Morgenröte über Texas

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Kühl und beherrscht: Das ist der Finanzmakler Tyler Kincaid die längste Zeit gewesen. Denn seit er auf Espada, der Ranch des einflussreichen Baron-Clans, die schöne Caitlin getroffen hat, steht seine Welt kopf. Doch darf er sie überhaupt lieben?


  • Erscheinungstag 01.08.2022
  • Bandnummer 06
  • ISBN / Artikelnummer 9783751514996
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Tyler Kincaid hatte Geburtstag und glaubte, dass ein Geschenk in seinem Bett auf ihn wartete.

In Atlanta herrschte eine drückende Hitze, aber es machte ihm nichts aus. Er hatte immer im Süden gelebt, und ihm gefielen die warmen Tage und schwülen Nächte. Es störte ihn auch nicht, eine schöne Blondine wie Adrianna in seinem Bett vorzufinden. Unter normalen Umständen müsste ein Mann verrückt sein, wenn er etwas dagegen hätte.

Tyler hielt vor den schmiedeeisernen Toren, die sein großes Grundstück sicherten.

Nur waren dies keine normalen Umstände.

Wenn er recht hatte und Adrianna mit Champagner, Kaviar und Blumen auf ihn wartete, dann hatte sie uneingeladen sein Haus betreten. Er hatte seine Geliebte einige Male gebeten, über Nacht zu bleiben, ihr jedoch keinen Zugang zu seinem Leben oder den Codes gewährt, mit denen sich die Tore und die massive Haustür öffnen ließen.

Und er hatte wahrhaftig nicht geplant, seinen Geburtstag zu feiern.

Der achtzehnte Juli war für ihn ein Tag wie jeder andere. Er kreiste das Datum nicht einmal in seinem Terminkalender ein. Allerdings war ihm genau an diesem Morgen klar geworden, dass es an der Zeit war, die Beziehung zu Adrianna zu beenden.

Hinter ihm schlossen sich die Tore. Eine schmale, von Magnolien gesäumte Straße führte zu dem großen weißen Haus, das er sich an dem Tag vor acht Jahren gekauft hatte, als er sein Unternehmen an die Börse gebracht hatte. Am Ende jenes Tages war er mehrfacher Millionär gewesen. „Ein hervorragender Bürger unserer Stadt“ war er im „Atlanta Journal“ genannt worden. Tyler hatte den Artikel in ein Sammelalbum geklebt, direkt neben den zehn Jahre alten aus derselben Zeitung, in dem über ihn geschrieben worden war, er sei „ein Beispiel für Atlantas verlorene Jugend“.

Tyler hatte beide Artikel als Erinnerung daran aufgehoben, wie sich das Leben eines Menschen mit einigen Umlaufbahnen des Planeten um die Sonne ändern konnte.

„Sie sind ein echter Zyniker“, hatte sein Anwalt einmal seufzend zu ihm gesagt. Tyler fand jedoch nichts daran auszusetzen, wenn man zugab, dass nichts auf der Welt so war, wie es schien.

Besonders nicht die Beziehung zu einer Frau.

Er schaltete den Motor aus und sah das Haus an. Hinter einigen Fenstern brannte Licht. Es ging bei Einbruch der Dunkelheit automatisch an. Die Lampen gehörten zu seiner Sicherheitsanlage, die unüberwindbar war. Das behaupteten jedenfalls die Leute, die sie installiert hatten.

„Unüberwindbar, so ein Quatsch“, sagte Tyler.

Für Diebe vielleicht, aber nicht für eine zielstrebige Blondine.

Von ihrem kleinen grünen Kabrio war nichts zu sehen. Das hatte er nicht anders erwartet. Seine Freundinnen waren immer sowohl schön als auch intelligent. Adrianna hatte ihr Auto sicher irgendwo versteckt. Schließlich wollte sie ihn ja überraschen.

