Nicht irgendeiner - aber du!

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Um zu verhindern, dass sich sein Mündel, die junge Cassie, irgendeinem Mann an den Hals wirft, macht Blake ihr schnell einen Heiratsantrag. Und genau darauf hat Cassie gehofft! Denn seit Jahren liebt sie ihn heimlich. Es wird höchste Zeit, dass Blake begreift, dass sie kein Mädchen mehr ist, sondern eine junge Frau mit großer Sehnsucht nach seiner Zärtlichkeit …


  • Erscheinungstag 28.03.2018
  • ISBN / Artikelnummer 9783733756154
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

„Es wird höchste Zeit, dass ich meine Jungfräulichkeit verliere.“

Obwohl Blake Campbell an die verrückten Einfälle, an das wilde und ungestüme Betragen und an die plötzlich wechselnden Launen seines Mündels durchaus gewöhnt war, traf ihn diese Erklärung völlig unvorbereitet.

Er sagte kein einziges Wort. Nicht, weil ihm dazu nichts einfiel. Im Gegenteil, er wusste genau, was er von ihrer absurden Idee halten sollte. Aber wenn er in den vergangenen drei Jahren als Cassie Warringtons Vormund etwas gelernt hatte, dann, dass er seine impulsiven Reaktionen auf ihren Übermut und ihre unkonventionellen Vorstellungen zügeln musste.

Vielleicht scherzte sie nur. Vielleicht würde sie gleich in ein unbändiges Lachen ausbrechen. Nein, entschied er. Diesmal würde er nicht so leicht davonkommen. Ihr Blick war entschlossen, die Haltung ihrer schmalen Schultern aufrecht. Um Himmels willen, es war ihr ernst.

„Nächsten Monat werde ich einundzwanzig“, fuhr sie fort.

Unsicher rutschte sie im Ledersessel hin und her. Der feste Stoff ihrer engen Jeans verursachte ein leises Geräusch, als er auf dem Leder entlangschabte. Sie presste ihre Ellenbogen auf die Armlehnen und streckte ihm eine Schulter entgegen. Der tiefe Ausschnitt ihres weißen Sweatshirts betonte ihre wohlgeformten runden Brüste.

Blake ließ den Blick nicht von den Ordnern auf seinem Schreibtisch und blinzelte nur ein oder zwei Mal zu ihr hinüber. Er befeuchtete seine trockenen Lippen und lockerte unwillkürlich den Knoten seiner Krawatte. Lag es an ihm, oder war es tatsächlich ein paar Grad heißer geworden? In Gedanken notierte er sich, dass er seine Sommerkleidung heraussuchen musste, um sie in die Reinigung zu geben. Es sah ganz danach aus, als würde es einen frühen Sommer an der Ostküste geben.

„Ich möchte wirklich zu gern wissen“, sagte Cassie, „wie viele einundzwanzigjährige Jungfrauen es eigentlich noch gibt.“

Halt bloß den Mund, befahl ihm eine warnende Stimme in seinem Innern.

Er verzichtete auf eine Antwort und nutzte stattdessen den kurzen Augenblick, um über die Gefühle nachzudenken, die in heftigen Wellen in ihm hochstiegen.

Seine Beschützerinstinkte bäumten sich in ihm auf wie bei einem wilden Tier, wenn er und Cassie ihr wöchentliches Treffen hatten. Sie war so jung. Sie merkte nicht, dass sie wegen der Freunde, die sie sich aussuchte, eines Tages Ärger bekommen konnte. Sicher waren es diese Freunde, die ihr die haarsträubende Idee in den Kopf gesetzt hatten, ihre … zu verlieren.

Er schluckte heftig, unfähig, dieses Wort auch nur zu denken.

Sein Inneres war aufgewühlt vor Ärger. Wie konnte sie nur so gering von ihrem Körper, von ihrer … Jungfräulichkeit – das Wort platzte in seine Gedanken wie ein überdehnter Luftballon – denken, dass sie etwas so Wertvolles in einer leichtsinnigen Laune aufs Spiel zu setzen wagte?

