“ Sie hatten als Teenager mehrere Jahre ein Zimmer im oberen Stockwerk miteinander geteilt. „Das könnte ich doch nehmen, bis du wieder Treppen steigen kannst. Dann hätten wir mehr Platz, aber ich wäre immer noch nah genug, um dir zu helfen.“

„Ahm, das Problem ist, dass ich, solange ich die Krücken brauche, höchstens ein paar Unterhosen transportieren kann. Ich brauche also bei fast jedem Handgriff Hilfe. Tut mir leid, Macy, ich weiß, wie eng es hier ist. Du bist inzwischen bestimmt auch viel mehr Luxus gewöhnt ...“

„Nein, nein, nein!“ Macy schüttelte heftig den Kopf. Dabei wurde ihr bewusst, dass sie noch immer den Matrosenhut trug. „So habe ich das überhaupt nicht gemeint!“ Sie warf den Hut auf ihr Bett und zerrte die blonde Perücke herunter. „Ich will dich nur nicht stören.“

„Schön, dann haben wir ja kein Problem. Gib mal her.“ Janna streckte die Hand aus. „Ich habe mich schon oft gefragt, wie ich wohl als Blondine aussehe.“

Macy warf ihr die Perücke zu und fuhr sich durch ihr glattes karamellfarbenes Haar. Dann rieb sie sich über die Kopfhaut und seufzte, als eine leichte Brise durch die weißen Vorhänge drang. Schließlich schleuderte sie die hochhackigen Schuhe von den Füßen. „Aaaah.“ Sie wackelte mit den Zehen. „Herrlich.“

„Wie schön, dass wenigstens du das so siehst.“ Janna schnitt eine Grimasse, als sie an der Perücke zog und ihr eine platinblonde Strähne ins Auge fiel.

„Ist nicht so leicht ohne Spiegel.“ Macy rückte die Perücke auf Jannas Kopf gerade und zupfte die Locken in Form. Dann trat sie einen Schritt zurück, um ihr Werk zu betrachten.

„Du könntest ein bisschen Schminke vertragen.“ Sie kippte den Inhalt ihrer Handtasche aufs Bett und fischte ein Kosmetiktäschchen aus dem Durcheinander. Großzügig stäubte sie Rouge auf Jannas bleiche Wangen, danach mischte sie braunen Lidschatten mit einem Klecks Vaseline, den sie sich auf den Handrücken geschmiert hatte, und tupfte die Mixtur auf Jannas Augenlider. Anschließend rundete sie den glamourösen Look mit schwarzer Wimperntusche ab.

„Das war aber auch mal nötig!“ Macy griff nach dem Handspiegel auf der Kommode. „Hier, schau’s dir an.“

Janna starrte einige Sekunden lang stumm ihr Spiegelbild an. Dann sah sie mit Tränen in den Augen auf.

Macy packte umgehend das schlechte Gewissen. „Ach je, Janny, tut mir leid! Ich mach es wieder ab!“ Sie zog Papiertücher aus der Schachtel auf der Kommode. „Wein doch nicht, es dauert nur ein paar Sekunden!“

„Nein, wage es bloß nicht.“ Janna seufzte, strich sich mit den Fingern unter den Augen entlang und stieß ein zittriges Lachen aus. „Ich komme mir total idiotisch vor. Es ist nur ... ich sehe wieder wie eine Frau aus. Zum ersten Mal seit diesem Autounfall – nein, sogar schon länger, seit Sean mich verlassen hat – sehe ich wieder wie eine Frau aus. Und nicht wie eine Patientin oder eine verlassene alte Schachtel, verdammt noch mal!“ Sie hob den Spiegel und drehte das Gesicht erst in die eine Richtung, dann in die andere.

Und lächelte. „Ich gebe eine ziemlich heiße Blondine ab, wenn ich das selbst so sagen darf.“

Macy schnaubte. „Ja, allerdings. Und ich hoffe inbrünstig, dass der verdammte Bastard, der dich ins Krankenhaus gebracht hat, und dieser kleine Scheißer Sean die schlimmste Form von Tripper ...“

Janna klatschte beifällig in die Hände und wackelte mit den Augenbrauen. „Was ist das mit den Männern überhaupt?“, sagte sie dann. „Sie taugen zu nichts, aber kastrieren darf man sie auch nicht. Klingt für mich nicht gerade nach Fortschritt.“

Völlig grundlos musste Macy plötzlich an Gabe Donovan denken. An seinen athletischen Körper. An diese grauen Augen. Die kräftige Nase, das kräftige Kinn, der kräftige ... nun, an ihm schien alles ziemlich kräftig zu sein.

Verdammt. Sie hatte gar nicht gemerkt, dass sie ihn so genau angesehen hatte. Doch hier stand sie, und ihr Blut rauschte zu Stellen im Körper, wo es gar nichts zu suchen hatte. Außerdem schlug ihr Herz viel zu schnell. Und das alles nur wegen eines Mannes, den sie gerade mal zwei Minuten gesehen hatte.