Tyler presste die Lippen zusammen und lehnte sich in dem Lederschalensitz des Porsches zurück. Die Sache war die, dass er keine Überraschungen mochte. Nicht, wenn sie mit seinem Geburtstag zu tun hatten und darauf hindeuteten, dass sich eine Frau falsche Hoffnungen machte.

Er hatte sich klar ausgedrückt, als sie ihre Affäre begonnen hatten. Menschen würden sich ändern, ihre Ziele und Bedürfnisse würden sich ändern, hatte er zu ihr gesagt. „Ich verstehe schon“, hatte ihn Adrianna lächelnd unterbrochen. „Darling, ich versichere dir, ich bin nicht im Geringsten an einer Beziehung für immer und ewig interessiert.“

Sie war es nicht. Das war eins der Dinge, die er an ihr schätzte. Dem Aussehen und Hintergrund nach eine Südstaatenschönheit, war sie eine moderne Frau, wenn es darum ging, sich durchzusetzen und ein unabhängiges Leben zu führen.

Er hatte ihr auch klar gemacht, dass er Wert auf seine Privatsphäre legte. Er wolle nichts von ihren Kosmetiksachen in seinem Badezimmer haben, und er werde sein Rasierzeug nicht in ihrem zurücklassen. Ein Austausch von Hausschlüsseln oder Sicherheitscodes komme nicht infrage. Adrianna hatte gelacht, als er das gesagt hatte. „Darling, du bist genau der Mann, der mich erregt. Ein gut aussehender Halunke und wundervoller Liebhaber. Warum sollte eine Frau so dumm sein und dich zähmen wollen?“

Treue, solange die Affäre dauerte. Das war alles, wozu sie sich verpflichtet hatten. Und noch immer fühlte sich Tyler nur daran gebunden. Aber offensichtlich hatte es sich Adrianna irgendwann während ihrer Beziehung anders überlegt.

Tyler stieg aus und blickte hoch zu den Fenstern seines Schlafzimmers. Ob Adrianna ihn durch die Seidengardinen beobachtete? Er stellte sich vor, wie sie dort oben stand. Nackt oder in dem schwarzen Satinnachthemd, das er ihr geschenkt hatte. Er musste zugeben, dass ihn der Gedanke erregte.

Ein zögerndes Lächeln umspielte Tylers Mund. Okay, also übertrieb sie die Sache ein bisschen. Vielleicht tat er das Gleiche. Sie hatte ihm dabei zugesehen, wie er die Codes eingab, und sie sich eingeprägt. Und wahrscheinlich hatte sie seine Brieftasche durchsucht, während er geschlafen hatte. Sie hatte seinen Führerschein überprüft und erfahren, wann er Geburtstag hatte.

War das so schlimm?

Nein. Nicht wirklich. Damit kann ich fertig werden, sagte er sich, als er die Verandatreppe hochging. Jetzt, da er sich eingestand, übertrieben reagiert zu haben, ließ seine Anspannung nach. Er würde die Tür öffnen, in der Marmorhalle das Jackett ausziehen, den Aktenkoffer auf den Tisch legen und nach oben in sein Schlafzimmer gehen, wo Adrianna mit Rosen, Champagner und Kaviar auf ihn wartete. „Überraschung, Darling“, würde sie sagen, und er würde so tun, als hätte nicht jemand vom Partyservice das Geheimnis ausgeplaudert.

Tatsächlich war es die neue übereifrige Assistentin des Besitzers gewesen, die ihn angerufen hatte.

„Mr. Kincaid, hier ist Susan von ‘Le Bon Appetit’. Ich rufe wegen Ihrer Bestellung an, die wir Ihnen heute Abend ins Haus liefern sollen.“

„Wie bitte?“, hatte Tyler stirnrunzelnd gefragt, ohne den Blick von den Dow-Jones-Werten auf dem Bildschirm seines Computers zu nehmen.