Trotzdem war Blake angenehm überrascht. Dass sie ihre Jungfräulichkeit noch zu verlieren hatte, hieß doch immerhin: Sie war noch Jungfrau. Das war heutzutage wirklich bemerkenswert.

Wie konnte er ihr diesen Gedanken nahe bringen, ohne als der verkalkte alte Trottel dazustehen, für den sie ihn immer hielt?

Cassie erwartete eine Antwort von ihm, das war mehr als deutlich.

Okay. Die Stimme der Vernunft brachte ihn langsam zur Ruhe: Überlege genau, welche Worte du gebrauchst. Du weißt, wie hitzig sie manchmal reagiert, wenn du nicht mit ihrer Sicht der Dinge übereinstimmst. Bring sie von ihrem verrückten Gedanken ab, so gut wie du kannst. Und vor allem, bleib ruhig!

„Cassie“, begann er. „In deinem Alter ist Jungfräulichkeit keine schlechte Sache.“

Sein Bauch schmerzte vor Aufregung. Angestrengt versuchte er, ruhig und gelassen zu wirken, brachte es aber nur dazu, sich nervös mit den Fingern durch das Haar zu fahren. „Ich weiß, ich gehöre zu einer anderen Generation“, fuhr er langsam und bedächtig fort. „Aber älter zu sein heißt auch, mehr Lebenserfahrung …“

„Oh ja“, witzelte sie, „du bist vierunddreißig. Das macht dich noch nicht zu Methusalem, oder doch?“

Das schelmische Glitzern in ihren himmelblauen Augen brachte ihn trotz der Ernsthaftigkeit seines Anliegens zum Lächeln. Fast immer gelang es ihr, ihm den Wind aus den Segeln zu nehmen.

„Trotzdem“, gab er zurück und besiegte das Lächeln auf seinen Lippen. „Es gibt Schlimmeres, was du mit zwanzig sein könntest.“

„Fast einundzwanzig“, erinnerte sie ihn. Ihr Gesichtsausdruck verdüsterte sich. „Aber Jungfrau?“

Ihr Tonfall verriet ihm, dass der Gedanke an ihre Jungfräulichkeit für sie nur schwer erträglich war. Im Augenblick erschien es ihr als das Schlimmste, was das Schicksal für sie bereithalten konnte. „Alle meine Freunde haben schon Sex gehabt.“

Als ob er es nicht gewusst hätte! Dieser unmögliche Haufen, den sie ihre Freunde nannte, hatte ihr diese absurde Idee in den Kopf gesetzt. Und sie verschwendete ihr Geld für diesen Haufen, als ob es auf der Straße herumliegen würde. Diese missratenen Teenager, die ziellos in den Tag hineinlebten, schienen Cassie immer noch zu bedrängen, sich ihnen anzuschließen. In der Vergangenheit hatte er oft versucht, sie vor diesen Leuten zu warnen. Er riet ihr, sich ihre Freunde sorgfältiger auszusuchen. Sie würde sich mitschuldig machen, wenn … Aber sie schob seine Warnungen zur Seite.

Er fixierte sie mit einem strengen Blick. „Du solltest dem Gruppenzwang nicht gestatten, Entscheidungen zu treffen, die du eines Tages sicher bedauern wirst.“

„Oh Blake.“ Cassie lachte über seinen Tadel. „Meine Freunde wissen nicht, dass ich noch Jungfrau bin. Ich würde vor Scham im Boden versinken, wenn sie die Wahrheit kennen würden. Natürlich habe ich mit ihnen nicht darüber gesprochen.“

„Es ist dein neuer Freund, nicht wahr?“, behauptete er. „Der Dreckskerl will dich zwingen, etwas zu tun, wozu du noch nicht bereit bist.“

Hatte er ihren Freund gerade einen Dreckskerl genannt? Normalerweise sprach er nicht so abfällig über ihre Männerbekanntschaften. Blake warnte sie natürlich, aber er versuchte auch, so objektiv wie möglich zu urteilen und hielt seine Ermahnungen so unvoreingenommen wie möglich.

