Nie vergaß ich deine Zärtlichkeiten

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Hannah ist fassungslos. Acht Jahre nachdem sie eine stürmische Nacht mit Jordan McClennon verbracht hat, macht er ihr erneut Avancen. Und das, obwohl der Playboy damals einfach ohne ein Wort verschwunden ist! Soll sie ihm glauben, dass er es diesmal ernst mit ihr meint?


  • Erscheinungstag 19.04.2015
  • ISBN / Artikelnummer 9783733787332
  • Seitenanzahl 128
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Hannah Brewster saß im Gras und betrachtete mit gerunzelter Stirn die beiden Pick-ups, die gerade in die Einfahrt einbogen. Unwillkürlich umfasste sie das Holzbrett fester, das in ihrem Schoß lag. Allein der Name McClennon genügte, um sie aufzubringen, und jetzt erschienen gleich zwei von ihnen.

Doch dies waren die beiden älteren Brüder, John und Jake, und nicht Jordan McClennon. Die Erinnerung an ihn war noch immer schmerzlich. Zu sehr war damals ihr Stolz verletzt gewesen.

Hannah wäre heute nicht den ganzen Weg aus St. Louis hergekommen, wenn sie gewusst hätte, dass die McClennons hier sein würden. Doch Ronnie Wardlow hatte ihr diese kleine Einzelheit vorenthalten, bis vor einigen Minuten. Absichtlich, nahm sie an.

Ronnie hatte sie gebeten, ihm und ein paar Freunden zu helfen, ein neues Haus für seine Mutter Esther zu bauen. Hannah mochte Ronnie und seine Mutter, und sie hatte die Gelegenheit wahrgenommen, um einmal aus St. Louis herauszukommen und die Landluft in Sandford zu genießen, an diesem sonnigen Wochenende Anfang Mai. Der ganze Plan hatte ihr gefallen, bis jetzt.

Die Pick-ups hielten neben Ronnies zerbeultem Wagen, und aus dem einen stiegen zwei große, dunkelhaarige Männer aus. McClennons, da war Hannah ganz sicher. Alle aus dieser Familie sahen außerordentlich gut aus.

Der zweite Pick-up hatte einen Wohnwagen angehängt, und der Fahrer stand einige Minuten dahinter und zurrte etwas fest. Als er nun um den Pick-up herumkam und Hannah ihn erkannte, schlug ihr das Herz bis zum Hals.

Jordan McClennon.

Sie wollte aufspringen. Verzweifelt sah sie sich um und blickte schließlich zu Ronnie. Er zuckte hilflos mit den Schultern.

Ronnie wusste, dass sie Jordan nicht ausstehen konnte, doch er kannte nicht die ganze Geschichte.

Einer anderen Frau hätte es wahrscheinlich nichts ausgemacht, wenn ein Mann sie nach zwei Verabredungen wieder fallen ließ. Aber sie war damals noch sehr jung gewesen und sehr verliebt. Monatelang hatte sie diese Liebe verborgen gehalten, doch dann hatte der Mann, von dem sie träumte, Jordan McClennon, Gründer und Eigentümer der Firma McClennon Industries in St. Louis und außerdem ihr Arbeitgeber, sie im Aufenthaltsraum angesprochen und zum Essen eingeladen.

Bei ihrer zweiten Verabredung hatte sie ihr Selbstbewusstsein mit Wein zu stärken gesucht, und als Jordan ihr vorschlug, einen Abstecher zu seiner Wohnung zu machen, weil er dort einige Papiere holen wolle, hatte sie zugestimmt.

Er hatte ihr sein Apartment gezeigt, und im Schlafzimmer hatte sie ihm impulsiv die Arme um den Nacken gelegt und ihn angelächelt. Von da an hatte er die Führung übernommen. Jordan hatte sie verführt, doch war sie dabei mehr als willig gewesen, wenn sie ihn nicht sogar noch angetrieben hatte. Aber das milderte nicht ihren Zorn auf ihn.

