Nur du machst mich glücklich

– oder –

 

Rückgabe möglich

Bis zu 14 Tage

Sicherheit

durch SSL-/TLS-Verschlüsselung

Als sich Bethany erneut auf eine leidenschaftliche Affäre mit dem Geheimagenten Morgan einlässt, erwacht auch die Angst, von ihm eines Tages wieder verlassen zu werden. Ist er nur zu ihr gekommen, weil sie bedroht wird? Oder hat auch er sie, seine erste große Liebe, nie vergessen können?


  • Erscheinungstag 28.02.2018
  • ISBN / Artikelnummer 9783733755751
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Rae stand vor dem hohen Spiegel in der Künstlergarderobe. Winzige Messingglöckchen läuteten, als sie das Oberteil ihres Kostüms zurechtzupfte.

„Diesmal übertreibst du wirklich“, murmelte sie.

Sie hatte sich für das Unterhaltungsprogramm des größten privaten Spielsalons in Baltimore engagieren lassen. Rae Ann Boudreau, Bauchtänzerin und Spezialkurier für Vorladungen und amtliche Mitteilungen aller Art. Die Empfänger waren meistens nicht begeistert, Rae zu sehen. Yasmin, ihre alte Zimmergenossin vom College, hatte ihr diese orientalische Kunst fast ein ganzes Jahr lang beigebracht. Als Hobby natürlich. Wer hätte gedacht, dass sie es einmal beruflich einsetzen würde?

Rae warf das schulterlange kastanienbraune Haar nach hinten und musterte sich stirnrunzelnd. Sie hätte diesen Auftrag ablehnen sollen, aber sie hatte es nicht über sich gebracht, Barbara Smithfield abzuweisen. Vor zwei Jahren hatte Barbaras Mann sie verlassen, und seitdem versuchte die arme Frau, von ihm den Unterhalt für die drei Kinder einzutreiben. Nachdem alle anderen Kurierdienste abgelehnt hatten, war sie schließlich voller Verzweiflung zum Boudreau Professional Process Service gekommen.

„Für deine neunundzwanzig Jahre hast du ein viel zu weiches Herz“, sagte Rae zu ihrem Spiegelbild.

Hätte die Frau doch nur nicht ihre Kinder mitgebracht. Acht, sieben und vier Jahre alt. Große blaue Augen. Die Jüngste hatte einen alten, schon ganz zotteligen Teddy in den Armen gehalten.

„Es waren die blauen Augen“, stöhnte Rae. „Seit Jimmy Donovan damals in der zweiten Klasse habe ich eine Schwäche für blaue Augen.“

Dann lachte sie. Für die dreißig Dollar Gebühr, die sie von Barbara Smithfield verlangen würde, hatte sie schon mindestens sechs Stunden gearbeitet. Also würde sie das Finale genießen, den Bauchtanz eingeschlossen. Rae Ann Boudreau entging so schnell niemand.

Sie wackelte mit den Hüften. Die bunt bestickte Schärpe und der falsche Saphir, den sie sich in den Bauchnabel geklebt hatte, glitzerten im Licht. Das knappe Kostüm stand ihr besser als erwartet. Bauchtänzerinnen sollten kurvenreich sein, und niemand konnte Rae Ann Boudreau als mager bezeichnen. Im Gegenteil, es hätte sie gekränkt, wenn sie den knappen BH nicht ganz ausgefüllt hätte.

Jemand klopfte an die Tür. „Sie warten auf dich, Honey“, rief ein Mann.

„Ich bin bereit, Süßer“, säuselte sie zurück.

Sie überzeugte sich, dass die Vorladung sicher im Kostüm steckte, und eilte nach vorn.

Automatisch sah sie sich nach möglichen Fluchtwegen um. Es gab zu viele Türen, also musste sie schnell sein, damit Smithfield ihr nicht entkam.

An den Wänden hingen zahllose Spiegel, von den manche dazu dienten, die Gäste heimlich zu beobachten. Teppiche dämpften die Schritte. Nett, dachte Rae. Überall standen Spieltische, an denen höflich lächelnde Angestellte Gewinne ausgaben oder Einsätze einstrichen.