„Ich habe unsere Bücher überprüft und gesehen, dass Sie immer ‚Krug‘ bestellen. Ich wollte mich nur vergewissern, dass Sie diesmal wirklich ‚Dom Pérignon‘ möchten.“

„Nein. Ich meine, das ist ein Irrtum. Ich habe nichts …“

„Aha. Tja, Sir, das dachte ich mir. Der Angestellte muss die Bestellung falsch notiert haben.“

„Nein, er hat es nicht …“

„Es ist nett von Ihnen, anzudeuten, dass sich Miss Kirby geirrt hat, aber …“

„Adrianna Kirby hat Champagner bestellt, der zu mir nach Hause gebracht werden soll?“

„Und Beluga, Sir. Rosen. Eine Torte. Oh, ich habe doch hoffentlich nicht eine Überraschung verraten?“

Tyler hatte die Augen geschlossen. „Nein, Sie haben mir sehr geholfen.“

Plötzlich hatten sich all die kleinen Zeichen zusammengefügt, die er in den vergangenen Wochen ignoriert hatte.

„Hier hast du einen Schlüssel zu meiner Wohnung“, hatte Adrianna gesagt und ihm das Ding in die Hand gedrückt. „Mach nicht so ein Gesicht, Darling. Du musst mir nicht deinen geben. Es ist nur für den Fall, dass ich gerade in der Badewanne bin oder so etwas, wenn du vorbeikommst.“

Dann hatte sie angefangen, bei ihm im Büro aufzukreuzen, ohne vorher anzurufen. Sie hatte ihre Ohrringe in seinem Badezimmer „vergessen“. Und seit Neuestem seufzte sie jedes Mal enttäuscht, wenn er ihr Bett verließ und sich anzog. „Du könntest doch wirklich hier übernachten, Darling“, säuselte sie immer, obwohl sie wusste, dass er es niemals tun würde.

„Verdammt“, flüsterte Tyler.

Ihn als Idiot zu bezeichnen wäre zu nett. Und jetzt wartete Adrianna in seinem Schlafzimmer auf ihn, mit Blumen, Champagner und einer Handvoll Träume, die er nicht mit ihr teilen wollte. Okay, er würde das Richtige tun und Überraschung, sogar Freude heucheln. Und in einer Woche würde er der Sache sanft ein Ende machen.

Tyler tippte den Code ein. Die Tür ging auf. Licht flammte auf, und hundert Leute schrien: „Überraschung!“

„Darling!“ Adrianna schwebte wie eine Wolke aus roter Seide, goldblondem Haar und Parfüm auf ihn zu. „Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag.“ Sie lächelte ihn an. „Überrascht?“

„Ja. Sehr.“

Sie hakte ihn unter. „Seht euch mal sein Gesicht an“, sagte sie zu den Umstehenden. „Schatz, ich weiß genau, was du gerade denkst.“

Alle bis auf Tyler lachten. „Ich bezweifle es“, erwiderte er.

„Du fragst dich, wie ich das geschafft habe. Die Einladungen. Das Essen, den Champagner, die Blumen, die Band.“ Genau in diesem Moment klang Musik von der Galerie herunter. Adrianna legte ihm die Arme um den Nacken und begann, sich zur Musik zu bewegen. Gequält lächelnd tanzte Tyler mit ihr. „Am schwierigsten war es, heimlich deine Brieftasche zu nehmen und nachzusehen, wann der große Tag ist, nachdem du verraten hattest, dass du bald fünfunddreißig würdest.“

„Habe ich das?“ Tyler überlegte, wann und warum er den Mund nicht hatte halten können.

