Mit jedem Kuss wächst die Lust

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Der attraktive Jake Smith ist ein Traummann – auch wenn er für Sasha nicht ernsthaft in Frage kommt. Nach ihrer Scheidung glaubt sie nicht mehr an romantische Liebe! Doch das aufregende Prickeln in seiner Nähe will sie nicht missen. Vielleicht ist Jake ja doch anders ...


  • Erscheinungstag 01.10.2022
  • ISBN / Artikelnummer 9783751520485
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Sasha gönnte sich ein paar Minuten Pause, machte es sich im Liegestuhl bequem und schloss die Augen. Es war später Nachmittag, und die Sonne schien. Ihre kurze Jacke aus Crêpe-Georgette flatterte im warmen Wind. Ich habe zwar kein regelmäßiges Einkommen, und so etwas wie Urlaubsgeld oder einen Jahresbonus kenne ich auch nicht, dachte sie, aber das hier ist doch viel besser, als Tag für Tag hinter irgendeinem Schreibtisch in einem Großraumbüro zu hocken.

Der entfernte Verkehrslärm verschmolz mit dem Rauschen der Brandung und wirkte einschläfernd. „Nur fünf Minuten“, sagte Sasha leise zu sich selbst.

Nach diesen fünf Minuten würde sie aufspringen, die restlichen Punkte auf ihrer Checkliste abhaken und überlegen, ob sie vielleicht doch noch irgendetwas vergessen hatte. Anschließend würde sie zum neuen Bürogebäude eines anderen Kunden fahren und nachschauen, wann sie dort endlich mit der Arbeit beginnen konnte.

Als Innenarchitektin richtete sie hauptsächlich Büros ein, meistens Anwaltskanzleien, Arztpraxen oder Räumlichkeiten für Immobilienfirmen. Ab und zu, wenn sie mal keine Einrichtungsaufträge hatte, arbeitete sie für eine Ferienhausagentur, die Cottages in den zahlreichen Siedlungen entlang der Küste der nördlichen Outer Banks vermietete. Am liebsten richtete sie allerdings Privatwohnungen vollkommen neu ein. Und ein begrenztes Budget forderte ihre Kreativität geradezu heraus.

Zufrieden seufzend strich sie sich das Haar aus dem Gesicht, ohne die Augen zu öffnen. Am liebsten hätte sie sich jetzt die Schuhe abgestreift, aber ihr fehlte einfach die Energie, um sich aufzusetzen und die Riemchen an den Fußgelenken zu öffnen. Warum trug sie denn keine Schlappen?

Das ist der Preis meiner Eitelkeit, dachte sie. Spitze Stilettos sahen bei ihr nun mal so vorteilhaft aus, dass Sasha es einfach nicht schaffte, diese mörderischen Schuhe nicht anzuziehen, selbst wenn sie wusste, dass sie so viele Treppen hoch- und wieder runtersteigen musste.

Sie besaß zwar auch einige Paare Schuhe mit flachen Absätzen, trug sie jedoch so gut wie nie. Zu Hause lief sie barfuß herum und hatte weite Gewänder an, die eher unter die Kategorie „Zelt“ fielen. Sobald sie jedoch das Haus verließ, machte sie sich so vorteilhaft wie möglich zurecht, denn sie konnte ja nie wissen, wann sie dem nächsten potenziellen Kunden begegnete. Ihre Freundinnen, die sie gut kannten, nannten es das Aschenputtelsyndrom.

Dagegen hatte Sasha nie protestiert. Ihr Make-up war stets tadellos, ihr rotes Haar mit Strähnchen durchsetzt. Sie trug modische Outfits, die sie bei endlosen Schnäppchenjagden während der Schlussverkäufe erstand, und sehr viel Schmuck. Doch unter dieser Maske der Sasha Combs Cassidy Boone Lasiter verbarg sich immer noch die schlichte gute Sally June Parrish, älteste Tochter eines armen Pfarrers und ehemaligen Tabakbauern.

