Mit einem Trick ins große Glück

– oder –

 

Rückgabe möglich

Bis zu 14 Tage

Sicherheit

durch SSL-/TLS-Verschlüsselung

So einen wie Mike hat sich Tammy immer als Ehemann und Vater ihrer ungeborenen Kinder erträumt. Doch der weltgewandte Mediziner aus Philadelphia hält sie für ein Landei! Unauffällig will die schöne Rancherin seinen Gefühlen für sie mit einem kleinen Trick auf die Sprünge helfen …


  • Erscheinungstag 28.09.2017
  • ISBN / Artikelnummer 9783733734848
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Es gab vieles, was Tammy Byrd lieber an einem Samstagnachmittag unternommen hätte, als fünf Stunden im Auto zu sitzen, um einige Verwandte zu treffen, die sie noch nie zuvor gesehen hatte. Aber leider führte kein Weg daran vorbei.

Ihr Großvater väterlicherseits lag im Sterben. Deswegen hatte er die zerstrittene Familie zusammengerufen.

Als Tammy von dem Wunsch des alten Mannes erfahren hatte, hatte sie zuerst gedacht, dass ihr Vater, sein Sohn also – ein echter Dickschädel vor dem Herrn – sich stur stellen und weigern würde.

Doch dann hatte er sie mit der Ankündigung verblüfft, dass er hinfahren würde. Außerdem hatte er darauf bestanden, dass sie und ihre Brüder mitkamen.

Vielleicht hatte er ein schlechtes Gewissen. Möglicherweise tat er es auch aus Liebe. Oder weil er die Sache endlich aus der Welt schaffen wollte.

Er hatte sogar versucht, Tammys Brüder zu erreichen. Aber die waren gerade beim Fischen in Montana. Es würde noch Tage, wenn nicht sogar eine Woche dauern, bis sie die Nachricht erhielten.

Tammy hatte an diesem Morgen ihre Tasche gepackt, um den Rest ihrer Familie kennenzulernen – einen sterbenden Großvater, einen Onkel und zwei Cousinen, die sie noch nie zuvor gesehen hatte. Weil sie lieber mit dem eigenen Auto unterwegs war, hatte sie sich ans Steuer ihres kleinen Pick-ups gesetzt und die Ranch ihres Vaters hinter sich gelassen.

Jetzt, fünf Stunden später, hatte sie Buckshot Hills beinahe erreicht. Bei einem Eichenwäldchen, das ihr Vater ihr beschrieben hatte, wurde sie langsamer. Sie sah sich nach dem Wegweiser um. Hoffentlich hatte sie die richtige Straße – die Flying B Road – gefunden.

Da. Ein großes, protziges Schild aus Gusseisen.

Bevor sie abbiegen konnte, raste ein schwarzer Dodge Ram an ihr vorbei. Beim Vorbeifahren geriet das Auto mit dem linken Hinterreifen in eine schlammige Pfütze. Ein Riesenschwall schmutziges Wasser spritzte über ihren kleinen, weißen Truck.

So ein Mistkerl.

Sie wollte schon wütend hupen. Doch dann hielt sie sich in letzter Sekunde zurück. Schließlich könnte es sich um Verwandtschaft handeln. Es war ja nicht unbedingt nötig, sich mit den Leuten noch vor der ersten Begegnung zu überwerfen.

Daher überwand sie ihren Ärger und bog rechts auf die Straße zur Ranch ab.

Beim Fahren warf sie einen Blick auf die sanften Hügel und die saftigen Weiden mit den grasenden Kühen. Das war wirklich ein wunderschönes Stück Land. Tammy fragte sich, wie es war, hier aufzuwachsen – statt auf der kleinen Farm in Grass Valley, die ihr Vater von seinem Großvater mütterlicherseits geerbt hatte.

Dann fuhr sie auf das weitläufige Ranchhaus zu und parkte neben dem Dodge Ram.

Ein dunkelhaariger Mann um die Dreißig saß auf dem Fahrersitz und telefonierte.

Er war zu jung, um ihr Onkel zu sein.

Sie stellte den Motor ab. In diesem Augenblick stieg der Mann aus.

Anders als Cowboys und Rancharbeiter trug er blank polierte Halbschuhe, eine schwarze Hose und ein hellblaues Button-down-Hemd. Sein dichtes schwarzes Haar und der dunkle Teint ließen auf mexikanische Herkunft schließen.