Das Stimmengewirr wurde deutlich leiser, als die fast ausschließlich männlichen Gäste sie bemerkten. Hier und dort entdeckte Rae ein bekanntes Gesicht. Aber sie bezweifelte, dass einer von ihnen in der geschminkten und verschleierten Tänzerin die Überbringerin unangenehmer Nachrichten erkennen würde.

Dann sah sie ihr Opfer. Peter Smithfield wirkte wesentlich älter als auf dem Foto, das seine Frau ihr gegeben hatte. Seine Mundwinkel hingen nach unten. Offenbar hatte er beim Pokern einen schlechten Tag. Viel besser würde er nicht werden.

„Jetzt habe ich dich“, murmelte sie.

Plötzlich fiel ihr Blick auf ein anderes Gesicht in der Menge, ein markantes, äußerst männliches Gesicht. Und dann die Augen …

Sie waren eisblau, irgendwie verschleiert und auffallend blass unter den schwarzen Wimpern und dunklen Brauen.

Es waren Augen, die Geheimnisse bargen. Geheimnisse, die zugleich neugierig machten und zur Vorsicht mahnten. Unwillkürlich starrte sie auf den breiten sinnlichen Mund. Fältchen umgaben die festen, wohlgeformten Lippen und verliehen dem Gesicht einen zynischen, fast lebensüberdrüssigen Ausdruck. Der Mann passte nicht hierher. Ihr Interesse war geweckt.

Nun ja, was immer er sein mochte, er war ein Mann, und was er ihr auslöste, spürte sie bis in die Zehenspitzen. So etwas war ihr noch nie geschehen. Rae war stolz darauf, dass sie keine der üblichen weiblichen Schwächen aufwies. Sie war selbstständig, selbstbewusst, selbstsicher.

Warum fühlte sie seinen Blick wie ein Streicheln? Warum schlug ihr Herz schneller? Warum wurde ihr warm?

Hastig riss sie sich zusammen. Sie war hier, um einen Job zu erledigen.

Langsam hob sie die Arme und ließ die Schellen an ihren Fingern erklingen. Sie spürte, wie sich die Aufmerksamkeit im Raum auf sie richtete. Wie von selbst wanderte ihr Blick zurück zu dem Mann mit den intensiven Augen.

Sie bewegte sich nicht wie eine Frau, die sich als Bauchtänzerin tarnte. Nein. Sie tanzte für ihn. Nur für ihn.

Ihr Blick verschmolz mit seinem, angezogen von dem nackten Verlangen in den blauen Augen. Er wollte sie. Sie wollte, dass er sie wollte. Sie sagte es ihm mit jeder Bewegung.

Und er merkte es. Sie sah es daran, wie seine Augen leuchteten, wie sein Mund schmaler wurde. Hätte er sie jetzt, in diesem Moment, berührt, wäre es um ihre Beherrschung geschehen gewesen.

Doch dann bemerkte sie, wie Peter Smithfield auffallend unauffällig zu einem Durchgang schlenderte. Sie durfte nicht vergessen, warum sie hier war. Barbara Smithfield und die drei Kinder brauchten Hilfe. Und Rae war der einzige Mensch, der sie etwas für sie tun konnte.

Langsam und unauffällig tanzte sie auf ihr Opfer zu. Glöckchen am Busen, einen Schleier vor dem Gesicht und eine gerichtliche Vorladung in der Schärpe.

Verdammt. Der Tanz war noch nicht zu Ende, aber Smithfield hatte den Ausgang schon fast erreicht. Sie wollte ihre Tarnung nicht aufgeben, um hinter ihm herzurennen, aber sie durfte ihn nicht entwischen lassen. Als sie herumwirbelte, sah sie den Mann mit den blauen Augen und dem zynischen Mund. Irgendetwas an seinem Gesichtsausdruck irritierte sie, doch sie hatte keine Zeit, darüber nachzudenken.

Aus dem Raum herauszukommen war schwieriger, als sie erwartet hatte. Keine Frage, dem Publikum schien ihr Auftritt wirklich zu gefallen. Hände griffen nach ihr, als sie zur Tür tanzte. Geschickt wich sie jedem Mann aus, der ihr einen Zwanzig-Dollar-Schein in den Ausschnitt stecken wollte. Dann wirbelte sie wieder um die eigene Achse, bis die hauchfeinen Schleier ihren Kopf wie eine bunte Wolke verhüllten.

