Nanny gesucht, neue Liebe gefunden

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Eine neue Frau im Haus? Nichts für den verwitweten Singledad Hunter! Dennoch stellt er die hübsche Merry als Nanny ein. Natürlich nur vorübergehend, um seine kleine Tochter glücklich zu machen. Aber warum pocht dann plötzlich sein Herz so verräterisch in Merrys Nähe?


  • Erscheinungstag 23.01.2025
  • ISBN / Artikelnummer 9783751536387
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Ambling A Ranch

Rust Creek Falls, Montana

Hunter Crawford wusste nur zu gut, was sein Vater im Schilde führte.

Es war allgemein bekannt, dass Maximilian Crawford die lokale Hochzeitsplanerin engagiert hatte, um Ehefrauen für seine sechs Söhne zu finden, von denen vier bereits nicht mehr zu haben waren.

Somit geriet Hunter immer mehr ins Visier, und deswegen wollte er eigentlich nicht an der großen Hochzeitsfeier seines Bruders Finn in Colorado teilnehmen, sondern auf der Ambling A bleiben, wo er sich der Kuppelei seines Vaters besser entziehen konnte.

Auf dem weitläufigen Anwesen standen vier Gebäude – das große Haupthaus, das sein Vater und sein Bruder Wilder bewohnten, und drei kleinere Blockhütten.

In einem dieser zweistöckigen Häuschen lebte Hunter mit seiner sechsjährigen Tochter Wren. Es hatte vier Schlafzimmer, zwei Bäder, ein Wohnzimmer, eine Küche und den großen Vorteil, dass keine schlechten Erinnerungen daran hingen.

Sein Instinkt sagte ihm, dass die bevorstehende Hochzeit eine Bedrohung für seinen Junggesellenstatus bedeutete, den er unbedingt beibehalten wollte. Seiner Meinung nach gab es für jeden Menschen eine einzige große Liebe im Leben und er hatte seine überlebt. Sie zu verlieren, hatte ihn am Boden zerstört. Er war fest entschlossen, sich nicht wieder in eine Lage zu bringen, in der ihm so etwas noch einmal passieren konnte.

Doch sein Vater und Wilder akzeptierten kein Nein und waren gekommen, um Überzeugungsarbeit zu leisten.

Hunter holte tief Luft und beharrte: „Ich gehe nicht zu der Hochzeit.“

Maximilian, genannt Max, stand neben dem runden Eichentisch. Er war ein großer, attraktiver, distinguierter Mann in den Sechzigern. Die Runzeln in seinem gebräunten markanten Gesicht kündeten von einem Leben im Freien. Sein Haar war ergraut und bescherte ihm den Spitznamen Silver Fox. In letzter Zeit überließ er seinen Söhnen die anstrengende körperliche Arbeit auf der Ranch. Er war es gewohnt, mit allen legalen Mitteln zu bekommen, was er wollte.

Doch Hunter hatte dessen starrsinnige Ader geerbt und starrte ihn daher unverwandt an.

Schließlich fragte Max: „Warum nicht?“

„Ich habe meine Gründe.“

„Mir ist es sehr wichtig, dass die ganze Familie dabei ist. Deine Brüder und ihre frisch Angetrauten freuen sich auf einen kleinen Urlaub in Rustler’s Notch.“ Er warf seinem jüngsten Sohn einen Blick zu, der besagte: Steh nicht einfach so nutzlos da!

„Ja, genau“, warf Wilder prompt ein. „Du kannst auch mal Urlaub gebrauchen.“

„Nein, danke.“

„Eigentlich geht es mir gar nicht um dich. Ich brauche deine Hilfe. Wir beide sind die einzigen Singles in der Familie. Denk mal an die vielen Schneehasen, die sich im November in Colorado tummeln! Ich sage es nur ungern, aber ich brauche Verstärkung.“

Hunter starrte ihn finster an. „Bist du als Baby zu heiß gebadet worden?“

„Kann sein“, murmelte Wilder mit einem Seitenblick zu Maximilian.