In Momenten wie diesen wünschte sie sich manchmal, Äußerlichkeiten seien ihr egal. Ob Aschenputtels Füße nach dem Ballabend in den gläsernen Schuhen auch so geschmerzt hatten?

„Entspannt euch, ihr Füße“, murmelte sie schläfrig. „Wenn wir drei erst wieder zu Hause sind, dann könnt ihr es euch richtig gemütlich machen. Versprochen.“

Die Sonne fühlte sich so gut auf der Haut an, jetzt, nachdem die drückende Mittagshitze abgeklungen war. Sasha war von Natur aus rothaarig, und so bekam sie immer Sommersprossen, egal, welchen Schutzfaktor ihre Sonnencreme auch hatte.

Nur noch eine Minute, sagte sie sich. Danach würde sie wieder ins Haus gehen und ihre Liste zu Ende durchgehen. Die Putzkolonne hatte bereits in der Woche zuvor dieses Haus sauber gemacht, aber es roch immer noch nach Zigarettenrauch. Außerdem war das Bett zerwühlt, als sei derjenige, der das Schlafzimmer in Ordnung gebracht hatte, mitten bei der Arbeit gestört worden.

Aber für das Putzen war Sasha nicht verantwortlich. Sie stellte lediglich eine Liste all der Dinge zusammen, die ersetzt werden mussten. Zwei Stuhlkissen fehlten, auch etwas Besteck und einiges Geschirr, das die Gäste sicher mit an den Strand genommen und dort verloren oder vergessen hatten. Ein Stuhlbein war abgebrochen, ein Lampenschirm voller Flecken, und zwei der mit Leder bezogenen Barhocker waren anscheinend als Dartscheibe benutzt worden. Normalerweise kümmerten die Eigentümer sich um diese Sachen, doch laut Katie McIver, die eine ganze Reihe von Cottages in dieser Gegend betreute, hatten die Eigentümer von Driftwinds in letzter Minute angerufen und sie gebeten, jemanden damit zu beauftragen, das Cottage für die kommende Saison in Schuss zu bringen.

Sasha hatte schon öfter für Katie gearbeitet. Diese Jobs brachten zwar nicht viel ein, aber jeder kleine Job konnte einen größeren nach sich ziehen.

Sasha massierte sich die Schläfen, wobei sie darauf achtete, sich nicht mit ihren langen künstlichen Fingernägeln zu kratzen. Schon den ganzen Tag über hatte sie leichte Kopfschmerzen, und jetzt wurde es schlimmer. Sie hatte gehofft, dass ein paar Minuten der Entspannung ihr helfen würden, doch das schien nicht zu klappen.

Eine Minute noch, nahm sie sich vor. Dann mache ich meine Abschlussrunde im Haus. Auf einem der Bettlaken war noch ein Rotweinfleck. Eigentlich seltsam, dass die Putzkolonne den übersehen hatte. Leute, die es sich leisten konnten, eines dieser luxuriösen Cottages zu mieten, hatten anscheinend keinerlei Respekt mehr vor dem Eigentum anderer.

Ruhig, sagte sie sich, bleib ganz ruhig. Denk an etwas Schönes. Zartbittere Schokolade, die auf deiner Zunge zergeht. Sanfter Blues oder eine Shoppingtour mit einer Kreditkarte ohne Limit.

Sie lag auf der Veranda von diesem Cottage am Strand, falls man ein Haus mit sechs Zimmern, sieben Bädern, zwei Badewannen und einem Swimmingpool noch als Cottage bezeichnen konnte. Doch ihre verdammten Nebenhöhlen taten wieder mal weh und ließen sie diesen Luxus nicht genießen.

Sasha versuchte immer noch, sich ganz bewusst zu entspannen, als sie einen Schatten vor ihren geschlossenen Augenlidern wahrzunehmen glaubte. Sie runzelte die Stirn. Was war das denn für ein Schatten gewesen? Laut Katie standen doch all diese Cottages bis zum Wochenende des Memorial Day leer.

