Noch immer brennt das Feuer

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Feuerwehrmann Hudson Decker ist es leid, die Tränen seiner besten Freundin Joanne zu trocknen, weil sie ein anderer wieder mal unglücklich gemacht hat. Stattdessen will er sie selbst! Spürt sie nicht, wie heiß das Feuer ihrer Highschool-Liebe immer noch brennt.


  • Erscheinungstag 24.08.2023
  • ISBN / Artikelnummer 9783751527408
  • Seitenanzahl 160
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Ihr Bräutigam verspätete sich.

Joanne Brant warf einen Blick aus dem Brautzelt. Von hier aus würde ihr bester Freund, Hudson Decker, sie über einen mit Rosenblättern bedeckten Weg zum verglasten Pavillon führen, der mitten auf einer Wiese stand. Jedes Detail war atemberaubend: angefangen von ihrem Brautkleid von Valentino bis hin zum Streichquartett, das gerade die Instrumente stimmte.

Wo blieb Chuck? Er war sonst immer pünktlich. Hatte er sich verletzt? War er in einen Verkehrsunfall verwickelt? Hoffentlich hatte er eine gute Rechtfertigung für sein Zuspätkommen.

„Wie viel Uhr ist es?“, fragte sie Nora Higgins, eine ihrer Brautjungfern und leitende Schneiderin in ihrem Brautmodengeschäft. „Ich habe mein Handy nicht greifbar.“

„Dreizehn Uhr dreißig.“

„Was? Dann kommt Chuck schon eine halbe Stunde zu spät. Warum habe ich das nicht bemerkt?“ Das war nicht witzig. Wenn er dann mal auftauchte, würde sie … nun, sie würde ihn heiraten.

„Bestimmt gibt es einen guten Grund“, meinte Monique Brant, Joannes Cousine und eine weitere Brautjungfer.

„Vielleicht steckt er im Stau.“ Eve Wiggins, die in Joannes Boutique für die IT zuständig war, argumentierte wie immer logisch.

Hudson, der sie anstelle ihres verstorbenen Vaters zum Altar führen würde, kam ins Zelt. Er war 1,84 m groß, schlank und muskulös. Jedes Mal, wenn er das Zelt betrat, leckten sich ihre Brautjungfern die Lippen.

„Was ist los?“, fragte er verärgert.

Es war kein Geheimnis, dass er kein Fan von Chuck Ellis war. Joanne war im Moment auch nicht gut auf ihren Bräutigam zu sprechen. Wenn er jetzt nicht bald auftauchte, verbrachte sie die Flitterwochen auf den Bahamas vielleicht allein. Das würde ihm eine Lehre sein. „Ich brauche mein Handy. Wo ist es?“

Nora nickte. „Vielleicht hat er dir eine Textnachricht geschickt.“

Emily Parker-McAllister, die Hochzeitsplanerin, kam herein und setzte ein Lächeln auf. „Anscheinend ist der Bräutigam noch nicht zur Stelle. Dauert es noch viel länger?“

„Ich sehe nach“, sagt Joanne. Nach zu vielen weiteren Minuten fand sie ihr Handy, das auf Vibrieren eingestellt war, unter drei verschiedenen Kleidersäcken. Chuck hatte ihr sogar mehrere Textnachrichten geschickt.

Tut mir leid.

Ich kann das nicht.

Antwortest du mir?

Seine letzte Nachricht war am verheerendsten:

Ich komme nicht.

Sie ließ das Handy fallen und sank auf den nächsten Stuhl. Das konnte nicht wahr sein. So etwas passierte ihr nicht. Alles war minutiös geplant und perfekt. Sie war Besitzerin einer Brautmodenboutique und sollte sich mit Hochzeiten auskennen.

Es ergab keinen Sinn. Im vergangenen Jahr war Chuck für sie der Inbegriff von Sicherheit gewesen. Sie passten in vieler Hinsicht gut zueinander. Er hatte behauptet, Kinder mit ihr haben zu wollen, und sparte bereits für deren zukünftige Ausbildung. Er war verlässlich, beständig und hatte nicht einmal einen Blick auf eine andere Frau geworfen.

„Ist er verletzt? Hatte er einen Unfall?“, fragte Nora.

„Was ist los?“, schaltete sich Hudson ein.

