Morgenlicht und Abendglut

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Der Sportreporter Brady braucht unbedingt eine Ehefrau, um das Sorgerecht für seinen Sohn zu erhalten. Und da die hübsche Dozentin Maggie ebenfalls verheiratet sein muss, weil sie nur dann ihr Erbe antreten kann, werden sie sich schnell einig: Die Lösung heißt Zweckehe. Und die Liebe? Kommt später …


  • Erscheinungstag 09.05.2018
  • ISBN / Artikelnummer 9783733756994
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

„Du weißt, ich bin gegen meinen Willen hier“, erinnerte Maggie Buchanan ihren Bruder, der mit ihr am Tisch saß. Unruhig sah sie sich um. Sie befand sich in einem überaus eleganten Ballsaal eines Hotels in Phoenix. Draußen kündigte der kühle Septemberwind bereits den nahenden Winter der Wüste – Regen und niedrige Temperaturen – an.

Bennett schenkte ihr sein bezauberndes Lächeln, das Frauenherzen schmelzen ließ. „Du bist hergekommen, weil dir der wohltätige Zweck dieser Veranstaltung am Herzen liegt.“

„Das schon. Aber dieses Spiel mache ich trotzdem nicht mit.“

„Warum denn nicht? Es könnte dir auch Spaß machen.“

„Eine Verabredung mit einem Mann zu ersteigern?“, fragte Maggie ungläubig.

„Es ist doch nur für einen guten Zweck“, erwiderte er, während einer der attraktivsten Polizisten der Stadt über den Laufsteg schlenderte, was die versammelte Damenwelt zu Begeisterungsstürmen hinriss.

Angewidert betrachtete Maggie die Frauen, die sich ihrer Meinung nach restlos lächerlich machten. „Niemals“, rief sie Bennett zu. „Das kommt nicht infrage!“

Lachend rückte er seine Krawatte zurecht und betrachtete eine Blondine am Nebentisch. Sie trank Champagner aus einem langstieligen Kelch und schien sich mehr für ihn als für die Versteigerung zu interessieren. „Sag niemals nie, Maggie. Wer ist das?“, erkundigte er sich leise bei seiner Schwester.

„Elizabeth Hudson, die Tochter von Richter Hudson.“

„Maggie, tu dir etwas Gutes“, drängte er sie, ohne den Blick von der Frau abzuwenden. „Setze etwas auf den nächsten Typ.“

„Warum sollte ich?“, fragte Maggie leicht gereizt.

Widerstrebend wandte er sich wieder ihr zu. „Vergiss nicht, du hast ein Problem.“

Er brauchte sie nicht an ihre Schwierigkeiten zu erinnern. Hatten sie nicht schon im Taxi darüber gesprochen? „Du meinst doch nicht etwa, dass ich …“ Erschrocken senkte sie die Stimme und sah ihren Bruder eindringlich an: „Bennett, ich werde mir hier keinen Ehemann suchen.“

„Wärst du öfter weggegangen, würdest du nicht in dieser Klemme stecken.“

„Ich bin viel zu beschäftigt.“ Ihren Job als Privatdozentin für mittelalterliche Geschichte nahm sie sehr ernst. Sie lehrte an der Universität, leistete nebenher freiwillige Arbeit für wohltätige Zwecke und gehörte der Gesellschaft für Denkmalschutz an. Da blieb zum Ausgehen keine Zeit. „Die meisten Männer, die ich kenne, sind verlobt oder verheiratet, manche sogar zum dritten oder vierten Mal. Oder sie sind überzeugte Junggesellen. Es ist nahezu unmöglich, einen geeigneten Kandidaten zu finden – vor allem einen, der mit einer befristeten Ehe einverstanden ist.“

„Falsch. Ich wüsste da jemanden“, sagte Bennett gedehnt. „Brady …“

„Brady? Brady McQueen?“ Maggie ließ sich nicht leicht vom Aussehen eines Mannes oder seinem muskulösen Körper beeindrucken, doch Brady McQueen mit seinem erotischen Lächeln und den sagenhaften blauen Augen war der Traummann jeder Frau in Bennetts und ihrem Bekanntenkreis. Doch Brady McQueen bevorzugte zarte Blondinen wie seine verstorbene Frau Kirsten Scott oder die Schönheit am Nebentisch, die die Aufmerksamkeit ihres Bruders erregte.