Endlich hatte sie es geschafft. Mit gesenktem Kopf blieb sie stehen, die Arme zu einem anmutigen Bogen gereckt. Die Schleier fielen ihr vor das Gesicht.

Applaus brandete auf. Anstatt sich zu verbeugen, hob sie den Kopf und warf dem Mann mit den eisblauen Augen einen kurzen Blick zu. Dann rannte sie hinaus.

Rae seufzte erleichtert auf, als sie Smithfield vor dem Waschraum entdeckte. Glück gehabt, dachte sie. Sie eilte auf ihn zu. Die Glöckchen an ihren Knöcheln klirrten.

„Hallo, schönes Kind“, sagte er und strahlte ihr entgegen.

Rae setzte ein rätselhaftes Lächeln auf und postierte sich wie zufällig zwischen Smithfield und der Tür, die weiter nach hinten führte. Lässig an die Wand gelehnt, musterte sie ihn unter gesenkten Lidern. Sie gefiel ihm, keine Frage. Doch in seinem Blick lag nicht nur Bewunderung, sondern auch Misstrauen. Es würde nicht einfach werden, das wusste sie. Der Mann kannte sich in juristischen Dingen aus und war außerdem schnell zu Fuß. Wenn sie einen Fehler machte, war er auf und davon und würde in Zukunft besser aufpassen.

Dann wanderte sein Blick zu ihrem Ausschnitt hinab, und sie wusste, dass sie ihn hatte. Er würde nicht davongehen – oder erst, wenn es zu spät war.

Ein lautes Krachen drang aus dem Raum, den sie gerade verlassen hatte. Als sie herumwirbelte, sah sie, wie Männer in kugelsicheren Westen durch die Tür stürmten, Waffen in der Hand.

„Polizei!“, rief jemand. „Alle auf den Boden!“

Eine Razzia, dachte Rae. Verdammt, verdammt, verdammt! „Nicht jetzt“, murmelte sie und tastete unter ihrer Schärpe nach dem amtlichen Bescheid.

Peter Smithfield rannte zur Tür. Rae hielt ihn fest, als er an ihr vorbeikam, und sie stürzten zusammen zu Boden. Leider landete er oben. Sie packte sein Hemd, während sie versuchte, die Vorladung herauszuziehen. Wenn er doch nur aufhören würde, so zu zappeln …

Eine große, kräftige Hand tauchte wie aus dem Nichts auf. Sie krallte sich um Smithfields Kragen und riss ihn hoch.

Rae starrte in ein markantes Gesicht und ein Paar wütender eisblauer Augen. Wo kam der denn plötzlich her?

„Raus hier“, knurrte der Fremde und schob Smithfield unsanft zur Tür.

Rae sprang auf. „He!“

Smithfield nutzte seine Chance. Als Rae ihn festhalten wollte, legte sich ein Arm um ihre Taille.

„Nicht so schnell“, sagte der Mann.

„Lassen Sie mich los!“ Sie versuchte sich zu befreien, doch sein Griff lockerte sich nicht. „Lassen Sie mich los, verdammt! Ich habe mit dem Kerl noch ein Hühnchen zu rupfen!“

„Das kann ich mir denken.“

Seine Stimme war tief und heiser, klang nach Brandy, Zigaretten und mühsam gebändigtem Zorn und ging ihr unter die Haut.

Rae wand sich in seinem Griff. Ein Polizist, dachte sie. Sie hätte es wissen müssen. Er war nicht der Typ, der Spielchen machte. Na ja, sie auch nicht.

„Nehmen Sie die Hände von mir“, fauchte sie.

Ein Mundwinkel zuckte, aber er ließ sie nicht los. Sein Blick wanderte über ihren Körper. Ein Kribbeln durchlief sie.

In seinen blassen Augen zuckte Verlangen auf, bis sie zu glühen schienen. Rae sah auf seinen Mund. Er wirkte hart und männlich, und doch sinnlich. Seine sanft geschwungene Unterlippe weckte in ihr den Wunsch, sie zu spüren, zu schmecken.

Das ist schlecht, dachte sie. Oder vielleicht gut, sehr gut.