„Mal sehen, ob ich dich richtig verstehe. Bei diesem Familientreffen ist dein vorrangiges Ziel, jede ledige Frau zwischen zwanzig und vierzig anzubaggern?“

„Genau.“

„Selbst wenn ich Interesse daran hätte, Party zu machen, was ich nicht habe, würden Wren und ich dir bloß die Tour vermasseln.“

„Ich bin nicht davon ausgegangen, dass wir Wren auf unsere Eroberungszüge mitnehmen. Andererseits könnte ein Single mit einem Kind ein Frauenmagnet sein.“

„Denk nicht mal dran“, warnte Hunter. „Du kannst sie nicht ausleihen.“

„Das ist gemein. Ich würde meine Nichte nie derart ausnutzen.“

Max beschwichtigte: „Er hat doch bloß gescherzt.“

„Ja, genau“, bestätigte Wilder. „Mach dich mal locker, großer Bruder.“

„Was weißt du schon? Du denkst immer bloß an deine nächste Eroberung. Du hast absolut keine Verantwortlichkeiten – und keine Ahnung, was ich durchgemacht habe.“

„Stimmt. Aber es ist sechs Jahre her, seit deine Frau gestorben ist. Alle anderen schleichen um den heißen Brei herum, ich dagegen bin bei dir sowieso schon in Ungnade gefallen. Also was solls?“

„Wovon redest du?“

„Lara würde nicht wollen, dass du dich so vergräbst. Und deine Tochter sollte dich zur Abwechslung mal umgänglich und fröhlich erleben.“

„Er hat recht, Sohn“, warf Max ein.

„Du hast kein Stimmrecht“, entschied Hunter.

Als er noch ein kleiner Junge und Wilder ein Baby gewesen war, hatte ihre Mutter die Familie sang- und klanglos verlassen. Max hatte seine sechs Söhne allein aufziehen müssen, was hart für ihn gewesen war. Doch Sheila war im Gegensatz zu Lara nicht gestorben, sondern aus freien Stücken abgetreten.

„Stimmt“, räumte Max ein. „Ich kann dir nicht vorschreiben, was du zu tun hast. Das ändert allerdings nichts an der Tatsache, dass ich die Hochzeit deines Bruders mit der gesamten Familie feiern möchte.“

„Warum ist dir das so wichtig, Dad?“

„Sarah und Logan haben unkonventionell in einer Bar gefeiert.“

„Am Ace in the Hole ist nichts auszusetzen“, warf Wilder ein. „Ich habe da einige tolle Frauen kennengelernt.“

Max seufzte. „Xander und Lily haben sich im Gemeindezentrum von Rust Creek Falls trauen lassen.“

„Das war ein nettes Fest. Meine Tochter hatte viel Spaß“, gab Hunter zu bedenken. In dieser Stadt achtete jeder auf seine Nachbarn und er hatte Wren nicht ständig im Auge behalten müssen.

„Knox und Genevieve haben heimlich geheiratet.“

„Genau wie Finn und Avery. Na und?“

„Es ist höchste Zeit, ein sensationelles formelles Familienfest zu veranstalten. Überlege es dir noch mal. Fünfsternehotel. Wundervolle Landschaft. Liebe in der Luft.“

Hunter stöhnte. „Auf wie viele Arten soll ich es dir noch sagen, Dad? Ich will niemanden kennenlernen. Hör mit deinen Verkupplungsversuchen auf und pfeif Vivienne Dalton zurück.“

Max hatte keine Skrupel, der lokalen Hochzeitsplanerin eine Million Dollar dafür zu bezahlen, Frauen für seine sechs Söhne zu finden. „Es geht dabei nicht um Kuppelei. Denk mal an deine Tochter.“

„Sie ist alles, an was ich denke.“ Hunter gab alles dafür, sie glücklich und in Sicherheit zu wissen. Sie war seine Welt.

