Mitternachtsspiele

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Finger weg von Mace Duvall! Das hat Becka sich fest vorgenommen. Doch dann beginnt der Ex-Baseball-Star mit dem Playboy-Ruf ihr Team zu trainieren. Und für gute Vorsätze ist es zu spät: Es prickelt, es funkt - eine heiße Affäre beginnt. Lustvoll gibt Becka sich den Zärtlichkeiten dieses Mannes hin, der so unverschämt gut lieben kann...


  • Erscheinungstag 02.08.2017
  • ISBN / Artikelnummer 9783733779214
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

„Du kannst wirklich zaubern mit deinen Händen“, sagte eine heisere Männerstimme.

Becka Landon ließ die Finger über den muskulösen Rücken des halb nackten Mannes auf der Massagebank gleiten und rieb ihn mit Öl ein. Sie atmete schneller, Schweiß perlte auf ihrer Stirn. Der Geruch des Öles drang in ihre Sinne, die Wärme seines Körpers übertrug sich auf ihren. Sie biss sich auf die Unterlippe, um sich besser konzentrieren zu können.

„Ich will dich mit niemandem teilen“, stöhnte er. „Wie wäre es, wenn wir zusammen durchbrennen würden?“

Becka lächelte. „Sammy, deine Frau würde dich sofort aufspüren und mit dem Nudelholz zur Vernunft bringen.“ Sie gab ihm einen Klaps auf die Schulter. „Fertig, Trainer. Es ist Zeit, dass du deinen Jungs Baseball beibringst.“

Sammy Albonado, Manager der Lowell Weavers, fuhr sich mit den Fingern durch das angegraute Haar. In den Jahren als Profi in der ersten Liga hatte er sich eine chronische Schleimbeutelentzündung in der Schulter eingehandelt. Nur Beckas geschickte Hände vermochten seine Schmerzen zu lindern, wenn ihn die Arthritis wieder einmal quälte. „Du hast ein unglaubliches Feingefühl. Ich glaube, du solltest auch mal meine Frau in die Mangel nehmen.“

„Ich weiß nicht, ob das so klug wäre.“ Becka stemmte die Hände in die Hüften und warf ihm einen kessen Blick zu. „Ich könnte Essie ja verraten, dass du mit mir durchbrennen willst.“

„Ach, das war doch nur Spaß.“ Als sie sich den Pony ihres roten Haares aus den Augen strich und ihn weiterhin ansah, ahnte er, dass sie wieder einmal eine Bitte an ihn hatte. „Was hast du auf dem Herzen?“

„Wir brauchen neue Schläuche für den Whirlpool.“

„Die kosten hundert Dollar. Da muss ich erst einen Antrag stellen.“

„Du weißt doch, ich bleibe nur so lange bei euch, bis Ron seine Verletzung auskuriert hat. Aber bis dahin tu ich alles, um den Laden hier in Schuss zu halten.“

„Wir lassen dich nicht gehen“, behauptete er. „Ob Ron in dieser Saison noch zurückkommt oder nicht, spielt keine Rolle, ich will dich trotzdem behalten. Obwohl du mich ständig mit deinen Forderungen schikanierst.“

Hoffnung keimte in ihr auf, doch das wollte sie sich nicht anmerken lassen. „Ich schikaniere dich nicht, Sammy. Du weißt, ich mache das alles zum Wohl des Teams.“ Sie grinste ihn an und steckte die Hände in die Taschen ihrer khakifarbenen Shorts. Sie wusste, dass sie nicht darauf spekulieren durfte, ihre Stelle als Fitnesstrainerin länger als vorgesehen zu behalten. Es brachte nichts, mit etwas zu rechnen, das vielleicht nie eintreten würde.

Sammy verließ das Klubhaus und machte sich auf den Weg zur Haupttribüne. Einige Spieler schlenderten in Straßenkleidung vom Parkplatz herauf und kamen auf ihn zu.

„Hey, Sammy, ist das wahr?“

„Was? Du solltest längst umgezogen sein, auf dem Feld stehen und deine Dehnübungen machen“, bellte er in dem schroffen Ton, von dem er glaubte, dass er ihm Autorität verlieh. „Zu meiner Zeit haben wir uns abgehetzt, um so früh wie möglich beim Training aufzukreuzen.“

„Also, stimmt es oder nicht?“ Paul Morelli, der gut aussehende Fänger und talentierteste Spieler des Teams, ließ nicht locker.