„Mädchen, reiß dich zusammen!“, befahl sie sich streng. „Für so was hast du nun wirklich keine Zeit!“

Wie aufs Stichwort wurde die Tür aufgestoßen und krachte gegen die Wand. Eine willkommene Abwechslung. „Mom, kann Charlie zum Abendessen bleiben ... hey!“ Tylers Gesicht leuchtete auf, als er Macy bemerkte. „Du bist da!“

„Hey, Partner!“ Macy ging auf den Jungen zu, blieb dann aber vor ihm stehen. Sie war sich nicht sicher, wie sie Tyler begrüßen sollte. Am liebsten hätte sie ihn in die Arme genommen. Aber mit seinen neun Jahren fand er Weiber womöglich doof. Wahrscheinlich ließ er sich lieber die Fingernägel ausreißen, als sich von seiner Tante küssen zu lassen.

Oder auch nicht, dachte Macy, als Tyler sich in ihre Arme warf und seine streichholzdünnen Arme um ihre Hüften schlang. Dann, ohne sie loszulassen, grinste er zu ihr hoch. „Ich bin froh, dass du da bist. Mom ist immer im Krankenhaus oder bei dieser Rehabib... Rehabibl... Also bei diesem Pflegedings. Hoffentlich kannst du so lange bleiben, bis es ihr wieder besser geht. Und vielleicht kannst du mich ja auch zu meinem Training und den Spielen und so was bringen. Was meinst du, Mom?“ Tyler drehte den Kopf, sah Janna an – und musste ein zweites Mal hinsehen.

Sein Mund klappte auf, seine Arme glitten von Macys Hüfte. „Mom? Bist du das? Wow. Du siehst ... ahm ... du siehst echt ...“

„Hübsch aus“, sagte der kleine rothaarige Junge, der hinter Tyler ins Zimmer gekommen war.

„Ja.“ Tyler nickte. Dann schüttelte er den Kopf und nickte wieder und schüttelte den Kopf – wie eine Marionette in den Händen eines irren Puppenspielers. „Hast du eines von diesen Haarfärbedingern aus dem Fernsehen benutzt?“

„Nein, das ist eine Perücke von Tante Macy.“

„Könntest du die bei meinem nächsten Spiel auch tragen?“

„Also Liebling, ich weiß nicht so recht ...“

Im nächsten Moment unterbrach sie eine energische Stimme: „Was ist das für ein komisches rotes Auto im Hof? Ist etwa mein kleines Mädchen angekommen? Macy O’James, schieb deinen Hintern sofort hierher und gib deinem Tantchen einen Kuss!“

Lachend verließ Macy das Zimmer. Mit großen Schritten lief sie durch den Flur in die Küche, wo eine ältere Frau gerade ihre Einkaufstüten auf der Küchentheke abstellte. Sie erblickte Macy und stieß einen kleinen Schrei aus.

Als ihre Tante sie in die warmen, molligen Arme schloss, nahm Macy sofort Lenores typischen Duft wahr. Eine Mischung aus Bonbons und Keksen. Das war der Grund, warum Macy Sugarville nicht fernbleiben konnte. Denn hier bei Tante Lenore war ihr Zuhause.

„Lass dich ansehen.“ Lenore hielt Macy eine Armlänge von sich. Ein schiefes Lächeln umspielte ihre Lippen. „Bist du gerade einem Schlagerwettbewerb entsprungen?“

Macy lachte. „Du hättest mich erst mal mit Perücke und Matrosenhut sehen sollen.“

„Das ist meine Macy.“ Ihre Tante streckte ihre mit Altersflecken übersäte Hand aus und streichelte Macys Wange. „Es ist gut, dich wieder hier zu haben, Mädchen.“

„Tut mir leid, dass ich nicht öfter komme, Tantchen Lenore. Es ist einfach ...“

„Schwierig. Ich weiß. Ich würde diesem Mayfield-Kerl am liebsten das Fell über die Ohren ziehen. Wären er und seine Lügengeschichten nicht gewesen ...“

Schnell unterbrach Macy sie. „Ich habe ein paar echt heiße Fummel mitgebracht, Tantchen. Ich werde dafür sorgen, dass ihm und seinen Gesinnungsgenossen die Augen aus dem Kopf fallen, solange ich hier bin.“

Ihre Tante warf Macy einen prüfenden Blick zu. „Muss das sein? Kannst du die Sache nicht einfach auf sich beruhen lassen?“

Macys Magen krampfte sich zusammen. Sie hasste es, ihrer Tante noch mehr Kummer zu bereiten. Doch dann straffte sie ihre Schultern und sah Lenore gerade in die Augen. „Nein. Ich suche keinen Ärger, aber ich werde ihm auch nicht aus dem Weg gehen.“ Doch dann siegte ihre Ehrlichkeit. „Okay, schätzungsweise bin ich mit den Klamotten tatsächlich auf Ärger aus.“

