Nicht ohne Liebe - Darling

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"Es tut schrecklich weh!" Noch immer leidet Edmund unter dem Verlust seines besten Freundes - und wagt nicht, sich seine geheimsten Gefühle für dessen Frau Emily einzugestehen. Edmund ist verzweifelt. Wie kann er Emily für sich gewinnen? Da kommt ihm eine zündende Idee …


  • Erscheinungstag 14.06.2015
  • ISBN / Artikelnummer 9783733787806
  • Seitenanzahl 128
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Lieder aus der „Sesamstraße“ ertönten aus dem Autoradio. Die sechsundzwanzigjährige Emily Bancroft blickte in den Rückspiegel zu der wichtigsten Person ihres Lebens, die in einem hellblauen Schneeanzug in dem gepolsterten Kindersitz saß. „Wie geht es dir, Sweetheart?“, fragte sie liebevoll.

Als Antwort schlug der einjährige Bobby Bancroft mit seiner Rassel gegen die kleine Armlehne und plapperte eine Reihe charmanter, aber völlig unverständlicher Laute, komplett mit Pausen und bedeutungsschwerer Betonung.

„So gut?“, fragte Emily belustigt, während sie die Scheibenwischer eine Stufe höher stellte, um gegen die dicken, nassen Schneeflocken anzugehen, die der Wind an die Scheibe trieb. „Na ja, es dauert jetzt nicht mehr lange. Wir sind fast da.“

„Fasse!“, rief Bobby eifrig. Er ließ seine Rassel fallen und hob beide Arme hoch über den Kopf. „Fasse!“

„Hast du Durst?“, erkundigte sie sich grinsend. Es überraschte sie nicht, dass ihr dunkelhaariger Engel mit den blauen Augen nach seinem Fläschchen verlangte. Seit dem letzten Stopp waren fast zwei Stunden vergangen. Insgesamt waren sie schon acht Stunden unterwegs.

Emily behielt eine Hand am Lenkrad und beide Augen auf die Straße gerichtet, während sie in die Tasche neben sich griff. Sie fand die Flasche mit Apfelsaft und reichte sie über die Lehne nach hinten. Seine winzigen Hände berührten ihre. Als sie sicher war, dass er die Flasche fest im Griff hatte, ließ sie los. Sekunden später stellte er sein Geplapper ein, und sie hörte ihn sein Lieblingsgetränk nuckeln.

Sie fuhr langsamer, als sie zu einem wundervollen Gestüt kamen, das von einem makellosen weißen Zaun umgeben war. Es sah aus wie aus einem Märchenbuch. „Schau mal da, Bobby“, sagte sie. „Das ist die Somerset Farm. Das bedeutet, dass es nur noch ein paar Meilen bis zur Fairfax Farm sind.“

Endlich, dachte Emily erleichtert. Der Schneesturm, dem sie bisher entgehen konnten, näherte sich rasch. Bisher lagen etwa drei Zentimeter Schnee auf der Straße. Den schweren, weißen Wolken nach zu urteilen, standen ihnen aber noch Unmengen bevor.

„Fehde!“, rief Bobby. Er ließ seine Flasche in den Schoß fallen und deutete aufgeregt zu den graziösen, hübschen Pferden mit glänzend braunem Fell und dichten, schwarzen Mähnen. „Fehde!“

„Ja, Honey.“ Emily blickte zu der eingezäunten Weide, auf die ihr Sohn gezeigt hatte. „Ich sehe die Pferde. Sie sind wunderschön, stimmt’s?“

Er antwortete mit einer Reihe unverständlicher Silben.

Sie fuhr an gepflegten Ställen und weiteren eingezäunten Weiden vorbei. Dann ging der weiße Zaun der Somerset Farm unvermittelt in einen dunkelbraunen über. Auf einem kleinen, kunstvoll geschnitzten Schild stand: Fairfax Farm, Sweet Briar, Kentucky, erbaut 1909.

Eine einspurige Auffahrt führte hinauf zu einem Cottage, das weit von der Straße entfernt lag. Als Emily abbog, schlitterte der Kombi einen Moment lang, bevor die Reifen wieder griffen.