Sie öffnete die Augen und blinzelte in die späte Nachmittagssonne. Nicht eine Wolke am Himmel, nicht einmal ein Kondensstreifen. Dennoch hätte Sasha schwören können, dass ein Schatten über sie hinweggehuscht war.

Wahrscheinlich ein Pelikan, vermutete sie und schloss seufzend wieder die Augen.

Sie war fast eingeschlafen, als erneut ein Schatten kurz über sie hinwegglitt. Besorgt öffnete Sasha die Augen und hob den Kopf.

Doch nichts rührte sich; nicht einmal ein Moskito war zu sehen.

Eher aus Neugier als aus Angst bewegte sie als Test die Hand vor den geschlossenen Augenlidern hin und her. Ja, genauso war es gewesen. Ganz kurz war etwas zwischen ihr Gesicht und den Sonnenschein geraten. Vielleicht ein Flugzeug? Rundflüge fanden hier ständig statt, aber doch nicht außerhalb der Saison. Außerdem hätte es schon ein Segelflugzeug sein müssen, denn gehört hatte Sasha nichts.

Entschlossen richtete sie sich auf. Sie hatte sich das doch nicht eingebildet. Hier gab es nichts, was einen Schatten werfen konnte. Keine Vögel, keine Flugzeuge, nicht einmal fliegende Superhelden. Was auch immer zwischen ihr und der Sonne vorübergeglitten war, es war wieder verschwunden.

Verdammt, die Entspannung konnte Sasha jetzt vergessen.

Gerade als sie sich aus dem Liegestuhl hochkämpfte, hörte sie ein dumpfes Geräusch und einen unterdrückten Ausruf. Sashas Herz klopfte wie wild, als sie über die Schulter nach hinten schaute. Die Sonne spiegelte sich in der gläsernen Schiebetür hinter ihr, sodass sie nicht ins Haus sehen konnte. Eigentlich konnte ohnehin niemand im Haus einen Schatten nach draußen auf die Veranda über ihr Gesicht werfen. Das ist doch logisch, überlegte sie sich.

Hatte sie die Haustür hinter sich abgeschlossen? Sasha ging immer so vieles gleichzeitig durch den Kopf, dass sie hin und wieder Einzelheiten vergaß. War es nicht möglich, dass Katie vorbeigekommen war, Sashas Auto gesehen hatte und sich jetzt erkundigen wollte, wie weit Sasha mit ihren Auflistungen war? Vielleicht war auch jemand von der Putzkolonne zurückgekehrt, um die Arbeiten zu beenden. Das würde auch das zerwühlte Bett und den Zigarettenrauch erklären.

Allerdings erklärte das alles nicht, wieso hier oben ein Schatten auf die Veranda gefallen war.

Sasha umfasste beide Lehnen des Liegestuhls. „Verdammt, wer ist denn da?“, rief sie und stellte die Füße auf den Boden, um schnell nach drinnen laufen und die Schiebetüren verschließen zu können. „Hören Sie, wer immer Sie auch sind! Ich bin müde, meine Füße tun mir weh, und ich habe höllische Kopfschmerzen. Legen Sie sich also lieber nicht mit mir an!“

Verflucht, die Alarmanlage hatte sie beim Betreten des Cottages ausgeschaltet.

Allmählich wurde sie doch nervös. Musste sie jetzt um ihr Leben laufen? Leider passte sie keineswegs in das Bild der selbstbewussten und schlagkräftigen Heldinnen, die in letzter Zeit so oft in Filmen zu sehen waren. Fitnesstraining war ihr ein Graus, obwohl sie zugeben musste, dass sie sich in Situationen wie dieser wünschte, doch wenigstens etwas fit zu sein.

Vorsichtig näherte sie sich dem Holzgeländer und spähte hinunter auf den Parkplatz. Außer ihrem roten Cabrio stand dort kein weiterer Wagen.

Katie war es also nicht und auch niemand von der Putzkolonne. Besorgt blickte Sasha sich um und rechnete fast damit, jemanden zu erblicken, der in diesem Moment zu ihr auf die Veranda trat.