Er sah gut aus, war wortgewandt und intelligent und die Verkörperung eines Charmeurs. Und er hatte sie nie wieder angerufen, nachdem sie miteinander geschlafen hatten.

Grandma hatte recht, dachte sie. Männer wollen alle nur das eine. Und wenn sie es bekommen haben, erobern sie die nächste.

Ihr Stolz war verletzt gewesen, besonders, nachdem sie zwei Tage später an Jordans Büro vorbeigekommen war und ihn dort mit einer vollbusigen Blondine gesehen hatte. Die Frau in dem tief dekolletierten Kleid hatte ihm praktisch ihre Brüste entgegengestreckt, während sie sich neben ihm über den Schreibtisch beugte, und ihre Hand mit feuerrot lackierten Nägeln hatte sie über seine gelegt.

Hannah hätte weiter ihre Arbeit bei McClennon Industries erledigt, hätte ihr ereignisloses Leben ohne jede Verabredung weitergelebt, weil sie eine Brewster war und weil es das war, was man ihr beigebracht hatte. Doch dann war alles anders gekommen.

Ihre Schwester Marybeth, das schwarze Schaf der Familie, war schwanger geworden, ohne verheiratet zu sein. Hannah hatte ihren Job aufgegeben, um ihr beizustehen, und als sie schließlich nach St. Louis zurückkehrte, hatte sie das Kind ihrer Schwester bei sich, und sie hatte einen neuen Job gefunden.

Bis zum heutigen Tag hatte sie Jordan McClennon nicht wiedergesehen.

Hannah hätte jetzt beinahe aufgestöhnt. Zwar liebte sie ihn nicht mehr, aber ihr Körper hatte ihn nicht vergessen.

Jordan hatte ebenso schwarzes Haar wie seine zwei Brüder. Doch seine Augen waren blau, hellblau und dabei so eindringlich, wie das Herz einer Flamme.

Und jetzt sah er zu ihr hinüber. Interessiert.

Ihre anfängliche Überraschung schlug rasch in Wut um. Jordan hatte sich nicht verändert. Noch immer war er auf eine schnelle Eroberung aus. Offensichtlich hatte er sie nicht erkannt, denn sonst hätte er gewusst, dass er sie bereits vor sieben Jahren gehabt hatte.

Hannah bemühte sich um ein ausdrucksloses Gesicht, während Ronnie mit den McClennons zu ihr hinüberkam. Doch ärgerlicherweise ging ihr Blick immer wieder zu Jordan.

Sein dichtes schwarzes Haar glänzte wie Ebenholz in der Sonne und bildete den perfekten Rahmen für sein gut geschnittenes, männliches Gesicht. Er hatte ein kantiges Kinn und hohe Wangenknochen, eine gerade, aristokratische Nase und volle, feste Lippen, die sich zu einem sarkastischen Lächeln verzogen …

Hör auf, befahl sie sich selbst, konnte aber dennoch den Blick nicht von ihm losreißen. Von seiner breiten, muskulösen Brust, den schlanken Schenkeln und den engen Jeans, die allerlei Verheißungen bot.

Und noch immer trug Jordan keinen Ehering.

Hannah zwang sich zu einem Lächeln, während Ronnie ihr die Brüder vorstellte.

„Hannah Brewster?“, wiederholte Jordan, als wäre das Wiedersehen eine totale Überraschung für ihn. „Etwa die Hannah Brewster, die einmal in meiner Firma gearbeitet hat?“

Sie ärgerte sich über seine Wortwahl, zwang sich aber trotzdem, zustimmend zu nicken.

„Du hast dein Haar abgeschnitten“, bemerkte Jordan. „Und du trägst keine Brille mehr.“

Ihr Ärger wuchs. Er sah sie an, als sei sie ein neuer Gartenstuhl, den er für seine Terrasse kaufen wollte.