Trotzdem waren sie nach seiner Auffassung alle nur hinter ihrem Vermögen her. Aber er musste seine Meinung vor ihr verbergen, weil er befürchtete, dass er Cassie sonst geradewegs in die Arme dieser Kerle treiben würde.

„Nein, es ist nicht mein Freund“, gab sie zurück. „Ich habe dir letzte Woche erzählt, dass ich mit Brad Schluss gemacht habe. Im Moment bin ich solo. Und überhaupt, über dieses Thema habe ich mit niemandem gesprochen. Nur mit dir.“

Warum mit mir? Blake war erstaunt.

Dieses Thema diskutierte man am besten mit den Eltern. Aber Cassies Mutter war bei ihrer Geburt gestorben, und ihr Vater war ihr vor drei Jahren nachgefolgt …

Er strich mit den Fingern über sein Kinn. Also suchte sie eine Mutterfigur. Sofort klammerte er sich an diesen Gedanken. „Vielleicht solltest du mit Olive darüber sprechen“, schlug er vor.

Olive war die Haushälterin der Warringtons, schon bevor Cassie geboren war. Die Frau hatte Cassie großgezogen, und als Henry Warrington starb, hatte Blake die Eheleute gebeten, im Hause zu bleiben, um sich weiter liebevoll um Cassie zu kümmern. Blake war ihr Vormund geworden, aber er hielt es für das Beste, wenn ihr Zuhause so normal wie möglich blieb. So beriet er sie in ihren finanziellen Angelegenheiten und traf sich mit ihr an jedem Mittwochnachmittag. Aber gelegentlich unterhielten sie sich auch über wesentlich privatere Dinge als über Geld … wie zum Beispiel dieses Mal.

„Sie ist eine Frau. Sie wird besser verstehen, was du empfindest …“, erklärte er eilig, um Cassies ablehnender Haltung auf seinen Vorschlag zuvorzukommen.

„Sie ist dreiundsechzig Jahre alt.“ Cassie sah ihn mit großen Augen an. „Sie hat ihr ganzes Leben damit verbracht, zu kochen und sauber zu machen und … für andere da zu sein. Nicht, dass daran irgendetwas falsch wäre. Ich bin dankbar für alles, was Olive und Amos für mich getan haben. Ich liebe sie beide. Wirklich. Du weißt, dass es so ist.“ Ihr Ton veränderte sich. „Aber Olive würde nie verstehen, wie ich mich fühle.“ Ihre großen blauen Augen blitzten ihn an. „Übrigens, es wäre, als ob ich meiner Großmutter erzähle, dass ich Sex haben will.“ Cassie schüttelte sich. „Das brächte ich niemals fertig.“

Er seufzte. Vermutlich hatte sie recht. Wahrscheinlich war Olive wirklich nicht die geeignete Person, der Cassie sich anvertrauen könnte. Plötzlich schoss ihm der Gedanke in den Kopf, dass er eigentlich stolz sein sollte, dass sie ausgerechnet zu ihm kam, um diese höchst delikate Angelegenheit zu besprechen. Wenn er nur die richtigen Argumente finden könnte, um sie zu überzeugen, dass sie sich nicht leichtsinnig verschenken sollte.

„Ich verstehe.“ Zögernd stimmte er zu. „Cassie …“ Er hoffte, nein, er betete, dass ihm etwas einfallen möge. „Meinst du nicht, dass du noch warten könntest? Ich denke, Sex zwischen einem Mann und einer Frau sollte …“ Wieder fehlten ihm die Worte. „Sich zu lieben ist … etwas ganz Besonderes …“

„Hat hier irgendjemand etwas von Liebe gesagt?“

Blake war schockiert. Unwillkürlich klappte sein Unterkiefer herunter und seine Augen weiteten sich vor Schreck. Bevor er sich wieder im Griff hatte, sprach sie weiter.