Nun reiß dich mal zusammen, sagte sie sich. Bei deinen rasenden Kopfschmerzen hast du dir das sicher alles nur eingebildet.

Seufzend wandte sie sich dem Haus zu, und in diesem Moment nahm sie die Umrisse des Mannes auf der oberen Veranda des Nachbarhauses wahr. Dieses Cottage sollte doch angeblich auch leer stehen, fuhr es ihr durch den Kopf.

Über die knapp zwanzig Meter Strand hinweg starrten sie sich an. Der Mann hielt etwas in der Hand, das direkt auf Sasha gerichtet war.

War das eine Waffe?

Sasha schluckte und vergaß, Luft zu holen. Aus dieser Entfernung konnte sie den Gegenstand nicht erkennen. Außerdem hatte sie in ihrem Leben erst eine einzige Waffe aus der Nähe gesehen. Das war die alte 410er, mit der ihr Vater Eichhörnchen und Kaninchen geschossen hatte.

Was sie jetzt erblickte, das war klein und eckig. Im Grunde sah es eher wie eine Kamera aus, nicht wie eine Waffe, doch heutzutage gab es doch die absurdesten Modelle von Waffen.

Gesunder Menschenverstand war zwar zugegebenermaßen nicht ihre größte Stärke, aber hätte dieser Mann ihr nicht schon längst etwas antun können, als sie noch im Halbschlaf im Liegestuhl gelegen hatte? Wahrscheinlich schoss er nur ein paar Fotos für eine der Agenturen, die diese Cottages vermieteten. Sasha hätte ihn nicht einmal bemerkt, wenn er keinen Schatten geworfen hätte.

Gegen die tief stehende Sonne konnte Sasha ihn nicht gut erkennen, doch seine Silhouette zeigte breite Schultern und schmale Hüften. Der Rest wurde vom Geländer der Veranda verdeckt. Sashas Fantasie fügte noch ein paar Details hinzu, bevor sie diese Gedanken hastig verdrängte.

„Es muss wohl an den Hormonen liegen“, sagte sie sich unwillig. Dieser Mann konnte ein entflohener Sträfling sein, der sich den Winter über in den unbewohnten Cottages versteckt hielt. Das war viel sicherer, als in den Bergen vor dem FBI Zuflucht zu suchen. Allerdings kam jetzt bald die Urlaubszeit, und da musste er einen anderen Unterschlupf finden. Diese kräftigen Schultern hatte er bestimmt durch das Steineklopfen in der Sträflingskolonne bekommen. Vielleicht hielt er einen Glasschneider in der Hand oder eines dieser Geräte, mit denen man eine Safe-Kombination herausbekommen konnte.

Ich muss wirklich damit aufhören, einen Krimi nach dem anderen zu lesen!, dachte sie. Wenn ich doch bloß meine Handtasche mit dem Handy bei mir hätte, dann könnte ich die Polizei anrufen! Leider lag die Tasche im Wohnzimmer.

So ruhig und gelassen wie nur möglich ging sie zur gläsernen Schiebetür, trat ins Haus und blickte sich panisch nach ihrer Handtasche um. Aufgeregt sah sie immer wieder über die Schulter nach hinten, ob jemand über die Außentreppe auf die Veranda gestürmt kam.

„Hallo? Ja, hier spricht Sasha Lasiter. Ich bin im Driftwinds-Cottage in Kitty Hawk.“ Sie gab die Straße und Hausnummer an. Zum Glück konnte sie sich wenigstens daran erinnern. „Hören Sie, da ist ein Mann im Nachbar-Cottage, das eigentlich leer stehen sollte. Entweder hat er eine Waffe auf mich gerichtet, oder er fotografiert mich. Ja, da bin ich mir sicher!“ Empört schüttelte sie den Kopf. „Was auch immer er in der Hand gehalten hat, er hat damit auf mich gezielt.“