Der Zustand der Straßen verschlechterte sich zusehends. Dennoch konnte sie diesen Teil des Landes nicht für immer verlassen, bevor sie sich bei Edmund Fairfax und seiner achtjährigen Tochter Chloe persönlich entschuldigt hatte.

„Der Himmel weiß, dass ich das am liebsten vermeiden würde“, teilte sie Bobby mit einem tiefen Seufzer mit, während sie sich dem kleinen bezaubernden Verwalterhaus näherten, in dem Edmund und seine Tochter Chloe seit einer Woche wohnten. „Aber die Umstände lassen mir keine andere Wahl.“

„Hi“, sagte Emily sanft, als Edmund Fairfax ihr die Tür öffnete. Sie hob eine Hand, bevor er seine deutliche Überraschung über ihr Auftauchen zum Ausdruck bringen konnte. „Sag es nicht. Ich weiß, dass ich zu früh komme … fast eine Woche.“

Er betrachtete die sechsundzwanzigjährige Witwe seines Jugendfreundes. Nach dem plötzlichen Tod seiner Frau und ihres Mannes hatten sie sich im vergangenen Jahr zwar mehrmals geschrieben, aber seine Arbeit in Seattle hatte es ihm nicht erlaubt, sie seit ihrer Hochzeit mit Brian vor zweieinhalb Jahren zu sehen.

Trotz allem, was sie durchgemacht hatte, sah sie wunderschön aus. Gleichzeitig wirkte sie aber auch zerbrechlicher. Doch an ihren wesentlichen Vorzügen hatte sich nichts geändert. Die schwarzen Haare fielen ihr in dichten, seidigen Locken auf die Schultern, die hohen Wangen waren rosig und die intelligenten, meerblauen Augen von dunklen, samtigen Wimpern umrahmt. Ihre Nase war gerade und zierlich, die vollen Lippen wirkten sinnlich.

Ihre Figur war etwas fülliger geworden, seit sie ihren Sohn zur Welt gebracht hatte. Die Brüste waren größer, die Hüften etwas mehr gerundet, aber insgesamt hatte sie ihre schlanke, feminine Gestalt beibehalten. Ihre Haut war gebräunt, und wie früher strahlte sie eine natürliche, gesunde Schönheit aus.

„Ist alles in Ordnung?“, fragte Edmund, während er sie und ihren Sohn aus der Kälte in das Haus führte.

„Eigentlich nicht.“ Emily setzte sich Bobby auf die andere Hüfte. Schneeflocken bedeckten ihr Haar, ihr Gesicht und ihre Schultern. „Deswegen bin ich ja gekommen. Es tut mir leid, Edmund. Ich weiß, dass es furchtbar kurzfristig ist. Vor allem, da ich dich überredet habe, keine Annonce aufzugeben und mir stattdessen die Stellung zu geben. Aber ich kann den Job als Chloes Kindermädchen doch nicht annehmen.“

Seine Hoffnung, wieder ein einigermaßen normales Leben führen zu können, schwand dahin. Seine Tochter brauchte eine Mutterfigur. Eine sanfte, liebevolle Frau, die Lindseys Platz einnahm. Und er hatte geglaubt, sie in Emily gefunden zu haben. „Machen deine Schwiegereltern dir wieder Schwierigkeiten?“

Sie zog eine Grimasse. „Du hast es erraten.“

Es überraschte ihn eigentlich nicht. Sie hatten von vornherein gewusst, dass ihre vornehmen Schwiegereltern es nicht guthießen, wenn sie als Kindermädchen tätig wurde, unter welchen Umständen auch immer.

„Also hast du beschlossen, wieder als Lehrerin zu arbeiten?“

„Nein. Zumindest noch nicht. Ich weiß noch nicht genau, was ich tun will. Ich weiß nur, dass ich nicht hier arbeiten kann. Ich will dich und Chloe nicht in die ständigen Unstimmigkeiten zwischen den Bancrofts und mir hineinziehen.“

Im Stillen lobte Edmund sie für ihre Rücksicht. „Ist das wirklich der einzige Grund?“, hakte er dennoch nach.