„Warum willst du ihr die Gelegenheit nehmen, mit ihrer Familie zusammen zu sein und sich schöne Erinnerungen zu schaffen? Wenn du selbst ein bisschen Spaß dabei hättest, würde es auch nicht schaden.“

„Außerdem möchte Finn alle seine Brüder als Trauzeugen“, fügte Wilder hinzu. „Du kannst ihn nicht im Stich lassen. Es sind genügend Leute da, die auf Wren aufpassen. Logan. Knox. Xander. Ich.“

„Und ich“, sagte Max.

„Na, dann kann ja nichts schiefgehen“, murmelte Hunter sarkastisch.

Wilder konterte: „Wenn du sie nicht mal deiner Familie anvertrauen kannst, wem dann?“

„Einer Nanny“, schlug Max vor. „Stell eine für die Hochzeit ein.“

Wren war unbemerkt in die Küche gekommen. „Welche Hochzeit? Kann ich mitmachen? Das Brautpaar braucht bestimmt ein Blumenmädchen.“

„Oh weh, jetzt stecke ich echt in der Klemme“, murmelte Hunter vor sich hin.

„Hi, Gramps. Hi, Onkel Wilder. Ich wusste gar nicht, dass ihr hier seid.“

Max hockte sich vor sie. „Hi, Wrennie. Wir sind gekommen, um mit deinem Daddy über Onkel Finns Hochzeit zu sprechen. Wir fliegen alle in meinem Privatflugzeug hin und wohnen in einem ganz schicken Hotel.“

„Oh!“ Ihre Augen wurden ganz groß. „In echt?“

„Ja. Und Avery wird dich bestimmt bitten, Blumen zu streuen. Aber dein Dad weiß noch nicht, ob er hinfahren will.“

Sie wandte sich an Hunter. „Warum denn nicht?“

Er hasste es, wenn sie ihn so ansah. Er verlor jede Auseinandersetzung, weil sein Starrsinn keine Chance gegen ihre großen blauen Augen hatte. „Die Stadt ist viel größer als Rust Creek Falls und in so einem Hotel sind ganz viele Touristen.“

„Wer?“

„Fremde von überall. Es wird ganz schwer für mich sein, auf dich aufzupassen.“

„Aber die Blumenmädchen kriegen hübsche Kleider. Nicht so hübsch wie das von Avery, weil sie die Braut und so was wie eine Prinzessin ist. Und vielleicht weiß sie niemanden sonst, der für sie Blumen streut. Ich muss dabei sein.“

„Das ist ein gutes Argument.“ Wilder beugte sich vor und stützte die Hände auf die Knie, sodass er auf Augenhöhe mit ihr war. „Und da ist noch etwas, was du wissen musst. Dein Dad soll Onkel Finns Trauzeuge sein.“

„Muss er sich dafür auch schick anziehen?“

„Ja, Wrennie“, bestätigte Max. „Dein Daddy wird einen Smoking tragen.“

Hunter wandte ein: „Bei der Hochzeit könnte ich nicht so gut auf dich aufpassen, wie ich möchte.“

Sie nickte nachdenklich. Dann erhellte sich ihre Miene. „Ich hab gehört, wie Gramps gesagt hat, dass du jemanden dafür besorgen kannst.“

„Das stimmt. Aber ich glaube nicht, dass wir so kurzfristig jemanden finden.“

„Ich weiß wen.“

„Wen denn?“

„Miss Merry. Sie arbeitet in meiner Schule. Sie hilft im Unterricht und hat Pausenaufsicht auf dem Schulhof und beim Lunch. Die ist echt nett. An meinem ersten Schultag hat sie mit mir gespielt und die anderen Kinder dazugeholt. Sie ist meine erste beste Freundin in Rust Creek Falls.“

„Das klingt ja perfekt.“ Max strahlte. „Hunter, du wirst meine Enkelin doch nicht enttäuschen, oder?“

„Bitte, Daddy!“

Die großen Augen, die flehende Stimme … Hunter musste sich wohl oder übel geschlagen geben. „Ich werde Miss Merry fragen, was sie dazu meint. Aber wenn es nicht klappt, wars das. Abgemacht?“

„Ja.“ Wren warf sich ihm in die Arme. „Danke! Du bist der beste Daddy auf der ganzen Welt!“

Schön wär’s. Er wollte ihr Held sein. Deshalb war er bereit, diese Miss Merry zu treffen, zumal sie ihm wie eine ältliche Großmutter und somit keine Bedrohung für seinen Single-Status erschien.