Macy rieb sich die Schläfen. „Wahrscheinlich denkst du, dass ich jede Nacht wach liege und mir überlege, wie ich die Leute am besten ärgern kann. Aber ehrlich, Tantchen, das ist nicht so. Wenn ich nicht in Sugarville bin, denke ich kaum noch an die ganze Sache. Doch sobald ich die Stadtgrenze überquere, geschieht irgendwas mit mir. Und es tut mir leid, Tantchen, ich weiß, dass es viel leichter für die Familie wäre, wenn ich nicht so ein Problemfall wäre, aber ...“

„Hör auf, Macy Joleen – niemand hier will, dass du irgendwas an dir änderst. Ich glaube allerdings, dass es für dich besser wäre, die Sache einfach zu vergessen.“ Lenore tätschelte ihre Wange. „Aber du wirst tun, was du tun musst, bis du es nicht mehr tun musst.“ Sie machte einen Schritt zurück und fügte munter hinzu: „Allerdings nicht heute. Heute gehörst du ganz mir. Bleib hier bei mir, während ich die Einkäufe wegräume und die Schweinekoteletts brate. Hast du deinen Onkel Bud schon gesehen?“

„Nein. Janna sagte, dass er losgefahren ist, um im Gartencenter etwas abzuholen.“ Sie hob eine Augenbraue. „Habt ihr beiden euch jemals über eine Fahrgemeinschaft Gedanken gemacht?“

„Was für ein vorlautes kleines Ding du doch bist!“

„Vorlaut vielleicht, aber wohl kaum klein. Ich bin um einiges größer als du, Madam Kurz und Klein.“ Sie legte noch einmal die Arme um ihre Tante, um die fünfzehn Zentimeter Größenunterschied zu demonstrieren, und runzelte die Stirn, als sie bemerkte, dass ihre Tante ziemlich an Gewicht verloren hatte. Jannas Unfall hatte wohl alle sehr mitgenommen. Nun kam sich Macy sogar noch größer vor, obwohl sie barfuß war und ihre Tante ihre üblichen klobigen Clogs trug.

Lenore war siebzehn Jahre älter als Macys Mutter. Trotzdem waren die beiden Cousinen fast gleichzeitig zur Welt gekommen. Eigentlich hatten ihre Tante und ihr Onkel eher das Alter von Großeltern. Aber darüber hatte sich Macy als Kind nie Gedanken gemacht. Onkel Bud und Tante Lenore waren ihr sicherer Hafen gewesen. Zu ihnen war Macy geflüchtet, um der andauernden Reiselust ihrer Mutter zu entgehen. Die beiden waren einfach fantastisch – die besten Eltern, die ein Kind sich wünschen konnte.

Macy strich über Lenores Oberarme. „Wie kann ich helfen?“

„Wie schon gesagt: Hilf Janna bei allem, wobei sie sich helfen lässt. Außerdem hätte ich ein paar Sorgen weniger, wenn du dich um Ty kümmerst.“

„Ich meinte jetzt im Moment. Für dich“, sagte sie lachend. „Aber natürlich werde ich für Janna da sein. Wie geht es ihr, Tantchen? Sie ist so blass.“

„Sie macht Fortschritte. Du weißt ja, wie schwer es am Anfang für sie war, und die Reha hat ihr ziemlich zu schaffen gemacht. Aber jetzt ist sie zu Hause, und es geht ihr jeden Tag ein bisschen besser. Der Arzt geht davon aus, dass es mit ihrer Genesung schneller vorangeht, sobald sie mit der Physiotherapie begonnen hat.“

„Gut. Vor lauter Sehnsucht nach dir habe ich die arme Janna einfach da oben sitzen lassen. Ich schau mal schnell nach, ob sie alles hat, was sie braucht. Und dann komme ich zurück, um Kartoffeln zu schälen oder was auch immer. Soll ich erst noch schnell den Tisch im Esszimmer decken?“

„Nein, das ist Tys Aufgabe, aber ich glaube, ich habe ihn vorhin die Treppe raufstürmen hören. Abendessen ist um sechs, wie immer. Aber wenn es dir nichts ausmacht, dann sieh nach ihm und bitte ihn, jetzt schon zu decken. Und sag Charlie, wenn er hier essen will, kann er ruhig auch was tun.“ Sie schüttelte den Kopf. „Diese beiden“, sagte sie schroff. „Man könnte meinen, sie wären an der Hüfte zusammengewachsen.“ Doch Macy sah, dass ihre Tante lächelte.

Sie ging hinauf, um Ty und seinem Freund die Botschaft zu überbringen. Zwar beschwerten die beiden sich lautstark, rasten jedoch umgehend die Treppe hinunter. Macy blieb einen Moment vor ihrem und Jannas altem Zimmer stehen. Dann drehte sie am Knauf und trat ein.