„Ich rede von Sex“, sagte sie. „Vom guten alten Ritt auf dem Matratzenlager oder vom …“

„Sei nicht so ordinär, Cassie!“ Er stieß den Satz durch die Zähne hervor, verdrehte die Augen nach oben und senkte die Lider.

Da war es wieder. Das fröhliche Lachen, das er so unverschämt anziehend fand. Hingerissen beobachtete er, wie ihr schmaler, schlanker Hals konvulsivisch zuckte. Er war versucht, seinen Ärger einfach beiseite zu schieben und in ihr Lachen einzustimmen.

Aber heute konnte er ihren ansteckenden Humor nicht teilen. Keinesfalls würde er ihr gestatten, sich mit einem Lachen über seine Einwände hinwegzusetzen. Es war zu wichtig. Sie war im Begriff, ihr ganzes weiteres Leben entscheidend zu verändern. In ihrem Leichtsinn ahnte sie noch nicht einmal, welche Folgen möglicherweise auf sie warteten.

Cassies Vater war Blakes enger, väterlicher Freund gewesen. Henry Warrington hatte ihm seine geliebte Tochter anvertraut. Blake war dafür verantwortlich, dass sie sorglos aufwachsen konnte. Und er nahm diese schwere Bürde sehr ernst.

„Oh, es wird nichts Ordinäres dabei sein“, betonte sie. Ihre Augen leuchteten vor Aufregung. „Ich werde vorher heiraten. Und zwar den erstbesten Mann, der mich haben will.“

In seinem Büro, oben im sechsten Stock des Gebäudes, verlor Blake völlig die Kontrolle. „Was?“ Unvermittelt schrie er seinen Ärger aus sich heraus.

Vor Schreck sprang sie aus dem Sessel. Aber Blake war zu aufgebracht, um seine Stimme unter Kontrolle zu bringen.

„Hast du vollständig den Verstand verloren?“

Blakes lautstarker Einwand holte Cassie wieder auf den Boden der Tatsachen zurück. Sie zog die Oberlippe zwischen die Zähne, um ihr breites Grinsen zu verbergen.

Das war genau die Reaktion, die sie in den letzten zehn Minuten provozieren wollte. Dieser Mann war einfach zu beherrscht, aber wenn er endlich einmal die Kontrolle verlor, dann ließ seine gewaltige Stimme die Wände wackeln.

Sie beobachtete, wie er aus seinem Stuhl schoss und in kleinen, aufgeregten Schritten zwischen Schreibtisch und Bürofenster hin- und herlief. Seine aufregend breiten Schultern waren steif vor Anspannung, und seine starken Hände gestikulierten heftig, als er versuchte, sie von ihrer Idee abzubringen.

Cassie war in Blake verliebt, seit … ja, seit die Pubertät Hormone durch ihren Körper pumpte.

Blake hatte sich in der Hierarchie der Firma ihres Vaters nach oben gearbeitet. Schließlich waren die beiden Männer Freunde geworden – trotz der Tatsache, dass Blake Ende zwanzig war und Cassies Vater fünfzig – und das hieß, dass Blake viel Zeit im Haus der Warringtons verbrachte. Natürlich war Cassie damals noch ein Kind gewesen, viel zu klein, um von diesem wunderschönen schwarzhaarigen Mann bemerkt zu werden. Das galt ganz besonders für die Zeit, als er mit dieser Hexe verheiratet war. Und als seine Ehe sich auflöste, musste Cassie lernen, dass sie bei Blake nicht einfach mit der Tür ins Haus fallen konnte. Sogar jetzt noch fühlte sie den Schmerz und die Demütigung in ihrem Herzen, wenn sie daran dachte, wie er damals ihr Angebot zurückgewiesen hatte.