„Eigentlich mochte ich die Brille“, meinte er und lächelte.

Nein, sagte sie sich fest. Ich werde mich nicht noch einmal von diesem charmanten Lächeln einwickeln lassen. „Ich habe die Brille einem Wohltätigkeitsverein geschenkt, als ich meine Kontaktlinsen bekam“, erklärte sie spöttisch. „Das Haar habe ich leider auch nicht behalten, sonst würde ich es dir gern schenken.“

Jordan lachte, und sie spürte ein schmerzliches Ziehen in der Brust. Wie sehr hatte sie dieses Lachen einmal geliebt hatte. Es war wie das dunkle Raunen eines Flusses, der über sonnenwarme Steine fließt. Es war ein Klang, den eine Frau hören wollte, wenn ihr Geliebter sie bei sanfter Musik langsam entkleidete. Es waren ein Lachen und eine Stimme, die einen auch in der kältesten Winternacht wärmen konnten.

Noch immer betrachtete er sie. „Nein“, sagte er dann leise, „das mit der Brille nehme ich zurück. Deine Augen sind viel zu schön, um sie hinter Brillengläsern zu verstecken.“

Seine Brüder warfen sich einen vielsagenden Blick zu. Offensichtlich kannten sie sein Benehmen nur zu gut.

„Du hast sicher die Zeitschrift ‚Leitfaden für den alleinstehenden Mann‘ abonniert“, entgegnete sie in ungewohnt scharfem Ton. „Denn diese Worte habe ich jetzt etwa schon zum zehnten Mal gehört.“

Jordans Lächeln vertiefte sich, und seine Brüder hoben überrascht die Augenbrauen.

„Entschuldigung“, meinte Jake. „Aber darf ich davon vielleicht ein Foto machen? Der große Jordan McClennon im Clinch mit einer Frau.“

Er und John lachten und stießen Jordan gegen die Schulter. Als sie sich dann zum Gehen wandten, grinsten sie sie an.

„Nett, dich kennenzulernen, Hannah“, sagte John, der mittlere der McClennon Brüder. „Sehr nett sogar. Komm schon, Ronnie, wir sollten zu arbeiten anfangen.“

Hannah stand auf und klemmte sich das Brett unter den Arm. Als sie spürte, dass Jordan ihr viel zu dicht folgte, fuhr sie herum und hätte ihm dabei beinahe mit dem hinteren Brettende in den Magen geschlagen.

„Hannah, ich …“, begann er. Jetzt lachte er nicht mehr.

„Entschuldige, Jordan“, unterbrach sie ihn schnippisch. „Doch ich bin hier, um Ronnie zu helfen, ein Haus zu bauen. Das ist alles. Verschwende deine Energie also nicht an mich.“ Mit diesen Worten wandte sie sich um und marschierte mit dem Brett zum Fundament des Hauses.

Ein langer Streifen Metall lag halb aufgerollt zu ihren Füßen auf dem Boden. Sie blickte hinunter und entdeckte ihr Spiegelbild darin.

Wahrscheinlich sah sie heute ganz anders aus, als Jordan sie in Erinnerung hatte. Sie trug ihre braunen Locken in einem etwas zerzausten Kurzhaarschnitt, was ihrem Haar mehr Fülle gab und ihr sehr gut stand. Jetzt, wo ihre braunen Augen nicht mehr hinter den Brillengläsern versteckt waren, benutzte sie Mascara und hatte auch einen zartrosa Lippenstift aufgelegt.

Sie war schon immer eher dünn als schlank gewesen, doch in den letzten Jahren hatte sie etwas zugenommen, und ihre Figur wirkte nun weiblicher. Sie trug alte Jeans, die fest um ihre sanft gerundeten Hüften lagen, und dazu ein pinkfarbenes T-Shirt, das sich hauteng um ihre Brüste schloss.