Sammy hob die Stimme. „Es stimmt, dass ich euch alle mit Geldstrafen belege, wenn ihr nicht in fünfzehn Minuten fertig seid.“

„Nein, im Ernst. Wir haben gehört, dass Mace Duvall als Trainer zu uns kommen soll.“

Sammy rückte seine Mütze zurecht, dann nickte er. „Ja, er arbeitet eine Woche als Ausbilder bei uns und geht auch mit auf Tour. Aber wenn ihr nicht in zehn Minuten auf dem Platz steht, bekommt ihr ihn nie zu Gesicht.“

„Hey, eben waren es noch fünfzehn Minuten“, protestierte Sal Lopes, der Center Fielder des Teams.

„Und es werden noch weniger, wenn ihr nicht augenblicklich eure Hintern bewegt“, donnerte Sammy, und die Spieler eilten zum Klubhaus.

Becka bezog die Massagebank mit einer neuen Decke und lauschte nebenbei dem Geplauder der Spieler, die sich zum Training umkleideten. Als sie ihren Job hier angetreten hatte, waren einige von ihnen auf die Idee gekommen, mit ihr anzubändeln, doch sie hatte sie nur ausgelacht. Aus ihrer Zeit als aktive Sportlerin und Trainerassistentin besaß sie genügend Erfahrung im Umgang mit Spielern. Und sie wusste, dass es darunter immer wieder solche gab, die vor Selbstgefälligkeit strotzten und denen es schwer fiel zu akzeptieren, dass eine attraktive Rothaarige ihrem Charme widerstehen konnte. Im Laufe der Jahre hatte sie jedoch gelernt, locker auf derartige Annäherungsversuche zu reagieren.

Mitunter hatte sie zwar auch mal einen Blick in die Umkleideräume riskiert und zugeben müssen, dass dies ganz amüsant sein konnte – vor allem für jemanden, dessen eigenes Sexualleben auf Sparflamme brannte. Doch beim Umgang mit den Jungs hatte sie eine leicht gelangweilte Sachlichkeit perfektioniert und es damit irgendwie geschafft, zu einer der ihren zu werden. Heutzutage sahen die Spieler von Lowell in ihr eher eine Art ältere Schwester als ein Objekt ihrer Begierde.

„Lies nach, wenn du es nicht glaubst, aber ich sage dir, er kam während seiner Karriere auf eine durchschnittliche Schlagquote von 360.“ Die Stimme gehörte DeWalt Jefferson, genannt Stats, der sämtliche Tabellen auswendig wusste.

„Du spinnst ja. Demnächst erzählst du mir noch, sein Saisonrekord läge bei 400“, meldete sich Morelli zu Wort.

„Bei 383“, meinte Stats triumphierend.

„Das ist doch Quatsch.“

„Hey, wenn Stats das sagt, dann stimmt es auch.“ Chico Watson, der stämmige Baseman des Teams, mischte sich ein. Er war schon dreiundzwanzig Jahre alt und als Einziger verheiratet.

„Mann, was gäbe ich dafür, wenn ich eine solche Quote hätte“, seufzte Sal Lopes.

„Mir würde es völlig reichen, wenn ich bei Frauen auf so eine Trefferquote käme“, meinte Morelli grinsend.

Becka öffnete die Tür zum Umkleideraum ein wenig. „Von wem redet ihr eigentlich?“

Vier Köpfe fuhren herum und schauten sie an. „Von Mace Duvall.“

Selbst sie hatte schon von Mace Duvall gehört, dem blonden, glänzend aussehenden Mann, der so häufig in Gesellschaft von Schauspielerinnen und Models zu sehen war, wenn er sie zu Benifizveranstaltungen und Filmpremieren begleitete. Und wenn man den Medien Glauben schenken durfte, begleitete er sie auch in ihre Betten. Sie erinnerte sich aber auch noch dunkel an etwas anderes, das mit ihm zusammenhing.