Tammy stieß einen leisen Pfiff aus. Es kam selten vor, dass sie einen zweiten Blick auf jemanden warf. Aber dieser Mann … war irgendwie anders.

Ihr Herz klopfte so heftig, dass sie es durch den Sicherheitsgurt spüren konnte. Wer war dieser Mann?

Er holte eine abgenutzte Ledertasche aus dem Truck. Als sich ihre Blicke zufällig begegneten, lächelte er verhalten. Dann nickte er grüßend und verschwand in Richtung Haus.

Und Tammy saß einfach nur da und starrte ihm fasziniert hinterher.

Als sie wieder klar denken konnte, ging er bereits die Treppe hinauf. Hastig sprang sie aus ihrem Truck und zerrte ihren Koffer von der Ladefläche. Dann folgte sie dem Unbekannten zur Haustür.

Als sie sich der Veranda näherte, machte eine Frau mit grau meliertem Haar die Tür auf.

„Guten Tag“, sagte sie. „Kommen Sie herein, Doc.“

Also handelte es sich bei dem attraktiven Fremden um den Arzt ihres Großvaters.

„Danke“, sagte er. „Wie geht es Tex heute, Tina?“

„Etwas schlechter als gestern. Kann ich Ihnen etwas anbieten?“, fragte die Frau und ließ ihn herein. „Vielleicht eine Tasse Kaffee? Barbara hat gerade Blaubeermuffins gebacken.“

„Aber gern. Ich bin begeistert.“

Erst nachdem er ins Haus gegangen war, bemerkte die Frau Tammy.

„Guten Tag“, sagte Tammy, als ihr klar wurde, dass sie sich vorstellen musste. „Ich bin die Tochter von William. Mr Byrd erwartet mich.“

Die ältere Frau begrüßte sie mit einem Lächeln. „Ich bin Tina Crandall, die Haushälterin. Bitte treten Sie ein.“

Tammy trug ihren Koffer ins Haus.

„Ich fürchte, Ihr Großvater kann im Augenblick nicht mit Ihnen sprechen“, sagte Tina. „Sie haben ja gesehen, dass sein Hausarzt gerade gekommen ist. Am besten zeige ich Ihnen erst mal Ihr Zimmer. Dann können Sie sich frisch machen.“

Tammy sah an sich hinunter. Sie trug ein blaues Flanellhemd und eine Jeans. Klar, andere Frauen würden sich jetzt erst mal die Nase pudern oder Lippenstift auftragen. Tammy hatte sich jedoch noch nie für Make-up begeistern können. Aber sie hatte nichts dagegen einzuwenden, ihr Gästezimmer zu sehen. „Gern. Vielen Dank.“

Tina führte Tammy in ein großes Wohnzimmer. Der Raum hatte einen rustikalen Charme, mit weiß getünchten Wänden, schwarzen Holzbalken und einem gemauerten Kamin, an dem ein Hirschgeweih hing. Die Einrichtung war sehr maskulin.

Das gefiel ihr. Sie war als einziges Mädchen unter lauter Männern aufgewachsen. Von klein auf hatte sie den Ehrgeiz gehabt, nicht nur mit ihren Brüdern mitzuhalten, sondern sie sogar zu übertrumpfen. Mittlerweile gab es nicht viele Cowboys auf der Ranch ihres Vaters, die es mit ihr aufnehmen konnten.

„Wenn Sie so weit sind“, sagte Tina mit einem Blick über ihre Schulter, „zeige ich Ihnen die Küche. Barbara hat zwei Tage unermüdlich gebacken und gekocht, damit kein Gast verhungern muss.“

„Klingt gut.“ Tammy fragte sich, wie reich ihr Großvater Tex war, dass er sich eine Haushaltshilfe und eine Köchin leisten konnte.

Zu Hause kümmerte sich Tammy ganz allein um den Haushalt, vor allem ums Kochen. Und das machte sie gar nicht mal schlecht. Natürlich beklagte sie sich bei jeder Gelegenheit über ihre anstrengende Tätigkeit, damit man ihr Opfer auch zu würdigen wusste. Die Männer sollten bloß nicht glauben, dass ihr die Küchenarbeit Spaß machte. „Bin ich die Erste?“

„Bis jetzt schon.“

Tammy rieb sich den Oberschenkel. Sie war ziemlich nervös. Der Doc schien Tammy gar nicht zu bemerkt zu haben, worüber sie zu ihrer Überraschung etwas enttäuscht war. So kannte sie sich gar nicht.