„Er ist nicht abgeneigt“, unterbrach Bennett ihre Gedanken.

„Wie … nicht abgeneigt?“

„Vielleicht möchtest du auch eine Romanze.“

Sie traute ihren Ohren nicht. Was war nur in ihn gefahren? Ihr acht Jahre älterer Bruder war für gewöhnlich ein rationaler, vernunftbegabter Mensch. Als Anwalt hatte er stets klaren Verstand und logisches Denken gezeigt. Doch beides schien ihm auf unerklärliche Weise abhanden gekommen zu sein. „Quatsch. Ich suche keine Romanze“, wehrte sie ab.

„Und genau deshalb sitzt du in der Klemme.“

Offenbar hatte er an seiner hirnverbrannten Idee einen Narren gefressen. „Wieso sollte er ausgerechnet mich heiraten wollen?“

„Ich habe nur von einer Verabredung gesprochen, Maggie, mehr nicht“, erwiderte Bennett und fuhr sich durchs Haar, das ebenso dunkel wie ihres war.

„Und was soll das bringen?“

„Es könnte zu mehr führen.“

„Ich bitte dich, Bennett!“, sagte sie lauter als nötig. Leute blickten zu ihnen herüber.

Er lachte leise. „Ich mag es, wenn du dich in der Öffentlichkeit vergisst.“

„Das ist absurd“, zischte sie ihm zu.

„Absolut nicht. Du hast gar keine andere Wahl. Du musst heiraten.“ Damit richtete er den Blick wieder auf die Blondine.

Amüsiert beobachtete Maggie, wie ihr Bruder sein hinreißendes Lächeln einsetzte. Kein Wunder, dass er mit Brady eng befreundet war. Die beiden waren aus demselben Holz geschnitzt. Oft und gern hatte Maggie ihrem Bruder beim Flirten zugesehen, doch sie selbst wollte nicht das Opfer eines solchen Herzensbrechers werden.

„Du brauchst einen Ehemann.“

Um dem unangenehmen Thema auszuweichen, blickte Maggie zur Bühne herüber, da das Kreischen der Frauen wieder anschwoll. Sie hielt den Atem an. Lässig und mit einem umwerfenden Lächeln stand Brady McQueen am Bühnenrand und wartete, dass der Beifall abklang.

„Maggie!“ Bennett schnippte mit den Fingern vor ihrem Gesicht.

Sie zuckte zusammen und ärgerte sich darüber, wie sehr sie sich von Bradys Anblick faszinieren ließ.

Bennett war klug genug, auf ihre Reaktion nicht einzugehen. „Das Gebot liegt bei siebenhundert“, sagte er nur.

Erstaunlich, dachte sie. Wie können sich intelligente Frauen nur dermaßen bloßstellen?

„Es gibt nicht so viele Gelegenheiten, Männer kennenzulernen“, fuhr ihr Bruder fort. „Single-Bars, Zeitungsanzeigen.“ Er lachte über ihren finsteren Blick. „Ich mache doch nur Spaß.“

Natürlich wusste er sehr genau, dass die erwähnten Möglichkeiten für sie niemals infrage kamen. Sie ging nie ein unnötiges Risiko ein. Im Auto schloss sie stets die Türen ab, nach Einbruch der Dunkelheit blieb sie im Haus, und sie hatte immer Abwehrspray bei sich. Vor allem traf sie sich nicht mit aufregenden Männern, die nur Lust und Abenteuer suchten.

„Die Jagd nach einem Ehemann ist eine ernste Sache“, mahnte Bennett.

„Auf die ich absolut nicht aus bin.“

„Hier geht es nicht darum, auf was du aus bist“, entgegnete er leise. „Es soll ja nicht für ewig sein. Aber es ist das Beste, was du momentan tun kannst.“ Er deutete zum Laufsteg. „Mach schon!“

„Bennett, was soll das Ganze?“

„Los jetzt. Wir haben keine Zeit für Erklärungen. Biete für ihn, sonst ruinierst du unseren Plan.“

Maggie zog fragend die Brauen hoch. „Unseren Plan? Was hast du geplant? Und mit wem?“

Ihr Bruder deutete auf Brady.

