Noch dreißig Tage bis zum Glück

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Noch ein Monat bis zum Valentinstag - viel Zeit bleibt Katie nicht mehr, ihren Boss und heimlichen Traummann Blake Fortune zu erobern! Denn der sexy Texaner hat einen Plan: In genau dreißig Tagen will er einer anderen den Brillantring anstecken …


  • Erscheinungstag 02.02.2017
  • ISBN / Artikelnummer 9783733776312
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

„Versteh mich nicht falsch, Blake“, sagte Wendy Mendoza zu ihrem Bruder, während sie vergeblich versuchte, eine bequemere Lage in ihrem Bett einzunehmen, „aber wenn du ständig hier herumlungerst und mich beobachtest, komme ich mir allmählich vor wie ein Dampfkochtopf.“

Blake Fortune setzte sich rittlings auf den Stuhl, den er kurz zuvor ins Schlafzimmer seiner Schwester getragen hatte. „Aber das ist der Sinn der Sache“, betonte er. „Denn du sollst nicht überkochen oder – in deinem Fall besser gesagt – nicht vorzeitig gebären.“

Genau eine solche vorzeitige Geburt versuchten die Ärzte durch wehenhemmende Injektionen und die Verordnung strengster Bettruhe zu verhindern.

Das bedeutete allerdings nicht, dass Wendy mit dem derzeitigen Status quo glücklich war, wie Blake wusste. Und je länger sie liegen musste, umso ruheloser und unausgeglichener wurde sie.

„Gibt es denn gar nichts, was du sonst tun könntest?“, fragte sie ihn. „Ich meine, ich weiß es wirklich sehr zu schätzen, dass du alles stehen und liegen gelassen hast, um zurück nach Red Rock zu eilen und meine Hand zu halten, aber wenn mich alle hier wie ein rohes Ei behandeln, werde ich langsam echt nervös.“

Und das war, wie er sehr wohl wusste, genau das Gegenteil von dem, was sie alle zu erreichen versuchten – nämlich ihre Schwangerschaft so lange stabil zu halten, dass das Baby überlebensfähig zur Welt kommen würde.

„Wenn das so weitergeht“, warnte Wendy ihn, „werde ich nämlich letztendlich ein neurotisches Baby zur Welt bringen, das vom Kreißsaal direkt auf die Couch eines Psychiaters muss.“

Blake lachte kopfschüttelnd. Wenigstens hatte sie ihren schrägen Sinn für Humor nicht verloren. Die ganze Familie hatte durch diesen Tornado nach Weihnachten ein wahres Trauma durchlitten. Und als dann bei Wendy auch noch vorzeitige Wehen einsetzten, waren sie alle richtig in Panik geraten.

Zum Glück gibt es die moderne Medizin, dachte er. Dank ihr war seine Schwester jetzt wieder so kratzbürstig wie eh und je – nur dass sie nicht aufstehen durfte.

„Nun, zum Glück hat deine blühende Fantasie durch den Tornado nicht gelitten“, stellte er fest. Doch ein Blick auf ihr Gesicht sagte ihm, dass sie es ernst meinte. Sie wollte tatsächlich, dass er ihr Schlafzimmer verließ. Wahrscheinlich würde es ihm an ihrer Stelle ähnlich gehen und er würde sich auch bedrängt fühlen. „Du hast mich schon aus deinem Haus vertrieben und gezwungen, bei Scott Unterschlupf zu suchen“, erinnerte er sie. „Willst du mich wirklich ganz los sein?“

Wendy ergriff seine Hand und verflocht ihre Finger mit seinen. Sie liebte all ihre Geschwister, doch da sie das Nesthäkchen war, fühlte sie sich Blake als Zweitjüngstem am nächsten. In der Hierarchie der Familie standen sie beide ganz unten.

