Nur diese eine Nacht des Glücks?

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Die Nacht mit John vor drei Monaten war zauberhaft - sinnlich, romantisch, lustvoll. Doch dass Darby schwanger wird, war überhaupt nicht geplant. Und obwohl ein uneheliches Baby gar nicht in ihre Familie passt - ihr Bruder reagiert entsetzt, ihre Zwillinge haben den Tod ihres Daddys vor einem Jahr noch nicht überwunden - lehnt Darby Johns Heiratsantrag rundweg ab. Sicher, sie hat ihn sehr gern und ist überzeugt, dass die große Liebe daraus werden kann, aber sie will dieser Beziehung genug Zeit geben! Und außerdem vermutet sie, dass John sie aus Pflichtgefühl heiraten will. Statt übereilt vor den Altar zu treten, will Darby mit ihm viel lieber noch mehr Nächte wie jene verbringen - voller Zärtlichkeit, ganz frei und unbeschwert ...


  • Erscheinungstag 30.12.2017
  • ISBN / Artikelnummer 9783733754761
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Soll das alles sein? fragte sich Sheriff John Sparks, während er die Tür zum Zellentrakt schloss. Eine gute Frage.

Es gab Augenblicke, in denen er seine Hingabe als Sheriff von Old Orchard in Frage stellte. Vor allem in letzter Zeit, sieben Monate vor Ablauf seiner Amtsperiode und mit den Neuwahlen vor der Tür. Zweifel kamen ihm, wenn um drei Uhr morgens das Telefon klingelte und er wegen eines Ehekrachs aus dem Bett geholt wurde – ein Krach, der sich daran entzündete, weil einer der Eheleute zu laut schnarchte. Warum war er in letzter Zeit nur ständig am Grübeln? Normalerweise nahm er die Dinge, wie sie kamen, und war ziemlich glücklich – bis vor kurzem zumindest.

Nun, wenigstens brauchte er mit niemandem darüber zu streiten, ob er schnarchte oder nicht. Denn da gab es niemanden, mit dem er hätte streiten können. Er war Single und beabsichtigte, es dabei zu belassen. Als Jüngstes von acht Kindern hatte er am eigenen Leib erfahren, dass Großfamilien keineswegs so erstrebenswert waren, wie oft behauptet wurde. Vor allem, wenn man vom Vater als lästiger Unfall angesehen wurde und die älteren Geschwister all die Aufmerksamkeit bekamen, die man selbst sich wünschte. Nein, John beabsichtigte nicht, in die Fußstapfen seiner vier verheirateten Brüder und drei Schwestern zu treten, deren Hauptziel es war, fruchtbar zu sein und sich zu mehren. Die Vorstellung von einer Miniaturausgabe seines Selbst fand er geradezu beängstigend.

Es war vor allem das Bedürfnis nach Ruhe, das ihn zu einem eingefleischten Junggesellen machte. Es gefiel ihm, den Wasserhahn im Badezimmer tropfen zu hören und sich im Bett umdrehen zu können, ohne jemandes Ellbogen auf die Nase zu bekommen.

John ging zurück zum Vorderzimmer des einstöckigen Gebäudes, das beinahe ein Jahrhundert alt und als eines der wenigen Häusern bei dem Großbrand vor knapp sechs Monaten verschont geblieben war.

„Bist du sicher, dass es die Burschen waren?“, fragte George Johnson, der diensthabende Wachtmeister, als John ihm die Papiere übergab.

„Natürlich ist er sicher“, entgegnete Deputy Cole Parker. „Sonst hätte er sie nicht eingelocht.“

John musterte die beiden Männer. Sie hätten in beruflicher Hinsicht nicht unterschiedlicher sein können. George Johnson war seit über fünfundzwanzig Jahren als Vollzugsbeamter tätig, von denen einige gut und die meisten schlecht gewesen waren, wenn man seinen Worten glaubte. Er war an die behäbige Art des früheren Sheriffs gewöhnt, der vor drei Jahren in den Ruhestand getreten war, um sich in Montana die Zeit mit Angeln und Jagen zu vertreiben.