Dann merkte sie, dass sein Lächeln kalt und zynisch geworden war. Aber seine Hände fühlten sich warm, fast heiß an, und sein Griff hatte etwas Besitzergreifendes, etwas Erregendes.

Er fühlte es auch, und es schien ihm nicht zu gefallen. Er kniff die Augen zusammen.

„Sie sollten sich einen richtigen Job besorgen, Schätzchen“, sagte er unwirsch.

„Einen richtigen …“ Rae schnappte nach Luft. „Sie haben vielleicht Nerven!“

„Und Sie erst“, erwiderte er ungerührt. „Schon mal was von Intimsphäre gehört? Oder hat er Ihnen genug bezahlt, um zu vergessen, wo Sie Ihre Arbeit machen?“

Vor Verblüffung brachte sie kein Wort heraus. Er dachte, dass sie und Smithfield … Das durfte nicht wahr sein. Die Wut, die sie durchströmte, war so heftig, dass sein Gesicht vor ihren Augen verschwamm. Sie stemmte die Hände in die Hüften und funkelte ihn an. „Ich hätte es wissen müssen. Sie sind Polizist.“

„Ganz genau, Schätzchen.“

Sie stieß die angehaltene Luft aus. „Wissen Sie, ihr Typen seid doch alle gleich. Ihr denkt von jedem immer nur das Schlechteste.“

„Dass ich nicht lache! Ausgerechnet von so einer ….“

„Oh, Entschuldigung“, unterbrach sie ihn. „Das war unfair von mir. Sie sind vom Sittendezernat, also wissen Sie, dass es nur schlechte Menschen gibt.“

„Sehr richtig, Schätzchen“, sagte er. „Und jetzt, nur um meine Neugier zu stillen, was hat er Ihnen gezahlt?“

„Genug. Warum? Wollen Sie mir ein Angebot machen?“

Sein Blick wurde eisig. Rae hielt ihm einen Moment stand, lächelte verächtlich und drehte sich um. Sie kam nicht weit. Seine Hand legte sich um ihren Oberarm.

Sie wollte ihm den Ellbogen in die Rippen rammen, doch als sie es versuchte, schlossen seine Finger sich wie Schraubstöcke um ihre Handgelenke.

Dann spürte sie das kalte Metall der Handschellen.

„He!“, fuhr sie ihn an. „Was soll das?“

Er riss sie herum. Trotz ihrer Empörung spürte sie, wie sich schlagartig und unerwartet in ihrer Brust eine wohlige Wärme ausbreitete, als sie in seine Augen starrte. Er zog sie näher an sich heran. Dann glitten seine Hände an ihren Armen hinauf, bis zu den Schultern, ganz langsam, als wollte er es eigentlich gar nicht.

Ihr Atem ging schneller, als seine langen Finger über ihre Haut strichen. Die Berührung war nicht unsanft, aber so besitzergreifend, dass ihr unwillkürlich der Atem stockte.

Dann hob sie das Kinn und sah ihn trotzig an. Rae Ann Boudreau hatte sich noch nie von einem Mann Angst einjagen lassen und sie wollte jetzt nicht damit anfangen.

„Was zum Teufel tun Sie da?“, schrie sie entrüstet.

„Ich bin Detective Gabriel MacLaren vom Sittendezernat“, sagte er. „Und Sie sind festgenommen.“

„Festgenommen? Weshalb?“

Er lächelte. „Prostitution, Honey.“

2. KAPITEL

Gabriel war hundemüde. Er legte die Füße auf den Schreibtisch. Gott, wie er die Spätschicht hasste. Als zwei Polizisten einen sehr großen, sehr lauten, sehr betrunkenen Mann an ihm vorbeischleiften, hob er kurz den Kopf.

„Nicht noch einer“, murmelte er.

Er wünschte, er könnte endlich aufhören, an die Bauchtänzerin zu denken. Aber sie hatte sich in sein Gedächtnis gebrannt und ließ ihn einfach nicht in Ruhe. Als ihre Blicke sich zum ersten Mal begegnet waren, hatte er es wie einen Stromschlag gespürt. Das beunruhigte ihn.