„Nein, natürlich nicht“, erwiderte sie liebevoll. „Aber ich will auch nicht, dass du meinetwegen dein eigenes Leben auf Eis legst.“ Seit zwei Tagen war er jetzt ständig bei ihr gewesen. Es war an der Zeit für ihn, wieder zu seinem Job und seinem Alltag zurückzukehren. „In der heutigen Zeit mit Computern und Telefonkonferenzen kannst du doch von überall aus arbeiten. Warum schlägst du bei Scott nicht ein provisorisches Büro auf und kümmerst dich um die Geschäfte, ehe Dad dir mal wieder vorwirft, die Zügel schleifen zu lassen.“

John Michael Fortune, der seine Familie sicherlich auf seine eigene Art und Weise liebte, war letztendlich für die Wendung verantwortlich, die Wendys Leben genommen hatte. Hätte ihr Vater nicht darauf bestanden, sie hierher nach Red Rock in Texas zu schicken, hätte sie womöglich nie die beiden größten Leidenschaften ihres Lebens entdeckt: Backen und Marcos – nicht unbedingt in dieser Reihenfolge.

Ihre neu entdeckte Vorliebe für das Backen und Kreieren von Nachspeisen war zutage getreten, als sie in dem Restaurant zu arbeiten begann, das Marcos für seine Tante und seinen Onkel managte, die wiederum mit Wendys Eltern befreundet waren. Marcos hatte sie für ein kleines verwöhntes, reiches Mädchen gehalten, das nichts auf die Reihe bekam.

Er hatte nach einer Möglichkeit gesucht, sie wieder loszuwerden, während sie versuchte, sich zu beweisen. Allerdings hatte keiner von ihnen nach der dauerhaften Beziehung gesucht, die sich nach und nach entwickelte. Heute war sie mit Marcos verheiratet und erwartete täglich die Geburt seines Kindes.

Das Baby wäre vor einem Monat fast zu früh zur Welt gekommen, weil ein Tornado nur wenige Minuten vor dem geplanten Abflug ihrer Familie zurück nach Atlanta über Red Rock hinweggefegt war. Anlass dieses Besuchs war ihre Hochzeit am Heiligen Abend gewesen.

Noch immer blieb ihr fast die Luft weg, wenn sie daran dachte. Gerade noch verabschiedeten sie sich fröhlich voneinander, und im nächsten Augenblick lagen sie alle lebendig unter den herabstürzenden Trümmern begraben, als die Wucht des Tornados den Flughafen traf.

Der Schock war einfach zu groß für sie gewesen, zumal Marcos’ schwer verletzter Bruder Javier ins Koma fiel. Lange vor dem errechneten Geburtstermin setzten bei Wendy vorzeitige Wehen ein. Zum Glück gelang es den Ärzten, die Wehen mithilfe von Injektionen zu stoppen. Nun hofften sie, die Geburt so lange hinauszuzögern, bis die Lungen des Kindes genügend entwickelt waren, um nach der Geburt selbstständig zu atmen.

Im Moment schien es ihr, als würde das noch ewig dauern. Und bei ihrer derzeitigen Gemütsverfassung half es wenig, dass Blake ständig sorgenvoll in ihre Richtung blickte.

Denn Blake wusste genau, wie ihr zumute war. Wenn er an ihrer Stelle wäre, würde es ihm auch nicht passen, ständig unter – wenn auch liebevoller – Aufsicht zu stehen. „Irgendwie hast du ja recht.“

Wendy lächelte erleichtert, weil Blake offensichtlich nicht beleidigt war.

„Natürlich habe ich recht.“

Blake war in Gedanken bereits bei einem anderen Projekt, das er schon seit einer ganzen Weile im Sinn hatte. Jetzt schien ihm die Zeit reif, es in Angriff zu nehmen.

„Seit wir praktisch lebendig im Flughafen begraben waren, liegt mir tatsächlich etwas auf der Seele“, gestand er ihr.