„Ihr habt über mich gesprochen?“ Hatte er Brady tatsächlich erzählt, dass die arme Maggie keinen Mann fand?

„Biete!“, befahl Bennett.

„Erst will ich wissen, was ihr über mich geredet habt.“

„Er braucht dich, Maggie.“

Das war nicht fair. Bennett kannte ihre Schwachstelle. Wenn jemand Hilfe brauchte, holte man Maggie, die nie Nein sagen konnte.

„Meine Damen“, hob der Moderator die Stimme, „dies ist Ihre Chance! Eine Verabredung mit einem attraktiven und intelligenten Mann! Ein Traumdate! Unvergessliche Stunden liegen vor Ihnen. Ein romantisches Dinner auf einer Jacht bei Sonnenuntergang, ein Abend im Konzert, ein ereignisreicher Tag beim Fallschirmspringen oder Surfen – bei diesem Junggesellen haben Sie die freie Wahl. Er kann einfach alles.“

„Eintausend“, sagte Maggie laut. Sie ignorierte die neugierigen Blicke – und auch die finstere Miene einer wunderschönen Brünetten, die sofort zweihundert mehr bot.

„Das ist Wahnsinn“, flüsterte Maggie ihrem Bruder zu.

„Es ist für einen wohltätigen Zweck. Biete fünfzehn.“

„Fünfzehnhundert“, bot Maggie und staunte, wie energisch sie sich anhörte.

Die Brünette machte ein noch wütenderes Gesicht, schwieg jedoch.

Der Moderator schwärmte weiter von einer Verabredung, die ihr Geld wert war, und Brady kam auf Maggie zu – hellwach und voller Tatendrang.

Um welche Taten es sich dabei handeln mochte, wusste sie nicht. Am liebsten hätte sie sich aus dem Saal geflüchtet, so flau war ihr im Magen, doch das ging ja wohl kaum. Mochte Brady auch noch so selbstsicher wirken und ihre Kehle sich wie zugeschnürt anfühlen – Maggie blieb aufrecht sitzen und hielt seinem Blick stand.

„Hi, Maggie“, sagte er sanft.

Nun steckte sie wirklich in ernsthaften Schwierigkeiten, das wurde ihr schlagartig klar. Nie zuvor hatte ein Mann ihren Namen so zärtlich und sinnlich ausgesprochen. Noch nie war ihr beim Klang ihres Namens solch ein wohliger Schauer über den Rücken gelaufen. Wie gern hätte sie jetzt etwas gesagt. Schließlich war sie aufgeweckt und schlagfertig und meistens eine gute Gesprächspartnerin. Doch dieser Mann war nicht wie die meisten Leute.

Er war Brady McQueen.

Ein kräftig geschnittenes, gebräuntes Gesicht unter hellbraunem, von der Sonne gebleichtem Haar. Brady war Sportreporter beim Herald. Er war sehr offen und gesellig, und nach allem, was Bennett über ihn erzählt hatte, führte er kein so zurückhaltendes Leben wie Maggie.

„Was geht hier eigentlich vor?“, wandte sie sich an ihren Bruder.

„Wollen wir gehen?“, fragte Brady, weil er nicht vor so vielen neugierigen Beobachtern über seine Probleme sprechen wollte.

„Wartet einen Moment“, bat Bennett und stand auf.

Maggie hielt ihn am Arm fest. „Bennett …“

„Ich komme gleich wieder“, versprach er.

Widerwillig ließ sie seinen Ärmel los.

Brady hätte sich zurückziehen und es Bennett überlassen können, für morgen ein Treffen zwischen ihm und Maggie zu vereinbaren. Ihre Distanziertheit reizte ihn jedoch. „Lass uns nach draußen gehen. Da sind wir ungestört.“ Sie wirkte nervös, aber beherrscht. Ja, beherrscht. Dieses Wort passte perfekt zu der reservierten Ms. Margaret Buchanan.