Wenn sie jetzt zurückdachte, hatte sie keine Ahnung, warum Jordan sie damals eigentlich eingeladen hatte. Es war ihr wie ein Wunder erschienen, dass ein Mann wie Jordan McClennon eine kleine graue Maus wie sie überhaupt bemerkte, ganz zu schweigen davon, dass er sie zum Essen einlud.

Ihr kurzes Abenteuer mit Jordan war das einzige in ihrem bisherigen Leben gewesen, und sie hatte eine wertvolle Lektion daraus gelernt. Sie war kein Typ, der mit einem Mann schnell ins Bett ging, und so etwas sollte ihr auch nie wieder passieren. Ihre Schwester hatte viele Verhältnisse gehabt, doch für sie war das nichts. Sie zog es vor, lieber ganz ohne Mann zu leben als noch einmal die Erniedrigung zu ertragen, mit einem Mann zu schlafen, den sie liebte und der danach, ohne einen Blick zurück, einfach verschwand.

Jake erklärte nun, wie das Gebälk für das Haus aufgebaut werden sollte. John stellte unterdessen die Motorsäge auf. Sie hatte das Gefühl, nicht hierher zu gehören. Sie konnte zwar einen Nagel einschlagen und auch mit einer Säge umgehen, doch eigentlich war sie nur hier, weil Ronnie ihr Freund war. Sonst wäre sie sicher schon längst wieder verschwunden.

Ronnie hatte als Teenager einen Sommer über bei McClennon Industries gearbeitet. Sie war zwar ein paar Jahre älter als er, aber sie hatten sich damals angefreundet. Als sie die Firma dann verließ, war auch ihr Kontakt zu Ronnie abgebrochen. Doch nachdem sie nach St. Louis zurückgekehrt war, war sie ihm zufällig in der Bücherei begegnet, in der sie jetzt arbeitete. Danach hatte sie ihn ein paarmal in Sandford besucht; seine Mutter Esther und sie mochten sich sehr gern.

Jake und John legten das Metallband über die Kante des Fundamentes, und Jake rief Jordan zu, die Schwellenbretter bereitzuhalten. Für einen kurzen Moment traf sich ihr Blick mit Jordans, dann ging sie zu dem Bretterstapel hinüber, der mit einer Zeltbahn abgedeckt war. Ihr Herz schlug verräterisch schnell.

„Es tut mir leid“, hörte sie Ronnies Stimme neben sich, „aber ich wusste ja nicht, dass Jake Jordan mitbringen würde.“

Sie legte Ronnie die Hand auf den Arm. „Ist schon in Ordnung“, beruhigte sie ihn. „Die Geschichte ist schon sehr lange her, und glaub mir, es ist kein Funke übrig geblieben.“

Das stimmte zwar nicht ganz, doch Ronnie schien mit dieser Antwort zufrieden zu sein.

Er ging, um Jake und John zu helfen, und sie betrachtete verstohlen Jordan. Wie hatte sie jemals vergessen können, dass er so anziehend war? Vielleicht hatte sie sich nur nicht mehr erinnern wollen. Doch ein Mann wie Jordan McClennon wusste immer, welche Wirkung er auf Frauen hatte. Und sie befürchtete, dass er es wieder schaffen würde, wenn er es darauf anlegte, sie zu verführen – obwohl es für ihn wieder nur ein Spiel wäre.

„Hannah!“, rief er plötzlich, und sie zuckte zusammen, als hätte er ihre Gedanken gelesen. „Hilf mir doch bitte mit diesen Brettern.“

Sie wollte ihm sagen, er solle seine Arbeit allein machen, doch John und Jake beobachteten sie, und sie hatte nicht die Absicht, für deren Unterhaltung zu sorgen.

„Was ist?“, fragte sie und runzelte die Stirn, als Jordan sie einfach nur ansah.