„Du kannst in solchen Zeiten ans Geschäft denken?“, fragte sie ihn ungläubig. „Meine Güte, Blake, du bist Dad ja noch ähnlicher, als ich dachte.“

Nein, da lag sie mit Sicherheit falsch. Für seinen Vater gab es nichts Wichtigeres als seine Geschäfte, und da er von seinen Kindern das Gleiche erwartete, konnte keines von ihnen je seinen Ansprüchen gerecht werden. In Blakes Augen hätte nur ein Roboter das vermocht.

„Es ist eigentlich nichts Geschäftliches“, erklärte er. Er rückte seinen Stuhl noch näher an ihr Bett heran und senkte vertraulich die Stimme. „Als nicht sicher war, ob wir jemals lebend da herauskommen, schwor ich mir, dass ich mein Leben nicht länger mit angezogener Handbremse leben möchte, falls wir alles heil überstehen sollten – und in Angriff nehmen möchte, was ich schon vor Jahren hätte tun sollen.“

Interessiert rutschte Wendy ein wenig höher in ihren Kissen. „Erzähl weiter“, ermutigte sie ihn neugierig.

„Ich schwor mir: Falls ich überleben sollte, würde ich mich von Neuem um die Frau bemühen, die ich vor langer Zeit aus den Augen verlor.“ Er machte eine dramatische Pause und gab dann den Namen der Frau preis. „Brittany Everett.“

„Ich habe es mir anders überlegt“, erwiderte Wendy wie aus der Pistole geschossen. „Erzähl nicht weiter.“ Sie stieß enttäuscht den Atem aus. Sie hatte ernsthaft gehofft, die sagenumwobene Brittany Everett würde in Blakes Leben der Vergangenheit angehören. Insgeheim hatte sie sogar gehofft, dass ihrem Bruder, wenn er sich eines Tages wieder ernsthaft dem anderen Geschlecht zuwenden würde, Bilder von Katie Wallace in den Sinn kämen.

Anscheinend wusste jeder außer Blake, dass Brittany Everett nur ein verwöhntes Töchterchen war, das dem Begriff „Südstaatenschönheit“ einen unangenehmen Beigeschmack gab.

Wendy ließ sich zurück in ihre Kissen sinken und bemühte sich, keine allzu verdrießliche Miene zu machen.

„Was findest du bloß an ihr?“, fragte sie frustriert. Noch ehe Blake antworten konnte, hob sie abwehrend die Hand. Sie war absolut nicht in der Stimmung, Lobeshymnen auf eine Frau zu hören, die ihr schon immer unsympathisch gewesen war. „Abgesehen von ihren offensichtlichen Vorzügen, meine ich – nämlich dass sie nach vorn überkippen könnte, wenn sie sich zu schnell umdreht.“ Die besagte junge Dame hatte ein hübsches Gesicht, einen großen Busen – und einen völlig hohlen Kopf, ganz abgesehen davon, dass sie überhaupt kein Herz besaß.

Wendy ist schwanger, und ihre Hormone spielen zweifellos verrückt, dachte Blake und erwiderte daher, ohne auf ihre letzte Bemerkung näher einzugehen: „Du kennst Brittany nicht.“

Falsch, dachte Wendy. „Doch, Blake, ich kenne sie sehr wohl“, korrigierte sie ihn und fuhr entschlossen fort: „Sie ist nicht gut genug für dich, Blake.“

Er lachte. In ihrer Jugend war Wendy sehr besitzergreifend gewesen und eifersüchtig auf jeden Augenblick, den er mit jemand anderem als ihr verbrachte. Anscheinend steckte in ihr noch immer ein klein wenig von diesem jungen Mädchen, auch wenn sie heute eine verheiratete Frau war.

„Das würdest du über jede Frau sagen.“

Sie dachte an Katie, die so außerordentlich liebenswert war. Katies Familie lebte in Atlanta praktisch nebenan, und sie waren alle zusammen aufgewachsen. Katie war nett, hübsch und clever und kein bisschen egoistisch.

Brittany dagegen war überzeugt davon, dass sie der Mittelpunkt der ganzen Welt war und sich alles nur um sie drehte.