Aber in den letzten Jahren hatte sich so viel verändert. Seine Ehe war längst geschieden, Gott sei Dank. Und inzwischen war Cassie alt genug, um die Aufmerksamkeit der Männer zu erregen. Wenn Blake es doch nur bemerken würde!

Meine Freunde wissen nicht, dass ich noch Jungfrau bin.

Hatte sie diese albernen und kindischen Worte wirklich ausgesprochen? Blake musste sie wirklich für total unreif halten.

Die wenigen engen Freunde, die sie hatte, wussten ganz genau, dass sie noch Jungfrau war. Und sie waren stolz auf sie. Überdies hatten Amy und Janet erst kürzlich beschlossen, abstinent zu leben, weil sie schlechte sexuelle Erfahrungen gemacht hatten. Und sie hatten gemeinsam entschieden, Cassie einen Floh ins Ohr zu setzen – jene Idee, ihre Jungfräulichkeit zu verlieren, würde Blake endlich dazu bringen, lange und intensiv über sein Mündel nachzudenken. Cassie musste ein Lächeln unterdrücken. Sie machte ein ernstes Gesicht, während ihr zorniger Vormund ihr eine strenge Predigt hielt.

All das hatte sie schon einmal gehört. Sie sollte größere Sorgfalt bei der Auswahl ihrer Freunde walten lassen. Sie sollte vorsichtig sein, wenn sie sich mit jemandem verabredete. Sie hatte einen Ruf zu verlieren. Ihr guter Name und der ihrer Familie stand schließlich auf dem Spiel.

Alles in allem die gleiche alte Leier. Sie dagegen gab seit Jahren ihr Bestes, um keine Aufregung von Blake fern zu halten.

Als ihr Vater starb, hatte Blake sich wie selbstverständlich um die Organisation der Trauerfeierlichkeiten gekümmert und sie freundlich und einfühlsam durch die schwerste Zeit ihres Lebens begleitet.

Als ihr Vormund hatte Blake darauf bestanden, dass Olive und Amos im Haus der Warringtons blieben, um für Cassie zu sorgen. Er bestand darauf, dass sie ihn jeden Mittwochnachmittag in seinem Büro besuchte. Im ersten Jahr hatte sie sich von ihrer besten Seite gezeigt. Aber dann hatte sie herausgefunden, dass dies nicht der richtige Weg war, um Blakes Aufmerksamkeit zu erregen.

Sie änderte ihre Taktik und begann, sich Geschichten auszudenken. Anfangs waren ihre erfundenen Eskapaden gerade schockierend genug, damit Blake sie ein wenig länger als die gewöhnliche halbe Stunde bei sich behielt, um mit ihr über ihre Zukunft zu sprechen.

Und die Jungs! Der Gedanke an ihre Verabredungen machte Blake schier verrückt. Sie entwickelte ein raffiniertes Gespür dafür, sich die unpassendsten Begleiter auszusuchen. Natürlich interessierte sie sich nicht für einen Einzigen von ihnen. Keiner von ihnen konnte es mit dem schwarzhaarigen Blake aufnehmen. Arme Jungs. Sie hatten niemals eine Chance.

Aber jetzt, als ihr einundzwanzigster Geburtstag nicht mehr allzu weit entfernt war, verspürte Cassie das Bedürfnis, Blake ernsthaft auf sich aufmerksam zu machen. Im nächsten Monat würden ihre regelmäßigen Treffen mit ihm enden. Sie würde keinen Grund mehr haben, jeden Mittwochnachmittag durch die schwere Teakholztür in sein Büro einzutreten. Sie musste sich schnellstens etwas einfallen lassen. Irgendeinen Plan, der ihn dazu bringen würde, sie als Frau anzusehen. Eine Frau, die bereit war für die Liebe.