Cole Parker hingegen, Cousin der äußerst verführerischen Darby Parker Conrad, war erst seit drei Jahren dabei und fungierte als Johns rechte Hand. Er trat seinen Dienst stets früher als nötig an und war auf mehr Verantwortung, mehr Aufregung erpicht.

„Fingerabdrücke sind ziemlich schwer zu fälschen, George“, bestätigte John, während er sich eine Tasse Kaffee einschenkte. Das Gebräu schmeckte genauso mies, wie es aussah. Aber nach einer langen Nacht, in der er zwei flüchtige Sträflinge eingefangen hatte, war ihm jedes Getränk recht, das auch nur annähernd an Kaffee erinnerte.

„Die beiden haben also tatsächlich auf der alten Jenkins-Farm kampiert, wie?“ George schüttelte seinen zerzausten ergrauten Schopf. „Die alte Violet ist schon vor sechs Monaten abgekratzt, und es ist immer noch nichts mit ihrem Haus passiert.“

John nickte. Es stand noch immer leer, weil es keine Erben gab. Und Farmen wie diese standen nicht gerade hoch im Kurs, besonders nicht in der Umgebung einer Kleinstadt wie Old Orchard.

„Meinst du, dass es stimmt, was erzählt wird?“, fragte George. „Dass sie all das Geld von der Lebensversicherung ihres Mannes irgendwo im Haus versteckt hat?“

John seufzte. Derartiges Gerede hatte die Polizei lange nach Violets Tod auf Trab gehalten. Die Zeitung hatte einen Artikel mit der Überschrift „Verborgene Schätze“, gedruckt, und schon am nächsten Tag hatte jeder Teenager im Umkreis von fünfzig Meilen Violets Schubladen durchwühlt.

„Es gibt keinen Beweis dafür, dass je eine Versicherungspolice abgeschlossen wurde. Wer immer den Artikel geschrieben hat, hätte gefeuert werden sollen.“

Cole verschränkte die Arme vor der Brust und blickte John vorwurfsvoll an. „Du hättest mich anrufen sollen, als du herausgefunden hast, dass die beiden sich da draußen verstecken. Ohne Verstärkung hinzugehen, war nicht gerade clever.“

„Sie haben beide geschlafen. Es war überhaupt nicht riskant.“ John grinste. Er wusste, dass nicht sein Wohlergehen der Grund für Coles Vorwurf war, sondern das Gefühl, übergangen worden zu sein. Es passierte nicht viel in Old Orchard, und die Festnahme der beiden Verbrecher würde es vermutlich monatelang auf die Titelseite der einzigen Lokalzeitung bringen.

Cole nahm den Steckbrief der beiden Flüchtigen von der Wand. „Nun, jetzt wird Bully Wentworth es sich zweimal überlegen, ob er gegen dich kandidieren soll.“

Wenn irgendetwas den Wind aus Johns Segeln nehmen konnte, dann war es die Erwähnung von Blakely „Bully“ Wentworth. Sie waren sich in vielerlei Hinsicht sehr ähnlich, hatten dieselben Schulen besucht, verkehrten im selben Freundeskreis und waren doch völlig unterschiedlich.

„Wentworth ist nicht am Amt des Sheriffs interessiert“, sagte George. „Er will es nur als Sprungbrett nutzen.“ Leise fluchte er über Opportunisten und geborene Politiker. „Die Festnahme wird ihn zumindest eine Weile aus der Zeitung verdrängen.“

Die Festnahme reichte vielleicht sogar, um das Gerede über seinen verstorbenen besten Freund Erick Conrad zum Verstummen zu bringen. Es war beinahe unfassbar für John, dass Ericks Tod schon beinahe ein Jahr zurücklag. Die Zeitung berichtete bereits seit zehn Tagen über den bevorstehenden ersten Todestag. Der letzte Artikel hatte sich ausführlich damit befasst, dass Erick eigentlich beabsichtigt hatte, Old Orchard zu verlassen – bis er die Zuneigung einer Einheimischen, Darby Parker, „gewonnen“ hatte.