„Sie sind ja viel jünger, als ich dachte.“

Und Sie sind noch attraktiver, als Sie am Telefon geklungen haben. Für den Bruchteil einer Sekunde befürchtete Meredith Matthews, dass sie es laut ausgesprochen hatte. Als Hunter Crawford keine Miene verzog, ging sie davon aus, dass der absurde Gedanke in ihrem Hinterkopf geblieben war, wohin er gehörte.

In der Stadt kursierten Gerüchte über sein außerordentlich gutes Aussehen. Trotzdem fühlte sie sich total überrumpelt von seiner Person in Fleisch und Blut. Und seine tiefe Stimme hatte ein Prickeln in ihr ausgelöst und ihr die Sprache verschlagen. Allmählich wurde es Zeit, etwas zu sagen.

„Ich bin Meredith Matthews, aber jeder nennt mich Merry.“ Sie stand auf der Veranda seines Blockhauses, während er mit seinem eindrucksvollen Körper den Türrahmen ausfüllte. „Ich weiß nicht recht, wie ich auf die Bemerkung über mein Alter reagieren soll, Mr. Crawford.“

„Sorry. Meine Tochter hat mir von Ihnen erzählt und ich hatte einfach erwartet …“ Er schüttelte den Kopf und wirkte bezaubernd verlegen. Ein verwegener Cowboy in Druckknopfhemd, verschlissenen Jeans und Stiefeln. Er hatte hellbraunes kurzes Haar und ein kleines Grübchen im Kinn. „Ich entschuldige mich. Das war unangemessen.“

„Eigentlich nicht. Es ist nie ein Fehler, eine Frau jünger einzuschätzen.“

„Nun gut. Aber ich habe Sie jetzt lange genug draußen in der Kälte stehen lassen. Bitte kommen Sie herein.“ Er zog das schwere Türblatt weiter auf und ließ sie eintreten.

Merry sah sich anerkennend um. Auf dem Holzfußboden lagen farbenfrohe Läufer. Eine bequeme blaue Couch und ein Ledersessel standen vor einem Fernseher. In einem Kamin an der gegenüberliegenden Wand warteten Holzscheite darauf, entzündet zu werden. Der Raum wirkte bodenständig und sehr gemütlich.

Als sie den Mann wieder ansah, war jede Spur von Verlegenheit von seinem Gesicht verschwunden. Er wirkte ganz geschäftsmäßig. Wie es sein sollte. Schließlich handelte es sich um ein Einstellungsgespräch.

„Bitte nehmen Sie Platz.“ Er deutete zu dem Sofa und setzte sich in den Sessel. „Wie ich schon am Telefon erwähnt habe, hat Wren Sie mir als Kinderbetreuerin vorgeschlagen.“

Sie setzte sich, stellte ihre große Handtasche neben sich und versicherte: „Ich bin sehr interessiert.“ Sie konnte das Geld gut gebrauchen. Nach dem kürzlichen Tod ihres Vaters hatte sie sein Elektrogeschäft schließen müssen und somit diese Einkommensquelle verloren, und mit ihrem Verdienst als Hilfskraft an der Grundschule von Rust Creek Falls kam sie nicht weit. „Wie kann ich Ihnen helfen?“

„Mein Bruder heiratet in ein paar Wochen. In Colorado. In einer Ortschaft namens Rustler’s Notch. Haben Sie schon mal davon gehört?“

Sie schüttelte den Kopf. „Klingt idyllisch.“

Verärgerung blitzte in seinen Augen auf. „Für mich ist es lästig.“

„Inwiefern?“

„Mein Vater scheut keine Kosten und Mühen und will unbedingt die ganze Familie einfliegen.“

„Aha.“ Sarkastisch fuhr Merry fort: „Ich kann nachvollziehen, dass Sie diese Großzügigkeit für total unzumutbar halten.“

Seine Miene verfinsterte sich. „Sie verurteilen mich dafür“, warf er ihr vor.