„Bei dem Abendessen für den Bürgermeister im vergangenen Monat. Irgendjemand an unserem Tisch hat sich darüber beklagt, vierzig zu werden, und du hast gelacht und gesagt, was für ein Jammer es sei, so ein verknöcherter Kerl zu sein, und dass du erst in …“

Tylers gute Vorsätze lösten sich in nichts auf. „Ich wünschte, du hättest das nicht getan, Adrianna.“

„Du ärgerst dich doch nur darüber, dass ich dir heimlich über die Schulter geblickt habe, während du die Codes eingetippt hast.“

„Und darüber, dass du meine Brieftasche durchsucht und diese Party organisiert hast.“

„Magst du keine Überraschungen, Darling?“

„Nein, tue ich nicht“, erwiderte Tyler kühl.

„Tja, dann darfst du mir das nächste Mal dabei helfen, deine Party zu planen.“ Adrianna lächelte geziert. „Den Geburtstag könnten wir sogar zu einem besonderen Ereignis machen. Schließlich werden wir bis dahin schon über ein Jahr zusammen sein.“

Tyler antwortete nicht. Er fragte sich, wie lange es dauern würde, bis der Abend endete … Eine Ewigkeit. So kam es Tyler jedenfalls vor.

Endlich gingen die letzten Gäste. Der letzte Lieferwagen des Partyservice fuhr ab. Im Haus war es still. Die großen, kostspielig eingerichteten Räume waren leer.

„Ich bringe dich nach Hause“, sagte Tyler unfreundlich. Er hatte sein Bestes getan. Jetzt war es an der Zeit, sich mit der Realität zu befassen.

Entweder Adrianna erkannte das nicht, oder sie tat so, als würde sie es nicht erkennen.

„Ich hole meine Sachen.“ Sie verschwand nach oben und tauchte nicht wieder auf.

Tyler wartete in der Eingangshalle und befahl sich, ruhig zu bleiben und diese Affäre zumindest zu beenden, ohne eine Szene zu machen. Nach zehn Minuten ging er finster blickend nach oben. Er hörte Wasser im Badezimmer laufen. Adrianna duschte.

Fluchend stellte er sich ans Fenster und sah hinaus in die Dunkelheit. Mit jeder Minute löste sich die während der vergangenen Stunden aufrechterhaltene Fassade mehr auf. Er hatte gelächelt, geplaudert, den Männern die Hand geschüttelt und die Frauen auf die Wange geküsst, wenn sie ihm zum Geburtstag gratuliert hatten. Wie freigebig wären sie wohl alle mit ihren guten Wünschen gewesen, wenn sie die Wahrheit wüssten? Wenn der Junge, der er früher einmal gewesen war, ins Haus gekommen wäre und sie alle herausfordernd angesehen hätte?

Der Gedanke war so unsinnig, dass Tyler fast gelacht hätte.

„Wirklich eine schöne Party, Kincaid“, hatte der Bürgermeister gesagt und ihm auf die Schulter geklopft. „Nicht jeder Mann kommt dazu, seinen Geburtstag so stilvoll zu feiern.“

Tyler verzog den Mund. Niemand wusste, ob der achtzehnte Juli sein Geburtstag war oder nicht. Vielleicht war es der siebzehnte oder sogar der sechzehnte. Ein Baby, das vor dem Eingang eines Krankenhauses abgelegt wurde, hatte seine Geburtsurkunde nicht dabei.

Die Brightons hatten ihn aufgezogen und ihm erzählt, bei der Behörde habe man gemeint, er sei zwischen ein und drei Tage alt gewesen, als er gefunden worden sei.

Er war noch sehr klein gewesen und hatte es einfach nicht verstanden. „Jeder hat einen Geburtstag“, hatte er gesagt.

Ja, das sei richtig, erwiderten die Brightons. Und er habe einen. Jemand von der Behörde habe den achtzehnten Juli festgesetzt.

„Aber wer war meine Mom?“, fragte er. „Und mein Dad?“

Myra und James Brighton blickten sich an. „Wir sind deine Eltern“, sagte James.