Gut, es war lange her, seit Brittany und Blake während seines Abschlussjahres am College ein Pärchen gewesen waren, doch den Gerüchten zufolge, die Wendy gehört hatte, hatte sie sich seitdem kein bisschen verändert.

„Nein, das würde ich nicht“, antwortete sie voller Überzeugung.

Doch Blake war sicher, dass er recht hatte. „Doch, das würdest du“, beharrte er. „Aber egal, mein Entschluss steht fest. Ich werde einen Feldzug starten …“

Sprachen sie noch über das gleiche Thema? „Einen Feldzug?“, fragte Wendy ihren Bruder verunsichert.

„Allerdings. Einen strategischen Feldzug.“ Genau das hatte er bisher versäumt. Er musste sein Ziel ansteuern, indem er seine beruflichen Stärken und Fähigkeiten einsetzte, wenn er Erfolg haben wollte. „Das hätte ich von Anfang an tun sollen, anstatt mich zurückzuziehen“, erklärte er Wendy. Je mehr er darüber sprach, umso überzeugter war er davon, die richtige Strategie gefunden zu haben. „Hätte ich mich um Brittany so konsequent bemüht, wie ich es üblicherweise bei einem neuen Kunden mache, hätte ich sie schon vor langer Zeit zurückerobert.“ Er machte eine Kopfbewegung zu Wendys Bauch hin. „Und dann hätte die kleine MaryAnne bei ihrer Geburt noch eine weitere in sie vernarrte Tante.“

Gott behüte, dachte Wendy und biss sich auf die Zunge, um ihre Gedanken nicht laut auszusprechen.

„Weißt du“, fuhr Blake fort, während sich die Gedanken in seinem Kopf zusammenfügten, „deine Idee, mein Büro vorübergehend in Scotts Haus aufzuschlagen, ist gar nicht so schlecht. Denn wenn ich dieses Projekt professionell angehen will …“

Am liebsten hätte Wendy ihrem Bruder erklärt, dass sie zu voreilig gewesen war und einen Fehler gemacht hatte. Dass sie ihn hier um sich herum brauchte, damit er ihr die Langeweile vertrieb.

Aber wenn er sich das nun wirklich in den Kopf gesetzt hatte, würde er nur dauernd über Brittany reden und wie toll er sie finde. Und dann würde sie ihrem geliebten Bruder vermutlich den Hals umdrehen müssen.

Dennoch musste sie eine Möglichkeit finden, wie sie diesen absurden „Feldzug“ vereiteln konnte. Sie glaubte zwar nicht wirklich daran, dass die herzlose Brittany letztendlich ihren Bruder heiraten würde, dazu kannte sie diese Frau zu gut. Brittany war viel zu sehr an die Annehmlichkeit gewöhnt, von einer ganzen Horde von Männern umworben zu werden, um das je für einen einzigen Mann aufzugeben.

Doch falls Blake versuchte, Brittany für sich zu gewinnen, würde ihm womöglich das Herz aus dem Leib gerissen und stückchenweise zurückgegeben – und zwar nicht auf einem Silbertablett. Diesen Schmerz und die Erniedrigung wollte Wendy ihrem Bruder unter allen Umständen ersparen.

Aber sie konnte im Augenblick so wenig tun.

Mit gerunzelter Stirn blickte sie auf das Bett, an das sie gefesselt war. Wenn sie nicht bei allem, was ihr heilig war, versprochen hätte, strikte Bettruhe einzuhalten, hätte man sie im San Antonio Krankenhaus behalten. Die Ärzte hatten sie nicht vor der Geburt ihres Babys entlassen wollen.

Also musste sie einen Verbündeten finden. Oder besser gesagt, sie brauchte die eine Frau an ihrer Seite, der es vielleicht gelingen konnte, ihren Bruder von seinem lächerlichen Plan abzubringen, um Brittany Everetts Hand anzuhalten.

„Wenn du dein Büro bei Scott einrichtest“, warf Wendy ein, „dann solltest du auch gleich Katie kommen lassen.“

Blake blickte sie verwundert an. „Katie?“, wiederholte er.