„Das stimmt nicht“, log sie. „Ich verstehe nur nicht, wo das Problem liegt.“

„Wren ist gerade in einer neugierigen Phase, in der sie gern auf Entdeckungsreise geht, und obwohl ich glauben möchte, dass ich ihr gerecht werde, reicht eine Aufsichtsperson manchmal nicht.“

Sie hatte das Mädchen an seinem ersten Schultag unter ihre Fittiche genommen, weil sie nachvollziehen konnte, wie beängstigend es wirkte, die Neue in der Klasse zu sein. Denn sie hatte als Kind oft die Schule wechseln müssen, weil ihr Vater arbeitsbedingt häufig umgezogen war. Deshalb hatte sie es sich zur Aufgabe gemacht, der Kleinen zu helfen, sich in der neuen Umgebung einzuleben.

Nun faltete sie die Hände auf dem Schoß. „Ich vermute mal, dass Sie nicht zu der Hochzeit gehen möchten.“

Er grinste. „Und ich dachte, ich hätte es mir nicht anmerken lassen. Ehrlich gesagt würde ich liebend gern darauf verzichten. Aber ich kann meiner Tochter nicht die Chance verwehren, ein Blumenmädchen zu geben, was sie sich mehr wünscht als eine neue Puppe.“

„Also bleibt Ihnen eigentlich keine Wahl.“

„Genau.“ Er atmete tief durch. „Außerdem soll ich als Trauzeuge fungieren. Demnach kann ich Wren unmöglich die ganze Zeit im Auge behalten. Ich brauche eine fürsorgliche, warmherzige Aufsichtsperson, die sich gut auf sie einstellen kann.“ Erneut huschte ein Grinsen über sein Gesicht. „Kenntnisse in Selbstverteidigung sind nicht erforderlich.“

„Ihre Tochter ist ein Engel. Ich denke, dass ich den Anforderungen genügen kann, ohne in Angstschweiß auszubrechen.“

„Sie scheint Sie wirklich zu mögen. Aber woher soll ich wissen, ob Sie für diese Position geeignet sind?“

„Ich habe Referenzen mitgebracht.“ Merry reichte ihm einen Ordner aus ihrer Handtasche.

Er schlug ihn auf und überflog den Lebenslauf, die Zeugnisse und die Empfehlungsschreiben, die ihre fachkundige Interaktion mit Menschen im Allgemeinen und Kindern im Besonderen attestierten. „Sie sind also eine Hilfskraft an der Schule, studieren Elementarpädagogik und arbeiten auch noch im Elektrogeschäft Ihres Vaters.“

„Nicht mehr. Er ist kürzlich verstorben.“

Mit aufrichtigem Mitgefühl murmelte er: „Mein Beileid.“

„Danke“, sagte sie in sachlichem Ton, der in krassem Widerspruch zu ihrem Kummer stand.

Er nickte. „Das scheint so weit in Ordnung zu sein. Haben Sie sonst noch etwas?“

Ist das sein Ernst? Er sucht wohl nach einer zweiten Mutter Theresa. „Anscheinend ist Ihnen die Stelle im Empfehlungsschreiben des Rektors entgangen, in der er meine Flügel, meinen Heiligenschein und meine unheimliche Fähigkeit beschreibt, über Wasser zu gehen.“ Sie holte ihre Brieftasche aus der Handtasche. „Hier ist mein Führerschein. Zögern Sie nicht, einen Backgroundcheck durchzuführen.“

Obwohl sie in höflichem Ton gesprochen hatte, war sie darauf gefasst, des Hauses verwiesen zu werden. Das kümmerte sie in diesem Moment wenig. Wenn ihm ihre hervorragenden Referenzen nicht reichten, dann war der Zusatzverdienst nicht der Mühe wert.