Sie waren es nicht. Oh, sie behandelten ihn nicht schlecht. Doch er wusste, dass sie ihn nicht liebten. Er sah, wie ein Vater seinem Sohn übers Haar strich. Wie eine Mutter ihren Sohn an sich zog und küsste. Und sein Leben war nicht so. Niemand berührte oder küsste ihn. Keiner umarmte ihn, wenn seine Schulnoten gut waren, oder wurde wütend, wenn sie es nicht waren.

Und sein Name. John Smith, um Himmels willen. Den hielt jeder für einen Falschnamen. Wie sollte ein Junge damit aufwachsen? Er wollte ihn ändern, aber die Brightons sagten, das könne er nicht.

„Es ist dein Name“, erklärte James.

Also lebte er damit. Mit allem. Als er zehn Jahre alt war, hörte er auf, Fragen zu stellen, die nicht beantwortet wurden. Was hatte es für einen Sinn? Myra und James adoptierten ihn nicht, machten ihn nicht zu John Brighton.

Und dann kam der verhängnisvolle Sonntagsausflug. James’ Auto wurde von einem Lastwagenfahrer gerammt. Tyler bekam nicht einmal einen Kratzer ab. Er stand am Straßenrand und beobachtete mit ausdrucksloser Miene, wie die Leichen seiner Pflegeeltern aus dem Wrack geschnitten und weggebracht wurden.

„Der Kleine hat einen Schock“, hörte er einen Polizisten zu dem Sozialarbeiter sagen, der ihn abholte.

In Wirklichkeit konnte Tyler einfach nicht um Menschen trauern, die er nicht gekannt hatte.

Er wurde in ein Heim geschickt, in dem viele andere Jungen lebten. Kinder, an denen niemand etwas lag. Kinder ohne Zukunft.

Aber sogar sie hatten richtige Namen.

„John Smith“, spotteten sie. „Willst du uns auf den Arm nehmen? Niemand heißt John Smith.“

Sie hatten recht. An dem Tag, an dem er laut seiner fingierten Geburtsurkunde sechzehn Jahre alt wurde, nahm er sich einen Vornamen aus seinem Geschichtsbuch und einen Nachnamen aus einem Fernsehfilm.

Die anderen Jungen lachten und spotteten nur noch mehr.

„Niemand gibt sich selbst einen Namen.“

„Ich tue es“, sagte er und verprügelte einige von ihnen. Danach lachte nie wieder einer.

Jetzt war er Tyler Kincaid, ein Jugendlicher, der sich am Rande des Gesetzes bewegte und schließlich auf einer Spritztour mit einem Auto erwischt wurde, das er sich vor einem Einkaufszentrum „ausgeliehen“ hatte. Er hatte Glück – damals sah er das nicht so – und wurde zu acht Monaten auf einer „Boys Ranch“ verurteilt, wo er etwas über Pferde und sich selbst lernte.

Mit achtzehn ging er zum Marineinfanteriekorps. Nachdem er es verlassen hatte, machte er den Namen rechtsgültig, nahm einen Job auf einer Ranch an und stellte fest, dass er dafür begabt war, die Beziehung zwischen Investitionen und Grundbesitz zu verstehen.

Von dieser Zeit an hatte Tyler höchstens noch einmal im Jahr flüchtig an John Smith gedacht, an seinem angeblichen Geburtstag. Er hatte gelernt, das Datum zu akzeptieren, aber feiern wollte er nicht. Was gab es denn an einem Geburtstag zu feiern, der vielleicht nicht der richtige war und daran erinnerte, dass seine Mutter oder sie und sein Vater ihn wie einen Müllsack vor einer Tür abgelegt hatten, anstatt sich zu seiner Existenz zu bekennen?

„Nichts“, sagte Tyler. „Überhaupt nichts.“

„Du meine Güte.“

Er drehte sich um. Adrianna war aus dem Badezimmer gekommen. Er musste zugeben, dass sie bildschön war. Das goldblonde Haar fiel ihr über die Schultern, das schwarze Nachthemd konnte ihre Brüste kaum fassen, und die schwarzen Seidensandaletten hatten so hohe Absätze, dass sein Blutdruck hochschnellte.