Maggie wäre am liebsten geflohen, während ihr Bruder der aufregenden Blondine seine Telefonnummer auf eine Serviette notierte. Mit hoch erhobenem Kopf und starrem Blick strebte sie dem Ausgang zu. Die Leute sahen zu ihnen herüber und flüsterten miteinander. Bestimmt waren sie beide morgen früh das Klatschthema Nummer eins in der Stadt.

„Du benötigst einen Ehemann“, sagte Brady leise, als sie den Ballsaal hinter sich gelassen hatten und die ruhige Hotelhalle erreichten.

Dafür würde sie ihren Bruder töten, allerdings erst morgen. Im Moment wünschte sie sich nur, der Boden würde sich unter ihr teilen und sie verschlingen.

„Sei nicht böse auf Bennett“, bat Brady. „Mir geht es ähnlich wie dir. Auch ich brauche dringend eine Ehefrau.“

Maggie schnaubte. Wo lag da das Problem? Männer wie er fanden leicht eine Frau, wenn sie wollten. Allerdings … er hatte gesagt, dass er eine brauchte, nicht dass er eine wollte. Maggie sah ihren Bruder durchdringend an. „Ich verlange eine Erklärung!“

„In meiner Eigenschaft als dein Bruder und Bradys Freund und Anwalt weiß ich, dass ihr beide Schwierigkeiten habt, die nur mit einer Ehe zu lösen sind. Und Brady braucht jemanden wie dich, Maggie, nicht irgendein Püppchen.“

Anstatt ihr zu helfen, schlüpfte ihr Bruder auch noch in die Rolle des Heiratsvermittlers! „Du hast den Verstand verloren, Bennett“, erwiderte sie aufgebracht.

„Maggie, denk doch mal nach! Du brauchst Brady, um dein Ziel zu erreichen.“

Sie schüttelte den Kopf. „Als du mich gebeten hast hier herzukommen, dachte ich an ein juristisches Schlupfloch.“

„Pech gehabt, liebe Schwester. Es gibt kein Schlupfloch. Du musst heiraten.“

„Ich will aber nicht heiraten“, entgegnete Maggie starrsinnig. Sie fühlte Bradys Augen auf sich gerichtet. „Du kennst meine Einstellung. Ich habe mit deiner Hilfe gerechnet. Ist das alles, was du zu bieten hast?“

Brady konnte den Blick nicht von ihr wenden. Wenn sie wütend wurde, wirkte ihr Gesicht plötzlich wild und lebendig, und ihre blauen Augen blitzten unter den langen dunklen Wimpern auf. Bennett hatte sie ihm als ruhig und verhalten, gar spröde, beschrieben, doch unter der ruhigen Oberfläche schien Leidenschaft darauf zu warten, geweckt zu werden.

„Es ist die perfekte Lösung“, behauptete Bennett.

„Es ist hirnverbrannt.“ Maggie wandte sich an Brady. Ungewollt verspürte sie ein feines Prickeln. „Du ziehst das doch nicht ernsthaft in Betracht, oder?“

Brady zuckte die Schultern. „Ich denke, es könnte klappen.“ Er kam mit jedem gut aus. Er lud seine Nachbarn zum Essen ein, redete seinen Arzt und seinen Automechaniker mit den Vornamen an und schäkerte oft mit dem Jungen, der jeden Morgen seine Zeitung mit erstaunlicher Treffsicherheit in einen äußerst stachligen Kaktus neben der Haustür pfefferte.

Andere hielten Margaret Buchanan für eine wohlhabende, kultivierte und verschlossene Person. Doch für ihn war die Frau mit dem schimmernden pechschwarzen Haar genau die Richtige. Sie war ideal, weil sie respektabel war.

Bennett wandte sich wieder dem Ballsaal zu. „Denk darüber nach, Maggie.“

„Wohin gehst du?“, rief sie ihrem Bruder voll Panik nach.

„Du brauchst mich jetzt nicht mehr.“ An der Tür drehte er sich noch einmal um. „Alles Weitere schafft ihr auch allein.“ Dann betrat er den Saal, die attraktive Blondine fest im Blick.