„Das ist eine haarsträubende Idee, Cassie“, stieß er entsetzt hervor. „Du kannst diese Sache mit der Heirat nicht ernst gemeint haben.“

„Natürlich meine ich das ernst.“ Die Lüge kam ihr leicht über die Lippen. Eigentlich sollte sie sich schämen, aber immerhin verfolgte sie ein höheres Ziel. „Genauso ernst wie die Entscheidung, meine Jungfräulichkeit zu verlieren.“ Sie warf ihm einen unschuldigen Blick zu. „Du würdest nicht wollen, dass ich einfach mit irgendjemandem schlafe, oder?“

Sie bemerkte, dass sie genau die richtige Dosis Naivität in die letzten Worte gelegt hatte. Blake stammelte und fuhr sich wieder nervös mit den Fingern durch die zerzausten Haare.

Lieber Gott, er war so süß, wenn er sich aufregte.

„Und … und die Liebe?“, fragte er. „Was ist mit dem Mann fürs Leben?“

„Liebe?“ Mit einer schnellen Handbewegung wischte Cassie den Einwand beiseite. „Was hat denn Liebe damit zu tun?“ Sie ließ ihm keine Zeit für eine Antwort. „Die Zeiten für eine lebenslange Ehe sind vorbei. Denk dran, wie es dir ergangen ist. Du hast deiner Frau alles gegeben, was du hattest, und trotzdem hat sie dich verlassen. Nein, diese Mann-fürs-Leben-Geschichte ist was für Schulmädchen. Für Leute eben, die dumm genug sind, daran zu glauben.“

Heimlich hoffte sie, dass Blake sich nicht an ihren Vater erinnern würde, der seine Frau so sehr geliebt hatte, dass er nach ihrem Tod vor ungefähr einundzwanzig Jahren nie wieder eine andere Frau angesehen hatte. Das galt auch für die langjährige, warme und liebevolle Ehe von Olive und Amos.

Es war ein erfundenes Argument. Cassie glaubte an die Liebe. Sie glaubte an den Mann fürs Leben. Aber sie wusste, dass Blake nicht daran glaubte. Das Leiden, das Joan, seine Exfrau, ihm zugefügt hatte, machte ihn blind für eine glückliche Beziehung zu einer anderen Frau.

Blakes Schultern sanken herab. „Cassie“, sagte er mit gefühlvoller Stimme, „Mädchen in deinem Alter sollten … sie sollten sich von einem Märchenprinzen verzaubern lassen, von einem Prinzen, der sie liebt und der für sie sorgt.“

Sie fühlte, wie ein kalter Schauer ihren Rücken hinunterlief. Sie war kein Mädchen mehr. Warum konnte er das nicht endlich einsehen?

„Komm zur Vernunft“, erwiderte sie. „Wir leben in einem anderen Jahrtausend. Frauen wollen nicht mehr verzaubert werden. Wir brauchen keine Liebe. Und ganz sicher brauchen wir niemanden, der für uns sorgt.“

Er warf ihr einen zweifelnden Blick zu.

„Wir wollen unseren Spaß haben“, fuhr sie fort. „Eine gute, stabile Beziehung. So lange, wie sie eben dauert. Genau das hast du doch in deiner Ehe gehabt, oder? Ein paar gute Jahre. Mehr will ich nicht.“

Blake zuckte zusammen, als sie seine Ehe das zweite Mal erwähnte. Ein wenig fühlte sie sich schuldig, weil sie seine Vergangenheit gegen ihn ins Feld führte. Aber außergewöhnliche Ziele erforderten außergewöhnliche Mittel.

Blake sah sie mit versteinertem Gesichtsausdruck an. „Ich verbiete dir diese Heirat. Augenblicklich schlägst du dir den Gedanken aus dem Kopf.“

Seit dem Tod ihres Vaters hatte Blake diesen Tonfall nur selten angeschlagen. Sie vermutete, dass seine Strenge sie einschüchtern sollte. Aber stattdessen provozierte er nur trotzige Auflehnung.

Sie hob die Augenbrauen. „Ich soll mich also nach deinen Worten richten und nicht nach deiner Vergangenheit.“

Sein Gesicht wurde rot vor Ärger.