Zum ersten Mal wünschte sie sich, sie hätte nicht nur Jeans und Männerhemden eingepackt. Was soll’s, dachte sie. Ich habe mich noch nie herausgeputzt, um für Männer schön zu sein, und das bedaure ich auch kein bisschen.

Außerdem sollte sie sich wirklich mehr Gedanken darüber machen, warum sie überhaupt hier war. Am Ende dieses Flurs lag ihr Großvater Jasper J. „Tex“ Byrd im Sterben. Tammy wollte ihm wenigstens sagen, wie leid ihr das tat.

Allerdings wäre das leichter, wenn sie nicht daran denken müsste, wie sie bei der Gelegenheit seinen gut aussehenden Arzt kennenlernen könnte.

Mike Sanchez steckte das Stethoskop weg. Dann setzte er sich auf den Stuhl neben das Bett. „Wie bekommen Ihnen die Schmerzmittel?“

„Ohne wäre es schlimmer.“

Mike konnte die Dosis erhöhen. Außerdem konnte er Morphium verschreiben. Doch damit hatte er warten wollen, bis es wirklich nicht mehr anders ging. Vielleicht war es jetzt schon so weit.

Der weißhaarige alte Rancher verlagerte mühsam das Gewicht. Als er sich zurücklehnte, verzog er vor Schmerzen das Gesicht. „Meine beiden Söhne und die Enkel und Enkelinnen kommen her. Habe ich Ihnen das schon erzählt, Doc?“

„Sie haben erwähnt, dass Sie alle eingeladen haben.“

Tex schloss für einen Moment die Augen. „Ich war mir nicht sicher, wie sie reagieren würden. Dieser verdammte Familienstreit zieht sich jetzt schon so lange hin, über dreißig Jahre. Ich habe manchmal gedacht, dass ich allen völlig egal bin. Flying B eingeschlossen.“

„Ich glaube, dass Ihr erster Gast schon angekommen ist“, sagte Mike.

Ein Lächeln glitt über das raue Gesicht des Alten, milderte die Falten und verlieh seinem blassen Teint etwas Farbe. „Ach ja? Wer denn?“

„Da bin ich mir nicht ganz sicher. Ein Mädchen – oder eher eine junge Frau. So um die zwanzig. Langes, dunkles Haar, Pferdeschwanz. Fährt einen kleinen, weißen Pick-up.“

„War sie schick zurechtgemacht, wie ein Stadtmädchen? Oder in Jeans wie ein Lausejunge?“

„Kein Make-up, soweit ich das erkennen konnte. Und sie trug eine abgetragene Jeans und ein blaues Männerhemd.“

„Das muss Tammy sein“, sagte Tex. Seine müden grauen Augen leuchteten auf. „Die Tochter von William. Ein richtiges Cowgirl, nach allem, was ich so gehört habe. Kann angeblich besser reiten und mit dem Lasso umgehen als die meisten Männer.“

Darüber konnte Mike sich natürlich kein Urteil erlauben. Die junge Frau hatte zwar burschikos gewirkt, aber sie war auch zierlich. Er hatte keine Ahnung, wie kräftig und geschickt sie war. „Ich dachte, Sie hätten Ihre Enkel noch nie gesehen.“

Der alte Mann zuckte die Achseln. „Nur auf Fotos.“

Tex hatte höchstens noch ein paar Wochen zu leben. Aber der Rancher war ein zäher alter Mann, der wusste, was er wollte. Vielleicht würde er es tatsächlich schaffen, den Familienfrieden vor seinem Tod endlich wiederherzustellen.

Soweit Mike bekannt war, hatte es vor dreißig Jahren einen heftigen Familienstreit gegeben. Beide Söhne hatten der Flying B Ranch und Buckshot Hills voller Zorn den Rücken gekehrt und sich nicht wieder dort blicken lassen. Aber niemand schien Genaueres zu wissen.