„Führst du Selbstgespräche, Darling?“, flüsterte sie und ging auf ihn zu.

Tyler atmete ihren Duft ein. Er wusste aus Erfahrung, dass sie sich das Parfüm auch auf die zarte Haut ihrer Oberschenkel getupft hatte. Nimm sie, sagte eine innere Stimme, aber er wusste, dass es das Unvermeidliche nur hinausschieben würde. Das hatte Adrianna nicht verdient, trotz allem, was sie getan hatte. Er räusperte sich. „Wir müssen reden, Adrianna.“

„Reden?“ Sie lächelte. „Mir scheint, wir können etwas Besseres anfangen, Darling. Ich bin fertig fürs Bett, und du stehst noch immer im Anzug da. Ich werde dir helfen, ja?“ Sie löste seine Krawatte.

„Nein.“ Tyler packte sie an den Handgelenken. „Verdammt, hör mir zu.“

„Du tust mir weh.“

„Entschuldige.“ Er ließ Adrianna los. „Wegen heute Abend …“

„Der Party.“

„Ja.“ Er hatte vorgehabt, die Affäre zwischen ihnen zu beenden, indem er zu ihr sagte, dass sie kein Recht gehabt hatte, die Party zu organisieren, seine Privatsphäre zu verletzen und hinsichtlich ihrer Beziehung etwas vorauszusetzen, was jeder Grundlage entbehrte. Doch jetzt, da sie ihn enttäuscht und verletzt ansah, war seine Wut verschwunden, und er empfand eine fast überwältigende Verzweiflung. „Ich weiß, dass du dir viel Mühe gegeben haben musst …“

„Und du wünschtest, ich hätte es nicht getan.“

„Ja.“

„Ich verstehe nicht.“ Tränen traten ihr in die Augen. „Ich wollte dich nur glücklich machen.“

„Ich weiß. Aber …“ Konnte ein Mann wirklich auf eine Frau böse sein, weil sie ihn so gern hatte, dass sie eine Party für ihn geben wollte? „Aber ich feiere meinen Geburtstag niemals“, sagte er freundlich.

„Ach so.“ Die Tränen verschwanden, und Adrianna legte ihm lächelnd die Hände auf die Brust. „Das werden wir ändern.“

„Nein.“ Er zog ihre Hände wieder weg, achtete jedoch diesmal darauf, keinen Druck auszuüben.

„Und ob wir das tun. Im nächsten Jahr …“

„Nein, Adrianna.“ Tyler ließ sie los und fuhr sich durchs schwarze Haar. „Hör zu, ich versuche, deine Gefühle nicht zu verletzen …“

„Meine Gefühle? Verdammt, Tyler!“

Er sah sie überrascht an. Sie war bisher noch nie laut geworden.

„Untersteh dich, mich gönnerhaft zu behandeln. Meine Gefühle sind dir völlig gleichgültig. Du bist nur verärgert, weil ich es satt hatte, darauf zu warten, dass du zur nächsten Phase unserer Beziehung übergehst.“

Tylers Blick wurde kühl. „Eine nächste Phase gibt es nicht.“

„Doch, natürlich. Du erlaubst mir nicht, einige meiner Sachen hier zu lassen. Du bleibst niemals über Nacht bei mir. Und du tust so, als würde es die nationale Sicherheit gefährden, wenn ich diese albernen Codes für die Tore und die Haustür erfahre.“ Adrianna hob trotzig das Kinn. „Das ist alles Unsinn.“

„Ich habe dir offen gesagt, wie es sein würde.“

„Keine feste Bindung. Keine Beziehung für immer und ewig.“

„Letzteres hast du beigesteuert.“

„Mag sein. Damals habe ich so darüber gedacht. Ich habe meine Meinung geändert.“

„Das ist nicht meine Schuld!“, brauste Tyler auf. „Ich habe mich an unsere Abmachung gehalten.“