John fand die Ausdrucksweise „gewonnen“ recht merkwürdig. Früher einmal hatte sich John zu Darby hingezogen gefühlt, aber das wusste niemand außer ihm selbst. Sobald er erfahren hatte, dass sein bester Freund ein Auge auf sie geworfen hatte, war sie für ihn tabu gewesen. Dann war aus ihr Darby Conrad geworden, und sie und Erick hatten Zwillinge bekommen, die inzwischen sechs Jahre alt waren.

Erick hatte letztendlich Old Orchard doch verlassen. Vor fast einem Jahr war er bei einem Feuerwehreinsatz ums Leben gekommen.

Johns Kehle war plötzlich wie zugeschnürt, und er verschluckte sich beinahe an dem heißen Gebräu.

Okay, es war nicht schwer nachzuvollziehen, warum er sich zu Darby hingezogen gefühlt hatte. Sie war eine wahre Augenweide mit ihren üppigen braunen Locken, dem strahlenden Lächeln und kurvenreichen Körper. Aber er war so daran gewöhnt, sie als Ericks Ehefrau anzusehen, dass er nie in Betracht gezogen hatte, sie könnte einmal frei sein. Angesichts dessen, was vor drei Monaten zwischen ihnen vorgefallen war, hätte er es allerdings lieber tun sollen.

„Meldest du dem FBI, dass wir die Entflohenen geschnappt haben, oder soll es einer von uns tun?“ George riss ihn aus seinen Gedanken.

„Ich kümmere mich darum“, sagten John und Cole gleichzeitig.

John seufzte. „Okay, übernimm du es.“

„Sofort“, sagte Cole grinsend und ging in eines der Hinterzimmer.

„Mir ist es egal, solange ich es nicht tun muss“, meinte George. Er blickte zur Uhr und seufzte. „Meine Ablösung ist wieder mal spät dran.“ Er blickte auf, als die frühe Morgensonne, von einer glänzenden Fläche reflektiert, zum Fenster hereinfiel. „Vielleicht ist er das.“

John goss seinen halbvollen Kaffeebecher aus und beobachtete, wie ein alter Truck am Straßenrand anhielt. Er wusste sofort, dass es nicht Ed Hanover war. Weniger weil er es sah, sondern wegen seiner körperlichen Reaktion auf die Frau, die gerade ausstieg. Er fühlte sich, als hätte er Schmetterlinge im Bauch.

Und so reagierte er in letzter Zeit ständig, wenn er Darby Parker Conrad erblickte.

George seufzte enttäuscht. „Es ist nicht Ed.“ Blinzelnd spähte er zum Fenster hinaus. Als er erkannte, wer sich der Tür näherte, zog er die buschigen Brauen hoch. „Ich werd verrückt. Es ist die Witwe Conrad.“

John verzog das Gesicht. Dieser Ausdruck passte auf eine ältliche dickleibige Frau, die den Großteil ihres Lebens mit ihrem Gatten verbracht hatte, aber nicht aber auf eine so überwältigende Erscheinung wie Darby, die noch ihr ganzes Leben vor sich hatte. Sie war weder ältlich noch dickleibig, aber eine Witwe. Genauer gesagt, die Witwe seines besten Freundes. Und selbst wenn er dieses kleine Detail bei ihrem Anblick gern vergaß, die Stadt erinnerte sich nur zu gut.

„Was sie wohl hier will?“ sinnierte George.