Tex holte mühsam Atem. Er seufzte. Bald würde nicht mehr ohne zusätzlichen Sauerstoff auskommen. Mike sollte schon mal alles Notwendige bestellen. „Wissen Sie“, sagte der alte Mann, „ich wollte den Arzt nicht wechseln. Ich hatte gehofft, dass Doc Reynolds inzwischen wieder zurück sein würde. Aber Sie scheinen Ihr Fach wirklich zu verstehen – für so einen jungen Kerl.“

Mike hatte auch nie vorgehabt, hier den Hausarzt zu spielen. Nach fast vier Monaten in Buckshot Hills zählte er inzwischen die Tage, bis er nach Philadelphia zurückkehren konnte. Er war in Philadelphia aufgewachsen, und seine Mutter lebte immer noch dort. Sie arbeitete als Haushälterin für George Ballard, einen reichen Geschäftsmann. Als George erfahren hatte, dass Mike zum Medizinstudium zugelassen worden war, hatte er großzügigerweise angeboten, die Kosten zu übernehmen.

Mike hatte natürlich geschworen, ihm später alles zurückzuzahlen. Aber George wollte nichts davon hören. Stattdessen hatte er erklärt: „Wenn ich mal einen Leibarzt brauche, erwarte ich ganz einfach, dass du alles stehen und liegen lässt.“

Das hatte Mike fest versprochen. Wie ernst Ballard das gemeint hatte, war ihm natürlich nicht klar gewesen. Er hatte auch nicht damit gerechnet, dass die Frau seines Wohltäters einen Onkel hatte, den sie über alles liebte. Dr. Stanley Reynolds war Landarzt in Buckshot Hills, Texas, und jetzt war er schwer krank.

Ohne die neue Therapie für Gehirntumore, die nur in einer Spezialklinik an der Ostküste durchgeführt wurde, würde Dr. Reynolds sterben. Aber er hatte sich geweigert, seine Patienten in Buckshot Hills im Stich zu lassen.

Und so hatte George Ballard Mike gebeten, für Dr. Reynolds einzuspringen.

Diese Tätigkeit war eine Enttäuschung für den jungen Arzt. Der Alltag in Buckshot Hills hatte mit dem Stadtleben, das Mike liebte, nicht viel gemein. Auch nicht mit seinen sonstigen Plänen und Träumen. Doch er hatte zu seinem Versprechen gestanden und sofort zugesagt.

„Danke, dass Sie vorbeigekommen sind“, sagte Tex. „Sehe ich Sie morgen wieder?“

„Ja. Aber erst gegen Abend.“ Mike schüttelte seinem Patienten zum Abschied die Hand. „Rufen Sie gern an, wenn Sie vorher etwas brauchen.“

„Mache ich. Danke, Doc.“

Als Mike ins Wohnzimmer kam, traf er auf die Enkelin, die dort auf einem Ledersofa saß. „Tammy?“

Mit großen Augen, die so blau waren wie der Sommerhimmel, sah sie ihn an. „Ja?“

Er streckte die Hand aus. „Wir sind uns noch nicht vorgestellt worden. Ich bin Dr Mike Sanchez, der Hausarzt ihres Groß­vaters.“

Sie stand auf. „Schön, Sie kennenzulernen, Doc.“ Dann schüttelte sie seine Hand. Ihr Händedruck war überraschend fest für eine so zierliche Frau.

„Wie geht es meinem Großvater?“, fragte sie.

Ihr Großvater hatte sie mit einem Lausejungen verglichen. Auf jeden Fall war sie ein echtes Cowgirl.

„Er wird schnell müde. Manchmal fühlt er sich nicht wohl.“

Sie nickte. „Es ist nett von Ihnen, hier rauszufahren, um nach ihm zu sehen“, sagte Tammy. „In Weldon müssen wir immer in die Praxis kommen.“

Mike hatte eigentlich nie geplant, Hausbesuche zu machen. Aber für einige Patienten machte er Ausnahmen. „Ihr Großvater ist ein Dickschädel“, sagte Mike. „Wenn ich nicht zu ihm käme, würde er überhaupt keine medizinische Versorgung in Anspruch nehmen.“

Tammy biss sich auf die Unterlippe. „Darf ich Sie etwas fragen?“

„Natürlich.“

„Was ist er für ein Mensch? Ich kenne ihn leider überhaupt nicht.“

Ihre Augen waren wirklich unglaublich blau. Und in diesem Augenblick sah sie Mike an, als ob er die Antwort auf all ihre Fragen war.