„Wallace“, ergänzte Wendy prompt, obwohl es eigentlich überflüssig war, denn Katie gehörte sozusagen zur Familie. „Du weißt schon, deine Marketing-Assistentin. Hübsch, vierundzwanzig Jahre alt, circa einen Meter achtundsechzig groß, schönes braunes Haar, große braune Augen …“

„Ich weiß, wer Katie ist“, brummte Blake und nickte dann. „Weißt du, das ist wirklich gar keine so schlechte Idee.“

Bingo!

„Natürlich nicht“, erwiderte Wendy und konnte es sich nicht verkneifen hinzuzufügen: „Es ist sogar eine ganz ausgezeichnete Idee. Sie kann dir bei der Arbeit helfen“, betonte sie und hoffte, die Aufmerksamkeit ihres Bruders wieder in normale Bahnen zu lenken. Blake war ein echter Workaholic und für FortuneSouth Enterprises ein Glückstreffer. Der ganze Brittany-Unfug war hoffentlich genau das – nämlich nur Unfug. „Katie ist ein wahres Organisationstalent“, erinnerte sie ihn.

Außerdem würde der Umgang mit Katie ihren Bruder vielleicht von seinem dummen Plan abbringen, Brittany wieder zu umwerben. Oder zumindest würde es ihm zu albern vorkommen, in Katies Gegenwart laut darüber zu reden.

Obwohl Wendy und Katie nie direkt darüber gesprochen hatten, glaubte Wendy, dass Katie insgeheim romantische Gefühle für Blake hegte. Vielleicht war sie sogar verliebt in ihn.

„Ich werde mich gleich darum kümmern“, sagte Blake fröhlich. Er stand auf und küsste Wendy auf die Wange. „Du bist die Beste“, erklärte er ihr überschwänglich.

„Natürlich bin ich das“, erwiderte sie, während er zur Tür hinausging.

„Katie, ich brauche dich.“

Katie Wallace fiel fast der Hörer aus der Hand, als sie Blake Fortune die Worte aussprechen hörte, nach denen sie sich schon so lange sehnte, dass es ihr wie ihr ganzes Leben vorkam. Worte, von denen sie fest geglaubt hatte, sie nie zu hören.

Katie, ich brauche dich. Er hatte es gesagt. Blake hatte es tatsächlich gesagt.

Zu ihr.

Blake rief aus Red Rock an, wo er sich anscheinend zu einer Art Familienurlaub aufhielt, der aus einer Notsituation entstanden war.

Seit der Tornado seine Spur der Verwüstung durch das idyllische Red Rock gezogen hatte, hatte sie geradezu andächtig jede Nachrichtensendung verfolgt und jeden Zeitungsartikel gelesen, der ihr in die Hände gefallen war.

Bei den ersten Meldungen über die Naturkatastrophe war ihr das Herz fast stehen geblieben, da sie ja wusste, dass Blake und Wendy sowie der Rest ihrer Familie sich genau dort befanden, wo der Tornado mit voller Wucht zugeschlagen hatte. Sie hatte sofort zu beten begonnen und versucht, weitere Informationen zu bekommen.

Am liebsten hätte sie den erstbesten Flug nach Red Rock genommen, doch alle Flüge dorthin waren gestrichen worden. Schlimmer noch, als die Nachrichten allmählich konkreter wurden, stellte sich heraus, dass es nicht einmal mehr einen Flughafen gab. Der Tornado hatte alles hinweggefegt.

Am ersten Tag war sie über vierundzwanzig Stunden lang aufgeblieben, um im Fernsehen und im Internet ja keine noch so kleine Nachricht zu verpassen; immer auf der Suche nach den Namen derer, die die Katastrophe nicht überlebt hatten – wobei sie verzweifelt darum betete, keinen Namen zu finden, den sie kannte.

Vor allem nicht den Namen des Mannes, den sie seit ihrer Kindheit von ganzem Herzen liebte.