Ihre beiden Betten waren durch ein großes Doppelbett ersetzt worden. Doch die dünnen Vorhänge, die vom Wind ins Zimmer geweht wurden, waren noch dieselben, genauso wie die gepunkteten Gardinenhalter. Und es roch noch wie früher – nach Bohnerwachs, frisch gewaschener Wäsche und einem Hauch von Mädchenparfüm. Janna und Macy hatten das billige Duftwasser früher gerne mal etwas großzügiger aufgetragen. So großzügig offenbar, dass sich der Geruch in den Tapeten festgesetzt hatte.

Mit diesem Zimmer verband Macy eine ganze Welt von Erinnerungen, sowohl guten wie auch schlechten. Die meisten allerdings waren gut.

Ihre Cousine schlief aufrecht im Stuhl, als sie einige Minuten später in das umgebaute Büro zurückkehrte. Macy fragte sich, ob sie sie wecken sollte, damit Janna sich in das bequemere Bett legen konnte. Doch das würde ihr nur unnötige Schmerzen bereiten. Sanft legte Macy ihr ein Kissen unter, damit Janna nicht auch noch einen steifen Hals bekam.

Dann nahm sie ein paar uralte Jeans aus dem Koffer, zog sie anstelle der engen Hüfthosen an und eilte zurück in die Küche, um ihrer Tante zur Hand zu gehen.

Kurz darauf kam Onkel Bud nach Hause. Er setzte sich zu Macy an den Küchentisch, wo sie gerade Erbsen enthülste. Um Viertel vor sechs ging sie zurück ins Büro. Janna stützte sich auf eine Krücke und sah in den Spiegel, während sie mit einer Hand versuchte, die Perücke in Form zu bringen, die auf einer Seite platt gedrückt war. Nachdem Macy das für ihre Cousine übernommen hatte, reichte sie ihr den Lippenstift zum Auffrischen und begleitete sie dann mit Minischritten den Flur hinunter.

Aus dem Esszimmer kamen Stimmen und das scharrende Geräusch von Stühlen, als sich die Gäste der Pension versammelten. Macy lächelte in sich hinein. Genau wie früher war sie gespannt auf die Zusammensetzung der Gästeschar.

Doch bereits in der nächsten Sekunde verging Macy das Lächeln gründlich. Wie angewurzelt blieb sie auf der Türschwelle stehen. Jannas Krücke knallte gegen ihre Ferse. „Das ist nicht wahr“, stieß Macy ungläubig hervor.

Dort, mitten am Tisch, saß mit breiten Schultern und einem kleinen Lächeln im Gesicht der Mann, den sie hier als Allerletztes zu sehen erwartet hatte.

Dieser verflixte Fire Chief Gabriel Donovan.

3. KAPITEL

Gabe hörte Macys Stimme, und für eine Sekunde schien die Welt stillzustehen. Dann begann der Planet sich wieder zu drehen. Als Lenore unter lautem Klappern die Teller auf den Tisch stellte, hatte er bereits wieder sein Pokergesicht aufgesetzt. Teufel noch mal! Eine Frau durfte doch nicht die Welt zum Stillstand bringen! Und schon gar nicht diese O’James. Verdammtes Pech, dass sie ihm schon wieder über den Weg laufen musste. Obwohl er damit hätte rechnen müssen. Schließlich war sie die Nichte der Watsons. Wo sonst hätte sie sein sollen?

Komisch war nur, dass er Macy O’James zuerst gar nicht erkannt hatte. Sein Blick war auf dieses freche blonde Haar gefallen. Aber irgendwie hatte das Gesicht nicht dazu gepasst. Jannas Gipsbein hätte ihn allerdings gleich auf die richtige Spur bringen müssen. Während sie sich vorsichtig setzte, warf Gabe einen Blick auf die Frau, die Janna die Krücken hielt.

Hitze durchströmte seinen Körper.

Was er zu ignorieren versuchte, indem er sich auf die Gründe für die Verwechslung konzentrierte. Er hatte Macy nicht gleich erkannt, obwohl sie – ehrlich gesagt – nicht so leicht zu übersehen war. Doch von der Matrosenbluse abgesehen, erinnerte nichts an ihr Aussehen vor ein paar Stunden. Sie war eine vollkommen andere Frau.

Ihr Haar hatte eine ganz andere Farbe. Es war jetzt braun – wie ein gutes Altbier. Sie trug es lang, und der stumpf geschnittene Pony betonte ihre Wangenknochen, während die platinblonde Perücke die Aufmerksamkeit vor allem auf die Augen gelenkt hatte. Grün-braune Augen, mit leichten Bernsteineinsprengseln.

Gabe holte tief Luft und analysierte schleunigst weiter: Was die Klamotten betraf – O’James hatte diese unmöglichen Shorts gegen ein paar alte Jeans getauscht und war barfuß. Auf diese Weise glich sie eher einer reizenden Farmerstochter als einem heißen Pin-up-Girl. Dieselbe Frau, eine andere Fantasie.

Vielleicht war Macy O’James deshalb in diesen Musikvideos so gut – sie war ein Chamäleon, konnte ihr Aussehen vollständig verändern und doch immer ein Traummädchen bleiben.