Vielleicht, vielleicht auch nicht, aber wenn sie Hilfe bekommen wollte, durfte sie sich nicht abwimmeln lassen. „Ich weiß das. Nein, ich sitze nicht in der Badewanne! Ich bin vollständig bekleidet, aber zufällig war ich draußen auf der Veranda und …“ Ungeduldig erklärte sie, was sie in einem leer stehenden Cottage zu suchen hatte. „Nein, ich erinnere mich nicht, ob ich hinter mir abgeschlossen habe!“ Sie wusste ziemlich genau, dass sie es nicht getan hatte. Schweigend hörte sie den teilnahmslosen Anweisungen am anderen Ende zu und regte sich dann wieder auf: „Hören Sie, ich werde es keinesfalls riskieren, zu meinem Wagen zu laufen und niedergeschlagen zu werden. Könnten Sie also so liebenswürdig sein und jemanden herschicken, der diesen Kerl überprüft?“

Verängstigt, enttäuscht und auch empört beendete sie das Gespräch. Sie war jetzt nicht mehr in der Stimmung, um das restliche Inventar des Hauses zu kontrollieren. Stattdessen lief sie in die Küche und schnappte sich ein Filettiermesser aus dem Messerblock. Damit bewaffnet ging sie wieder ins obere Stockwerk und suchte nach dem besten Verteidigungsposten, wo sie auf die Polizei warten konnte. Sie hatte tatsächlich Angst, jetzt das Haus zu verlassen. Sashas Wagen stand dicht vor dem Cottage, aber wie sicher war sie in einem Cabrio? Das Aluminiumverdeck war geschlossen, doch selbst wenn Sasha von hier wegkam, könnte der Kerl ihr folgen.

Wer hätte gedacht, wie gefährlich es war, Inneneinrichterin von Strandhäusern zu sein?

„Hey, Jake, wir haben gerade einen Anruf von einer Lady bekommen, die behauptet, du hättest ihr Angst eingejagt.“ Der schlaksige Deputy kam die Außentreppe zur Veranda des Cottages hinauf.

„Hallo, Mac. Woher wusstest du, dass ich es bin?“

„Der Anruf kam von nebenan, aber ich habe deinen Wagen vor der Tür gesehen. Bist du bei der Arbeit?“

„Das war ich. Tut mir leid, wenn ich die Lady verängstigt habe. Ich habe ihr noch etwas zugerufen, aber da war sie bereits ins Haus gestürmt.“

„Du solltest eigentlich selbst wissen, wie wenig es Frauen beruhigt, wenn ein Fremder ihnen etwas nachruft. Verrätst du mir, was du hier machst? Sie sagt, du hättest eine Waffe oder einen Fotoapparat auf sie gerichtet.“

„Ich habe Fotos gemacht. Mac, du weißt genau, dass ich nicht verraten darf, in wessen Auftrag ich arbeite.“ John Smith, von allen nur Jake genannt, blinzelte ins Licht der Abendsonne. „Es geht um eine Scheidung. Die Frau glaubt, ihr Ehemann habe eine kleine Affäre. Sie möchte Beweise, bevor sie gegen ihn klagt. Ich wollte mir hier erst mal das Cottage ansehen, zumal es leer steht. Der Kerl ist in der ganzen Gegend hier ziemlich bekannt, also wird er es nicht riskieren, sich mit irgendeiner Frau in einem Motel blicken zu lassen.“

„Und? Hattest du Glück?“

„Noch nicht. Ich habe erst heute angefangen.“

Der Deputy nickte. Mac Scarborough war drei Jahre älter als Jakes Sohn Tim und auf dieselbe Highschool gegangen, doch Jake kannte den jungen Polizisten ganz gut, wie das in so einer kleinen Stadt eben üblich war. Jake kannte fast alle Gesetzeshüter der weiteren Umgebung.