Allerdings hatte Blake Fortune sie leider nie wahrgenommen. Zumindest nie so, wie sie es sich gewünscht hätte. Für ihn war sie immer nur die Freundin seiner Schwester, das lästige Mädchen von nebenan. Später, als sie ihr BWL-Studium mit dem Schwerpunkt Marketing abgeschlossen hatte, war er von ihren Leistungen immerhin so beeindruckt, dass er sie in seiner Firma einstellte. Doch er hatte nie bemerkt, wer sie wirklich war. Nämlich eine Frau, die fähig war, ihn so zu lieben, wie er es sich wünschte.

Als Kind hatte sie sich mit seinen Neckereien begnügt und war schon glücklich gewesen, wenn er nur in ihre Richtung gesehen hatte.

Doch als sie dann erwachsen wurde, wünschte sie sich natürlich mehr. Sie kam einfach nicht dagegen an. Er sollte in ihr etwas anderes sehen als Katie Wallace, das Mädchen von nebenan.

Vor allem aus diesem Grund hatte sie am College einen Abschluss in Marketing gemacht. Denn dies war der Schlüssel, ihm näherzukommen – wenn nicht persönlich, dann wenigstens beruflich. All die Zeit über hatte sie die Hoffnung genährt, dass sie nur hart genug arbeiten müsse, um sich Blake unentbehrlich zu machen. Eines Morgens beim Aufwachen würde er dann erkennen, dass er auch noch andere Gefühle für sie hegte als die eines Chefs …

Das war ihr Plan gewesen, und dennoch konnte sie jetzt nicht glauben, dass das kein Traum war. Hatte Blake wirklich gesagt, was sie zu hören geglaubt hatte?

Nach all der Zeit?

Das Herz schlug ihr bis zum Hals, während sie heiser ein „Wie bitte?“ herauspresste. Sie räusperte sich und fragte dann: „Könntest du das bitte wiederholen? Die Verbindung ist ziemlich schlecht, ich konnte dich eben nicht verstehen.“

„Ich sagte, ich brauche dich“, erklärte Blake mit lauterer Stimme. „Anscheinend werde ich wohl länger hierbleiben müssen, als ich dachte. Mindestens zwei Wochen noch, vielleicht auch drei. Wann kannst du bei mir sein?“

Katie gestattete sich genau dreißig Sekunden dafür, seine Worte auszukosten. Am liebsten hätte sie sich auf der Stelle an seine Seite gebeamt. Dorthin, wo sie so unbedingt sein wollte.

Bestimmt handelte es sich um etwas Geschäftliches. Blake brauchte sie wahrscheinlich nur, damit sie die Dinge für ihn zum Laufen brachte, doch sein Satz war für sie so etwas wie ein Schritt in die richtige Richtung. Eines Tages, so schwor sie sich, würde Blake erkennen, dass er sie wirklich brauchte – und zwar nicht nur als seine Assistentin.

„Ich könnte mit dem nächsten Flug kommen“, versprach sie. Und schon während sie sprach, begann sie im Internet nach den Airlines und Abflugzeiten zu suchen. „Ich rufe dich zurück, sobald ich gebucht habe.“

„Das ist mein Mädchen“, erwiderte er. „Ich wusste, dass ich mich auf dich verlassen kann.“

Das ist mein Mädchen.

Die vier Worte hallten in ihrem Kopf wider, während sie in ihre Wohnung eilte und einen neuen Weltrekord im Kofferpacken aufstellte.

Das ist mein Mädchen.

Es läuft definitiv in die richtige Richtung, dachte sie glücklich.

„Bist du sicher, dass es dich nicht stört, wenn ich mein Büro bei dir aufschlage?“, fragte Blake seinen älteren Bruder Scott nun schon zum zweiten Mal.

Scott hatte erst vor Kurzem beschlossen, von Atlanta nach Red Rock umzuziehen und gerade eine Ranch und das zugehörige Wohnhaus gekauft. Er und seine Herzallerliebste Christina waren dabei, die Räume neu zu möblieren, und einige standen noch leer. Blake beanspruchte einen davon vorübergehend als Büro – solange Scott nichts dagegen hatte.