„Dafür bist du ja bekannt, stimmt’s? Du hältst dich an Abmachungen, geschäftlich und im Umgang mit Frauen. Der kaltblütige Tyler Kincaid lässt sich niemals von Gefühlen schwächen.“

Er seufzte entnervt. „Hör zu, ich möchte mich nicht mit dir streiten …“

„Nein. Du möchtest mir nur sagen, dass ich meine Grenzen überschritten habe. Dass ich kein Recht hatte, in dein Haus und dein Leben einzudringen.“

„Verdammt! Wenn ich eine Geburtstagsparty gewollt hätte, dann hätte ich selbst eine auf die Beine gestellt.“

Adrianna verdrehte die Augen. „Was für eine Sünde! Eine Party zu organisieren und …“

„Kapierst du nicht? Ich wollte keine.“

„Und deine Freunde einzuladen …“

„Sie sind nicht meine Freunde, sondern einfach Leute, die ich kenne. Sie geben sich nur mit mir ab, weil sie etwas von mir bekommen können.“

„Herzlich wenig.“

Tyler presste die Lippen zusammen. „Was soll das heißen?“

„In dem Zeitschriftenartikel neulich hat man dich ‚brillant‘ genannt. Find es selbst heraus.“ Adrianna ging ins Badezimmer.

Er folgte ihr und beobachtete, wie sie Jeans und ein T-Shirt aus ihrer kleinen Reisetasche nahm und sich umzog. „Ich habe für die Hälfte der Männer, die heute Abend hier waren, Geschäfte eingefädelt“, stieß er wütend hervor. „Und die andere Hälfte wünschte, ich würde es tun. Ist das herzlich wenig?“

„Glaubst du, die Menschen wollen Geschäfte von dir? Geld? Macht?“

Tyler blickte seine Geliebte starr an. Sie trug noch immer die Seidensandaletten mit den hohen Absätzen. Jetzt kamen sie ihm nicht mehr sexy vor, sondern traurig. „Es ist spät, und wir sind beide müde. Ich halte es für das Beste, wenn ich dich jetzt nach Hause fahre.“

„Ich kann selbst fahren, danke.“

Tyler zuckte die Schultern, verschränkte die Arme und lehnte sich an die Wand. „Mach, was du willst.“

„Das habe ich vor. Unsere Beziehung wäre niemals gut gegangen. Im Grunde meines Herzens habe ich das immer gewusst. Dein Blick hätte mir ständig gesagt ‚Zutritt verboten‘, und das hätte mich umgebracht.“

Tylers Wut verschwand. „Es liegt nicht an dir.“

„Manchmal …“ Adrianna atmete tief ein. „Manchmal denke ich, dass niemand in dir ist. Dass du überhaupt nicht empfindest wie ein Mensch.“

„Adrianna …“

„Die Sache ist die, ich habe mich in dich verliebt. Und ich weiß, dass du dich niemals in mich verlieben kannst.“

„Nein, kann ich nicht“, gab Tyler sanft zu. „Ich wünschte, es wäre anders.“

Adrianna legte ihm flüchtig die Hand auf den Mund. „Belüg mich nicht und dich selbst auch nicht. Du wünschst es dir nicht. Wir beide wissen, dass ich nicht die Frau bin, nach der du suchst.“

Er lachte spöttisch. „Ich suche keine Frau.“

Adrianna lächelte, stellte sich auf die Zehenspitzen und küsste ihn. „Auf Wiedersehen, Darling.“

Tyler blickte ihr nach, als sie aus dem Zimmer ging. Er sank auf die Bettkante, horchte auf das Klack-Klack der lächerlich hohen Absätze und dann auf das leiser werdende Motorengeräusch. Schließlich stand er auf und sah aus dem Fenster. Adrianna irrte sich. Der Junge namens John Smith war immer noch in ihm, ob es ihm gefiel oder nicht. Manchmal empfand er eine Sehnsucht, die er nicht loswerden konnte, indem er sich in seine Arbeit vertiefte oder im Fitnessraum trainierte.