„Wie geht’s Timmy? Ist denn seine Einheit schon verlegt worden?“

„Das kann jetzt jeden Tag passieren.“ Langsam schüttelte Jake den Kopf. „Dir kann ich es ja sagen: Ich wünschte, er wäre zu euch Jungs gegangen anstatt zur Army.“

„Tja, warte nur ein paar Wochen, bis die Saison hier losgeht. Dann wirst du froh sein, dass er mit vernünftiger Ausrüstung in irgendeinem Krisengebiet ist und nicht auf der Jagd nach Drogendealern oder bei irgendwelchen Massenunfällen auf dem Highway.“ Hastig schüttelte der Deputy den Kopf. „O Mann, tut mir leid.“

Jake ging weder auf die Erinnerung an seinen tragischen Verlust noch auf die Entschuldigung ein. „Du würdest deinen Job nicht gegen irgendeinen anderen der Welt eintauschen, das wissen wir beide ganz genau.“

Lächelnd schob der junge Mann sich den Hut nach hinten und fuhr sich durch das kurze, von der Sonne gebleichte Haar. „Stimmt, was hier auf den Banks passiert, gibt es in den Großstädten noch viel öfter. Wir können an unseren freien Tagen wenigstens surfen gehen.“ Er rückte seinen Hut wieder zurecht. „Ich schätze, ich sollte jetzt lieber mal rübergehen und die arme Lady wissen lassen, dass du zu den Guten gehörst.“

Jake nickte. Er würde hier und heute sowieso keine Beweise mehr sammeln können. „Von mir aus gern. Wen immer ich hier auch hätte beobachten können, du hast ihn in jedem Fall verscheucht.“

„Na, wenigstens nicht mit Sirene und Blaulicht.“ Lächelnd wandte Mac sich zur Treppe. „Pass auf dich auf, Jake, und grüß Timmy von mir. Und erschrecke von jetzt an keine Ladys mehr, okay?“

In diesem Moment hörten sie eine Tür zuschlagen. Zögernd blieb Mac stehen, und beide Männer beugten sich gerade rechtzeitig über das Geländer, um eine wohlproportionierte Rothaarige auf hochhackigen Schuhen auf ihr Cabrio zurennen zu sehen. Sie schloss es auf, sprang hastig hinein, knallte die Tür zu und brauste rückwärts aus der Auffahrt.

„Tja, das war’s dann wohl.“ Ratlos seufzte der Deputy.

„Da lässt sich nichts mehr machen“, stellte Jake fest.

Er würde am nächsten Tag erneut versuchen, seine Beobachtungen für seine Auftraggeberin fortzusetzen, und damit wahrscheinlich einen weiteren Tag vergeuden. Jake war sicher, dass diese Treffen höchstwahrscheinlich tagsüber stattfanden, denn nachts würde Licht in einem unbewohnten Cottage für Aufmerksamkeit sorgen. Allerdings war heute nicht alles umsonst gewesen. Diese rothaarige Frau hatte ganz offensichtlich auf jemanden gewartet.

Er packte seine Digitalkamera wieder weg, setzte sich die Sonnenbrille auf und lief die Außentreppe hinunter. Seine Gedanken waren immer noch bei der gut aussehenden Rothaarigen. Abgesehen von der Haarfarbe erinnerte sie ihn an das klassische Foto von Marilyn Monroe. Besonders die Beine ähnelten denen von Marilyn. Allerdings war diese Frau hier ein bisschen kleiner und vielleicht auch etwas rundlicher. Wer auch immer sie war, sie besaß auf alle Fälle das Zeug, jeden Mann in Versuchung zu führen.

Seufzend stieg Jake in seinen rostigen Jeep. Er fragte sich, wieso diese Frau die Polizei gerufen hatte. Hätte sie das getan, wenn sie mit Jamison zu einem heimlichen Treffen am Nachmittag verabredet gewesen wäre?

Jedenfalls halfen die Fotos von dieser Frau allein auf der Veranda Mrs. Jamison keineswegs weiter. Jake hatte ungefähr ein Dutzend Bilder aus allen möglichen Blickwinkeln geschossen, bevor die Frau ihn ertappt hatte.

Jake Smith war einundvierzig und Inhaber von „JBS Security“, einer kleinen Security-Firma. Als Privatdetektiv hatte er bislang nur selten arbeiten können, da er ja seinen Sohn allein großgezogen hatte. Außerdem war der Bedarf an Privatdetektiven weitaus geringer als an Fachkräften für Gebäudeschutz, und so hatte Jake sich auf das Letztere konzentriert. Dennoch besaß er als Detektiv immer noch genug Routine, um sich jede Autonummer zu merken, die in irgendeiner Weise mit einem Fall zusammenhängen konnte.