„Hat er nicht seine Karriere beendet?“

„Sagen wir lieber: beenden müssen“, erklärte Morelli. „Autounfall. Ein Laster hat ihn über den Haufen gefahren. Er kann sich glücklich schätzen, dass er noch am Leben ist.“

Der Mann, der in seinem Jeep auf den Parkplatz des Lowell Stadions fuhr, hätte das von sich selbst kaum behauptet. Glücklich wäre er nur gewesen, hätte er wieder auf das Spielfeld zurückkehren dürfen.

Er stieg aus dem Wagen, runzelte die Stirn, weil Nacken und Beine wieder steif waren, ignorierte es dann aber – wie immer. Die Behinderung zu akzeptieren, wäre einer endgültigen Kapitulation gleichgekommen. Der Unfall hatte ihn schon halb besiegt; einen kompletten Sieg würde er nicht zulassen.

Geistesabwesend stopfte er sein T-Shirt, das sich um einen schlanken muskelgestählten Körper spannte, in die abgewetzten Jeans. Während der Monate seiner Genesung hatte die Sonne Floridas sein helles, fast schulterlanges Haar golden gesträhnt. In seiner aktiven Zeit hatte er es aus Bequemlichkeitsgründen kurz getragen; nun aber ließ er es nur noch schneiden, wenn es ihm über die Augen hing oder ihn zu sehr im Nacken kitzelte.

Ein leichtes Humpeln beeinträchtigte seinen athletischen Gang, verschwand jedoch nach wenigen Schritten, als er die Straße überquerte und zum Stadion ging. Er lehnte sich an eine Mauer und blickte auf das Feld. Es übte einen unwiderstehlichen Reiz auf ihn aus, verlockte ihn, über den Zaun zu steigen und am Spiel teilzunehmen. Stattdessen begnügte er sich damit, die Spieler beim Training zu beobachten. Sie wirkten auf ihn wie ein Rudel verspielter junger Hunde, voll ungeschliffenen Talents, noch ohne professionelles Geschick. Und das sollte nun ausgerechnet er ihnen beibringen.

Früher war er es selbst gewesen, der die Bälle geschlagen und seiner Mannschaft zum Titelgewinn verholfen hatte, was ihm ein halbes Dutzend Mal in einem Jahrzehnt gelungen war. Ehe er von einem übermüdeten Fahrer, der die Kontrolle über seinen Sattelschlepper verloren hatte, von der Straße gefegt worden war. Vor den Wochen auf der Intensivstation.

Bevor er die Nachricht erhalten hatte, dass er nie wieder Baseball würde spielen können.

Seit Kindesbeinen hatte er sich nichts anderes gewünscht, als Baseball zu spielen. Er war einer jener wenigen Auserwählten gewesen, die sowohl das Talent als auch die nötige Motivation besessen hatten, ihren Traum realisieren zu können. Baseball war sein Leben gewesen. Fand kein Spiel statt, hatte er trainiert, gab es kein Training, hatte er sich Videobänder von Spielen angesehen.

Doch der Platz, den einst Baseball in seinem Leben eingenommen hatte, war verwaist, dort herrschte jetzt gigantische Leere. Deshalb hatte Stan Angelo, sein ehemaliger Teamgefährte, ihn gedrängt, Trainer zu werden – und ihn, um sein Ziel zu erreichen, ganz schön reingelegt.

Er erinnerte sich nur zu gut an jenes schicksalhafte Poolbillardspiel in seinem halb fertigen Haus in Florida vor einem Monat. „Nur bis zum Ende der Saison, Mace“, hatte Stan gesagt. „Das würde dir sicher besser gefallen, als dich hier zu Tode zu langweilen.“

„Ich langweile mich nicht. Ich baue ein Haus, treibe Sport, gehe angeln. Kurz und gut, ich genieße mein Leben“, war seine Antwort gewesen.

„Aber würdest du als mobiler Einsatztrainer beim Verband anfangen, hättest du viel mehr Abwechslung. Man würde dich mal hierhin, mal dahin schicken; du könntest ständig bei einem anderen Klub arbeiten, eben dort, wo man einen guten Mann wie dich braucht. Ich habe schon mit den Leuten vom Verband gesprochen, und sie wollen es mit dir versuchen.“

„Vielen Dank, kein Bedarf.“ Stan hatte bislang grauenhaft gespielt, und für Mace war es kein Problem gewesen, die entscheidende letzte Kugel einzulochen. „Ich bleibe lieber hier und arbeite an meiner Billardtechnik. Das würde dir übrigens auch nicht schaden.“