„Du stehst auf dem Brett“, erklärte er. „Das macht es ein wenig schwierig für mich, das Brett aufzuheben. Schließlich habe ich heute meine Weizenflocken noch nicht gegessen.“

„Willst du damit sagen, dass es etwas gibt, was du nicht kannst?“, fuhr sie ihn an. Normalerweise war sie nicht so aufbrausend, doch dies war der Mann, der sie einmal nackt gesehen hatte, der sie geliebt und dann verlassen hatte.

Ihre Blicke trafen sich. „Soll ich kommen und dich wegtragen?“, murmelte er.

Seine Worte waren so leise gewesen, dass die anderen sie nicht hatten hören können, dennoch stieg ihr heiße Röte ins Gesicht. Dieser arrogante Kerl suchte ja nur nach einem Grund, sie zu berühren. Zweifellos glaubte er, dass sie dann sofort wieder dahinschmelzen würde.

Trotzig reckte sie das Kinn und trat von dem Brett hinunter, bückte sich und hob es an. Jordan ergriff das andere Ende.

„Ist es zu schwer für dich?“, fragte er, was sie ignorierte. Sie wollte nicht mehr als unbedingt nötig mit ihm sprechen.

Nachdem sie alle Bretter zum Fundament getragen hatten, legte sie beide Hände in den Rücken und reckte sich. Sie war etwas aus der Übung, denn Kevin war schon lange nicht mehr so klein, dass sie ihn auf den Arm nehmen konnte. Das war das Problem mit Babys, sie wurden immer größer. Jeden Tag stellten sie ihre Mutter vor neue Probleme und schenkten ihr neues Glück. Versonnen tastete sie nach dem Medaillon, das sie um den Hals trug. Noch immer wurde sie traurig, wenn sie daran dachte, dass Marybeth es nie erleben würde, war für ein wunderbares Kind ihr Sohn war.

„Alles in Ordnung?“, fragte Jordan, und sie merkte, dass sie blicklos vor sich hingestarrt hatte.

„Ja.“ Sie hatte gelernt, immer ein fröhliches Gesicht zu machen, gleichgültig, was auch geschah. Von ihrem Vater hatte sie die Fähigkeit geerbt, immer nach vorn zu blicken und weiterzumachen, wie schwierig es auch sein mochte. Eine Brewster stellte keine Fragen, wenn es Arbeit gab, die getan werden musste.

Jake hatte den Metallstreifen auf dem Fundament befestigt; jetzt wurden die ersten Schwellenbretter angebracht. Ronnie reichte Hannah mit einem aufmunternden Lächeln einen Hammer. Es entging Jordan nicht, dass er dabei sanft über ihre Finger strich.

Jordan beobachtete Hannah, während seine Brüder Löcher für die Verankerungen bohrten. Er erinnerte sich nur vage an das Restaurant, in das er sie vor so vielen Jahren geführt hatte. Doch woran er sich noch sehr gut erinnerte, waren die Gefühle, die sie in ihm geweckt hatte. Sie hatte eine Vitalität und Wärme ausgestrahlt, die einem Mann ein herrliches Gefühl gab, wenn er sie nur ansah oder ihr zuhörte.

Eigentlich erstaunlich, dass er einige Einzelheiten jenes Abends keineswegs vergessen hatte. Er hatte sie zu seinem Schlafzimmer gezogen, nachdem sie sein Apartment betreten hatten, und sie war willig mit ihm gekommen. Noch heute hatte er ihr Lächeln vor Augen, als sie die Arme um seinen Nacken legte. Er hatte ihr die Brille abgenommen und dann ihr Haar gelöst und es über das Kissen gebreitet. Sie war so nervös gewesen, dass er ihr schließlich dabei geholfen hatte, sein Hemd ausziehen. Doch in seinem Bett war sie einfach süß gewesen.