„Wieso?“ Plötzlich wirkte Emily etwas nervös. Sie sank auf das Sofa, setzte sich Bobby auf die Knie und nahm ihm die Wollmütze ab.

Ihr ausweichender Blick verriet ihm, dass es noch andere Komplikationen gab, die sie nicht erwähnte. „Sag bloß nicht, dass du vorher im Haupthaus warst“, bemerkte er, nur halb im Scherz.

Sie schüttelte den Kopf, während sie Bobby den Schneeanzug auszog. „Warum? Was wäre passiert, wenn es so gewesen wäre?“

Du hättest meine Mutter getroffen, die es zwar gut meint, sich aber ständig in alles einmischt, dachte Edmund. Doch er zuckte nur die Achseln. „Ach, nichts weiter. Ich …“

„Was denn?“, hakte sie nach und setzte Bobby vor sich auf den Teppich.

Bevor er antworten konnte, stürmte Chloe ins Zimmer. Ihre dunkelbraunen Locken hüpften um ihr Gesicht. Sie setzte sich neben Bobby auf den Boden und verkündete: „Daddy hat Angst, dass Grandma Maureen dir was Schlimmes gesagt hat. Sie will nämlich nicht, dass wir ein Kindermädchen haben.“

„Aha, sie will das also nicht“, wiederholte Emily trocken.

„Nein“, bestätigte Chloe ernst. „Sie will, dass wir bei ihr im Haupthaus wohnen. Aber Daddy will das nicht, weil sie ihn immer mit irgendwelchen Frauen verkuppeln will, mit denen er nicht verkuppelt werden will.“

Emily lachte, während Edmund errötete und sanft warnte: „Chloe, bitte!“

„Daddy, kann ich Bobby meine Stofftiere zeigen?“

Er nickte erleichtert über den abrupten, aber günstigen Themenwechsel.

Sie lief hinaus und kehrte mit drei Stofftieren im Arm zurück. „Daddy hat Tee für meine Teeparty gekocht. Aber ich darf keinen richtigen Tee trinken, bloß er. Ich trinke Apfelsaft.“ Sorgfältig setzte sie die Stofftiere vor Bobby auf den Teppich, damit er mit ihnen spielen konnte. „Kannst du und Bobby zu meiner Party kommen?“, fragte sie eifrig.

„Ach, Honey, das würden wir sehr gern, aber …“ Besorgt blickte Emily aus dem Fenster. „Es schneit immer stärker. Und deshalb sollten wir uns jetzt auf den Weg machen.“

„Nein“, korrigierte Edmund sanft, aber entschlossen. „Deswegen solltet ihr hierbleiben, zumindest für eine Nacht. Hast du den Wetterbericht nicht gehört?“

„Doch. Vor einer Stunde ist durchgegeben worden, dass das Zentrum des Sturms hundertfünfzig Meilen östlich von hier liegt. Für diese Gegend sind nur ein paar Zentimeter vorausgesagt worden.“

„Inzwischen ist die Vorhersage revidiert worden. Jetzt werden hier bis zu vierzig Zentimeter erwartet. Und da es erst seit einer Stunde schneit und bereits drei Zentimeter liegen, nehme ich an, dass es zutrifft.“

„Oje.“

Chloe zupfte Emily am Ärmel. „Kann Bobby was von meinem Apfelsaft haben?“

„Er hat selbst eine Flasche mit Apfelsaft im Auto. Die kann er haben.“

„Ich hole sie“, bot Edmund an.

Emily war bereits aufgestanden. „Nicht nötig. Ich gehe schon. Wenn du nur einen Moment auf Bobby achtest …“

„Sicher.“ Er fing den frischen, verführerischen Duft ihres Parfüms auf, als sie an ihm vorbeiging.

„Mommy ist gleich wieder da, Honey“, versicherte sie Bobby. Er protestierte nicht, als sie hinausging.

Edmund setzte sich zu den Kindern auf den Boden.

Chloe lehnte sich an seine Knie. „Er ist süß, nicht, Daddy?“, fragte sie in sehnsüchtigem Ton.