Sie beunruhigte ihn. Schulterlanges rotbraunes Haar, seidig weiche Haut, Augen wie warmer Sherry, ein Körper so kurvenreich und verlockend wie die Sünde selbst … Ihm wurde heiß, wenn er nur an sie dachte.

Sie hatte ihn angesehen, als sie tanzte. Einen kurzen, magischen Moment lang war etwas zwischen ihnen übergesprungen. Es war, als wäre sein geheimster Traum plötzlich wahr geworden.

Dann hatte er gesehen, wie sich mit Peter Smithfield auf dem Boden wälzte.

Und sein Traum war geplatzt.

Es hätte ihn nicht wütend machen dürfen. Er kannte nicht einmal ihren Namen. Von dem Moment an, in dem er ihr die Handschellen angelegt hatte, war sie stumm wie ein Fisch gewesen. Name unbekannt hatte er in das Protokoll eingetragen.

„Du willst ihn gar nicht wissen, MacLaren“, murmelte er.

Sicher. Klar. Er hätte es besser wissen müssen. Als Sittenpolizist sah er die übelsten Seiten der menschlichen Natur. Jede Nacht, wohin er auch kam. Männer, Frauen, Kinder, die Dinge taten, die sich der Normalbürger nicht einmal vorstellen konnte. Er hatte sich daran gewöhnt.

Die Bauchtänzerin hatte sich als das erwiesen, was er hätte erwarten sollen. Das einzig Überraschende daran war seine eigene Enttäuschung.

Das Klirren der Glöckchen drang durch die Alltagsgeräusche im Revier. Selbst mit einem Fuß im Grab hätte er es wiedererkannt. Er verkrampfte, runzelte die Stirn, sah über die Schulter.

Da war sie. Hier, an diesem Ort, wirkte sie so exotisch wie eine Orchidee. Überall Rundungen, das lange braune Haar glänzend im Schein der Neonleuchten. Jeder Mann hier begehrte sie. Verheiratet, allein stehend, alt oder jung, Polizist oder Krimineller, sie alle wollten sie.

Gabriels Stirnrunzeln vertiefte sich. Gereizt sah er sich um. So verrückt es klang, plötzlich empfand er das unsinnige Bedürfnis, sie zu packen und in eine Zelle zu sperren, wo kein anderer Mann sie anstarren konnte.

Er musterte sie, als sie auf ihn zuschlenderte. Sie war ganz Frau, und er spürte, wie sein Puls in einen höheren Gang schaltete.

„Es müsste verboten sein, dass eine Frau so gut aussieht“, sagte einer der anderen Detectives. Natürlich so laut, dass alle es hörten.

„Ist es wohl“, rief jemand. „MacLaren hat sie festgenommen.“

Gelächter hallte durch den Raum, als die Bauchtänzerin vor seinem Schreibtisch stehen blieb. Plötzlich wurde Gabriel klar, dass seine Kollegen etwas wussten, von dem er noch keine Ahnung hatte.

In seinem Kopf schrillte der Alarm. Vor sechs Monaten hatte er sich hierher versetzen lassen, und die anderen Detectives behandelten ihn noch immer wie einen Neuling.

„He, Boudreau!“, rief ein Kollege. „Wie wäre es mit einem Tanz?“

„Nur in Ihren Träumen“, erwiderte Rae, ohne Detective MacLaren aus den Augen zu lassen.

Gabriels Alarmglocken schrillten lauter. Boudreau. Den Namen hatte er schon mal gehört. Ray Boudreau war ein Spezialkurier für Vorladungen, Zahlungsbefehle und ähnlich unwillkommene Schreiben und galt als einer der Besten. Aber eine Frau?

Sein Blick wanderte über das Kostüm, das ihre hinreißende Figur eher betonte als verhüllte. Ja, dachte er. Keine Frage, eine Frau.

Eine wütende Frau. Die er gerade wegen gewerbsmäßiger Unzucht festgenommen hatte. Prostitution.

Jetzt baute sie sich vor seinem Schreibtisch auf und betrachtete ihn, als wäre er gerade aus dem Rinnstein gekrochen.

„Detective MacLaren“, sagte sie.

„Ma’am?“

Rae musterte ihn unauffällig. Er sah aus wie eine große Raubkatze, die auf Beute lauerte. Eindrucksvoll, gefährlich. Sie war eindeutig im Nachteil. Wie sollte sie mit diesem Mann fertig werden, wenn allein sein Anblick sie so nervös machte?