Er wusste zwar nicht, was genau für eine Beziehung sie zu Ronnie hatte, doch er konnte sich gut vorstellen, dass die beiden eine stetige, ruhige Liebesbeziehung verband, die es nicht erforderte, ihre Gefühle auch nach außen zu zeigen. Denn eine Beziehung hatten sie bestimmt. Warum sonst sollte Hannah wohl hier sein?

Ihm war klar, dass er daran dachte, noch einmal mit ihr ins Bett zu gehen. Seit er sie zum letzten Mal gesehen hatte, hatte sie sich zu einer wunderschönen Frau gewandelt. Das sollte nicht heißen, dass sie nicht auch schon damals attraktiv gewesen wäre – damals war sie sich dessen nur noch nicht bewusst gewesen. Doch irgendetwas fehlte heute.

Ihr Lächeln – das war es. Es hatte ihn zu ihr hingezogen. Doch heute hatte er es noch nicht bei ihr gesehen.

Wahrscheinlich lächelte sie nur für Ronnie. Entschlossen versuchte er, sich abzulenken und nicht mehr an Hannah Brewster zu denken. Sie benahm sich ihm gegenüber wie eine kratzbürstige Katze. Es war offensichtlich, dass sie nichts mit ihm zu tun haben wollte.

Was sie nur noch verlockender machte.

„Ich brauche die Nägel“, erklärte sie mit ausdrucksloser Stimme.

Als er aufsah, hob sich ihre Gestalt als schlanke Silhouette vor der Sonne ab.

„Du sitzt drauf“, fügte sie hinzu.

Er blickte in das Gras, in dem er saß. „Ich denke, ich würde es merken, wenn ich auf Nägeln sitzen würde.“

„Vielleicht hat dir ja deine Jeans die Blutzirkulation zum Gehirn abgeschnürt“, erwiderte sie, zog ein wenig die Mundwinkel hoch und bedeutete ihm auf diese Weise, wo sich ihrer Meinung nach sein Gehirn befand.

„Hannah“, begann er ungeduldig, wusste dann aber nicht weiter.

„Schau an.“ Sie bückte sich und zog eine Papiertüte unter ihm hervor. „Ich habe es dir doch gesagt“, erklärte sie und holte einen Nagel aus der Tüte.

„Ich habe nicht darauf gesessen“, behauptete er noch einmal und wollte aufstehen. Doch ein heftiger Schmerz im Oberschenkel hinderte ihn daran. „Autsch“, murmelte er und zog einen Haken unter sich hervor. „Darauf habe ich gesessen.“

Beinahe hätte sie gelächelt, doch sie wandte sich schnell um und ging. Warum ist es ihm nur so wichtig, dass sie mich anlächelt? überlegte Jordan. Und warum stört es mich so sehr, dass sie es nicht tut?

2. KAPITEL

Hannah wusste, dass Jordan ihm auf die Nerven ging. Sie sah es an der Art, wie er die Stirn runzelte und den Mund verzog. Doch so seltsam es auch war, es machte ihr Spaß, ihm auf die Nerven zu gehen. Vor sieben Jahren hätte sie so etwas nie für möglich gehalten.

Sie knieten nebeneinander und hämmerten Nägel in die Bretter. Jordan war so nah, dass er dabei ab und zu mit dem Oberschenkel ihre Hüfte berührte. Jedes Mal begannen ihre Finger zu zittern, und jedes Mal musste sie daran denken, dass dieser Oberschenkel sich einmal nackt an ihren nackten Schenkel gepresst hatte. Sie starrte auf das Brett vor sich.

Jordan beobachtete sie, das spürte Hannah, und sie war sicher, dass er genau wusste, wie sehr er sie beunruhigte. Bestimmt berührte er sie mit voller Absicht, um sich dafür zu rächen, dass sie ihn so kühl behandelte. Oder er wollte sie noch einmal in sein Bett zu locken – doch das würde sie niemals zulassen.