John brachte kein Wort heraus. Aber er war überzeugt, dass es ihm recht gut gelang, seine Reaktion geheim zu halten. Er hatte Darby seit mindestens einer Woche nicht gesehen, und sein Körper ließ ihn unmissverständlich wissen, dass es viel zu lange war. Während er ihr anfänglich nach Ericks Tod mit Rat und Tat zur Seite gestanden hatte, hielt er es nach dem spontanen Vorfall in ihrer Scheune vor drei Monaten für besser, den Kontakt mit ihr auf ein Minimum zu beschränken. Und wenn er doch zu ihr hinausfuhr, dann nur in der Gewissheit, dass die Zwillinge, Erin und Lindy, als „Anstandsdamen“ zugegen waren. Nicht, dass es an seinen Gefühlen viel änderte. Selbst das endlose Geplapper der Mädchen vermochte nicht zu verhindern, dass er fasziniert beobachtete, wie Darby das Essen zubereitete, die zahlreichen Haustiere fütterte oder unzählige andere alltägliche Pflichten erfüllte.

An diesem Morgen trug sie einen schlichten Trägerrock aus Jeansstoff über einem weißen T-Shirt und darüber eine rote Jacke. Aber es war nichts Schlichtes an ihrem Aussehen. Sie sah aus wie eine wundervolle Frau … die etwas auf dem Herzen hatte.

Darby zögerte vor der Tür des Sheriffbüros, eilte zurück zum Truck, aus dem Erin und Lindy sie beobachteten, ging dann wieder in Richtung Sheriff. Sie hätte die Kinder erst zur Schule bringen sollen. Sie hätte Jeans statt eines Kleides anziehen sollen. Ach, eigentlich war es keine brillante Idee, überhaupt in die Stadt zu kommen.

Sie blickte zur Uhr. War es wirklich erst acht? Sie schloss die Augen und holte tief Luft.

Eine Hupe ertönte, ließ sie vor Schreck zusammenfahren. Sie drehte sich zu den kichernden Sechsjährigen im Truck um, drohte ihnen mit einem Finger und rief: „Es gibt kein Frühstück bei Jeremy’s, wenn ihr nicht artig seid!“

Dann schüttelte sie den Kopf über sich selbst und ging schnurstracks zur Eingangstür. Niemand konnte sie einen Feigling nennen. Sie stellte sich stets allen Situationen des Lebens. Zumindest war es so gewesen, bevor sie herausgefunden hatte, wie unberechenbar dieses Leben sein konnte.

Darby öffnete die Tür und stolperte beinahe über ihre eigenen Füße. Sie verzog das Gesicht, blickte zu Boden und stellte fest, dass es doch nicht ihre eigenen Füße waren. Es war vielmehr eine Katze, die vor ihr zur Tür hineinhuschte. Sie kannte das schwarz-weiße Fellbündel von ihren unzähligen Besuchen in der Feuerwache.

Was macht Spot denn hier, fragte sie sich, während sie die Tür hinter sich schloss. Sie wusste, dass John da war, hatte seinen Wagen auf dem Parkplatz stehen sehen. Doch das verhinderte nicht, dass sich ihr Puls bei seinem Anblick beschleunigte. Ob es an ihrer wachsenden Angst lag oder der Anziehungskraft zwischen ihnen, wusste sie nicht. Vermutlich sorgte beides dafür, dass sie zittrig und verlegen war.

Ob früher als böser Junge oder später als Sheriff, John Sparks hatte immer ihre Knie weich werden lassen. Sein Anblick in seiner Uniform aus schwarzer Hose und kurzärmeligem grauen Hemd ließ sie alles andere vergessen. Er strahlte Autorität und Stärke aus, und das lag nicht nur an seiner Uniform. In Jeans und T-Shirt übte er dieselbe Wirkung auf sie aus.

„Morgen, Darby“, wünschte George.