„Hey, Mr Grandview“, sagte das Traummädchen gerade mit seiner heiseren Stimme und betrachtete den alten Mann neben ihm wie ein Gottesgeschenk. „Es ist so schön, Sie wiederzusehen. Brechen Sie immer noch sämtliche Frauenherzen?

Um Himmels willen, dachte Gabe angewidert, der Mann war mindestens achtzig. Aber offenbar war alles, was O’James zum Flirten brauchte, ein Puls.

Wobei Grandview natürlich nichts dagegen einzuwenden hatte. „Klar, Ma’am“, stimmte er kichernd zu. „Kommen Sie mal zum Seniorennachmittag in die Grange Hall, da umschwärmen mich die Damen wie Bienen den Honig.“

Macy warf ihm ein bewunderndes Lächeln zu. „Sie waren schon immer ein echter Teufelsbraten, was die Ladys betrifft.“

Lenore reichte Dawson zu ihrer Linken eine große Schüssel Erbsen und nahm Platz. „Bedienen Sie sich, bevor es kalt wird. Das hier ist übrigens meine Nichte Macy O’James. Macy, das ist Brian Dawson. Er und Mike Schwab und Jim Holstrom studieren Agrarwissenschaften am Experimental. Diese beiden Turteltäubchen“, fuhr sie fort und nickte einem Pärchen zu, das ununterbrochen flüsterte und verstohlene Berührungen austauschte, „sind Justin und Tiffany McMann.“

„Frisch verheiratet?“, fragte Macy, während sie die Platte mit Schweinerippchen entgegennahm und eines davon auf ihren Teller legte. Sie wandte sich an ihre Cousine. „Möchtest du eines teilen?“

„Gern“, sagte Janna und reichte die Platte weiter. „Aber erwarte bloß nicht, dass ich auch meine Kartoffeln teile.“

Macy wandte sich wieder an das Pärchen. „Verzeihung. Ich hatte nicht vor, eine Frage zu stellen, ohne die Antwort abzuwarten.“ Verblüfft bemerkte sie, dass das Pärchen sie ignorierte. Die beiden Frischvermählten waren völlig in sich selbst versunken. Macy lachte. „Okay. Die Antwort ist auch so deutlich genug.“

Lenore schnaubte leise. „Und dieser große Junge dir gegenüber“, sagte sie, „ist Gabriel Donovan. Unser neuer Fire Chief.“

Gabe erwartete fast, dass Macy so tat, als würde sie ihn zum ersten Mal sehen. Doch sie bedachte ihn nur mit einem kurzen Nicken, bevor sie sich wieder an ihre Tante wandte. „Wir haben uns schon auf dem Highway kennengelernt“, sagte sie. „Johnny Angelini hat mich gestoppt, weil ich zu schnell gefahren bin. Und Mr Donovan war bei ihm. Allerdings wusste ich nicht, dass er hier wohnt.“

„Ich bin gerade dabei, ein Haus zu bauen“, sagte Gabe betont höflich. Dann warf er Lenore ein Lächeln zu. „Ich weiß allerdings nicht, wie ich es ohne Ihre Kochkünste aushalten soll, wenn das Haus erst mal fertig ist.“ Beiläufig wandte er sich an Macy: „Nennen Sie mich doch Gabe.“

In der nächsten Sekunde war am Tisch die Hölle los. Brian, Mike und Jim bestanden darauf, dass Macy sie ebenfalls beim Vornamen nannte. In ihrem Eifer glichen die drei einem Wurf tollpatschiger Hundebabys. Gabe schüttelte den Kopf. Du meine Güte. Man sollte nicht denken, dass erwachsene Männer so etwas nötig hatten.

Schnell richtete er seine Aufmerksamkeit auf Janna. „Du siehst heute wirklich hübsch aus.“

Röte stieg in ihre Wangen. „Vielen Dank. Macy hat mich so rausgeputzt.“

„Mom sieht wirklich toll aus, oder?“, meldete sich Tyler zu Wort. „Und dafür musste sie nicht mal ihre Haare färben.“

„Genau“, stimmte Charlie mit vollem Mund zu. „Das ist eine Perücke von Tante Macy.“

Nur zu gerne hätte Gabe die liebe Tante Macy einer genauen Musterung unterzogen. Doch derartigen Schwächeanfällen durfte man gar nicht erst nachgeben. Also riss er sich zusammen und widmete sich wieder Janna und ihrer Perücke: „Steht dir sehr gut.“

„Nicht wahr?“, stimmte Lenore zu. „Und es ist so schön, wieder etwas Farbe auf ihren Wangen zu sehen.“

„Hat Johnny dir einen Strafzettel verpasst, Liebes?“, fragte Bud Macy leise. Gabe spitzte die Ohren: Er war gespannt, wie Macy auf diese Frage reagierte. Verärgert? Mit derselben Arroganz, die Johnny und er schon zu spüren bekommen hatten?