Zu viele Fragen. Sie konnte nicht sprechen. Ihre Brautjungfern, die wussten, dass etwas fürchterlich schieflief, starrten sie mit weit aufgerissenen Augen an. Sie war während ihres bislang zweiunddreißig Jahre dauernden Lebens nicht der beste Mensch gewesen. Aber das hatte selbst sie nicht verdient. Niemand verdiente es, derart bloßgestellt und gedemütigt zu werden.

Hudson ging vor ihr in die Hocke und sah sie besorgt an. „Joanne, sag es mir.“

„Er ist nicht verletzt, aber … er kommt nicht.“ Monique und Nora schnappten hörbar nach Luft.

„Ich bin gleich zurück.“ Emily verließ das Zelt.

„Was heißt, er kommt nicht?“, fragte Hudson. Als sie nicht antwortete, hob er ihr Handy auf, las die Textnachrichten und fluchte laut.

Joanne fragte sich, warum ihr nicht die Tränen kamen. Warum sie nicht am Boden zerstört war. Sie war nur gekränkt und ein bisschen benommen. Wahrscheinlich der Schock. Sie hatte in den letzten zwei Wochen ebenfalls Zweifel gehabt. Wenn der Hochzeitstag näher rückte, wurde doch jeder nervös und fragte sich, ob er vielleicht einen Fehler machte. All das war normal.

Sie hatte sich gesagt, dass die gegenseitige Anziehung und ihre Gefühle füreinander mit der Zeit schon noch stärker werden würden. Wichtig war, dass ihr Verlobter einen felsenfesten Plan für ihre gemeinsame Zukunft hatte und hinter ihr stand. Ha! Was für ein Witz.

„Wo ist er?“, fragte Hudson drohend. „Ich schaffe ihn her.“

Sie wusste, dass er Chuck für sie finden, fesseln und vor den Altar schleifen würde.

„Das geht nicht. Er … will … nicht heiraten.“ Sie brachte die Worte kaum über die Lippen.

„Dann hätte er nicht um deine Hand anhalten sollen.“

Hudson wusste nicht, dass sie Chuck die Heirat vorgeschlagen hatte. Sie wollte einen Lebenspartner und nicht länger allein sein. Ihr sechzehnjähriger Sohn Hunter war jetzt fast erwachsen. Endlich konnte sie ein eigenes Leben anfangen.

Sie hatte so viele Opfer gebracht und so lange gewartet. Sie hatte ihr Modedesignstudium absolviert, mit dem Erbe ihres verstorbenen Vaters ein erfolgreiches Brautmodengeschäft eröffnet und so viele Überstunden gemacht, während sie gleichzeitig ein Kind großgezogen hatte.

Chuck hatte eine Heirat für eine gute Idee gehalten. Da es ihr Vorschlag gewesen war, hatte er ihr eines Morgens beim Frühstück den Ring gegeben, ohne ihr jemals einen Heiratsantrag zu machen. Es hatte sich beinahe um eine geschäftliche Vereinbarung gehandelt – aus der er sich jetzt in letzter Minute zurückgezogen hatte.

Vor dem Brautzelt redeten die Leute verwirrt und verärgert durcheinander. Sie hörte die Stimme ihres Sohnes. Oder war es die Stimme seines Vaters? Ihre Mutter, die Chuck gemocht hatte, würde todunglücklich sein, wenn sie die Neuigkeit erfuhr.

Emily kam zurück ins Zelt. „Wir haben allen gesagt, dass die Hochzeit aufgrund eines kleinen Notfalls nicht stattfinden kann. Die Leute brechen schon auf. Ihre Familie will wahrscheinlich mit Ihnen reden.“

„Ich gehe zu deiner Mutter, erkläre es ihr und beruhige sie.“ Monique rieb Joannes Schulter.

„Bitte.“ Joanne wandte sich an Emily. „Das tut mir so leid. Danke für alles.“

„Wir reden bald wieder.“ Die Hochzeitsplanerin entschuldigte sich und ging.

Es gab eine Menge zu klären. Zum Beispiel, was mit dem Essen für den Empfang passieren sollte. Mit dem DJ und dem Pfarrer oder der Anzahlung, die sie nie zurückerhalten würde.

Hudson, der auf und ab gegangen war, blieb vor Joanne stehen. „Was soll ich tun? Ich mache alles, was du willst.“

„Bring mich einfach nach Hause. Ich kann im Moment mit niemandem reden.“

Er fuhr sie nach Hause. Sie zog das Hochzeitskleid aus, sank nur mit Unterwäsche bekleidet auf ihr Bett und verschränkte die Hände hinter dem Kopf. Sie musste allein sein, um in Ruhe nachzudenken. Obwohl sie Hudson gebeten hatte zu gehen, hatte er sich geweigert.