„Sehr süß“, bestätigte er und fragte sich, wie lange es her war, seit er ein Baby im Arm gehalten hatte. Zu lange.

Mit äußerst konzentrierter Miene wollte Bobby nach einem roten Baustein greifen. Da sich der Klotz jedoch außerhalb seiner Reichweite befand, stützte er sich auf Edmunds Beine und zog sich zum Stand hoch. Mit einem triumphierenden Gurgeln bewegte er sich auf und ab, so als wollte er Schwung holen, um sich in Bewegung zu setzen.

„Guck mal, Daddy“, sagte Chloe fasziniert. „Er will laufen.“

Bobby hüpfte weiter und zeigte eifrig in die Richtung, in die er wollte. Er hob ein Bein, fiel prompt rückwärts und landete auf dem Po.

„Er läuft wohl doch nicht“, murmelte sie enttäuscht, als er sich auf den Bauch drehte und zu dem Bauklotz krabbelte, den er dann zur näheren Erforschung gurgelnd an den Mund führte.

„Vielleicht nächstes Mal“, tröstete Edmund.

„Ich will, dass sie bei uns bleiben.“

„Ich auch.“ Er fühlte sich unglaublich einsam, seit Lindsey gestorben war. Es hätte ihm gefallen, Emily und Bobby im Haus zu haben. Sie saßen praktisch im selben Boot. Beide hatten den geliebten Ehepartner verloren und waren über Nacht zu Alleinerziehern geworden. Sie hätten ihre Erfahrungen austauschen und sich gegenseitig helfen können.

„Warum mag Mrs Bancroft uns denn nicht?“, wollte Chloe niedergeschlagen wissen.

Emily kam wieder herein, vom Wind zerzaust und ein wenig außer Atem. Sie trug eine große Windeltasche und einen Beutel mit Spielzeug über der Schulter. Offensichtlich hatte sie Chloes letzte Bemerkung aufgefangen. „Du kannst mich Emily nennen, Sweetheart. Und ich mag euch, Chloe, sogar sehr“, versicherte sie sanft, während sie die Sachen abstellte.

„Warum willst du dann nicht hierbleiben und mein Kindermädchen sein und mir bei den Hausaufgaben für meine Schule in Seattle helfen?“, hakte Chloe verwirrt und verletzt nach. „Daddy hat doch gesagt, dass du dich genauso freust, zu uns zu kommen, wie wir uns auf dich freuen.“

Emily war Edmund einen zögernden Blick zu, bevor sie verlegen erwiderte: „Es ist … kompliziert.“

„Ganz bestimmt zu kompliziert für deine Ohren, junge Dame“, entschied er. Da er selbst mit Emily darüber reden wollte, schlug er vor: „Kann Bobby mit Chloe auf dem Teppich bleiben, während wir uns da drüben an den Tisch setzen?“

„Sicher. Ich gebe ihm nur sein Spielzeug und seine Flasche.“ Während sie Bobby versorgte, schenkte er ihnen beiden Tee ein.

Sie setzten sich an den Tisch vor dem Fenster. Er blickte zu den Kindern, die friedlich spielten, und fragte dann: „Was genau hat dich veranlasst, es dir anders zu überlegen? Ist es das Gehalt?“ Er wusste, dass es nicht nur an der Missbilligung ihrer Schwiegereltern liegen konnte, mit der sie bereits zu kämpfen hatte, seit sie Brian kennengelernt hatte.

Emily schüttelte den Kopf. „Das Gehalt, das du mir geboten hast, ist mehr als großzügig.“

„Ist es dann die Tatsache, dass wir so weit von der Stadt entfernt sind? Wenn das der Grund ist, kann ich dich beruhigen. Ich habe vor, nach Seattle zurückzukehren, sobald ich die Geschäfte hier abgeschlossen habe.“

„Was meinst du, wie lange das dauern wird?“

„Ich bin mir nicht sicher. Vielleicht zwei Monate oder länger. Stört es dich, dass wir länger hierbleiben werden, als ich ursprünglich dachte?“

Emily rührte Zucker in ihren Tee. „Nein. Ich lebe ebenso gern auf dem Lande wie in der Stadt.“