Er rief sich ins Gedächtnis, dass sie ihren Großvater noch nie zu Gesicht bekommen hatte. Ihre Neugier war ganz normal. Er erzählte ihr, was er wusste. „Er hat immer hart gearbeitet. Und er ist ein Griesgram. Aber durch und durch ehrlich.“

Tex war Ende siebzig und einer der mürrischsten alten Männer, die Mike je begegnet waren. Aber er war auch ein komischer Kauz, und Mike konnte nicht anders, als ihn zu bewundern – wegen seiner Arbeitsmoral, für seine Intelligenz und wegen seiner verzweifelten Bemühungen, die Familie vor seinem Tod wieder zusammenzubringen.

„Sie können stolz auf ihn sein. Er genießt hohes Ansehen hier in der Gegend.“

„Danke. Ich …“ Sie biss sich auf die Unterlippe. Dann richtete sie wieder diese erstaunlichen Augen auf ihn. „Ich bin tatsächlich ein bisschen nervös.“

„Das ist verständlich.“

„Normalerweise würde ich das nie zugeben. Aber Sie sind schließlich Arzt und na ja …“ Ihre Wangen verfärbten sich rosarot. In Anbetracht ihres männlichen Kleidungsstils und ihrer burschikosen Art wirkte das merkwürdig.

„Ich werde Ihr Geheimnis hüten“, versprach Mike. Dann zwinkerte er ihr zu und legte ihr eine Hand auf die Schulter. „Wahrscheinlich ist es nur fair, wenn ich Ihnen verrate, dass Ihr Großvater auch nervös vor der ersten Begegnung mit Ihnen ist.“

Sie lächelte und blinzelte.

Wenn Mike es nicht besser wüsste, könnte er glatt glauben, dass sie mit ihm flirten wollte. Oder was sollte dieser verführerische Augenaufschlag? Aber vielleicht versuchte sie nur, die Tränen zurückzuhalten. „Alles okay?“, fragte er.

„Ich …“

In diesem Augenblick kam Tina ins Wohnzimmer. Sie brachte eine Tasse und einen kleinen Teller mit einem Blaubeermuffin. „Sie verlassen uns doch nicht etwa schon wieder, Doc?“

„Ich muss leider zurück in die Praxis und vorher einige Hausbesuche machen. Meine Patienten warten auf mich.“

Tina reichte ihm Tasse und Teller. „Warum nehmen Sie das hier dann nicht einfach als Wegzehrung mit?“

Mike bedankte sich und wandte sich an Tammy. „Ich habe mich gefreut, Sie kennenzulernen.“

„Ganz meinerseits.“ Ihr Blick bezauberte ihn erneut. Es schien, als ob sie sich ernsthaft für ihn interessierte. Aber da konnte er sich auch täuschen. Das hoffte er jedenfalls. Er konnte es wirklich nicht brauchen, wenn sich die Enkelin seines Patienten in ihn verguckte.

Die kleine Tammy Byrd hatte vielleicht die schönsten blauen Augen, die er je gesehen hatte, aber Mike hatte kein Interesse an einer Romanze – vor allem nicht in einem Kaff wie Buckshot Hills. Und selbst wenn er sich hier mit einer Frau einlassen würde, dann bestimmt nicht mit einem widerspenstigen Cowgirl.

2. KAPITEL

Als Dr. Sanchez das Haus verließ, sah Tammy ihm nach.

Verdammt! Wieder einmal waren ihre Flirtversuche fehlgeschlagen. Was machte sie bloß immer falsch?

„Kann ich Ihnen etwas zu trinken anbieten, Miss Byrd? Der Kaffee ist frisch aufgebrüht. Wir haben auch Limonade oder Eistee.“

„Limo klingt gut“, sagte Tammy. „Danke.“

Die Frau nickte und ließ Tammy allein im Wohnzimmer zurück.

Sie hatte damit gerechnet, unbekannte Familienmitglieder kennenzulernen. Aber sie hatte nicht erwartet, einem attraktiven Hausarzt zu begegnen.

Dieser Doc Sanchez war wirklich was fürs Auge.

Sie konnte sich nicht daran erinnern, dass jemals ein Mann eine solche Wirkung auf sie gehabt hatte. Von einer Sekunde zur anderen hatte der Doc ihr den Kopf verdreht.

Warum in aller Welt hatte sie nur versucht, ihn mit einem verführerischen Augenaufschlag zu bezaubern?

Wie peinlich.

„Bitte sehr.“ Tina kam wieder herein und reichte Tammy ein Glas hausgemachte Limonade.