Doch Macy zuckte nur die Achseln. „Nö. Johnny war immer ein ziemlich anständiger Kerl. Er hat nur eine Verwarnung ausgesprochen.“

Charlie beugte sich vor, um Macy zu betrachten. „Meine Schwester sagt, Sie sind so was wie ein Filmstar oder so.“

Tyler verdrehte die Augen. „Ich hab ihm immer wieder gesagt, dass du nich ‘n Filmstar nicht bist.“

„Du hast ihm gesagt, dass sie kein Filmstar ist“, korrigierte ihn seine Mutter.

„Ich weiß! Aber meine Schwester Amy sagt, dass sie’s trotzdem ist.“

Macy warf dem Jungen ein kleines Lächeln zu. „Tyler hat recht, Charlie. Ich bin in ein paar Musikvideos zu sehen. Aber was das Filmgeschäft betrifft, da bin ich nicht mal ein kleiner Fisch im großen Teich. Ich bin nur ‘ne winzig kleine Krabbe. Plankton, quasi.“ Sie deutete auf den Korb neben Charlies Ellbogen. „Kannst du mir den bitte mal reichen?“

Sie nahm den Korb mit beiden Händen entgegen, hielt ihn sich unter die Nase und atmete tief ein. Dabei begann sie, mit geschlossenen Augen genüsslich zu lächeln.

Gabe konnte den Blick kaum von Macy wenden. Leider öffnete sie im nächsten Moment die Augen. Mist! Jetzt hatte sie ihn doch glatt dabei ertappt, wie er sie anstarrte.

Gabe spürte, wie ihm heiß und kalt wurde. Macys Blick fühlte sich an, als würde sie mit dem Finger über seine Brust streichen. Als sich Macy nun auch noch mit der Zunge über die Unterlippe fuhr, war es um ihn geschehen. Zum Glück verdeckte das Tischtuch seine Erektion.

Verdammt! Er kapierte einfach nicht, warum diese Augen und diese Stimme, warum einfach alles an Macy O’James eine solche Wirkung auf ihn hatte. Normalerweise gingen ihm Frauen nie unter die Haut. Das ließ er einfach nicht zu.

Und trotzdem saß er jetzt hier – ganz gebannt von Macys kleinen Spielchen. Wie weit würde sie gehen? Würde sie tatsächlich vor den Augen von Onkel und Tantchen anzüglich werden?

Im nächsten Moment wurde er eines Besseren belehrt. Macy O’James wurde keineswegs anzüglich. Sie betrieb höfliche Konversation wie ein braves kleines Mädchen: „Das verstehe ich gut, Gabe“, murmelte sie. „Niemand kann so toll kochen wie Tante Lenore. Da müssen Sie sich in Ihrem neuen Haus ganz schön umgewöhnen.“

Und genauso schnell, wie sie ihn angesehen hatte, sah sie auch wieder weg, um sich ein Brötchen zu nehmen und den Korb an Janna weiterzureichen.

Und er ... Verdammt noch mal! Er fühlte sich doch glatt ... im Stich gelassen. Als hätte man ihm etwas weggenommen, wonach er sich schrecklich sehnte.

Macy hatte Janna gerade in einen mit Kissen vollgepackten Stuhl verfrachtet, als ihre Cousine sich auch schon wieder hochhieven wollte.

„Halt!“ Macy legte eine Hand auf ihre Schulter. „Bleib sitzen. Was brauchst du?“

„Ich brauche gar nichts. Aber ich habe Tys Uniform für das Baseballspiel morgen vergessen. Verdammt, ich wollte vorhin schon nachschauen, ob sie sauber ist oder mal wieder unter seinem Bett vermodert.“ Sie hatte die Hände auf die Armlehnen gelegt, bereit, sich wieder auf die Beine zu stemmen.

„Sitzen geblieben“, befahl Macy. Als Janna die Augen zusammenkniff, grinste sie: „Sieh mich nicht so an. Genau aus diesem Grund wolltest du doch, dass ich komme. Also atme einmal tief durch. Und ich laufe hinauf und kümmere mich darum. Wenn die Uniform unter dem Bett liegt, dann werde ich sie in die Waschmaschine schmeißen. Ist doch kein Ding. In diesem Haus muss ständig was gewaschen werden.“

„Okay.“ Aufatmend ließ sich ihre Cousine wieder in die Kissen sinken. „Danke.“ Sie fuhr sich mit einer Hand über den Mund. „Gott, wie ich das hasse. Aus jedem winzigen Maulwurfhügel wird ein verdammter Mount Everest.“

„Ich weiß. Aber deswegen hast du mich doch geholt – ich bin deine erwählte Bergsteigerin. Also, leg dein Bein hoch. Lies ein Buch. Ich kann auch Glücksrad im Fernsehen anmachen, wenn dir das lieber ist. Brauchst du etwas aus der Küche?“

„Gott, nein. Ich bin noch voll vom Abendessen.“

Macy nickte. „Tja. War kein Scherz, als ich dem Fire Chief sagte, dass deine Mom verdammt gutes Essen auftischt.“

Doch das Letzte, woran sie denken wollte, war Gabriel Donovan. Sie hasste die Tatsache, dass dieser Mann sie so durcheinanderbrachte, wo er sie doch nur mit kühler Distanz betrachtete.