„Was ist es denn dann?“

Sie nahm einen Schluck Tee und mied seinen Blick. „Ich glaube einfach, dass es mir weiter südlich besser gefallen würde.“

Edmund musterte ihr entschieden vorgerecktes Kinn. „Hast du einen anderen Job in Aussicht?“

Sie straffte die Schultern und blickte ihn unverwandt an. „Nein. Aber ich bin sicher, dass ich mühelos einen finden werde.“

Davon war auch er überzeugt. Er lehnte sich zu ihr vor. „Ich möchte wirklich, dass du es hier bei uns probierst“, sagte er sanft.

Sie strich sich eine Locke hinter das Ohr. „Ich habe dir doch erklärt, dass es keinen Sinn hat.“

„Trotzdem wäre es hier bei uns sicherer für euch beide, bis sich das Wetter wieder bessert.“

Emily warf einen Blick aus dem Fenster. Der Schneefall hatte sich verstärkt. „Wie weit ist es von hier nach Lexington?“, fragte sie mit gerunzelter Stirn.

„Eine Stunde bei gutem Wetter. Beim augenblicklichen Straßenzustand musst du die vierfache Zeit rechnen. Vorausgesetzt, dass die Straße nicht ganz geschlossen wird.“

„Wie sieht es mit Hotels aus?“

„Das nächste ist etwa dreißig Meilen entfernt.“ Brian schenkte ihnen beiden von dem heißen, duftenden Tee nach. „Es liegt neben einem Truck Stop an der Schnellstraße und wird von recht rauen Gesellen frequentiert. Es ist kein geeigneter Ort für eine Frau und ein Baby.“

Emily seufzte. „Wir möchten uns aber nicht aufdrängen.“

„Wie wäre es dann mit einem fairen Handel? Ich biete euch diese erstklassige Unterkunft einschließlich freier Mahlzeiten, wenn du als Gegenleistung den Job für die Zeit ausprobierst, die du hier bist.“

Emily dachte über den Vorschlag nach. „Du gibst dich nicht so leicht geschlagen, wie?“, murmelte sie.

„Ich weiß, was Chloe und ich brauchen, nämlich euch zwei – dich und Bobby.“

Schweigend musterte Emily ihn. Sie hatte ihn auf Anhieb gemocht, als sie ihn vor zweieinhalb Jahren auf ihrer Hochzeit mit Brian kennengelernt hatte. Dass sie beide im vergangenen Winter ihre Ehepartner durch tragische Unfälle verloren hatten, stärkte nur noch das Band zwischen ihnen. Seine sporadischen Briefe in den letzten Monaten hatten ihr geholfen, ihren Kummer zu überwinden. Sein Angebot, sie als Kindermädchen für Chloe einzustellen, da die alte Kinderfrau aus gesundheitlichen Gründen hatte kündigen müssen, eröffnete ihr einen neuen Lebensabschnitt.

Aber all das hatte sie nicht auf das Wiedersehen mit ihm vorbereitet. Sein markantes, gut geschnittenes Gesicht, die dunkelbraunen Haare und Augen, verbunden mit seiner athletischen Gestalt, übten eine unerwartet starke Wirkung auf sie aus. Und die verständnisvolle, sanfte Zuneigung, die er nicht nur seinem Kind, sondern auch ihrem entgegenbrachte, nahm sie sehr für ihn ein.

Edmund Fairfax war ein Mann, der Kinder und Frauen und Menschen im Allgemeinen mochte. Er trauert ebenso tief, wie er geliebt hatte. Wie sie selbst war er auf der Suche nach dem verlorenen Glück. Er war außerdem klug, kultiviert und auf altmodische Art galant. Er verkörperte alles, was sie sich von einem guten Freund wünschen konnte, und sie sehnte sich danach, einfach bei ihm zu bleiben. Warum also wollte sie davonlaufen, obwohl er ihr nur helfen wollte, um Brian einen letzten Gefallen zu erweisen?

Lag es daran, dass sie sich bei ihm wieder so lebendig fühlte? Oder steckte etwas anderes dahinter, das sie nicht ergründen wollte?