„Danke.“

„Sie möchten jetzt bestimmt gern Ihren Großvater kennenlernen. Aber er hat leider gerade seine Medikamente genommen. Als ich eben kurz bei ihm war, schlief er.“

„Schon gut. Ich kann warten.“

„Kann ich Ihnen sonst noch etwas anbieten? Brauchen Sie irgendetwas?“

„Nein, Ma’am. Alles bestens.“

Tina nickte und entfernte sich. Vermutlich in Richtung Küche. Tammy hatte nichts dagegen. Small Talk lag ihr nicht sonderlich. Sie beschäftigte sich lieber damit, die bunten Gemälde an der Wand und die Skulpturen und den Nippes auf dem Bücherregal zu betrachten.

Dabei trank sie ihre Limonade. Als sie fertig war, starrte sie auf ihr Glas. Vielleicht sollte sie es in die Küche bringen.

Sie hörte leise Stimmen und blieb stehen.

„Das hätte ich nie gedacht“, sagte Tina leise. „Ich hatte schon die Hoffnung aufgegeben, dass die Jungs jemals wieder nach Flying B zurückkommen.“

„Ich weiß, was du meinst“, sagte die andere Frau. „Nach fast fünfunddreißig Jahren ist einfach zu viel Zeit vergangen.“

„Da hast du wohl recht. Die furchtbaren Dinge, die gesagt wurden …“ Tina schnalzte mit der Zunge.

Tammy wagte nicht, sich zu rühren, weil sie die Unterhaltung nicht unterbrechen wollte.

„Der arme Tex“, sagte die andere Frau. „Gar nicht auszudenken, dass seine Söhne ihm einfach den Rücken gekehrt haben und sich nie wieder hier blicken ließen.“

Aber warum? fragte sich Tammy. Ihr Vater und ihr Onkel waren schon immer miteinander und mit Grandpa Byrd zerstritten gewesen. Darum hatte sie auch nie den Rest der Familie kennengelernt.

Als klar war, dass weder die Haushälterin noch die Köchin das Thema vertiefen würden, betrat Tammy mit dem leeren Glas in der Hand die helle, sonnige Küche.

„Die Limonade war fantastisch“, sagte sie. „Wo soll ich das Glas hinstellen?“

„Das hätten Sie ruhig stehen lassen können. Dafür bin ich ja da“, sagte Tina, die an einem großen, blank polierten Eichentisch gesessen hatte.

„Es macht mir nichts aus, meine Sachen selbst aufzuräumen. Außerdem heiße ich Tammy.“ Sie lächelte. Wenn sie es schaffte, mit der Haushälterin Freundschaft zu schließen, würde sie vielleicht mehr erfahren.

„Na gut. Danke, Tammy.“ Tina nahm das Glas in Empfang und drehte sich zu der molligen Frau um, die gerade über dem Spülbecken Kartoffeln schälte. „Barbara, das ist Williams Jüngste.“

Die Köchin hatte rot gefärbte Haare und rosige Wangen. „Wie schön, dich kennenzulernen, meine Liebe. Kommt dein Vater auch her?“

„Auf jeden Fall.“ Das hoffte Tammy jedenfalls. „Eigentlich sollte er bis zum Abendessen hier sein.“

Die beiden Frauen sahen sich vielsagend an.

„Das sind gute Neuigkeiten“, sagte Tina. „Ich habe deinen Vater nicht mehr gesehen, seit er aufs College gegangen ist.“

Was? Kein Wort über den Familienstreit? Wenn Tammy die Frauen ein bisschen besser gekannt hätte, dann hätte sie nachgebohrt. Aber egal. Sie würde der Angelegenheit schon auf den Grund gehen. Angefangen mit ihrem Vater, sobald er hier auftauchte.

Und tatsächlich, William Travis Byrd erreichte die Flying B Ranch genau bei Sonnenuntergang.

„Hey“, begrüßte Tammy ihn draußen auf der Veranda. „Wie war die Fahrt?“

„Nicht übel“, sagte ihr Vater und ließ die Autotür seines Oldtimers zufallen. „Und bei dir?“

„Gut.“

Autor

Judy Duarte
<p>Judy liebte es schon immer Liebesromane zu lesen, dachte aber nie daran selbst welche zu verfassen. „Englisch war das Fach in der Schule, was ich am wenigsten mochte, eine Geschichtenerzählerin war ich trotzdem immer gewesen,“ gesteht sie. Als alleinerziehende Mutter mit vier Kindern, wagte Judy den Schritt zurück auf die...
Mehr erfahren