Und wie konnte ein Mann eine Frau suchen, wenn er noch immer nach sich selbst suchte?

Er stand stundenlang am Fenster und beobachtete, wie die Nacht dem Tagesanbruch wich. Um sechs fiel er erschöpft aufs Bett und schlief ein. Als er aufwachte, war es nach neun. Er griff nach dem Telefon. „Carol, erinnern Sie sich an den Privatdetektiv, den wir im vergangenen Jahr engagiert hatten?“, fragte er seine Sekretärin. „Derjenige, der herausgefunden hat, wer die Forschungspläne an unsere Konkurrenten verkauft? Ich hätte gern Namen und Telefonnummer. Nein, schon gut, ich rufe ihn selbst an.“

Einen Moment später schrieb sich Tyler den Namen und die Nummer auf. „Danke.“ Er beendete das Gespräch, atmete tief ein und wählte.

2. KAPITEL

Caitlin McCord liebte Pferde, Hunde und Katzen. Da sie jedoch eine vernünftige Frau war, hatte sie nicht gern alle zur selben Zeit am selben Ort, besonders dann nicht, wenn der Hund bellte, das Pferd die Augen verdrehte und die Katze fauchte.

Das Pferd, eine braune Stute mit dem unmöglichen Namen „Charlotte“, war schön, verängstigt und neu auf Espada. Caitlin streichelte ihr seit einer halben Stunde die Nüstern, fütterte sie mit Möhren und erzählte ihr, sie beide seien dazu bestimmt, Freundinnen zu werden. Jetzt drückte die Stute den Kopf an ihre Schulter, und Caitlin führte sie lächelnd aus dem Stall auf die Koppel und sattelte sie.

In diesem Moment kam der Hund vorbei. „Wuff!“, machte er, und die Stute verdrehte die Augen und tänzelte zur Seite. Caitlin hielt die Zügel fest, scheuchte den Hund weg und beruhigte das Pferd.

Gerade als sie aufsaß, tauchte der Hund wieder auf. Diesmal jagte er eine fauchende Kugel aus orangefarbenem Fell. Die Stute wieherte und bäumte sich auf.

Abel Jones, Espadas Vorarbeiter, hatte am östlichen Ende der Stallungen am Fenster gestanden und das Treiben beobachtet. Jetzt kam er auf die Koppel. „Störrisches Tier.“

Caitlin hatte die Stute wieder unter Kontrolle. „Sie muss nur ein bisschen Dampf ablassen.“

„Manuel hat heute Morgen nicht viel zu tun. Er führt sie aus, wenn Sie wollen.“

„Und verdirbt mir den Spaß?“ Caitlin beugte sich vor und streichelte der Braunen den Hals. „Ich mache es selbst. Werfen Sie mir die Mütze einfach zu. Sie ist heruntergefallen, als sich dieses kleine Mädchen schlecht benommen hat.“

Der alte Mann bückte sich, hob die Baseballmütze auf, klopfte sie an seinem Oberschenkel aus und reichte sie nach oben.

Caitlin setzte sie auf, fasste ihr Haar im Nacken zusammen und steckte es unter die Mütze, dann zog sie sich den Schirm tief in die Stirn. „Öffnen Sie bitte das Tor.“

„Wollen Sie Manuel nicht doch etwas zu tun geben?“

Autor

Sandra Marton
<p>Sandra Marton träumte schon immer davon, Autorin zu werden. Als junges Mädchen schrieb sie Gedichte, während ihres Literaturstudiums verfasste sie erste Kurzgeschichten. „Doch dann kam mir das Leben dazwischen“, erzählt sie. „Ich lernte diesen wundervollen Mann kennen. Wir heirateten, gründeten eine Familie und zogen aufs Land. Irgendwann begann ich, mich...
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