„Da bringst du mich auf eine Idee. Eigentlich könnten wir ja eine Wette daraus machen. Gewinnst du das nächste Spiel, werde ich kein Sterbenswörtchen mehr über die Sache verlieren.“

Mace hatte nur gegrinst. „So wie du spielst, können wir uns das ersparen.“

„Gib mir eine Chance. Und wenn ich gewinne, nimmst du den Job an. Besser als hier herumzusitzen und sich verrückt zu machen.“

„Mir geht es blendend.“

„Wie du meinst.“ Stan hatte die beiden ersten Kugeln umgehend versenkt, war lässig um den Tisch herumgegangen, um eine nach der anderen einzulochen.

Mace hatte die Stirn gerunzelt. „Das kommt mir nicht ganz geheuer vor.“

„Eine Wette ist eine Wette“, hatte Stan mit diabolischem Grinsen gesagt. „Meine Güte, du bist nun mal kein Zimmermann und kein Fischer. Du gehörst ins Baseballstadion, und das weißt du auch. Versuche es mit dem Job als Trainer. Vielleicht sagt es dir zu.“ Dann hatte er die letzte Kugel ins Ziel gestoßen.

Und Mace war völlig verblüfft gewesen.

Er schüttelte den Kopf, als er daran zurückdachte. Schön, er hatte Stan versprochen, es mit dem Job zu versuchen. Im Grund bedeutete das ja nur, zunächst mal eine Woche in Lowell, seinem ersten Einsatzort, zu verbringen.

Mace drehte sich um und ging weg. Eines hatte er letztes Jahr immerhin gelernt: dass unvorhersehbare Ereignisse alle Zukunftspläne zunichte machen konnten. Seitdem hatte er es aufgegeben, langfristige Ziele zu verfolgen, und sich zur Devise gemacht, alles so zu nehmen, wie es kam. So würde er es auch hier halten.

Becka saß im Unterstand und sah den Spielern zu. „Wisst ihr, dass er dreimal hintereinander den Golden Glove gewonnen hat?“ hörte sie Stats fragen.

Sie verdrehte die Augen. Sie wusste, von wem die Rede war, auch wenn Mace Duvall nicht namentlich erwähnt wurde. Während der letzten beiden Trainingsstunden hatten sich die Spieler pausenlos über ihn unterhalten. Inzwischen kannte sie jede Einzelheit von Baseball Playboy Nummer eins: seine Lebensweise, seine Erfolge, seine Schlaghaltung, seine Lieblingsschuhe und seine Hobbys. Ja, sie kannte sogar das Rezept für seinen Proteintrank!

„Sammy sagt, er übernachtet bei uns im Wohnheim“, erzählte Morelli. „Und neben mir ist ein Zimmer frei.“ Die meisten Spieler legten keinen großen Wert darauf, in eigene Apartments zu ziehen, sondern lebten im Wohnheim, das zur Universität von Massachusetts gehörte und gleich gegenüber dem Stadion lag. Von der Vereinsführung wurden sie dazu ausdrücklich ermuntert; es war ja auch leichter, junge Spieler im Auge zu behalten, wenn sie in der Nähe blieben.

„Das würde dir so passen, ihn dir allein zu krallen, Morelli“, warf Chico ein. „Lass uns auch noch was von ihm übrig.“

Becka schüttelte den Kopf. Viele der jungen Männer waren bereits volljährig, doch bekamen sie es mit einem Star zu tun, himmelten sie ihn an wie kleine Kinder.

Sie sah, wie der Wurftrainer einen Ball schlug, dem Sal Lopes hinterherrannte. Als hätte sie eine Vorahnung gehabt, schaute sie ihm nach – und im nächsten Moment knickte er auch schon um. Sofort sprintete sie aufs Feld.

„Mensch, bin ich ein Idiot“, ächzte Lopes, als Becka und der Wurftrainer ihn in das Klubhaus trugen und auf die Massagebank legten. „Und das ausgerechnet am Tag, wenn Duvall kommt.“

„Das wird schon wieder“, tröstete ihn Becka und legte eine kalte Packung auf den Knöchel, der bereits besorgniserregend angeschwollen war. „Bleib still sitzen. Sobald die Schwellung ein wenig nachlässt, werde ich ihn verbinden.“ Das Telefon klingelte, und sie ging zu ihrem Schreibtisch.