Sie bemühte sich zu lächeln. „Morgen, George. John, ich muss mit dir reden.“

Seine Miene wurde ernst. „Oh.“

Sie nickte. „Kann ich dich für eine Minute entführen?“

Seine Miene wirkte neugierig und argwöhnisch zugleich. „Kann es warten? George und ich haben gerade etwas Wichtiges zu erledigen.“

Überrascht und gekränkt zog sie die Brauen hoch. Nie zuvor hatte John sie vertröstet. Die Möglichkeit, dass er es tun konnte, war ihr nicht einmal flüchtig in den Sinn gekommen. „Es ist dringend.“

John öffnete den Mund, doch es war George, der sich zu Wort meldete. „Der Lady scheint es ernst zu sein. Hör dir lieber an, was sie zu sagen hat, Sparky.“

Widerstrebend deutete John zu dem verglasten Büro hinter sich. „Sollen wir da reingehen?“

„Die Mädchen sitzen allein im Truck. Ich möchte sie gerne im Auge behalten.“

„Du willst also lieber rausgehen?“

Sie nickte, drehte sich um und ging voraus auf den Bürgersteig.

Es war Ende Mai, aber die Morgenluft war noch kühl. Darby zog die Jacke fester um sich und blickte die relativ ruhige Straße entlang. Die Geschäfte öffneten gerade, die Kirchenglocken läuteten die volle Stunde, und einige Blocks entfernt ging eine Gruppe Kinder zur Schule.

Kaum waren sie beide draußen, stürmten auch schon die Zwillinge aus dem Truck. „Onkel Sparky!“, riefen die beiden Mädchen wie aus einem Munde, und im nächsten Moment katapultierten sie sich gegen seine Beine und klammerten sich an ihn, als hätten sie ihn monatelang nicht gesehen.

Grinsend bückte er sich, um mit ihnen zu plaudern.

Angespannt und ungeduldig wartete Darby, während die beiden von ihren jüngsten Erlebnissen berichteten. Schließlich nahm sie die Zwillinge bei den Schultern und drehte sie zum Truck um. „Ab mit euch ins Auto.“

„Ach, Mom“, protestierte Erin. „Onkel Sparky ist auch unser Freund.“

„Genau“, pflichtete Lindy bei.

Erin stieß sie mit dem Ellbogen in die Rippen und entzog sich Darby, die sie in das Fahrerhaus heben wollte. Mit einfallsreichen Positionen kletterte sie aus eigener Kraft auf den Sitz. Lindy hingegen reckte ihre Arme hoch und ließ sich hineinheben.

Seufzend schnallte Darby die beiden an. „Ich will keinen Mucks von euch hören, okay? Sonst bringe ich euch ohne Frühstück in die Schule.“

Lindy nickte eifrig, während Erin eine Grimasse über die harmlose Drohung zog.

Darby schloss die Tür und verharrte einen Moment, um sich zu sammeln. Als sie sich für bereithielt, drehte sie sich zu John um und stellte fest, dass sie keineswegs bereit war. Er sah so gut aus mit den windzerzausten Haaren und dem charmanten Lächeln.

Sie räusperte sich und fand schließlich ihre Stimme. „Hör mal, John …“

Gleichzeitig setzte er an: „Darby, ich …“

Lächelnd verstummte sie. War es wirklich erst eine Woche her, seit sie ihn gesehen hatte? Es erschien ihr wie Monate, und das war an sich verblüffend. Nach Ericks Tod hatte sie geglaubt, sich nie wieder zu einem Mann hingezogen zu fühlen, und schon gar nicht nach so kurzer Zeit.

Doch ihre Gefühle für John gingen über bloße Anziehungskraft hinaus. Als sie nun auf der Main Street mit ihm stand, stiegen längst begrabene Erinnerungen in ihr auf. Damals war er ein rebellischer Teenager gewesen, der in hautengen Jeans und weißem T-Shirt auf seinem Moped durch die Straßen gesaust war und die Aufmerksamkeit aller Frauen jeder Altersklasse auf sich gezogen hatte. Er hatte wie die Wiedergeburt von James Dean gewirkt, und Darby hatte sich, wie alle Mädchen ihres Alters, auf geradezu lächerliche Weise nach ihm verzehrt.