Maggie nahm sich ganz fest vor, ihn morgen zu erwürgen. „Das ist einfach verrückt.“ Wie konnte ihr Bruder sie mit einem Mann verkuppeln wollen, dessen Leben ebenso wild und ungeordnet war wie das ihre von Vorsicht und Zurückhaltung bestimmt? Stets hatte sie alles gegeneinander abgewogen und jedes Abenteuer vermieden. Und nun sollte sie einen faszinierenden und lebenslustigen Mann, der zumindest früher alles andere als zahm gewesen war, ehelichen.

„Bennett hat mir nicht erzählt, wieso du einen Ehemann brauchst. Lass uns einen Kaffee trinken gehen“, schlug Brady vor und deutete auf die kleine Kaffeebar in der Hotellobby.

Sie schüttelte entschieden den Kopf.

„Bitte, Maggie.“ Er kam ihr so nahe, dass sein Atem über ihr Gesicht strich. „Um ehrlich zu sein – ich bin in einer verzweifelten Lage.“

Maggie konnte sich kaum vorstellen, dass er das jemals zuvor zu einem Menschen gesagt hatte. Fiel Männern wie ihm nicht alles in den Schoß?

„Du hast doch von Kirsten gehört, oder?“, fragte Brady. Es mochte hinterhältig sein, an ihr Mitgefühl zu appellieren, doch im Moment war ihm jedes Mittel recht.

Natürlich wusste Maggie, dass er seine Frau verloren hatte. „Was hat das mit mir zu tun?“

Brady musterte sie genauer, bevor er antwortete. Sie trug ein schwarzes, hochgeschlossenes und langärmeliges Kleid. Als Schmuck hatte sie eine einreihige Perlenkette gewählt – ein Bild der Zurückhaltung. Schon vorhin im Ballsaal mit all den beispiellos herausgeputzten Frauen war ihm das aufgefallen. „Sag mir bitte zuerst, wieso Bennett meinte, das Thema Heirat könnte interessant für dich sein.“

Sie bemerkte eine winzige Narbe an seiner Wange. „Ich habe nicht die geringste Ahnung.“

Brady ergriff ihre Hand. Maggie wollte sie ihm entziehen, aber er hielt sie unerbittlich fest. „Bist du in Schwierigkeiten?“

„Aber nein“, wies sie entrüstet zurück.

Nein, dachte er, die stets vernünftige Margaret Buchanan hat sicher noch nie im Leben etwas Unüberlegtes getan.

„Mein Großvater …“ Maggie stockte, weil sie noch immer nicht glauben konnte, dass der reizende alte Mann, den sie so geliebt hatte, ihr das angetan hatte. „Kurz vor seinem Tod richtete er für mich einen Treuhandfonds ein.“

Brady nahm ihren Arm und führte sie zu der kleinen Bar. War das etwa ein Problem? Die meisten Leute betrachteten eine Erbschaft als Glücksfall.

„Das Testament enthält eine haarsträubende Klausel“, fuhr Maggie fort, nachdem sie sich gesetzt und Kaffee bestellt hatten. Nein, so ging das nicht. Sie musste weiter ausholen. „Ich lebte jahrelang bei meinem Großvater in seinem wunderbaren alten viktorianischen Haus.“

Brady nickte der Kellnerin zu, die den Kaffee servierte. Offensichtlich war Maggie eine scheue Frau, wohl behütet bei ihrem alten Großvater aufgewachsen, abgeschirmt vor den Verlockungen der Außenwelt. „Wohnst du immer noch dort?“

„Natürlich nicht. Mit zweiundzwanzig nahm ich mir eine eigene Wohnung.“

Er ermahnte sich, niemals voreilige Schlüsse zu ziehen.

Maggie nahm einen Schluck Kaffee. „Ich erbe das Haus an meinem dreißigsten Geburtstag zusammen mit dem Treuhandfonds.“

„Du wirst schon dreißig?“, fragte er lächelnd. „Du siehst aber viel jünger aus.“

Sie begann zu verstehen, warum er so anziehend auf Frauen wirkte. Er wandte den Blick nicht von ihr, er sah sie an, als wäre sie die Einzige auf der ganzen Welt. „Ende November, in knapp zwei Monaten, habe ich Geburtstag“, erwiderte sie steif. „Also bleiben mir noch acht Wochen.“