„Landon.“

„Hallo, Schwester!“

Becka staunte. „Nellie? Bist du schon hier? Ich dachte, du und Joe wärt noch in den Flitterwochen.“

„Wir sind schon am Sonntag zurückgekommen. Mom hat gesagt, du bräuchtest Hilfe beim Umzug.“

„Ich komme schon zurecht. Aber ich kann jetzt nicht telefonieren, ich muss mich um einen verletzten Spieler kümmern.“

„Ach was, Joe wird dir helfen.“ Nellie hörte ihr offenbar nicht richtig zu.

„Der arme Kerl soll sich erst einmal erholen. Ihr seid erst vor zwei Tagen zurückgekommen. Da kannst du ihn nicht gleich wieder zu einer Arbeit abkommandieren.“

„Und ob ich das kann.“ Nellie lachte. „Außerdem macht er es gerne.“

„Du hast dir ziemlich viel von Mom abgeschaut. Vielleicht möchte Joe auch etwas dazu sagen.“

„Er ist ganz meiner Meinung, keine Sorge.“

Das stimmte vermutlich, dachte Becka. Nellie hatte ihren Verlobten und jetzigen Ehemann stets um den kleinen Finger gewickelt und mit ihm gemacht, was sie wollte. Becka blickte zu Sal hinüber und klopfte nervös mit den Fingern auf den Hörer.

Nellie gluckste wieder. „Joe lässt fragen, ob es bis zum Wochenende warten kann.“

„Ich muss bis Freitagmorgen draußen sein“, erklärte Becka. „Es ist besser, wenn ich …“

„Wie steht es mit morgen?“

„Nellie, ihr habt selbst so viel um die Ohren. Ich miete mir einen …“

„Kommt überhaupt nicht infrage. Joe und ich helfen dir. Um wie viele Stücke handelt es sich?“

„Um fünf oder sechs“, sagte Becka und gab auf. Sie hatte es nie geschafft, ihrer kleinen Schwester und ihrer Mutter Widerstand entgegenzusetzen. Immer wussten die beiden ganz genau, was das Beste für sie war, und ließen sich durch nichts davon abbringen. Und am schlimmsten war, dass sie es stets gut mit ihr meinten, was es ihr unmöglich machte, sich dagegen zu sträuben, ohne unfreundlich zu werden. „Eine Couch, Tisch und Stühle, der Küchenschrank. Ach, und wir müssen noch bei Ryan anhalten. Von ihr bekomme ich ein Bett. Aber ich muss jetzt wirklich aufhören.“

„Ryan wird doch bald heiraten. Wo will sie denn inzwischen schlafen?“

„Bei Cade, nehme ich an. Also, wenn ihr mir unbedingt helfen wollt, dann kommt bitte früh. Ich arbeite morgen.“

„Wie früh?“

Becka dachte nach. „Wir müssen wahrscheinlich ein paar Mal fahren. Könntet ihr um neun anfangen?“

„Wie wäre es mit acht?“

„Super. Je früher, desto besser.“

„Willst du noch mit Mom sprechen?“

„Ich muss wieder an die Arbeit“, sagte Becka schnell. „Bis dann.“

„Hey, Sie müssen sich nicht mir zuliebe beeilen“, meinte Lopes, als sie den Hörer auflegte.

Becka zog die Augenbrauen hoch. „Glaub mir, es war nicht dir zuliebe.“

Mace trat durch die Tür des Verwaltungsbüros der Lowell Weavers. Als er Richtung Umkleideräume ging, hörte er Sammy Albonado, noch ehe er ihn sah.

„Ich brauche noch ein paar Wochen, dann habe ich ihn zurechtgebogen. Wir sollten in dem Fall nicht vorzeitig aufgeben.“

Mace klopfte an die offene Tür. Sammy winkte ihn herein und nickte dem unsichtbaren Anrufer lebhaft zu.

„Das Talent hat er allemal, er muss nur mehr daraus machen.“ Mace nahm Platz und sah sich in dem engen Büro mit seinem abgenutzten Schreibtisch und alten Aktenschrank um. An der Wand baumelte ein Kalender, daneben hingen ausgeblichene Tabellen längst vergangener Spielzeiten. An eine zerfledderte Korktafel war der Zettel mit der heutigen Mannschaftsaufstellung geheftet.