Doch nun war nichts Lächerliches an der Situation.

„Du zuerst“, sagte er schließlich.

„Nein, du“, widersprach sie, denn was sie ihm zu sagen hatte, würde jedes weitere Gespräch vereiteln.

„Okay.“ Er schob die Hände in die Hosentaschen. „Was ich sagen wollte, ist, dass ich dachte, wir hätten beschlossen … die Dinge etwas abkühlen zu lassen. Du weißt schon, nachdem …“

Sie wusste sehr gut, worauf sich das „nachdem“ bezog. Sie nickte. „Das stimmt.“

„Und warum kommst du dann in die Stadt und verlangst mich in Gegenwart eines Klatschmauls wie George zu sprechen?“

Darby blickte durch das Fenster in die Wache und sah, dass George gerade telefonierte. Es bedurfte keiner großen Fantasie, um anzunehmen, dass ihr Besuch hier bereits die Runde machte. Sie blickte gen Himmel. „Oh, nein.“

John kniff die Augen zusammen, doch er blickte sie nicht ärgerlich, sondern besorgt an. Seine Augen schienen ständig auf geheimnisvolle Weise die Farbe zu wechseln, wirkten mal grün, mal blau. Aber es war die unergründliche Tiefe ihn ihnen, die ihr das Gefühl gab, sich zu verlieren, wenn er sie so eindringlich anblickte wie nun. Oder die glühende Leidenschaft, die sie in Teufels Küche gebracht hatte und eine gute, nein, eine großartige Freundschaft bedrohte.

„Darby? Geht es dir nicht gut?“

Er schien sie berühren zu wollen. Und einen Moment lang sehnte sie sich danach. Unzählige endlose Nächte hatte sie sich nach seiner Berührung verzehrt und sich gewünscht, sie könnten die Zeit zu jenem Tag in der Scheune zurückdrehen.

Am Anfang hatte sie sich eingeredet, dass es Ericks Berührung war, die sie vermisste, Ericks Lächeln, Ericks geistreiche Witzeleien. Dann war ihr jedoch bewusst geworden, dass sie irgendwann in den letzten elfeinhalb Monaten aufgehört hatte, um ihren verstorbenen Mann zu trauern – und begonnen hatte, nach seinem besten Freund zu gieren.

„Darby?“

Sie blickte ihn an, sagte dann: „Ich bin schwanger, John. Von dir.“

2. KAPITEL

John hatte zahlreiche Abenteuer erlebt. Als Feuerwehrmann hatte er sich freiwillig in Gefahr begeben. Als Sheriff hatte er es in den letzten vier Jahren mit unzähligen Verbrechern zu tun gehabt und war sogar einmal am Bein angeschossen worden. Er war sehr häufig in gefährliche Situationen geraten.

Aber all diese Erlebnisse zusammen konnten jenem Schock nicht annähernd das Wasser reichen, den Darbys leise Worte ausgelöst hatten.

Erwartungsvoll blickte sie ihn an, während sich die Morgensonne über die zweistöckigen Gebäude auf der anderen Straßenseite erhob, sie in einen warmen Schein hüllte und ihre Haare rötlich glänzen ließ.

Es durfte nicht wahr sein. Es war unmöglich. Darby war immer Ericks Mädchen gewesen und dann Ericks Frau. Sie war die Mutter von Ericks Zwillingen, und sie war Ericks Witwe.

Er konnte sie unmöglich geschwängert haben!

Darby hielt eine Hand hoch, wie um seine Worte abzuwehren, von denen er kein einziges laut ausgesprochen hatte. „Sag nichts. Ich … nun, ich dachte nur, dass du es wissen solltest.“ Sie wandte sich ab.