„Wozu? Um zu heiraten?“

Maggie vermied es, ihn anzusehen. „Ja. Dann gehört mir dieses Haus.“

Brady verstand den Zusammenhang nicht ganz. „Und … wenn du nicht heiratest?“

„Dann fällt es an meine Cousine Cassandra Walerford und ihren Mann Anderson.“

„Walerford.“ Brady lehnte sich zurück. „Sie ist deine Cousine?“

„Geborene Cassandra Kentington.“ Es war so demütigend! „Sie und Anderson wissen, dass ich … dass ich keinen Ehemann in Aussicht habe.“

„Und wieso nicht?“

„Wie bitte?“

„Warum gibt es keinen Mann in deinem Leben, Maggie?“ Er stützte sich auf den Tisch auf und strich ihr behutsam übers Haar.

Eine unbekannte Wärme stieg in Maggie auf. „Sie rechnen damit, dass …“, sagte sie hastig, um von seiner drängenden Frage abzulenken. Sie wünschte, er würde aufhören, sie zu streicheln. Doch seine Finger liebkosten mittlerweile ihre Wange. „Wenn ich an meinem dreißigsten Geburtstag noch unverheiratet bin, erbt Cassandra das Haus. Sie wird es sofort verkaufen.“

„Ist es denn so wertvoll?“ Er ließ die Finger über ihr Kinn wandern. Ihr Duft erinnerte ihn an Blumen nach einem Frühlingsregen.

Es fiel Maggie schwer, sich zu konzentrieren. „Das Grundstück ist einiges wert.“ Sie seufzte erleichtert auf, als er die Hand zurückzog. „Mein Großvater ließ das Haus ziemlich verkommen. Es muss komplett restauriert werden.“„Du willst es renovieren?“

Maggie umklammerte wie eine Ertrinkende ihre kleine schwarze Handtasche. „Ja, natürlich.“

„Und dann?“

„Wenn das Haus wieder im Originalzustand ist, wird es die Gesellschaft für Denkmalschutz in die Liste wertvoller historischer Häuser aufnehmen.“

„Du willst gar nicht selbst darin wohnen?“

„Nein. Ich möchte es lediglich erhalten. Es ist ein wunderschönes Haus, mit dem ich viele Erinnerungen verbinde.“

„Und was geschieht, wenn du es nicht bekommst?“

„Irgendein Immobilienhai wird es aufkaufen, abreißen und an seiner Stelle ein Bürogebäude errichten. Das Grundstück liegt am Rand der City. Cassandra und Anderson wollen …“

„Cassie und Andy? Warte …“, sagte er amüsiert. „Ich erinnere mich an die beiden. Kirsten lud sie einmal zu einer Spendengala ein.“ Die zwei hatten Unmengen von Champagner getrunken und nur über sich gesprochen. „Etwas verstehe ich nicht. Was soll diese Klausel, dass du vor deinem dreißigsten Geburtstag heiraten musst? Warum hat dein Großvater das getan, wenn er dich liebte?“

Darüber hatte sie sich auch schon den Kopf zerbrochen. „Mein Großvater war ein Romantiker.“ Es war die einzige Erklärung, die ihr eingefallen war. „Er war fünfundvierzig Jahre lang verheiratet, glaubte an die Liebe und die Ehe – und er wusste, dass ich seine Ansichten diesbezüglich nicht teile.“

Wer hatte nur ihr Herz gebrochen und ihr so viel Misstrauen eingepflanzt?

„Vor seinem Tod dachte er wohl, ich müsste schrecklich einsam sein.“

„Weil du allein lebtest?“

„Ja, wahrscheinlich. Er fürchtete, ich würde mich im Haus einigeln und mich nur um die Restaurierung kümmern.“

„Und? Hat er recht mit dieser Vermutung?“

„Das spielt keine Rolle.“

Der alte Mann schien seine Enkelin gut gekannt zu haben, dachte Brady. Versonnen betrachtete er ihr schönes Gesicht und die sanften Lippen. „Ich begreife nicht, wieso du die Ehe so entschieden ablehnst.“

„Das stand für mich schon fest, als ich zwölf war.“

„Magst du keine Kinder?“

„Doch. Das hat nichts mit meiner Entscheidung zu tun.“

Allmählich wurde Brady klar, wieso Bennett sie beide zusammengeführt hatte. „Damit ich das richtig verstehe – du willst dich nicht verlieben. Darum geht es doch eigentlich, nicht wahr?“