„Woher hast du denn deine Erfahrungen?“, fragte er plötzlich.

„Wie bitte?“ Vor Verblüffung vergaß sie, dass sie ihn auf Distanz halten wollte, und sah ihm in die Augen. Das war ein Fehler. Schnell blickte sie wieder weg.

„Wo hast du die Arbeit eines Zimmermanns gelernt?“

„Mein Vater hat es mir beigebracht“, antwortete sie. „Ich habe ihm geholfen, als er vor zwölf Jahren unser Haus umbaute, und bin auch oft mit ihm gegangen, wenn er anderswo gearbeitet hat.“

„Haben wir uns darüber unterhalten, als wir miteinander ausgegangen sind?“, fragte Jordan überrascht.

Jetzt sah sie ganz bewusst ihn an, ihre Blicke begegneten sich, und sie war entschlossen, ihn ihre Ablehnung fühlen zu lassen.

„Um ganz ehrlich zu sein, Jordan, ich bezweifle, dass du dich überhaupt noch an etwas erinnerst, was ich dir damals erzählt habe. Ich glaube kaum, dass eine Unterhaltung das war, was dich damals interessiert hat.“

Er sollte glauben, dass sie in ihrer damaligen Begegnung nicht mehr gesehen hatte als er – ein kurzes Abenteuer, nichtssagend und bedeutungslos. Dabei war es für sie viel mehr gewesen, und sie hatte nicht ein Wort ihrer Unterhaltung vergessen.

Abrupt stand Hannah auf und arbeitete an einer anderen Stelle weiter. Jordan folgte ihr, und wieder war er ihr näher, als ihr lieb war.

„Lebt dein Vater noch in dem Haus, das ihr zusammen umgebaut habt?“

„Er ist vor ein paar Jahren gestorben“, erklärte sie mit ausdrucksloser Stimme und griff nach einem weiteren Nagel.

„Das tut mir leid.“

„Ach, wirklich?“, entgegnete sie scharf. „Oder willst du vielleicht nur höflich sein?“ Sie hatte offenbar ein wenig zu laut gesprochen, da die anderen ihre Arbeit und unterbrachen zu ihnen hinüberschauten.

„Ich weiß gar nicht, was du hast, Hannah“, meinte Jordan. „Was habe ich denn getan?“

„Nichts“, behauptete sie und hasste sich dafür. Denn wenn etwas nicht stimmte, sollte man darüber reden. Wenigstens hatte sie das bis jetzt geglaubt. Doch dies war weder der richtige Zeitpunkt noch der richtige Ort, um ihrem Ärger Luft zu machen, nicht, wenn Jordans Brüder voller Interesse zuhörten.

„Hey!“, rief plötzlich eine Frauenstimme, und man hörte das Geräusch eines Automotors. „Wer möchte etwas zu essen?“

Hannah drehte sich um und entdeckte einen zerbeulten grell orangenen VW-Käfer auf der Einfahrt. Der Käfer blieb nur Zentimeter vor einer großen Eiche stehen, die offenbar schon öfter in Kontakt mit dem Wagen gekommen, da die Rinde einige orangene Farbflecken aufwies.

Ronnie stieß einen hörbaren Seufzer aus. „Hi, Ma. Wieso kommst du schon so früh?“

„Du hast doch bestimmt nicht daran gedacht, für die Verpflegung deiner Freunde zu sorgen. Hab’ ich recht?“

„Ja, Ma, hast du“, brummte Ronnie.

Die untersetzte Frau in der grünen Kellnerinnenuniform brachte den Duft von Hamburgern mit sich. Sie lächelte Hannah an und stellte dann eine große weiße Tüte auf das Fundament.

„Haben dir die Jungs auch nicht zu viel Arbeit aufgebürdet?“, fragte sie Hannah.

„So schlimm war es nicht“, wehrte Hannah ab und lächelte Esther an.