Er nahm ihre beiden Hände in seine und bemerkte mit leiser, rauer Stimme: „Die Frage ist jetzt, was du willst und was du brauchst.“

Einen sicheren Platz und Zeit, um mir meine nächsten Schritte zu überlegen, dachte Emily, während sie die Finger um seine schloss. Welcher Ort war dazu besser geeignet als dieser? Und wie groß war die Chance, dass ihre Schwiegereltern oder der Prozessbevollmächtigte in Maryland sie aufspürten, wenn sie blieb?

Sie hatte den Bancrofts nicht verraten, wo genau sie den Job als Kindermädchen anzunehmen gedachte. Die Diskussion war nie so weit gediehen. Sie waren allein bei der Ankündigung, dass sie Maryland verlassen wollte, explodiert. Und dieses behagliche Cottage war gewiss wesentlich besser für Bobby als ein steriles, nüchternes Hotelzimmer.

„Emily?“, drängte Edmund sanft.

Die Sanftheit in seinem Gesicht veranlasste sie, ihrem Instinkt zu folgen. „Also gut. Ich bleibe. Aber nur, bis der Schneesturm vorüber ist.“

Er lächelte erleichtert und lehnte sich auf dem Stuhl zurück, gerade als es an der Tür klopfte. Eine hübsche Frau Anfang sechzig in einem eleganten Pelzmantel und weichen Lederstiefeln schwebte herein. Ihr folgte eine ähnlich gekleidete, wesentlich jüngere Frau mit dem atemberaubenden Aussehen eines Filmstars und glänzenden silberblonden Haaren.

„Edmund, Darling, sieh mal, wen ich mitgebracht habe!“, rief die erste Frau fröhlich.

„Hallo, Mutter.“ Er nickte ihr und der anderen Frau etwas steif zu. „Selena.“ Dann legte er einen Arm um Emilys Taille. „Ich möchte euch Emily Bancroft vorstellen. Emily, das ist meine Mutter, Maureen Fairfax. Und das ist die Nichte unserer Nachbarn, Selena Somerset.“

Emily nickte beiden freundlich zu.

„Emily ist mein neues Kindermädchen“, verkündete Chloe eifrig.

Maureen Fairfax warf ihrem Sohn einen erstaunten Blick zu. „Ich dachte, wir hätten diese Angelegenheit ausdiskutiert, Edmund.“

„Du hast allein darüber diskutiert, Mutter“, entgegnete er trocken. „Mich hast du nicht zu Wort kommen lassen.“

„Und offensichtlich hast du nicht zugehört.“ Maureen schlüpfte aus ihrem Pelz und legte ihn über die Sofalehne, bevor sie sich an Emily wandte. „Nichts für ungut, aber mein Sohn braucht keine Kinderfrau, sondern eine Ehefrau, ob er es nun einsieht oder nicht.“

„In diesem Punkt besteht kein Anlass zur Besorgnis. Ich habe ohnehin nicht vor, lange zu bleiben“, entgegnete Emily. Sie wollte nicht mitten in einen Familienstreit geraten. Davon hatte sie genug mit Brians Familie hinter sich.

„Wie lange ist nicht lange?“, hakte Maureen nach.

„Nur ein paar Tage.“ Es enttäuschte Emily ein wenig, dass es nun doch nicht klappen würde. Einen Moment lang hatte sie zu hoffen gewagt.

„Es sei denn, Chloe und ich können sie zum Bleiben überreden“, warf Edmund ein.

Selena reichte ihm die Kuchenform, die sie mitgebracht hatte. „Ich sollte mich jetzt lieber auf den Weg machen. Ich wollte dir und Chloe nur das hier vorbeibringen.“

„Es hat mich gefreut, dich zu sehen, Selena. Und danke für den Kuchen“, sagte er, während er den Deckel hob und den duftenden Inhalt betrachtete.

„Deine Mutter hat mir gesagt, dass es dein Lieblingskuchen ist.“

Er warf Maureen einen verärgerten Blick zu.

Sie lächelte gelassen. „Vielleicht könntest du Selena noch zu ihrem Wagen begleiten“, schlug sie entschieden vor.