„So ungefähr.“ Maggie winkte ab, als die Kellnerin Kaffee nachfüllen wollte. „Okay. Jetzt weißt du, wieso ich heiraten muss. Was sind deine Beweggründe?“

Brady runzelte die Stirn. Allzu viel wollte er noch nicht verraten. „Die Mutter meiner Frau ist Olivia Elliot Scott.“

Maggie hatte diese Frau bei mehreren gesellschaftlichen Ereignissen getroffen. Olivia Elliot Scott war eine strenge, kühle und einflussreiche Frau mit einer scharfen Zunge. Maggie hatte sie noch nie lächeln gesehen.

„Sie mag mich nicht. Sie war auch dagegen, dass Kirsten mich heiratete.“

Maggie begriff nicht, was die Mutter seiner verstorbenen Frau mit seinem Plan zu tun hatte.

„Olivia will Conor haben.“

„Conor?“

„Das ist mein Sohn.“

Ein Kind war mit im Spiel?

„Du wirkst überrascht.“

Sie konnte sich Brady einfach nicht als Vater vorstellen. „Wie alt ist er?“

„Knapp zwei Jahre.“

Ein Kleinkind! „Lebt er bei ihr?“

„Ja, vorübergehend. Doch sie will die Vormundschaft für immer.“

„Verstehe.“

Das sagte sie so unbeteiligt, dass Brady ernste Zweifel daran hatte. Vor allem wusste sie nicht, dass er Conor unbedingt wiederhaben wollte. Wie sollte er ihr klarmachen, dass er Conor nicht unter Olivias strengem Regiment aufwachsen lassen wollte?

„Ja, ich weiß schon, was du meinst. Was du deinem Sohn anbieten kannst, verblasst im Vergleich zu Olivias Reichtum und ihrer gesellschaftlichen Stellung.“ Maggie war sich nicht sicher, ob ein kleines Kind wirklich besser bei einem Vater aufgehoben war, der den Ruf eines Herzensbrechers hatte.

„Und damit sind wir wieder bei Bennetts Idee“, sagte Brady. „Wenn du mich heiratest, bekomme ich eine in den Augen des Gerichts achtbare und solide Frau.“ Äußerlich blieb er ruhig, aber innerlich verkrampfte er sich. „Und du erfüllst die Bedingung des Testaments und kannst dein Erbe antreten.“

Bei ihm hörte sich das alles sehr einfach an. Maggie stand auf. „Du schlägst ein Geschäft vor. Eine Vernunftehe.“

Brady erhob sich ebenfalls. „Mir geht es vor allem um das Wohlergehen meines Kindes. Mein Sohn gehört zu mir. Bitte, denk darüber nach.“ Er legte ein paar Münzen für den Kaffee auf den Tisch. „Eine Verbindung zwischen uns wäre die Lösung aller Probleme.“

Sie wird aber auch neue Probleme schaffen, dachte Maggie, während sie ihm nachblickte.

2. KAPITEL

Brady hielt sich selbst für faul. Er schlief gern möglichst lang, joggte aber nach dem Aufstehen. Obwohl er sich Sport von Berufs wegen eher vom Spielfeldrand aus ansah, als ihn selbst zu betreiben, besaß er den schlanken muskulösen Körper eines Athleten. Mit eins fünfundachtzig wäre er der geborene Sportler gewesen. Zu viele Knieverletzungen beim Football hatten jedoch seine Profikarriere beendet. Stattdessen hatte er sich für den Journalismus entschieden.

Er arbeitete vorwiegend daheim und nur selten in der Redaktion. Musste er zu Spielen oder Interviews fahren, hütete seine Haushälterin das Haus. Die verantwortungsbewusste, vertrauenswürdige und großmütterliche Irene Bonner hatte schon vor der Heirat mit Kirsten für ihn gearbeitet. Wegen Conor brauchte er sich wirklich keine Sorgen zu machen. Das Problem war, seinen Sohn erst einmal zurückzubekommen.

Autor

Jennifer Mikels
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