Sie konnte hören, wie er unten in der Küche hantierte, telefonierte und jemandem die Haustür öffnete, während sie an die Decke starrte und sich fragte, warum sie es jemals für eine gute Idee gehalten hatte, Chuck zu heiraten. Hatte sie wirklich unbedingt heiraten müssen? Um noch ein Kind zu bekommen? Um einen Partner zu haben – im Bett und in ihrem Leben?

Joanne seufzte, als sie Stimmen hörte. Emily brachte offensichtlich all das Essen vom Empfang her. Na super, aber so würde es nicht komplett in der Mülltonne landen. Würde sie bei ihren Freunden und ihrer Familie all das Fleisch, Kartoffelgratin und Gemüse loswerden können?

Als irgendwann später draußen die Dämmerung einsetzte, zog sie Shorts und ein T-Shirt an und nahm einen Notizblock zur Hand.

Hudson öffnete erneut die Schlafzimmertür. „Joanne.“

Sie antwortete nicht und drehte sich nicht zu ihm um. Er sollte sie doch allein lassen. Allmählich verärgerte er sie. Sie musste über ihr Leben nachdenken.

„Joanne“, wiederholte er im Befehlston.

„Geh weg.“

Er kniete neben ihrem Bett und drückte ihr das Handy in die Hand. „Du musst auf Hunters Textnachrichten antworten. Er ist bei Matt und total verängstigt. Sie müssen beide wissen, was passiert ist.“

Hunter fragte sich bestimmt, was eigentlich los war. Ihr Sohn sollte jetzt einen Monat bei seinem Vater Matt und seiner neuen Frau Sarah verbringen, damit sie und Chuck sich nach den Flitterwochen ungestört auf das Leben als Ehepaar einstellen konnten.

„Und deine Mutter“, fuhr er fort. „Wenn du sie nicht anrufst oder ihr eine Nachricht schickst, kommt sie sofort her.“

Nein. Sie wollte einfach nur allein sein. Was Hudson jedoch nicht zur Kenntnis nahm. Er stand in der Tür, wartete und musterte sie besorgt. Was sollte sie ihrem Sohn sagen? Sie schämte sich zu sehr, um mit der Wahrheit herauszurücken.

Tut mir leid. Chuck war ein Versager. Aber ich habe mich von ihm zum Narren halten lassen. Er hat mir einfach erzählt, was ich hören wollte – und ich wollte es unbedingt glauben.

Hunter brauchte nicht alle Einzelheiten zu erfahren. Er war praktisch noch ein Kind und träumte davon, später zur Marine zu gehen. Vielleicht sollte sie ihm eine Nachricht schicken. Das war eh seine bevorzugte Art zu kommunizieren. Außerdem musste sie dann nicht fröhlich klingen, sondern sich nur optimistisch und beschwingt ausdrücken.

Hallo Schatz. Chuck konnte nicht zur Hochzeit kommen, weil ihm etwas passiert ist. Also haben wir die Hochzeit abgesagt. Keine Sorge. Alles wird gut.

Was? Ist er tot?

Nein! Alles ist in Ordnung. Wir reden bald. Viel Spaß mit deinem Dad.

Heiratest du ihn dann später?

Wie sollte sie diese Frage beantworten? Früher oder später würde er die Wahrheit erfahren. Die Neuigkeit würde sich in Fortune in Windeseile herumsprechen.

Ich weiß es nicht. Vielleicht nicht. Ich muss nachdenken.

Fliegst du auf die Bahamas?

Was sollte sie zwei Wochen lang allein auf den Bahamas mit sich anfangen? Die Flitterwochensuite war luxuriös. Allerdings versteckte sie sich lieber zu Hause, wo ihr bequemes Bett stand. Andererseits würden die Leute sie für eine Weile in Ruhe lassen, wenn sie sagte, dass sie auf die Bahamas fliegen würde.

Das sollte ich vielleicht machen.

Ja, das solltest du. Ich sage: Cool, mach das!