Das war alles? durchfuhr es John. Unwillkürlich hob er eine Hand, hielt Darby am Arm fest. „Das ist nicht möglich.“

Langsam drehte sie sich zu ihm um. Enttäuschung sprach aus ihren großen grünen Augen. „Glaub mir, John, es ist so.“

„Ich meinte damit nicht … na ja, was ich sagen wollte, ist …“ Was wollte er eigentlich sagen? Ihrer Miene nach zu urteilen wäre es besser gewesen, wenn er gar nichts gesagt hätte. „Geht es dir gut?“

Sie blickte ihn an, als wäre diese Frage die letzte, die sie von ihm erwartet hatte. Die Enttäuschung wich von ihrem Gesicht, und nun wirkte sie verwirrt. „Ja. Zumindest so gut, wie man es unter den gegebenen Umständen erwarten kann.“

„Wie?“, fragte er.

Sie runzelte die Stirn.

Er schluckte schwer. „Ich meine nicht, wie es passiert ist, sondern wie du es erfahren hast. Warst du beim Arzt?“

Sie schüttelte den Kopf. „Ich habe zwei Schwangerschaftstest gemacht. Beide waren positiv.“ Sie blickte hinab zu seiner Hand, die noch immer auf ihrem Arm lag. „Ich hätte dich wohl warnen sollen, dass ich dazu neige, schon bei der Erwähnung von Sex schwanger zu werden.“

John blickte an ihr vorbei zu den Zwillingen, die sie vom Truck aus neugierig beobachteten. Er erinnerte sich an Darbys damalige Schwangerschaft, wegen der die Hochzeit mit Erick um sechs Monate vorverlegt worden war. Böse Zungen tuschelten sogar, dass sie überhaupt nur aus diesem Grund geheiratet hatten.

„Ich habe die Pille genommen, bis …“

Sie brauchte den Satz nicht zu beenden. Sie wussten beide viel zu gut, dass es nach Ericks Tod keinen Grund zur Empfängnisverhütung für sie gegeben hatte – oder hätte geben sollen. Und der Vorfall hatte sich so spontan und unverhofft ereignet, dass er nicht an Verhütung gedacht hatte. „Sind die Tests verlässlich?“, fragte er mit einer Stimme, die fremd in seinen eigenen Ohren klang.

Darby nickte und räusperte sich. „Sie haben nur bestätigt, was ich schon wusste.“ Sie lächelte vage. „Da ich schon mal schwanger war, kenne ich die Symptome.“

Johns Hand glitt von ihrem Arm, beinahe wie aus eigenem Antrieb, als sich der erste Schock ein wenig legte und ihm allmählich die Situation bewusst wurde.

„Hör mal, John, ich bin nicht gekommen, um von dir etwas zu verlangen. Als sich meine Vermutung heute Morgen bestätigt hat, dachte ich nur, du solltest der Erste sein, der es erfährt. Weiter habe ich noch nicht wirklich gedacht.“

Er musterte ihr Gesicht, während er ihre Worte zu ergründen suchte. „Wissen es die Mädchen schon?“

„Großer Gott, nein.“ Sie atmete tief durch, offensichtlich ebenso betroffen über die Situation wie er. „Ich habe ihnen versprochen, dass ich heute mit ihnen frühstücken gehe.“ Hoffnung ließ ihre Augen aufleuchten. „Möchtest du vielleicht mitkommen?“

Automatisch wich er einen Schritt zurück. Die Vorstellung, mit Darby für längere Zeit an einem Tisch zu sitzen und dabei zu wissen, dass sie schwanger von ihm war, jagte ihm Angst ein. „Das wäre momentan keine gute Idee. Ich …“ Er blickte über die Schulter, und es verblüffte ihn beinahe, dass sie vor seinem Büro standen. Er hatte eher das Gefühl, an einem völlig fremden Ort zu sein – auf einem anderen Breitenkreis, in einer anderen Wirklichkeit.