„Sie sind also Ray Boudreau“, sagte er gedehnt.

„Rae“, verbesserte sie. „R-A-E.“

Er strich sich mit dem Daumen am Kinn entlang. „Warum haben Sie mir vorhin nicht gesagt, was Sie in dem Club wollten?“

„Ich habe es versucht. Aber Sie mussten ja unbedingt mit Ihren Handschellen spielen.“

Sie verschränkte die Arme vor der Brust. Unwillkürlich senkte Gabriel den Blick. Einem schwächeren Mann wäre der Unterkiefer bis auf den Schreibtisch heruntergeklappt. Mann oh Mann, was für eine unglaublich erotische Frau! Ihr Kostüm bändigte nur mit Mühe die üppigen Rundungen, und seine Finger juckten, so gewaltig war das Verlangen, sie zu berühren.

Schweigend starrten sie einander an. Rae fühlte sich, als könnte er direkt bis auf den Grund ihrer Seele blicken. Es war ein äußerst beunruhigendes Gefühl.

Sie brauchte Grenzen, aber seine Augen ließen keine zu. Sie holte hastig Luft und wollte sich abwenden.

„He“, sagte er.

Seine Stimme war tief und dunkel, rauchig vor Verlangen. Sie zog Rae in ihren Bann. In ihr stieg eine Mischung aus Vorfreude und Angst auf.

„He?“, wiederholte sie mit hochgezogenen Brauen. „Junge, Junge, Sie haben eine Art, mit Frauen umzugehen, Detective.“

„Kenne mich mit ihnen nicht aus“, erwiderte er viel zu fröhlich. „Da geht es mir wie jedem anderen Mann auf diesem Planeten.“

Rae war nicht in der Stimmung für eine geistreiche Entgegnung. „Gibt es sonst noch etwas?“

„Oh ja. Warum haben Sie Peter Smithfield verfolgt?“

So lässig wie möglich setzte sie sich auf eine Ecke des Schreibtischs. „Warum wollen Sie nicht, dass ich ihn verfolge?“

„Darum.“

Rae schnaubte abfällig. „Sie verlangen viel, ohne etwas dafür zu geben.“

„Typisch männlich“, erwiderte er.

„Keineswegs. Ich nehme an, das gehört zu Ihrem Charakter. Es kommt davon, wenn man zu lange Polizist ist.“

„Ich kann auch zum Gericht gehen und nachsehen“, sagte er.

Sie schob eine Locke aus dem Gesicht. So gern sie ihn noch ein wenig geärgert hätte, die Vernunft gebot einen Waffenstillstand.

„Na gut.“

Gabriel wäre fast aufgesprungen, als sie an ihrer Schärpe zupfte. Sie wollte das Ding doch wohl nicht ausziehen?

Rae holte das Dokument hervor und warf es auf seinen Schoß. „Lesen Sie.“

Gabriel entfaltete es. Eine Vorladung. Oben war eine Karte befestigt, auf der Boudreau Professional Process Service stand.

Er nahm die Karte und ließ sie auf den Schreibtisch fallen. „Es gibt nicht viele Kuriere, die Bauchtanz lernen, um eine Vorladung zuzustellen.“

„Ich konnte schon vorher tanzen“, sagte sie und hielt seinem Blick stand. „Wenn es sinnvoll ist, nutze ich meine Fähigkeiten. Besondere Umstände erfordern eben besondere Methoden.“

Er starrte sie an. Dann lachte er.

„Besondere Methoden … ein Bauchtanz-Kurier. Das ist wirklich stark!“

Rae widerstand der Versuchung, ihn mitsamt seinem Stuhl umzustoßen. „Machen Sie sich über mich lustig?“

Er schüttelte den Kopf. „Überhaupt nicht. Im Gegenteil, ich bin beeindruckt. Auf die Idee wären nicht viele gekommen, und noch weniger hätten den Mut aufgebracht, sie in die Tat umzusetzen.“

Er schob seine Hand über die Schreibtischplatte, bis seine Fingerspitzen ihre streiften. Zu einer anderen Zeit, bei einem anderen Mann, wäre es eine harmlose, unschuldige Berührung gewesen. Aber an Gabriel MacLaren war nichts Unschuldiges. Er machte keinen Hehl aus seinem Verlangen, und allein sein Blick reichte aus, Rae in Wallung zu bringen.