„Gern.“

Sobald die beiden hinausgegangen waren, wandte Maureen sich an Emily. „Selena ist meine teuerste Freundin. Sie liebt Pferde und Kentucky. Sie will sich für immer in dieser Gegend niederlassen und eine Familie gründen.“ Maureen legte sich eine Hand auf das Herz und seufzte theatralisch. „Kurz gesagt, sie ist genau das, was mein Sohn braucht. Er muss es nur noch einsehen.“

„Und warum erzählen Sie mir das alles?“

„Ich kenne meinen Sohn. Er will nie das, was ihm zufällt oder was gut für ihn ist.“

Ein Anflug von Unbehagen stieg in Emily auf. Ohne die Billigung dieser Frau würde niemand mit Edmund glücklich werden können. „Ich verstehe immer noch nicht, was ich damit zu tun habe.“

„Ich habe doch gesehen, wie er Sie anschaut, und ich weiß, was in ihm vorgeht. Wenn er eine Romanze mit Ihnen beginnt, könnte es Selena abschrecken. Aber das wäre nicht richtig. Sie weiß ebenso wie ich, dass er und sie füreinander bestimmt sind. Und sie ist entschlossen, bei ihren Verwandten nebenan zu bleiben, bis auch er es einsieht.“

Sollte man ihn denn nicht fragen, was er will? durchfuhr es Emily.

Bevor sie das Gespräch fortsetzen konnten, wurde die Hintertür des Cottage aufgerissen. Eine lebhafte junge Frau mit dunklen Haaren und auffälliger Ähnlichkeit mit Edmund stürmte in einem langen Wollmantel über einem Schneiderkostüm herein. „Wo ist mein Bruder?“

„Draußen vor dem Haus“, erwiderte Maureen. „Warum?“

„Weil ich mit ihm reden muss.“ Die junge Frau erblickte Emily und reichte ihr die Hand. „Hi. Gail Fairfax.“

„Emily Bancroft.“

„Edmunds neues Kindermädchen … vorübergehend“, warf Maureen ein.

Er kam zur Tür herein und korrigierte sie: „Dauerhaft, Mutter.“

Seit wann denn das? wunderte sich Emily.

Maureen drehte sich mit missbilligender Miene zu ihm um. „Du bist aber schnell zurück.“

„Ich wollte Selena wegen des Schnees nicht unnötig aufhalten.“ Erstaunt musterte er seine Schwester. „Ist alles okay?“

Sie schüttelte den Kopf. „Es ist schlimmer denn je.“

Er führte sie an den Tisch. „Setz dich und erzähl mir, was passiert ist.“

Gail holte tief Luft. „Die Thurstons haben vor einer halben Stunde in meiner Kanzlei angerufen. Sie haben beschlossen, den Vertrag mit uns nicht zu erneuern. Sie wollen ihre Stuten künftig auf der Castlebrook Farm decken lassen.“

Edmund fühlte sich wie vor den Kopf gestoßen. Es ging um einen Verlust von einhunderttausend Dollar, dem seit dem Tod seines Vaters im vergangenen Frühjahr eine ganze Reihe ähnlicher Enttäuschungen vorausgegangen war. „Aber sie sind seit zwanzig Jahren mit uns im Geschäft!“

„Ich weiß.“

„Haben sie dir eine Erklärung gegeben?“

Gail seufzte. „Es wird dir nicht gefallen.“

„Sag es mir trotzdem.“

„Die Thurstons haben gedroht, dass sie ihr Geschäft permanent verlagern werden, wenn du nicht bleibst und die Farm dauerhaft leitest.“

Er seufzte. Plötzlich lastete die gesamte Verantwortung für den Familienbetrieb auf seinen Schultern. Sein Vater hatte vierzig Jahre lang die berühmte Pferdezucht zusammen mit Maureen geführt. Kürzlich hatte zwar ihr Manager wegen einer Meinungsverschiedenheit mit ihr gekündigt, aber sie besaßen immer noch mehr als fünfundzwanzig Angestellte, die für einen reibungslosen Arbeitsablauf sorgten. „Hast du ihnen gesagt, dass ich mich nach einem neuen Manager umsehe?“

Gail nickte. „Das ist ihnen egal.“

„Haben sie den Vertrag mit der Castlebrook Farm schon unterzeichnet?“

„Noch nicht. Sie wollten es heute tun, aber wegen des schlechten Wetters konnten sie nicht hinfahren.“

Edmund stand auf. „Ich rufe sie an.“

„Das wird nichts nützen“, prophezeite Gail mit einem Seufzen.