Sammy verabschiedete sich von seinem Gesprächspartner, hängte ein und streckte grinsend die Hand aus. „Nicht möglich. Mace Duvall ist bei uns.“

„Höchstpersönlich.“ Mace ergriff Sammys Hand.

„Ich habe dich weiß Gott wie oft spielen sehen, und es hat sich immer gelohnt“, sagte Sammy anerkennend, stand auf und schloss die Tür. „Was zu trinken gefällig? Cola, Wasser?“ Er ließ sich wieder in den Stuhl fallen und öffnete den Minikühlschrank hinter seinem Schreibtisch.

„Wasser, bitte.“

Sammy reichte Mace eine Flasche, nahm sich selbst eine Cola und lehnte sich zurück. „Ich muss gestehen, ich bin froh, dass du hier bist. Wenn du es schaffst, diesen Jungs auch nur ein Zehntel deiner Erfahrung zu vermitteln, wird sie das um Welten weiterbringen.“ Er trank einen Schluck und seufzte zufrieden. „Wir können ihnen das technische Rüstzeug mitgeben, aber wir brauchen jemand, der ihnen das Gefühl für das Spiel, das Auge für den Ball beibringt.“

Mace nippte an der Wasserflasche. „Gut, ich werde tun, was in meiner Macht steht, kann aber keine Garantien abgeben.“ Er starrte auf die Plastikflasche und fühlte sich auf einmal völlig deplatziert. Was, zum Teufel, hatte er hier eigentlich zu suchen?

Sammy lächelte ihm zu. „Natürlich kannst du das nicht“, meinte er. „Aber du weißt alles über Baseball, und das ist es, was zählt. Schau dir das Spiel heute Abend an, wir sprechen morgen beim Frühstück darüber. Das Training beginnt um dreizehn Uhr.“ Das Telefon klingelte, und Sammy bedachte es mit einem wütenden Blick. „Okay, sieh dich inzwischen um. Bis später.“

Mace öffnete die Tür zu den leeren Umkleideräumen und hörte plötzlich eine Frau lachen.

„Es ist Zeit, den Knöchel zu verbinden, Sal.“ Vorsichtig nahm sie den kalten Umschlag ab, und der Anblick darunter ließ sie zusammenzucken. Die Schwellung selbst war nicht so stark, doch das Gelenk war mit roten und lila Streifen überzogen.

Lopes stützte sich auf die Ellenbogen. „Wie sieht es aus?“

Becka hob den Knöchel behutsam hoch und bewegte ihn leicht. Lopes sog zischend den Atem ein. „Tut ziemlich weh, was?“

„Nicht so schlimm“, brachte er mit gepresster Stimme hervor. „Bis morgen bin ich wieder in Ordnung.“

„Du darfst von Glück sagen, wenn du morgen ein bisschen humpeln kannst. Das muss geröntgt werden.“

„Ich muss bis morgen wieder fit sein“, protestierte Sal. „Duvall ist nur eine Woche hier.“

„Er ist ein ehemaliger Spieler, kein Gott“, sagte sie mürrisch und holte eine Streckbinde aus dem Vorratsschrank. „Der Knöchel muss ruhig gestellt werden, damit er langsam heilen kann. Wäre er gebrochen, müsstest du sogar mehrere Wochen pausieren. Ich werde dich verpflastern und anschließend ins Krankenhaus zum Röntgen fahren.“ Sie drehte sich um und stöberte im Vorratsschrank. „Hier müssen irgendwo noch ein paar Krücken sein …“ Sie hatte sie gerade gefunden, als Lopes versuchte, von der Bank aufzustehen.

Kaum hatte er mit dem verletzten Fuß den Boden berührt, schrie er auf und verlor das Gleichgewicht.

„Verdammt, Sal!“ Sie ließ die Krücken fallen und sprang zu ihm, um ihn aufzufangen. Mit schmerzverzerrtem Gesicht plumpste er gegen sie und hielt sich mit einem Arm an ihrer Schulter fest.

„Du legst dich sofort wieder hin!“ Becka keuchte vor Anstrengung, als sie ihn mit sich schleifte. „Stütz dich auf mich, und mach nur kleine Schritte. Wir müssen uns gleichzeitig bewegen, dann kann ich dein Gewicht halten.“ Sie wertete sein Brummen als Zustimmung und ging langsam mit ihm voran.