„Okay, ich verstehe.“

John musterte sie. War sie wirklich so verständnisvoll? Ihre Miene wirkte angespannt, aber sanft, ohne eine Spur von Vorwurf im Blick, ohne Hoffnung in ihrem vagen Lächeln. Und dadurch hasste er sich umso mehr.

Er lachte humorlos auf. „Irgendwie erscheint das alles mir nicht real, weißt du. Ich habe das Gefühl, als würde jeden Moment jemand auftauchen und ‚Versteckte Kamera‘ rufen.“

Sie nickte. „Ich weiß.“

Bestürzt dachte er daran, wie die Stadt reagieren würde, wenn bekannt wurde, was er getan hatte. Er blickte erst in eine und dann in die andere Richtung. Alles wirkte so wie an jedem Werktag in Old Orchard. Die Geschäfte hatten wie gewöhnlich geöffnet. Die Leute gingen ihren Tätigkeiten nach wie gewöhnlich. Niemand ahnte, dass Darby ihm soeben den Boden unter den Füßen weggezogen hatte.

Die Realität seiner Lage wurde ihm völlig bewusst, als er die alte Mrs. Noonan langsam die Straße überqueren sah. Und zu allem Überfluss war sie in Begleitung des neuen Pastors, Jonas Noble.

„Guten Morgen, Sheriff Sparks. Morgen, Darby“, wünschte Mrs. Noonan und blieb stehen.

„Hallo, Mrs. Noonan, Pastor”, sagte John. Er musterte den anderen Mann und dachte dabei an die Gerüchte, die über den neuesten Zugang der Stadt in Umlauf waren. John hatte drei Anträge auf Nachforschungen erhalten und alle abgelehnt, auch wenn der Pastor düster und beinahe gefährlich aussah, was durch die schwarze Robe und die langen dunklen Haare noch unterstrichen wurde.

„Ein schöner Morgen, nicht wahr?“, fragte Jonas leise.

Darby lächelte, antwortete aber nicht.

„Ist alles in Ordnung, Darby?“, erkundigte sich Mrs. Noonan.

„Wie bitte?“

„Die Mädchen? Die Farm? Ist alles in Ordnung?“

John hoffte, dass außer ihm niemand merkte, wie übereifrig Darbys Nicken wirkte. „Oh, ja, alles bestens. Danke der Nachfrage.“

Mrs. Noonan lächelte. „Das freut mich. Ich hatte befürchtet, dass etwas passiert ist, weil Sie so früh am Morgen mit unserem jungen Sheriff sprechen.“

Passiert ist allerdings etwas, durchfuhr es John. Aber wenn es nach ihm ging, würden Mrs. Noonan und der Pastor es als Letzte erfahren.

Darby wandte sich ab. „Ich sollte jetzt lieber gehen, bevor die Mädchen entscheiden, ohne mich abzufahren.“

„Wir sprechen uns später“, sagte John steif.

Sie mied seinen Blick und konzentrierte sich auf Mrs. Noonan und den Pastor. „Es hat mich gefreut, Sie beide zu sehen. Grüßen Sie den Frauenverein von mir, Mrs. Noonan.“

„Ja, gern.“

„Gut.“ Darby rannte beinahe zum Truck, und Sekunden später fuhr sie davon.

Mrs. Noonan seufzte. „Ein hübsches Mädchen, unsere Witwe Conrad. Finden Sie nicht auch, Sheriff?“

John löste den Blick von dem entschwindenden Auto. „Wie bitte?“

Die alte Frau lächelte ihn an, wünschte ihm einen schönen Tag und spazierte am Arm von Jonas Noble weiter.

Autor

Tori Carrington
<p>Lori und Tony Karayianni haben unter dem Namen Tori Carrington mehr als 35 Liebesromane veröffentlicht, und schreiben seit über 21 Jahren gemeinsam. Diese Tatsache verrät schon einiges über die beiden! Auch wenn sie sich mittlerweile gar nicht mehr vorstellen können, jemals ohne einander gewesen zu sein, gab es auch ein...
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