„Na gut“, sagte Macy betont munter. „Dann werde ich mal den Zustand von Tys Uniform in Erfahrung bringen.“

Sie nahm zwei Stufen auf einmal, spazierte dann den Flur entlang und klopfte an die Tür der Rumpelkammer.

„Wer ist da?“, hörte sie Tylers gedämpfte Stimme.

„Eine Abgesandte von Ihrem befehlshabenden Offizier, Matrose Purcell. Offnen Sie.“

Die Tür wurde aufgerissen. „Ich bin kein Matrose, Tante Macy – ich bin der Kapitän des U-Boots!“

„Mein Fehler, Käpt’n. Also, bist du für das morgige Spiel gerüstet? Ist deine Uniform tipp topp in Ordnung?“

„Klar. Grandma hat sie für mich gewaschen, sie hängt in meinem Schrank. Auf einem Bügel und alles.“

„Hervorragend. Wie steht’s mit deinen Schuhen und all dem Kram? Auch alles bereit?“

„Hmm.“ Ty seufzte lang und gequält. „Können Charlie und ich jetzt weiterspielen?“

Über seine Schulter sah Macy, wie Charlie sich umdrehte, um sie anzustarren. Sie legte Tyler einen Ellbogen um den Nacken und verpasste ihm eine kleine Kopfnuss. „Ja, könnt ihr“, sagte sie und ließ ihn frei. „Nachdem ihr ...“

Er knallte ihr vor der Nase die Tür zu.

„Männer.“ Macy grinste. „Wenn ich heute mal nicht eine Menge Punkte bei den Jungs unter zwanzig sammle, dann weiß ich auch nicht.“

Lächelnd drehte sie sich um und schrie überrascht auf, als sie gegen jemanden prallte. Sie streckte die Hand aus, um das Gleichgewicht nicht zu verlieren, riss sie aber sofort wieder zurück, als sie den Bauch von – wie hieß er noch gleich – berührte. Einer von diesen Studententypen.

„Immer schön vorsichtig.“ Er fasste sie am Oberarm.

„Verzeihung, ich habe Sie nicht gesehen.“ Hastig trat Macy einen Schritt zurück. Erst als der Typ die Hände sinken ließ, atmete sie wieder etwas leichter. Innerlich schimpfte sie mit sich selbst: Himmel, Mädchen, reiß dich mal zusammen. Das hier ist ein schüchterner junger Mann und nicht Jack the Ripper. „Ah, Brian, richtig?“

„Ja. Hey, beim Abendessen hatte ich keine Gelegenheit, Ihnen zu sagen, wie sehr mir Ihre Videos gefallen. Burn, Baby, Burn? Mann, da waren Sie echt scharf. Ein Wahnsinnshammer!“

Macy zog einen Mundwinkel nach oben. „Was für ein Kompliment, Mr Dawson.“

Er lachte. „Ich kann einfach nicht glauben, dass ich Sie treffe. Sie sollen nur wissen, wie heiß ich Sie in diesem Video fand.“

Weil er nicht anzüglich grinste, unterdrückte sie ein Seufzen. Aber, mein Gott, sie hatte es satt zu hören, wie heiß sie war. Zum Glück hatte sie vor Kurzem ihr Arbeitsfeld hinter die Kamera verlegt. Aber da dieser Junge es absolut ernst meinte, drehte sie für ihn ein bisschen auf. „Sie sind ein Schatz. Ich bin so froh, dass es Ihnen gefällt.“

„Oh Mann, wirklich. Ich mag sie alle, aber besonders dieses ...“ Er unterbrach sich selbst, als hinter ihr die Badezimmertür aufging und nach Shampoo duftender Dampf in den Flur drang. „Oh. Hey Gabe.“

Verdammt.

„Ich habe Macy hier gerade gesagt, wie toll ich sie in Burn, Baby, Burn fand.“

„Ist er nicht einfach süß?“ Auf alles gefasst drehte Macy sich um – und verschluckte beinahe ihre Zunge. Vor ihr stand Gabe, bekleidet mit nichts als zwei Handtüchern. Eines hatte er um die Hüften geschlungen. Das andere lag dekorativ um seinen Nacken. Obwohl ihr schrecklich heiß war, musterte Macy ihn eiskalt: von seinem feuchten Haar über die großen Hände, mit denen er das Handtuch festhielt, bis zu seinen nackten Füßen. „Nun, Sie sind ja ein Bild von einem großen, starken Mann. Laufen Sie immer halb nackt durch die Gegend, Mister-nennen-Sie-mich-doch-Gabe?“

„Mit Kleidern zu duschen erscheint mir schwierig“, erwiderte er trocken.