Oh. Plötzlich wurde ihr bewusst, dass sie einen Schritt zu weit gegangen war. „Ich denke, ich sollte jetzt gehen.“ Sie sprang aus dem Sessel auf und eilte zur Tür.

„Cassie!“ Er stoppte sie. „Ich meine es ernst.“

Eine Hand auf der Türklinke, blickte sie ihn über die Schulter hinweg an. „Weißt du, ab nächsten Monat bin ich erwachsen. Frei, zu tun und zu lassen, was ich will. Ich dachte nur, ich informiere dich kurz über meine Pläne.“

„Wie war dein Treffen mit Blake?“, fragte Olive am Abend.

Cassie sah ihr zu, als sie köstlich duftende Brötchen auf den Tisch stellte.

„Prima“, antwortete Cassie. Sie warf Amos einen Blick zu, der am anderen Ende des Tisches nach einem Brötchen griff und es dick mit gesalzener Butter bestrich. „Und wie war euer Tag?“

Das zischende Geräusch, das Olive über die Lippen kam, ließ Cassie zu der älteren Frau aufsehen.

„Amos“, bemerkte Olive, „das Kind glaubt, wir wären zu alt oder zu dumm, um zu merken, dass sie und Blake wieder gestritten haben, wenn sie auf diese Art das Thema wechselt.“

Der alte Mann stöhnte und biss in das Brötchen.

„Ich halte euch nicht für alt“, protestierte Cassie. „Und ganz sicher nicht für dumm.“ Sie senkte ihre Stimme. „Aber vor allem bin ich kein Kind mehr“, murmelte sie.

„Liebling“, lachte Olive, „ich bin seit dreiundsechzig langen Jahren auf dieser Welt, gesund und munter, dem Himmel sei Dank. Ich bin also alt. Allerdings noch nicht so alt, dass deine Eskapaden unbemerkt bleiben.“

„Und für uns wirst du immer ein Kind bleiben“, fügte Amos hinzu. Väterliche Liebe spiegelte sich in seinen wasserblauen Augen. „Unser Kind.“

Cassie musste lächeln, als sie nach einem Brötchen griff. Ein warmes Gefühl stieg in ihrer Brust hoch, als sie spürte, dass sie von diesem Paar ehrlich geliebt wurde.

„Du hast dich heute wieder mit Blake gestritten, nicht wahr?“

Olive ließ sich nicht täuschen. „Nun ja“, begann Cassie. „Blake war nicht gerade begeistert, als ich … also, als ich ihm gesagt habe, was ich von der Ehe und vom Heiraten halte.“

Neugierig zog Amos seine dichten Augenbrauen in die Höhe. Er schluckte. „Ihr zwei habt übers Heiraten gesprochen?“

„Ja.“ Cassie versuchte, so beiläufig wie möglich zu klingen. Plötzlich dachte sie, dass es besser wäre, die genauen Einzelheiten ihrer Auseinandersetzung mit Blake für sich zu behalten. Sie spießte eine Pellkartoffel auf ihre Gabel. „Blakes Ehe war nicht besonders glücklich, nicht wahr?“, fragte sie.

„Ach, Kind“, erwiderte Olive und rollte sich eine dicke Scheibe gekochten Schinken zusammen. „Du weißt doch, was Joan ihm angetan hat.“ Sie ließ die Servierzange sinken und tätschelte Cassies Hand. „Ärgere dich nicht, wenn er seine Enttäuschung heute an dir ausgelassen hat.“

„Diese Frau war eine egoistische Ziege“, warf Amos ein. „Eine widerliche alte Hexe.“

Olive schnappte nach Luft. „Amos! Nimm dich gefälligst ein bisschen zusammen.“

„Ich sage nur die Wahrheit“, verteidigte sich Amos und biss herzhaft in die andere Hälfte seines Brötchens.