Sie drehte sich Hudson zu. „Erledigt. Zufrieden?“

„Deine Mutter. Jetzt.“

„Wirklich?“

„Monique hat ihr alles erzählt. Aber sie will es von dir hören.“ Er sah auf seine Armbanduhr. „Dir bleiben dafür zehn Minuten Zeit, sonst steht sie vor der Tür. Mit Hühnersuppe. Und in deiner Küche steht genug Essen, um ein Restaurant zu eröffnen.“

„Ich muss nachdenken und herausfinden, was ich als Nächstes tue. Ich bin die Besitzerin einer Brautmodenboutique, die gerade sitzen gelassen worden ist! Sehe ich aus wie jemand, der derzeit in der Lage ist, jemanden anzurufen?“

„Ja.“

„Verdammt.“ Er würde keine Ruhe geben. Sie wählte die Nummer ihrer Mutter und wappnete sich.

„Joanne! Oh, mein Liebling, das tut mir ja so, so leid“, sagte ihre Mutter unter Tränen. „Gerade du verdienst so etwas nicht.“

„Mir geht es gut.“

„Natürlich geht es dir nicht gut. Lass deinen Schmerz zu, Schatz. So kommst du besser darüber hinweg. Ich welchem Stadium bist du?“

Sie rümpfte die Nase. „Stadium?“

„Es gibt sieben Stadien der Trauer, und du solltest im Moment im ersten Stadium sein. Ich weiß, dass du immer sehr zielstrebig und ehrgeizig bist. Aber lass dir genug Zeit dazu.“

Joanne fragte sich, ob das erste Stadium Wut war, die sie jetzt in sich aufsteigen fühlte. Chuck war ein feiger Mistkerl. Wenn er seine Meinung geändert hatte, hätte er ihr die Wahrheit schon vor dem Tag der Hochzeit ins Gesicht zu sagen können.

Aber ihre Mutter reduzierte immer alles auf ein Selbsthilfebuch, das Joanne lesen sollte, oder riet ihr zum Meditieren. Sie wusste, dass ihre Mutter ihr nur helfen wollte. Doch das Leben war nicht so einfach.

„Ich bringe dir gleich ein bisschen Hühnersuppe. Nichts hilft besser bei Liebeskummer. Erinnerst du dich, dass ich dir diese Suppe gekocht habe, nachdem Hudson sich von dir getrennt hat? Nachdem Dad gestorben ist? Das macht meine besondere Zutat: Liebe.“

„Das hört sich … wundervoll an. Aber ich bin im Begriff, auf die Bahamas zu fliegen.“ Es war eine glatte Lüge. Aber sie schadete nicht, wenn ihre Mutter sie dafür eine Zeit lang in Ruhe ließ.

„Allein? Nein, Schatz! Dann wirst du schwermütig.“

„Äh, nein. Nicht allein. Ich nehme … Hudson mit.“ Ihr bester Freund, der immer noch in der Tür stand, hob eine Augenbraue und schloss dann die Tür von außen.

„Du und Hudson? Eine wundervolle Idee. Niemand kann dich so aufmuntern wie er. Neben meiner Hühnersuppe ist er die absolut beste Medizin. Außerdem wird dich jede Frau beneiden, die glaubt, dass ihr tatsächlich zusammen seid.“

Ha! Sie und Hudson? Ein Paar? Nein, das lag viele Jahre zurück. Sie hatten einfach das Glück gehabt, das Desaster hinter sich zu lassen und ihre Freundschaft zu retten, die sie niemals aufs Spiel setzen würde.

Hudson überlegte, ob er Chuck Ellis umbringen und seine Leiche verscharren sollte. Aber eine Mordanklage machte sich im Lebenslauf des Leiters der Feuerwache 57 nicht gut.

Nein, Chuck war es nicht wert. Der Mann verdiente Joanne nicht, was er sogar selbst bemerkt hatte. Leider hätte sein Timing nicht schlechter sein können. Er hatte Joanne vor ihrer Familie und ihren Freunden total blamiert. Aber vielleicht wurde ihr irgendwann klar, dass es so am besten war, und dann lachten sie gemeinsam über den Feigling Chuck.

Ich wäre zur Trauung erschienen. Sie hätte meine Braut sein sollen. Nein, er verdiente Joanne auch nicht. Nicht nach dem Schaden, den er angerichtet hatte. Er hatte das Glück gehabt, eng mit ihr befreundet zu bleiben, und im Lauf der Jahre zu akzeptieren gelernt, sich damit begnügen zu müssen.