„Ich meine, ich bin dir ohnehin schon im Weg, indem ich hier kampiere, bis Wendys Baby kräftig genug ist.“ Blake dachte einen Augenblick nach und fuhr dann fort: „Vielleicht wäre es ja besser, wenn ich ein paar Räume in der Stadt mieten würde …“

Scott wischte mit einer Handbewegung den Rest dessen weg, was sein Bruder sagen wollte.

„Nach dem Tornado wurde alles, was in Red Rock noch bewohnbar war, den Leuten zur Verfügung gestellt, die ihre Häuser und Wohnungen verloren hatten. Außerdem“, fügte Scott hinzu, „bringt es mir vielleicht Pluspunkte bei unserem alten Herrn ein, wenn ein Teil meines Hauses FortuneSouth Enterprises beherbergt. Obwohl ich es ehrlich gesagt nicht wirklich glaube.“

Wie jeder wusste, stellte ihr Vater sehr hohe Ansprüche. Und die Tatsache, dass Scott nach dem Tornado beschlossen hatte, sich in Red Rock ein eigenes Leben mit der Frau aufzubauen, die er für seine Seelenverwandte hielt, aber gerade mal einen Monat kannte, stärkte seine Position nicht gerade. Fortune Senior war eher der Meinung, Scott habe den Verstand verloren, als endlich die große Liebe gefunden.

„Und ich wäre dir wirklich nicht im Weg?“, fragte Blake.

An diesen neuen, viel entspannter wirkenden Scott muss ich mich wohl erst noch gewöhnen, dachte Blake. Bis vor eineinhalb Monaten war Scott der gleiche Workaholic wie ihr Vater und ihr ältester Bruder Michael gewesen. Doch Blake fand den Gesinnungswandel seines Bruders durchweg positiv.

„Nein, falls du nicht vorhast, als menschliches Hindernis vor der Haustür zu liegen“, erwiderte Scott. Ein Grinsen breitete sich auf seinem Gesicht aus, als er seinen fünf Jahre jüngeren Bruder musterte. „Es könnte sogar ganz interessant werden, dich eine Weile hier zu haben. Schließlich sehen wir uns in letzter Zeit ziemlich selten“, stellte er fest.

„Sagt der Workaholic“, bemerkte Blake amüsiert.

„Nicht mehr“, betonte Scott. „Nach dem Tornado habe ich meine Prioritäten neu gesetzt.“ Jeder tat das, der dem Tod direkt ins Auge gesehen hatte, dachte Scott. Er hatte seitdem das Gefühl, eine zweite Chance bekommen zu haben – und er hatte nicht die Absicht, zu „Business as usual“ zurückzukehren.

Anscheinend ist es ihm wirklich ernst, dachte Blake. Es handelte sich nicht nur um eine vorübergehende Phase. Scott war fest entschlossen, sich in Red Rock niederzulassen, weil es seiner zukünftigen Frau Christina so viel bedeutete, hier zu leben.

„Ja, ich weiß, was du mit ‚neue Prioritäten setzen‘ meinst“, erklärte Blake, woraufhin Scott fragend eine Augenbraue hob. „Ich habe schon zu Wendy gesagt, dass ich das Gefühl habe, mein Leben sei lang genug im Stand-by-Modus gelaufen, und dass die Zeit jetzt reif ist, das zu ändern.“

„Möchtest du darüber reden?“, fragte Scott, der sich über den ernsthaften Gesichtsausdruck seines Bruders wunderte.

„Ich will die Eine zurückgewinnen, die mir abhandengekommen ist“, erwiderte Blake schlicht.