Cassie war in fast alle Geheimnisse der Ehe zwischen Blake und Joan eingeweiht. Diese Frau war die Liebenswürdigkeit in Person gewesen, bis Blake ihr einen Heiratsantrag machte. Joan war gelegentlich zum Abendessen oder zu einer Party in das Haus der Warringtons eingeladen. Damals schon war Cassie aufgefallen, dass sie ein falsches Spiel spielte, und sie wunderte sich, dass das niemandem außer ihr aufzufallen schien.

Nach der Hochzeit – und einer prachtvollen, kostspieligen Hochzeitsfeier – hatte Joan ihr wahres Gesicht gezeigt. Sie verlangte von Blake, dass er ihr ein großes Haus kaufte und richtete es mit den teuersten Möbeln ein. Ihre Garderobe erstand sie bei einem Designer – mehr, als eine Frau jemals in ihrem Leben tragen konnte. Und dann die Schuhe. Cassie hatte einmal einen Blick in Joans begehbaren Wandschrank geworfen. Jetzt erinnerte sie sich an lange Reihen von Lederstiefeln, Pumps und Boots. Und schließlich kaufte Blake ihr nicht nur einen, sondern zwei teure Wagen. Nachdem er das zweite Auto erstanden hatte, begann der Ehestreit. Blake verbrachte viele Nachmittage im Büro von Cassies Vater, um über Joans ungezügelte Verschwendung zu sprechen.

„Wie hast du Amos kennen gelernt?“, fragte Cassie.

„Ach, meinen Amos.“ Olives Augen funkelten wie geschliffene Diamanten, als sie sich zurückerinnerte. „Er sah so fesch aus in seiner Uniform. Es hat mich sofort erwischt. Es war im Juli 1953, und er kam gerade aus Korea zurück.“

„Das waren die drei längsten Jahre meines Lebens.“

Cassie hörte einen gequälten Ton in Amos’ Stimme. Offensichtlich gab es Geschichten aus der Zeit, die er im Krieg verbracht hatte, die sie noch nicht kannte.

„Mein Vater half Amos, eine Stelle in der Mühle zu finden“, fuhr Olive fort. „Er brachte ihn zum Abendessen mit nach Hause. Ich war gerade sechzehn. Kuhäugig und nervös.“ Sie hielt einen Augenblick inne. „Aber er war ein hübscher und strammer junger Mann“, fügte sie voller Stolz und Respekt hinzu.

Amos hob die Hand und deutete auf seine Stirnglatze. „Die Jahre sind nicht spurlos an mir vorübergegangen.“ Er kicherte leise.

Olive warf Cassie einen verlegenen Blick zu. „Ich war sechzehn, wie ich schon sagte. Aber ich habe einfach gelogen und ihm erzählt, dass ich schon siebzehn wäre. Ich hatte Angst, dass ein einundzwanzigjähriger Mann mit einem Kind in meinem Alter nichts zu tun haben wollte.“

Cassies Gesichtsmuskeln entspannten sich. Wenn sie es genau betrachtete, entsprach Olives und Amos’ Situation ihrer eigenen. Sie fragte sich, warum sie diese Geschichte nicht schon früher gehört hatte.

„An meinem nächsten Geburtstag brachte Amos mir ein Dutzend Rosen. In Gegenwart meiner Eltern verkündete er, dass jedes Mädchen zum achtzehnten Geburtstag ein schönes Geschenk bekommen sollte.“ Sie presste ihre Lippen zusammen, als die unangenehme Erinnerung an die Entdeckung ihrer Lüge sie überkam. „Überflüssig zu sagen, dass der Augenblick sehr peinlich war. Aber trotzdem habe ich Amos’ Herz erobert, sodass er mir nicht böse war, dass ich ihn angeführt habe.“

„Du warst also sehr jung, als du dich für Amos entschieden hast“, meinte Cassie.

Olive nickte. „Meine Mutter war nicht gerade begeistert von meiner Lüge“, meinte sie. „Aber schließlich hat sie mir verziehen.“

Amos schimpfte leise vor sich hin. „Du tust so, als hätte ich in der Sache gar nichts zu melden gehabt.“

Autor

Donna Clayton
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