Inzwischen hatte er die Jacke des Smokings sowie den Kummerbund abgelegt und die Ärmel seines Hemdes hochgekrempelt. Emily und ihre Entourage hatten ihm geholfen, einen Teil des Essens im Kühlschrank zu verstauen. Der Rest der Platten stand auf dem Küchen- und dem Esstisch, den Küchenschränken und sogar im Wohnzimmer. Emily hatte vorgeschlagen, den Großteil des Essens an Verwandte und Freunde zu verteilen.

Er musste nach Hause gehen, um sich umzuziehen, und Rachel von der Dogsitterin holen. Die Pudel-Cocker-Spaniel-Mischung hatte er adoptiert. Aber er wollte warten, bis Nora und Eve da waren, damit Joanne nicht allein blieb.

In der Zwischenzeit packte er das Essen in Alufolie und Kunststoffbehälter. Drei Platten würde er in die Feuerwache mitnehmen. Jeweils eine Platte reservierte er für das Polizeirevier, für Wildfire Ridge Outdoor Adventures, für Pimp Your Pet und für Magnum Aviation. Dann rief er Freunde an und fragte sie, ob sie sich Essen abholen wollten.

Joanne hatte auf ihrem Bett gesessen und wahrscheinlich eine ihrer Listen geschrieben, als er das letzte Mal nach ihr gesehen hatte. Sie liebte ihre Listen und ihre Ordnung.

Er war erleichtert gewesen, dass die Hochzeit nicht stattfand, weshalb er ein schlechtes Gewissen hatte. Er sollte Joanne ein besserer Freund sein. Auch wenn er nie ein Fan von Chuck gewesen war wie Joannes Mutter und die meisten ihrer Freundinnen. Denn Chuck hatte sich als Mann präsentiert, der bereit für eine Ehe und eine Familie war, was vor allem Joanne sehr gefallen hatte.

Nach einer Stunde trafen die ersten Freunde ein und luden das Essen in ihre Autos. Dann holte sein guter Freund und Kollege Ty Brody die Platten für die Feuerwache ab.

„Tut mir leid, was passiert ist“, sagte Ty. „Was für ein Idiot. Wie geht es Joanne?“

„Ich weiß es nicht. Sie macht eine Liste.“

„Wenn der Typ dem Druck eines Hochzeitstages nicht standhält, läuft er beim kleinsten Problem davon. Sie ist ohne ihn besser dran. Das könnte jetzt dein Moment sein.“

„Wofür?“

„Wieder mit Joanne zusammenzukommen.“

„Das ist doch Schnee von gestern.“

Ty grinste. „Wie wäre es dann mit einem Neustart?“

„Wahrscheinlich hasst sie jetzt eine Weile alle Männer.“

„Mist, da hast du wohl recht.“

Es war nicht so, dass sich Hudson nie eine Neuauflage der Beziehung ausgemalt hätte. Er konnte die Fehler, die er begangen hatte, nicht einmal seiner Jugend anlasten. Denn selbst damals hatte er es irgendwie gewusst und dennoch total vermasselt – mit der Arroganz und Selbstgefälligkeit eines Jugendlichen, der gerade die sexuellen Freuden entdeckt hatte.

Er hatte vorgeschlagen, dass sie beide auch andere Dates haben könnten, was für ihn logisch war. Denn wer begegnete der Liebe seines Lebens schon mit sechzehn Jahren? Als er dann versuchte, Joanne zurückzubekommen, war es zu spät gewesen. Ihr und sein Leben hatten sich für immer verändert.

Er gab Ty seine Hausschlüssel. „Könntest du bitte Rachel holen und bei mir zu Hause ihr Futter und andere Kleider für mich? Ich bleibe hier, bis ihre Freundinnen da sind.“

„Kann ihre Mom nicht herkommen?“

„Joanne hat ihr gesagt, dass sie mit mir in die Flitterwochen fliegt.“

„Mann! Das hättest du wohl gern.“

„Sie will noch ein bisschen allein sein, bevor alle anfangen, sie zu bemitleiden. Das verstehe ich.“

Ty nickte. „Sie weiß, dass sie dir nicht leidtut.“

Nein, er empfand nur Mitgefühl für sie. Aber er war immer hart im Nehmen gewesen. Zu bedauern, was nicht mehr zu ändern war, war sinnlos. Sie würde über diesen Schuft hinwegkommen. Je früher, desto besser. Dafür würde er sorgen.