Hunter starrte sie lange an, bevor sich seine Mundwinkel schließlich ein wenig hoben. „Das wird nicht nötig sein, Miss Matthews. Die wichtigste Qualifikation für diesen Job steht nirgendwo.“

„Und die wäre?“

„Wren mag Sie. Wenn Sie wollen, gehört der Job Ihnen.“

„Sind Sie sicher? Wie Sie vielleicht erraten haben, kann ich manchmal ziemlich eigensinnig und unverblümt sein.“

„Das ist mir nicht entgangen. Und Sie haben vielleicht erraten, dass ich meiner Tochter gegenüber sehr fürsorglich bin. Vielleicht zu sehr. Aber Vorsicht ist besser als Nachsicht.“

„Sie lieben sie eben.“

„Stimmt. Sehr sogar. Sie hat nur mich, seit ihre Mutter gestorben ist.“

„Das hat sie mir gesagt.“ Merry hatte Wren erzählt, dass ihre eigene Mutter ebenfalls gestorben war, und das machte sie zu Mitgliedern eines Klubs, dem kein kleines Mädchen beitreten wollte.

„Sie verstehen also die Situation.“ Er gab ihr den Ordner zurück. „Nehmen Sie an?“

„Ja, gern. Die Chance, zusätzliches Geld zu verdienen und für ein paar Tage hier rauszukommen, ist unwiderstehlich. Hinter mir liegt ein hartes Jahr. Also danke für das Angebot, Mr. Crawford.“

„Wenn Sie mich so nennen, drehe ich mich nach meinem Vater um. Sagen Sie bitte Hunter zu mir.“

„Okay.“

„Darf ich Sie Merry nennen?“

„Ist mir recht.“

„Gut. Dann gebe ich Ihnen die Details.“ Er erklärte ihr, dass sie im Privatjet seines Vaters nach Rustler’s Notch fliegen und in einer Suite mit drei Schlafzimmern absteigen würden. Er nannte ihr ein überaus großzügiges Gehalt. Dafür erwartete er, dass sie Wren ständig im Auge behielt, was bedeutete, dass sie sämtlichen Feierlichkeiten beiwohnen musste.

Das Szenario, das er beschrieb, klang in Merrys Ohren wie aus einem Märchen. Bis er die Bombe platzen ließ durch die Mitteilung, dass es sich um eine formelle Veranstaltung mit Dresscode handelte. Dafür hatte sie nichts anzuziehen und ihr extrem beschränktes Budget gab kein neues Kleid her.

„Stimmt was nicht?“

„Wieso fragen Sie?“

„Sie haben so einen seltsamen Ausdruck auf dem Gesicht. Gibt es kein Problem?“

Sie schenkte ihm ein strahlendes Lächeln und behauptete, ohne mit der Wimper zu zucken: „Nein, kein Problem. Alles bestens.“

In ihren Referenzen stand nirgendwo, dass sie eine notorische Lügnerin war, doch soeben hatte sie Hunter die zweite faustdicke Lüge aufgetischt. Denn in Wahrheit hatte sie keine Ahnung, woher sie ein geeignetes Outfit nehmen sollte. Ich wünschte, ich wäre in einer Märchenwelt! Dann würde meine gute Fee mir ein wundervolles Gewand aus Einhornseufzern spinnen.

Merry verließ die Ambling A, gerade als die Sonne hinter den Bergen unterging. Sie war in Panik und tat, was sie in solchen Momenten immer tat. Sie wandte sich an ihre beste Freundin und Arbeitskollegin Zoey Kubiak, die ebenfalls auf Grundschullehramt studierte und mit ihrer geschiedenen Mutter Dora in einem Häuschen am Stadtrand lebte.

Die Haustür öffnete sich, noch bevor Merry klingeln konnte.