Die Frau war nach Norden gefahren. Deshalb fuhr Jake jetzt ebenfalls in diese Richtung. Unterwegs rief er seinen Stellvertreter im Büro an. „Hack, ich brauche schnell ein paar Informationen über einen roten Lexus, ein Cabrio mit dem Kennzeichen S-A-S-H-A.“

„Gib mir eine Minute.“ Der neunzehnjährige Elektronikexperte ließ seine Kaugummiblase knallen und legte auf.

Auf Hack war immer Verlass. Gerade als Jake sich entscheiden musste, ob er nach rechts in Richtung Southern Shores oder über die Wright Memorial Bridge nach Westen fahren sollte, sagte ihm Hack die Adresse durch.

Muddy Landing. Wenigstens gab es auf dem Weg dorthin einen guten Imbiss, denn Jake hatte das Mittagessen ausfallen lassen.

Die kleine sexy Lady hatte möglicherweise doch auf Jamison gewartet. Der war vielleicht verhindert gewesen oder durch den Streifenwagen abgeschreckt worden. Jedenfalls würden die beiden sich nicht an irgendeinem öffentlichen Ort treffen, an dem sie erkannt werden konnten, wenn Jamison dieses große unbewohnte Luxus Cottage besaß.

Andererseits konnte die Frau durchaus andere Gründe gehabt haben, sich in dem Cottage aufzuhalten. Vielleicht gehörte sie zur Agentur, die die Cottages vermietete, möglicherweise hatte sie auch vor, das Cottage zu mieten. Bevor Jake die Fotos in der Kamera löschte, musste er herausfinden, ob die Frau etwas mit dem Fall zu tun hatte oder nicht. Verführerisch genug war sie allemal.

Doch selbst wenn Jamison der Versuchung nicht widerstehen konnte, so war es einfach dumm, sich mit einer Geliebten in einem Haus zu treffen, das ihm selbst gehörte.

Jake fuhr an dem Imbiss vorüber, atmete tief durch und nahm sich fest vor, auf dem Rückweg hier anzuhalten. Muddy Landing war für eine richtige Stadt zu klein, und so hatte Jake keinerlei Schwierigkeiten, auch ohne das Navigationssystem, das Hack ihm eingebaut hatte, die angegebene Adresse zu finden.

Hübsche Gegend, dachte er, als er zwei Häuser entfernt auf der anderen Straßenseite anhielt. Allerdings hätte er sein Haus niemals in einem hellen Violett mit grünen Simsen angestrichen. Das rote Cabrio davor passte farblich noch weniger dazu, doch Jake wollte nicht von sich behaupten, den guten Geschmack gepachtet zu haben.

Er überlegte, wie er sich dieser Frau vorstellen sollte. „Sie sind ein heißer Feger, und da bin ich Ihnen nach Hause gefolgt.“ Das war sicher nicht besonders klug. Die Frau würde ihm die Tür vor der Nase zuknallen und wieder die Polizei rufen. Das könnte Jake sogar verstehen.

Auf dem Weg zur Haustür stopfte er sich das Hemd in die Hose und fuhr sich durch das dichte dunkle Haar. Während er darauf wartete, dass jemand auf sein Klingeln reagierte, sah er sich das gepflegte zweigeschossige Haus eingehender an. Sein eigenes Haus in Manteo, keine vierzig Meilen südlich von hier, war innen und außen schlicht weiß angestrichen. Im Moment ließ Jake alles neu streichen und das Dach neu decken. Der letzte Sturm hatte einige Schäden angerichtet, doch die Renovierung war sowieso schon seit Langem fällig gewesen.