So unbeholfen und bedächtig, wie sie sich dahinschleppten, erinnerten sie an ein Paar Tanzbären, dachte Becka. Auch Lopes wurde offenbar klar, wie albern das Ganze aussehen musste, denn er begann plötzlich zu lachen, und sie ließ sich sofort davon anstecken.

„Wie wäre es mit einem Wettlauf?“ fragte Lopes und kringelte sich.

„Hör auf, sonst schaffe ich es nicht.“ Als er sich endlich an die Massagebank lehnte, atmete sie erleichtert durch und lachte von neuem.

„Ich kann mich nicht erinnern, in meiner gesamten aktiven Zeit je eine derartige Heilgymnastik gesehen zu haben.“ Becka vernahm eine angenehme, warme Stimme, drehte sich um und erblickte Mace Duvall in der Türöffnung. Er hatte ihnen ganz offensichtlich zugesehen.

Er war hager, aber dennoch kräftig gebaut, und strahlte undefinierbare Energie aus. Er sah so gut aus wie im Fernsehen, vielleicht sogar besser, und die dünne Narbe, die entlang seiner linken Wange verlief, verlieh ihm noch eine zusätzliche interessante Note. Er sprach all ihre Sinne auf eine Weise an, wie das noch nie ein Mann getan hatte.

Sal reagierte blitzschnell. „Wow! Mann, Sie sind Mace Duvall! Ich freue mich riesig, dass ich Sie treffe.“ Seine Worte rissen Becka aus ihrer Benommenheit. Sal grinste. „Ich hoffe, es stört Sie nicht, dass ich nicht aufstehen kann.“

Mace ging zu dem jungen Spieler und schüttelte ihm die Hand, ließ währenddessen Becka aber keinen Moment aus den Augen. „Was ist passiert?“

„Er ist übel ausgerutscht, hat aber nur eine Verstauchung. Wie lange bleiben Sie hier?“

„Eine Woche.“

„Becka hat gesagt, ich bin morgen wieder auf den Beinen“, meinte Sal und reckte den Daumen.

„Von wegen. Ich habe gesagt, dass er sich röntgen lassen muss.“ Sie hob die Krücken auf und reichte sie ihm. Sal zuckte mit den Schultern. „Na schön, aber ich muss noch mal wohin.“

„Einverstanden“, sagte sie mit einem kurzen Blick auf Mace. „Aber danach fahre ich dich ins Krankenhaus.“

„In Ordnung. Fünf Minuten.“ Er schwang sich auf Krücken durch den Raum und grinste immer noch. Becka fühlte sich durch Maces Gegenwart auf einmal seltsam eingeengt. Vielleicht lag das an diesen spöttisch blickenden Augen; vielleicht aber auch an dem Kribbeln, das sie so unerwartet überfiel.

Sie zwang sich dazu, ruhig zu atmen. Keine Frage, sie fand ihn umwerfend. Auf keinen Fall aber wollte sie seinem Ego schmeicheln und sich anbiedern, wie all die anderen Frauen das offenbar taten. Sie befand sich auf ihrem Territorium; hier durfte sie sich nicht von einem Mann in Verlegenheit bringen lassen.

Er lächelte so, als wüsste er genau, was in ihr vorging. Das machte sie schlagartig wütend.

Du bist Profi, rief sie sich in Erinnerung. Also verhalte dich auch so. „Ich nehme an, Sie sind der berüchtigte Mace Duvall.“ Sie streckte die Hand aus. „Ich bin Becka Landon, die berüchtigte Fitnesstrainerin.“

„So behandeln Sie also Ihre Verletzten?“ fragte Mace, schüttelte ihre Hand und bemerkte dabei ihren unruhigen Pulsschlag. Er hatte schon immer eine gewisse Vorliebe für Rothaarige gehegt, und hier traf er eine, die auch noch ausgesprochen sportlich war. Ihr schulterlanges, tief dunkelrotes Haar umrahmte grüne Katzenaugen, die ihn unter dem Pony anstarrten. Ihr voller Mund wirkte sanft, aber mürrisch. Ihr Poloshirt und ihre Shorts konnten nicht verbergen, welch straffer Körper sich darunter befand. Dem Spieler konnte man wahrlich keine Vorwürfe machen, dass er sich so an sie geklammert hatte.