Sein energischer Mund wurde sanfter, und sie wusste, dass er sie küssen wollte. Das erstaunte sie nicht, denn sie wünschte, er würde es tun. Wären sie allein, so wäre es längst geschehen.

Die Intimität dieses Augenblicks war überwältigend. Sämtliche Barrieren, die sie zwischen sich und der Welt errichtet hatte, waren verschwunden. Mit diesem Mann erlebte Rae etwas, das noch kein Mensch, nicht einmal ihr Ex-Mann, bei ihr bewirkt hatte.

Sie hätte erwartet, in seinen Augen Triumph zu sehen, doch stattdessen spiegelten sie nur ihre eigenen Gefühle wider.

„Ich …“, begann sie und schloss den Mund, denn sie hatte keine Ahnung, was sie sagen sollte.

Ihre Stimme ließ sie beide schlagartig in die Wirklichkeit zurückkehren. Seine Augen veränderten sich, als wäre irgendwo in seinem Kopf ein Schalter umgelegt worden, und die Gefühle verschanzten sich wieder hinter einer ausdruckslosen Miene. Rae wusste, was er tat: Er wurde wieder der zynische, durch nichts zu erschütternde Polizist. Seine Maske schützte ihn besser als die Blechmarke in seiner Brieftasche.

Sie straffte sich. Er lehnte sich zurück.

„Warum haben Sie Smithfield laufen lassen?“, fragte sie. Sie kannte die Antwort, aber sie wollte das peinliche Schweigen mit etwas anderem überbrücken als mit ihrem unüberhörbar heftigen Atmen.

In Gabriel schrillte erneut der Alarm. Sie wusste genau, warum er Smithfield hatte entkommen lassen. Sie wusste es, seit er sich ihr als Polizist zu erkennen gegeben hatte. Warum fragte sie trotzdem danach? Sie trieb ein Spielchen mit ihm. Erst kostete sie seine Reaktion auf ihre hinreißende Erscheinung aus, dann stellte sie ihm eine Frage, die er nicht beantworten konnte.

Er mochte keine Spielchen. Jedenfalls nicht die von anderen.

Schade, dachte er, und es fiel ihm schwer, seine Enttäuschung zu verbergen. Er hatte gehofft, dass sie etwas ganz Besonderes war.

Verdammt.

„Sie haben mich um meinen Verdienst gebracht“, sagte sie.

Er hob die Hände. „Das war nicht meine Schuld. Sie lagen auf dem Boden, der Typ auf Ihnen. Was hätte ich denn anderes denken sollen?“

„Es gibt nur einen Grund, weswegen Sie einen Kerl wie Smithfield haben entkommen lassen“, sagte sie scharf. „Sie brauchen seine Hilfe.“

„Hm …“

„Er ist Ihr V-Mann.“

Gabriel legte die Füße auf den Schreibtisch. „Das könnte ich Ihnen selbst dann nicht sagen, wenn ich es wollte.“

„Hören Sie“, begann Rae. „Er schuldet seiner Frau den Kindesunterhalt für zwei Jahre. Ich will ihm nur die Vorladung überbringen, dann komme ich Ihnen nicht mehr in die Quere.“

Gabriel ließ sich nicht anmerken, was er davon hielt. In seinem Beruf hatte er schon Schlimmeres erlebt. „Tut mir leid.“

„Tut mir leid?“, wiederholte sie. „Ist das alles, was Sie dazu zu sagen haben?“

„Es ist alles, was ich dazu sagen kann.“

„Das nehme ich Ihnen nicht ab, Detective. Nennen Sie mir nur einen Grund, weswegen Ihr Fall wichtiger ist als die verzweifelte Lage einer Frau und ihrer drei Kinder …“

„Er ist es.“

„Warum?“

„Weil ich es sage“, knurrte er gereizt, weil er sich gegen sein schlechtes Gewissen wehrte. Aber es ließ sich nicht unterdrücken.

„Ich will Peter Smithfield“, sagte sie ebenso unfreundlich.