Scott nickte lächelnd. Vielleicht war er damals in Atlanta ja wirklich ein Workaholic gewesen, doch trotzdem hatte er nicht permanent Scheuklappen getragen. Er hatte die Blicke sehr wohl bemerkt, die Katie Wallace seinem jüngeren Bruder zugeworfen hatte, wenn sie sich unbeobachtet glaubte. Und er hatte es immer ziemlich amüsant gefunden. Doch jetzt, da er selbst verliebt war, begriff er, was sie gefühlt haben musste – und noch immer fühlte. Doch irgendwie machte das alles keinen Sinn, fand er.

„Ich wusste gar nicht, dass sie dir ‚abhandengekommen‘ ist“, konstatierte er.

Blake ging davon aus, dass Scott entweder zu beschäftigt gewesen war, um es überhaupt zu bemerken, oder es vergessen hatte. „So ist es aber“, versicherte er.

Nun gut, vielleicht hatte er ein oder zwei Kapitel in Blakes Leben nicht mitbekommen, dachte Scott. „Dann willst du also …“

„Brittany Everett zurückgewinnen, genau.“

Eine Sekunde lang starrte Scott ihn nur sprachlos an. Dann murmelte er mehr zu sich selbst: „Oh.“

„Was meinst du mit ‚oh‘?“

Überflüssig, Katies Namen zu erwähnen, wenn Blake eine geistlose Primadonna wie Brittany Everett im Sinn hatte. Wie jeder andere in der Familie konnte er sich vage an diese Frau erinnern, die er nicht besonders sympathisch fand.

Scott zuckte nur lässig die Schultern. „Nichts, ich bin nur überrascht, was du plötzlich wieder an ihr findest. Hat sie dich nicht gleich nach der Abschlussfeier sitzen lassen?“

„Davon kann keine Rede sein“, behauptete Blake. „Wir haben uns einfach aus den Augen verloren.“

„Richtig, nachdem du sie in inniger Umarmung mit einem anderen Kerl überrascht hast, wenn ich mich recht erinnere.“

„Ich hätte um sie kämpfen sollen.“

Du hättest ihr schon lange vorher den Laufpass geben sollen, dachte Scott. Aber Blake war inzwischen erwachsen und in der Lage, seine eigenen Entscheidungen zu treffen. Er hatte das Gefühl, dass Blake sich umso mehr in seinen Plan verrennen würde, je mehr Vorbehalte er gegen Brittany vorbrachte – deren Vorzüge rein körperlicher Art waren, soweit er wusste. In dieser Beziehung tickten er und sein Bruder sehr ähnlich.

Daher ließ Scott das Thema fallen und hoffte, es würde sich von allein lösen. „Wenn du meinst. Hör zu, ich habe Christina versprochen, sie zum Lunch zu treffen und muss jetzt los. Viel Glück für dein Vorhaben.“ Und hoffentlich kommst du bald zur Vernunft.

Blake warf jetzt auch einen Blick auf seine Uhr. „Hey, ich sollte mich auch besser beeilen. Ich muss Katie am San Antonio International Airport abholen“, sagte er und ging mit seinem Bruder zur Diele. „Sie kommt, um mich strategisch dabei zu unterstützen, Brittany zurückzugewinnen.“

Scott musterte ihn völlig perplex. „Tatsächlich?“, fragte er. Das konnte doch nicht wahr sein. „Du hast Katie in der Tat gebeten, dich bei deinem Vorhaben zu unterstützen, Brittany zu Mrs Blake Fortune zu machen?“

„Na ja, nicht genau mit diesen Worten“, gab Blake zu und bemerkte, wie ein breites Lächeln über das Gesicht seines Bruders glitt. Was hatte er denn so Witziges gesagt? „Was ist?“

Autor

Marie Ferrarella
<p>Marie Ferrarella zählt zu produktivsten US-amerikanischen Schriftstellerinnen, ihren ersten Roman veröffentlichte sie im Jahr 1981. Bisher hat sie bereits 300 Liebesromane verfasst, viele davon wurden in sieben Sprachen übersetzt. Auch unter den Pseudonymen Marie Nicole, Marie Charles sowie Marie Michael erschienen Werke von Marie Ferrarella. Zu den zahlreichen Preisen, die...
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