Becka reckte streitlustig das Kinn. „Ich habe ihm geholfen. Was ist daran auszusetzen?“

Er fragte sich, wie diese vollen Lippen wohl schmecken würden. „Aber damit bringen Sie Ihre Spieler ganz durcheinander.“

„Machen Sie aus einer Mücke doch keinen Elefanten“, sagte sie gereizt und riss die Decke von der Bank. „Er konnte mit dem Fuß sein Gewicht nicht halten, also musste ich ihn auffangen. Oder hätte ich ihn auf den Boden fallen lassen sollen?“

Die Art, wie sie ihn anfunkelte, verlockte Mace, sie ein wenig in die Enge zu treiben, um ihre Reaktion zu testen. „So was kommt wohl ziemlich oft vor, wie?“

Sie wurde rot. „Ganz bestimmt nicht.“

„Aber normalerweise sieht man Trainer und Spieler nicht in so inniger Umarmung.“

Sie lachte. „Keine Sorge. Für diese Jungs bin ich wie eine alte Tante. Sal denkt momentan nur daran, dass er Spiele versäumen wird, nicht an mich. Er hat Wichtigeres im Sinn.“

Für einen Moment schnellte sein Blick hinab zu den Knöpfen ihres Poloshirts. „Jungs in dem Alter haben nichts Wichtigeres im Sinn.“

Sie wollte ihm eine barsche Antwort geben, doch dann sah sie die Belustigung in seinen Augen. „Sind Sie immer so charmant, oder probieren Sie bei mir nur einen neuen Trick aus?“

Die Streitlust stand ihr gut zu Gesicht, fand er. Sie besaß offensichtlich Temperament und verstand sich zu wehren. Und sie sah derart toll in ihrer schlichten Kleidung aus, dass er sich einfach fragen musste, wie sie ganz ohne aussah. „Ich wollte Sie nicht kränken, sondern nur freundschaftlich warnen. Sie dürfen diese Jungs nicht unterschätzen. Die Hälfte von ihnen hat erst vor zwei Monaten die High School verlassen. Die wissen noch nicht, wie sie ihre Hormone steuern sollen. Was Sie für harmlos halten mögen, stachelt die Jungs zu Tagträumen an.“

„Ach, hören Sie auf, Sie übertreiben.“

Er kam einen Schritt näher, und ihr Herz schlug schneller.

„Sie dürfen auch mich nicht unterschätzen“, sagte er sanft.

Ich sollte ihn in seine Schranken weisen, dachte sie, konnte aber einfach nicht den Blick von seinen bernsteinfarbenen Augen wenden. Die Sekunden dehnten sich, bis sie das Klappern von Krücken und Sals Stimme hörte.

„Ich bin bereit.“

Sie packte ihre Handtasche und warf Mace einen raschen Blick zu. „Danke für das nette Gespräch, aber ich muss los. Schätze, ich sehe Sie heute Abend, wenn das Spiel beginnt.“

Er grinste sie an, und das Flackern seiner Augen löste etwas in ihr aus, das sie bis hinunter zur Magengrube spürte. „Komisch, ich dachte, es hätte schon begonnen.“

2. KAPITEL

Die Morgensonne schien, als Becka Joe dabei half, den letzten ihrer Stühle auf seinem Lieferwagen festzubinden. Endlich waren alle Möbel aufgeladen, einschließlich des Bettes, das sie zuvor vom Haus ihrer Freundin Ryan abgeholt hatten.

„Wir sind startklar“, rief Joe, wischte sich den Staub von den Händen und beeilte sich, zu seiner Frau in den Wagen zu steigen. Der stämmige Mann schien Nellie regelrecht anzubeten, fand Becka. Und genau wie ihr Vater besaß er unendliche Geduld. Vielleicht brauchte er die auch, um eine Beziehung mit einer Frau zu führen, die immer alles besser wusste – oder dies wenigstens glaubte.

Autor

Kristin Hardy
Kristin Hardy studierte Geologie und Physik und arbeitete nach ihrem Abschluss in Connecticut im Auftrag der NASA an der Entwicklung eines Telekops mit, dass mittlerweile die Erde umkreist. Doch der Drang zu schreiben wuchs.
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