„Sie kriegen ihn aber nicht.“ Er lächelte. „Übrigens, Sie haben ihr Juwel verloren.“

„Wie bitte?“

Er tippte auf ihren Bauchnabel, den vor kurzem noch der Saphir geziert hatte. „Ihr Juwel. Wahrscheinlich ist er an Smithfield hängen geblieben, als Sie sich mit Smithfield auf dem Boden gewälzt haben.“

Rae war ungemein stolz auf sich, als sie es schaffte, weder zurückzuzucken noch lustvoll aufzustöhnen. Sie spürte die kurze Berührung noch, obwohl seine Hand längst wieder auf dem Schreibtisch lag.

Trotzig hob sie das Kinn, um das Verlangen zu bekämpfen, das in ihr tobte. „Denken Sie doch, was Sie wollen“, sagte sie. „Wir sprechen uns wieder, sobald ich Smithfield gefunden habe.“

Seine Augen verengten sich. „Wenn Sie unsere Ermittlungen behindern, muss ich Sie festnehmen.“

„Was Sie nicht sagen, Detective.“

Sie glitt vom Schreibtisch, und die Anmut, mit der sie es tat, lenkte alle Blicke im Revier auf sie.

Gabriel seufzte. Als sie mit schwingenden Hüften durch die Tür verschwand, beschlich ihn das seltsame Gefühl, dass sie etwas von ihm mitgenommen hatte.

Gedankenverloren griff er nach ihrer Karte und schnupperte daran. Wildblumen und … pure Weiblichkeit. Er atmete den Duft tief ein.

„MacLaren!“

Hastig sah er über die Schulter. Captain Petrosky stand in der Tür seines Büros und winkte ihn zu sich. Gabriel nahm die Füße vom Schreibtisch und schlenderte durch den Raum.

„Machen Sie die Tür zu“, sagte der Captain.

Petrosky ließ sich in seinen zerschlissenen Chefsessel fallen und legte die Beine hoch. Sein rasierter Kopf glänzte im Deckenlicht.

„Das war also Ray Boudreau.“

„Rae“, sagte Gabriel. „R-A-E. Sie will Peter Smithfield eine Vorladung übergeben. Kindesunterhalt.“

Der Captain schnaubte. „Wir haben jemanden ganz oben in der Stadtverwaltung, der in das illegale Glücksspiel verwickelt ist. Er ist schlau und mächtig. Der Typ hat sein politisches Amt benutzt, um sich über das Gesetz zu stellen. Ich werde ziemlich sauer sein, wenn irgendein übereifriger Kurier uns diesen Fall verdirbt.“

Gabriel lächelte. „Wir wollen nicht, dass Sie sauer sind, Sir. Aber sie ist ein Profi und sehr entschlossen. Wenn wir ihr die Situation erklären …“

„Nein. Wenn von unseren Ermittlungen etwas durchsickert, können wir den Fall vergessen. Sie erzählen Boudreau nichts. Sie erzählen niemandem etwas.“

„Sie wird uns in die Quere kommen.“

Petrosky sah ihn an. „Ich mache Sie für diese Frau verantwortlich, MacLaren. Sie werden dafür sorgen, dass sie uns nicht stört. Sie werden sie nach ihm suchen lassen, wenn Sie ihn nicht finden. Ist das klar?“

Gabriel fühlte plötzlich eine schwere Last auf den Schultern. „Ja, Sir.“

Leise fluchend verließ er das Büro. Es wäre so schon hart gewesen, sie zu vergessen, jetzt würde sie ihm vermutlich den Verstand rauben. Er begehrte sie. Er wollte sie kennen lernen. Wollte herausfinden, ob sie das hielt, was ihre Augen versprachen.

„Die Frau ist nichts als Ärger, MacLaren“, murmelte er. „Großer Ärger.“

Autor

Beverly Barton
<p>Beverly Barton hat eine Schwäche, für Bad Boys, Männer mit kleinen Fehlern. In ihrer Kindheit schwärmte sie für „Die Schöne und das Biest“ – genauer gesagt, für das Biest. „Alle meine Lieblingsmänner sind stark, dominant und sehr maskulin. Aber am allerwichtigsten ist, dass sie ein Herz aus Gold haben“, erläutert...
Mehr erfahren