Er klingelte noch einmal und wollte gerade wieder auf die Klingel drücken, als die Tür sich öffnete. „Madam, mein Name ist Jake Smith, und ich …“

Weiter kam er nicht, denn die kleine Person mit dunkel umrandeten Augen vor ihm schnarrte ihn an: „Verschwinden Sie, ich brauche nichts. Ich bin nicht interessiert, und an Umfragen nehme ich prinzipiell nicht teil.“

„Oh, Moment mal.“ Geistesgegenwärtig stellte Jake den Fuß in die Tür, bevor die Frau sie schließen konnte. „Ich bin nicht … also, ich kann Ihnen Empfehlungsschreiben zeigen.“ Als er nach seiner Brieftasche griff, trat die Frau ihm mit aller Kraft auf den Fuß. Der Schmerz schoss ihm durchs ganze Bein. Hastig zückte er seine Lizenz als Privatdetektiv und die Empfehlungskarte des Sheriffs, die er bereits seit Jahren besaß. Diese Karte hatte zwar keine offizielle Bedeutung, aber in dem Moment hätte er dieser Frau auch das Maisklößchenrezept seiner Mutter gezeigt, wenn das etwas geholfen hätte.

„Madam, ich wollte mich nur entschuldigen. Für den Fall, dass Sie sich noch Sorgen machen.“

War das hier überhaupt dieselbe Frau? Größe und Haarfarbe stimmten, doch anstelle von Minirock, dünnem Oberteil und sexy Stilettos war sie jetzt von Kopf bis Fuß in etwas eingehüllt, das aussah wie ein umfunktioniertes Armeezelt. Sie war barfuß. Die Zehennägel waren rot lackiert, und Jake konnte noch die geröteten Druckstellen von den unbequemen Schuhen an ihren Füßen erkennen. Solche Schuhe mochten zwar sexy aussehen, aber im Grunde waren sie ein Verbrechen an den weiblichen Füßen.

Er schaute sie an. Immer noch klemmte sein Fuß zwischen Tür und Rahmen. Ein exotischer Duft drang in seine Nase, und unwillkürlich holte er genießerisch tief Luft.

„Sie sind schon so gut wie tot“, stellte die Frau nüchtern fest. „Zwei Türen weiter wohnt ein Deputy. Den brauche ich nur anzurufen.“

„Soll ich Ihnen dafür mein Handy leihen?“ Er tat so, als wolle er es aus der Tasche ziehen, obwohl er genau wusste, dass es noch im Jeep lag.

Ganz langsam lockerte sie den Griff ihrer rot lackierten Finger an der Tür.

„Sagen Sie mir einfach, was Sie wollen, und dann verschwinden Sie. Ich gebe Ihnen dreißig Sekunden, dann rufe ich Darrell an.“

Jake hätte sie vielleicht etwas ernster nehmen können, wenn die Wimperntusche nicht bis über die Wangen hinab verwischt gewesen wäre. Jedenfalls hoffte Jake, dass es welche war, denn sonst blieb als Erklärung für diese blauschwarzen Flecken nur eine schwere Misshandlung übrig. Das rote Haar lag an einer Seite flach an und stand an der anderen wild vom Kopf ab, als sei sie gerade aufgestanden.

Traf sie sich vielleicht hier mit Jamison? Hatte Jake sie in flagranti erwischt? Der Duft dieses Parfüms zumindest erinnerte an wilden Sex in einem tropischen Garten.

Aber würde diese Frau sich so anziehen, wenn sie ihren Liebhaber erwartete?

Andererseits sah sie auch in diesem missglückten Halloween-Kostüm so gut aus, dass jeder Mann bei dem Anblick an nichts anderes als zerwühlte Laken und feuchte, seidige Haut denken konnte.

Autor

Dixie Browning

Dixie Browning, Tochter eines bekannten Baseballspielers und Enkelin eines Kapitäns zur See, ist eine gefeierte Malerin, eine mit Auszeichnungen bedachte Schriftstellerin und Mitbesitzerin einer Kunstgalerie in North Carolina. Bis jetzt hat die vielbeschäftigte Autorin 80 Romances geschrieben – und dabei wird es nicht bleiben - sowie einige historische Liebesromane zusammen...

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