„Es muss. Wir können es uns nicht leisten, das Geschäft zu verlieren.“

„Nun?“, fragten Gail und Maureen gleichzeitig, sobald Edmund das Telefonat beendet hatte.

Er warf einen Blick auf Emily, die sich vom Tisch entschuldigt hatte und nun die Kinder bei ihrem Spiel beaufsichtigte. „Ich habe sie dazu gebracht, die Entscheidung aufzuschieben, bis sie sich mit mir getroffen haben. Sie werden herkommen, die Farm besichtigen und bei uns zu Abend essen.“

Maureen holte einen Füllhalter und ein kleines, in Leder gebundenes Notizbuch aus ihrer Handtasche. „Wann wird das sein?“, erkundigte sie sich eifrig.

„Übermorgen. Vorausgesetzt, dass die Straßen bis dahin befahrbar sind.“

Sie schrieb etwas in das Notizbuch. „Ich werde mit Mrs Hamilton das Menü besprechen.“

Gail lächelte. „Und ich setze den Vertrag auf, falls sie sich doch entscheiden, bei uns zu bleiben.“

Edmund nickte erleichtert. Erneut blickte er zu Emily. Sie saß zwischen den Kindern auf der Couch. Chloe wie Bobby lauschten entzückt dem melodischen, samtenen Klang ihrer Stimme. Die drei wirkten so natürlich, so zufrieden. Seine Sehnsucht, wieder eine komplette Familie zu haben, wuchs.

Maureen berührte ihn am Arm. „Ich erwarte dich, Emily und die Kinder in einer Stunde im Haupthaus zum Dinner.“

Emily warf Edmund einen flüchtigen Blick zu und wandte sich dann an Maureen. „Unter den gegebenen Umständen, da ich Chloes Kindermädchen sein werde, halte ich es für besser, wenn Bobby und ich zusammen mit dem übrigen Personal essen.“

„Normalerweise würde ich zustimmen. Im Allgemeinen isst das Personal nicht zusammen mit der Familie. Aber da Sie sich um mein einziges Enkelkind kümmern werden, möchte ich Sie ein bisschen besser kennenlernen.“

Mit anderen Worten, dachte Edmund grimmig, steht ihr ein Verhör bevor.

Maureen und Gail verabschiedeten sich und verließen das Haus. Emily setzte Bobby auf den Teppich und ließ ihn mit Chloe spielen, während sie Edmund half, das Geschirr in die Küche zu bringen. „Deiner Mutter gefällt es überhaupt nicht, dass ich hier bin.“

„Sie wird sich daran gewöhnt.“

„Macht es dir Spaß, sie auf die Palme zu bringen?“

„Es macht mir Spaß, meine Entscheidungen selbst zu treffen, ohne von ihr bevormundet zu werden.“ Er warf einen Blick aus dem Fenster. „Wir sollten deine Sachen hereinholen, bevor dein Wagen völlig zugeschneit ist.“

„Da könntest du recht haben.“ Sie schickte sich an, ihren Mantel zu holen.

„Nein, ich gehe. Du bleibst hier und passt auf die Kinder auf.“

Autor

Cathy Gillen Thacker
<p>Cathy Gillen Thacker ist eine Vollzeit-Ehefrau, - Mutter und – Autorin, die mit dem Schreiben für ihr eigenes Amusement angefangen hat, als sie Mutterschaftszeit hatte. Zwanzig Jahre und mehr als 50 veröffentlichte Romane später ist sie bekannt für ihre humorvollen romantischen Themen und warme Familiengeschichten. Wenn sie schreibt, ist ihr...
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