„Und doch ist es so einfach, sich abzutrocknen und im Badezimmer wieder anzuziehen.“ So einfach wollte Macy sich nicht geschlagen geben!

„Ich schätze, wir alle haben uns daran gewöhnt, nachdem hier oben nur Jungs wohnen“, sagte Brian. Er warf einen nervösen Blick auf die beiden Streithähne. „Nun, ahm, hey. Ich verdufte lieber. War nett, mit Ihnen zu plaudern, Macy.“

„Find’ ich auch, Herzchen.“ Sie drehte sich zu ihm herum. „Wir werden uns bestimmt öfter sehen.“ Sie blickte ihm nach, wie er den Flur entlangging, und winkte ihm zu, als er vor dem grünen Raum stehen blieb. Mit eingezogenem Kopf lächelte er schüchtern und betrat dann das Zimmer.

Macy atmete tief ein und wandte sich wieder zu Gabe um. Nur um festzustellen, dass er geräuschlos einen riesigen Schritt nach vorn getreten war und sie jetzt praktisch mit der Nase seine leicht behaarte Brust berührte.

„Hallo!“ Sein Seifen- und Rasierwasserduft umfing sie. Hastig trat Macy einen Schritt zurück und betrachtete die frisch rasierte Haut an Wangen und Kinn. „Sie schleichen sich ja ganz schön ran, Sie Teufelskerl.“ Gegen ihren Willen wanderte ihr Blick zurück zu der feinen Wolke schwarzen Haars auf seinen Brustmuskeln.

„Sie können es einfach nicht lassen, oder?“, grollte Gabe.

Ein Tropfen Wasser lief seinen Hals herab und rollte über das Schlüsselbein in Richtung Brustbehaarung. Macy holte tief Luft. Ich werde ihn nicht auflecken, ich werde ihn nicht auflecken. Sie zwang sich, Gabe wieder ins Gesicht zu sehen. „Wie bitte?“ Im Geiste wiederholte sie seine Frage und hob das Kinn. „Was kann ich nicht lassen?“

„Zu flirten. Für Sie gehört das einfach dazu, oder? Egal ob es sich um grüne Jungs handelt oder um alte Knacker, die bereits mit einem Bein im Grab stehen – gibt es denn niemanden, den Sie nicht anmachen würden?“

„Ich kann mich nicht erinnern, mit Ihnen geflirtet zu haben. Ist es das, was Ihnen so gegen den Strich geht, Schätzelchen? Fühlen Sie sich übergangen?“ Macy war klar, dass man sich mit diesem Mann besser nicht anlegte. Ihr Herz klopfte wild, als sie auf Gabes Reaktion wartete. Aber sie hatte früh gelernt, niemals zurückzuweichen. Früher oder später würde sie sich mit Mister Fire-Chief sowieso in die Wolle kriegen. Also machte sie wieder einen Schritt nach vorn und berührte mit der Fingerspitze den Wassertropfen, der jetzt in seinem Brusthaar hing.

Auf den Schock, den diese simple Berührung in ihr auslösen würde, war sie allerdings nicht vorbereitet. Unwillkürlich hob sie den feuchten Finger an die Lippen.

Bevor sie ihn ablecken konnte, schoss Gabes Hand nach vorn und umklammerte ihr Handgelenk. Dann führte er ihren Finger in seinen Mund. Feuchte Hitze schien Macy ganz und gar zu umfangen. Ihre Knie drohten nachzugeben.

In der nächsten Sekunde hatte Gabe sie schon losgelassen. „Ich bin weder ein grüner Junge noch ein alter Mann“, sagte er leise. „Vielleicht sollten Sie es sich zweimal überlegen, mir irgendein Angebot zu machen. Ich könnte sie nämlich beim Wort nehmen.“ Er ging an Macy vorbei, und ihre komplette linke Seite wurde warm, als sein nackter Arm daran entlangstrich.

Macys Herz war kurz davor, den Dienst zu versagen. Zitternd drehte sie sich um und sah Gabes Gestalt nach: den breiten Schultern, dem geraden Rücken und den langen Beinen. Ja, dachte Macy benommen, das sollte sie sich wirklich zweimal überlegen. Denn, heiliger Bimbam.

Heiliger, heiliger Bimbam. Es war nur ein simples Saugen an einem lausigen Finger gewesen, Herrgottnochmal. Er hatte nicht etwa das Handtuch fallen lassen und sie gegen die nächstbeste Wand gedrückt. Das Problem war, dass sie sich genau das gewünscht hätte.

Autor

Susan Andersen
Die New York Times-Bestsellerautorin Susan Andersen wuchs in Seattle auf. Sie hat zwei ältere Brüder, die ihr früh zeigten, wie Männer ticken. Noch heute profitiert sie davon, wenn sie ihre männlichen Protagonisten beschreibt und in witzige Dialoge verstrickt. Mit großem Erfolg: Regelmäßig klettern ihre Romane auf die Bestsellerlisten. Susan Andersen...
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