Esther wandte sich zum Wagen. „Kevin, wenn du einen Hamburger haben willst, dann komm gefälligst her.“ Sie zwinkerte Hannah zu. „Er hat mir den ganzen Morgen geholfen, hat die Tische abgewischt und neu eingedeckt.“

„Hoffentlich war er dir nicht im Weg“, erwiderte Hannah. „Er kann auch hierbleiben, ich werde schon auf ihn aufpassen.“

„An dem Tag, an dem mir ein kleiner Junge im Weg ist, mein Schatz, werde ich mich pensionieren lassen“, erklärte Esther. „Er war wirklich ein Engel – die beste Hilfe, die wir je hatten“, fügte sie ein wenig lauter hinzu, damit Kevin es auch hören konnte, der aus dem Wagen geklettert war und jetzt zu ihnen hinüberkam.

„Sieh mal, Mom!“, rief er und hielt Hannah die geöffnete Hand hin, in der einige Münzen lagen. „Ich habe sogar Trinkgeld bekommen. Jetzt bin ich reich. Das hab’ ich doch gut gemacht, nicht wahr?“

Lächelnd drückte Hannah ihn an sich. Kevin war ein wunderbarer Junge, immer fröhlich und gut gelaunt. Er hatte ihr braunes Haar und ihre braunen Augen, doch die kleine Nase und den geschwungenen Mund hatte er von ihrer Schwester.

„Das hast du toll gemacht.“ Sie zerzauste ihm das Haar. „Bist du hungrig?“

Kevin schüttelte den Kopf. „Ich habe zum Frühstück Pfannkuchen gegessen und Toast und Speck und –“, er krauste die Nase und dachte nach, „– und Würstchen“, fügte er dann hinzu.

„Da musst du ja noch viele Tische abwischen, um für das ganze Essen zu bezahlen. Eines Tages wirst du mir noch die Haare vom Kopf fressen.“

Kevin, der wusste, dass seine Mutter ihn neckte, lachte und sprang vergnügt auf und ab.

Die Männer hatten sich um die Tüte mit den Hamburgern versammelt. Nur Jordan hockte noch immer an dem Platz, an dem er gearbeitet hatte, und blickte Hannah von dort aus nachdenklich an.

Gut, dachte sie. Wenn er erst einmal das Kind gesehen hat, wird er wahrscheinlich so schnell wie möglich einen Rückzug machen und mich in Ruhe lassen.

„Komm schon“, ermahnte Esther den Jungen. „Wir müssen zurück, ehe der Ansturm zum Mittagessen beginnt.“ Sie ging mit Kevin zu ihrem Käfer.

„Sei fleißig“, rief Hannah ihm nach. „Und denk daran, was ich dir gesagt habe.“

„Ein Brewster gibt immer sein Bestes“, erwiderte Kevin, als hätte er diese Worte schon hundertmal ausgesprochen. Als er dann im Wagen saß und Esther losfuhr, winkte er Hannah fröhlich zu.

Hannah spürte, dass Jordan sie immer noch beobachtete, doch sie achtete nicht darauf. Sie holte sich einen Hamburger und setzte sich ein Stück weiter ins Gras. Es fiel ihr jedoch schwer zu essen, als Jordan sich neben sie setzte. Die anderen saßen nicht weit weg, offensichtlich neugierig, was zwischen ihnen vorging.

Interessant, dachte Jordan. Ronnie sitzt also nicht neben ihr. Vielleicht habe ich die Situation völlig falsch eingeschätzt.

Autor

Kelly Jamison
Wenn Kelly Jamison nicht schreibt, findet man sie gewöhnlich lesend. Ebenso mag sie es zu kochen. Im Sommer genießt sie Gartenarbeit und im Winter in Vorbereitung auf die nächste Sommersaison das Wälzen von Gartenmagazinen und Saat – Katalogen. Sie mag es am Strand zu liegen, ein Glas Wein zu trinken...
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