Vielleicht gelangte sie ja von selbst zu der Erkenntnis, dass es von Anfang an ein großer Fehler gewesen war, Chuck heiraten zu wollen. Hudson glaubte nicht daran, dass eine Ehe nur auf praktischen Erwägungen und einem Kompatibilitätstest basieren konnte, den Joanne und Chuck absolviert und bestanden hatten.

Für eine glückliche Ehe waren auch Leidenschaft und eine tiefere Verbindung nötig. Einmal hatte er ihr vorgeworfen, dass sie nicht in Chuck verliebt war. Sie hatte protestiert. So vehement, als wenn sie sich selbst vom Gegenteil zu überzeugen versuchte.

Nachdem Ty gegangen war, erhitzte er Suppe aus der Dose für Joanne. Sie musste etwas essen, und das Essen, das für den Empfang gedacht war, würde sie nicht anrühren. Zusammen mit einem Glas ihres Lieblingstees brachte er die Suppe nach oben. Sie war immer noch mit ihrer Liste beschäftigt und sah hoch.

„Was ist jetzt schon wieder?“

„Es ist Zeit, etwas zu essen.“ Er stellte die Suppenschale auf den Nachttisch.

„Okay. Du bist so ein Quälgeist.“

„Das weißt du doch. Warum bist du überrascht?“

„Warum gehst du nicht einfach nach Hause und lässt mich in Ruhe?“

„Weil du etwas essen musst.“ Er setzte sich neben sie aufs Bett und zwang sie, ihm Platz zu machen. Als sie es tat, rutschte der Träger des Tanktops über ihre Schulter. Sofort ging die Fantasie mit ihm durch. Er reichte ihr die Suppenschale. „Falls nötig, werde ich dich zwangsernähren.“

„Träum weiter, Kumpel!“ Sie nahm die Suppenschale. „Ist meine Mutter wirklich hergekommen?“

„Nein, die Suppe ist aus der Dose, die im Küchenschrank stand.“

Sie aß einen Löffel Suppe. „Warum hat er mir das angetan?“

„Weil er ein Dummkopf ist.“

„Ich meine, warum hat er es mir nicht einfach vor dem Hochzeitstag gesagt? Damit hätte er mir so viel erspart. Ich habe schon Schlimmeres durchgemacht. Aber du weißt, dass ich es nicht ausstehen kann, wenn die Leute mich bemitleiden.“

Hudson zuckte zusammen, weil er an dem „Schlimmeren“, das sie durchgemacht hatte, einigermaßen beteiligt gewesen war. „Ich bemitleide dich nicht.“ Joanne glaubte fälschlicherweise, sie wäre mitleiderregend, wenn die Leute Mitgefühl zeigten. Ein Trugschluss. Seiner Meinung nach verdiente sie dieses Mitgefühl und sollte es akzeptieren.

„Du natürlich nicht.“ Sie aß noch zwei Löffel Suppe, starrte in die Ferne und ließ den Löffel fallen. „Was mache ich jetzt? Wie lasse ich das hinter mir und rette meine Boutique?“

Sein Herz zog sich zusammen. „Was sagt die Liste?“

Sie deutete mit dem Kopf auf die Liste. „Lies sie.“

Er nahm die Liste, um sie zu lesen.

  1. Herausfinden, ob ich das Hochzeitskleid zurückgeben oder irgendwie verkaufen kann.

  2. Überprüfen, wie viel Geld ich immer noch für das Essen schuldig bin.

  3. Eine Liste von allen Ausgaben und Forderungen aufstellen, die er mir zurückerstatten wird.

  4. Sofort an die Arbeit zurückkehren, damit jeder sieht, dass es keine Auswirkungen auf mein Geschäft hat.

  5. Mom anrufen.

Obwohl die Liste noch weitere Punkte aufwies, legte er sie weg. „Den Punkt ‚Hudson bitten, mir zu helfen, Chuck um die Ecke zu bringen‘, sehe ich nicht. Ich mache es. Das weißt du.“ Er versuchte es mit einem Lächeln.

Autor

Heatherly Bell
Heatherly Bell wurde in Tuscaloosa, Alabama, geboren, verlor ihren Akzent aber schon im Alter von zwei Jahren. Ihre Großmutter Mima hat ihn sich bewahrt, ebenso wie die traditionelle Lebensart und den Spirit der Frauen aus dem Süden der USA. Heatherly ging mit ihrer Familie erst nach Puerto Rico und Maryland,...
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