„Ich hasse es, wenn du am Telefon einen Notstand ausrufst und es mir erst erklären willst, wenn du hier bist“, eröffnete Zoey. Sie hatte lange blonde Haare und kornblumenblaue Augen, und sie war durch und durch loyal und hilfsbereit.

Wie die Schwester, die ich mir immer gewünscht habe, dachte Merry, während sie sich umarmten. „Ich habe ein riesiges Problem.“

„Gemeinsam finden wir eine riesige Lösung. Meine Mutter ist ausgegangen. Wir haben das Haus also für uns. Ich habe eine Lasagne in den Ofen geschoben und Wein eingekühlt. Du bleibst über Nacht und wir klären alles.“

„Ich hab keinen Schlafanzug dabei.“

Zoey schüttelte den Kopf. „Ist das alles, was du zu meinem großzügigen Angebot zu sagen hast?“

„Es hat mich überwältigt.“

„Du kannst einen Pyjama von mir haben.“

„Du hast nicht zufällig auch ein Cocktailkleid für mich rumliegen?“

„Sogar mehrere. Aber jetzt sag erst mal, was los ist.“

„Ich fürchte, dafür brauchen wir den Wein.“

„Okay. Mir nach.“

Sie gingen in die kleine Küche. Zoey schenkte zwei Gläser ein, bevor sie sich an den Esstisch setzten.

„Und jetzt erzähl mir alles.“

Merry atmete tief durch. „Ich war gerade zu einem Einstellungsgespräch bei Hunter Crawford. Er braucht eine Nanny fürs Wochenende. Sein Bruder heiratet in einem noblen Resort in Colorado.“

„Rustler’s Notch?“

„Ja. Woher weißt du das?“

„Das ist gerade die angesagteste Hochzeitslocation. Ich habe einen Artikel darüber in einem Brautmagazin gelesen. Sieht sehr romantisch aus. Und Hunter Crawford will dich dafür bezahlen, dass du das Wochenende mit ihm dort verbringst?“

„Er will mich bezahlen, damit ich auf seine Tochter aufpasse.“

„Ist das die kleine Süße, die dich jeden Morgen in der Schule umarmt?“

„Ja. Sie ist ein Schatz. So pfiffig und niedlich. Es wird Spaß machen, auf sie aufzupassen. Außerdem werden sämtliche Reisekosten bezahlt und dazu gibt es einen Gehaltsscheck. Das macht es zu einem Traumjob.“

Verwirrt meinte Zoey: „Ich sehe da immer noch kein Problem.“

„Es ist ein formelles Event. Ich habe nichts anzuziehen und kein Geld, um etwas zu kaufen.“

„Da bist du bei mir richtig. Ich war schon auf mehreren Hochzeiten – immer als Brautjungfer, niemals als Braut. Wir haben ungefähr die gleiche Größe. Komm, lass uns Verkleiden spielen.“

Sie gingen in das Schlafzimmer. Es war ein sehr mädchenhafter Raum mit pinker Bettdecke, geblümten Kissen und Spitzengardinen.

Während Merry Hose und Sweater auszog, holte Zoey vier Bügel mit langen Plastikhüllen aus dem begehbaren Schrank und enthüllte das erste Gewand. Es war schwarz und langärmelig und saß ganz gut. Das zweite war gelb und machte sehr blass. Nummer drei war orange.

Zoey verzog das Gesicht. „Das war eine Halloween-Hochzeit. Ich weiß gar nicht, warum ich das Ding behalten habe. Zieh es ganz schnell wieder aus.“

„Sehr gern.“ Merry erhaschte einen Blick auf das letzte Kleid. „Wow! Dieser helle Lavendelton ist fantastisch.“

„Genau. Das ist mein Lieblingsstück. Und ich habe passende Schuhe.“ Zoey verschwand wieder im Schrank.

Merry schlüpfte in das Kleid, das eine Schulter frei ließ. Es passte wie angegossen und der Chiffon fühlte sich wundervoll seidig auf der Haut an.

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