Nur ein Kuss voll Zärtlichkeit

– oder –

 

Rückgabe möglich

Bis zu 14 Tage

Sicherheit

durch SSL-/TLS-Verschlüsselung

Tief hat es Jocelyn getroffen, als ihr Verlobter Rob Donnelly sie wegen ihrer schönen Schwester verließ. Seitdem kommt sie sich hässlich vor! Auch noch, als Rob plötzlich erneut beginnt, ihr verführerisch den Hof zu machen. Wie kann er es nur wagen?


  • Erscheinungstag 28.12.2014
  • ISBN / Artikelnummer 9783733787172
  • Seitenanzahl 128
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

„Es ist wirklich ganz einfach.“ Nathan Foley lächelte seine Enkelin über den Schreibtisch hinweg an, der sie vom Seniorenkomitee trennte. „Alles, was du tun musst, ist, dir etwas auszudenken, sodass wir zwanzigtausend Dollar zusammenbekommen.“

Jocelyn Foley verschluckte sich fast an ihrem Kaffee. Sie versuchte nachzudenken. Im Sommer war Salty Harbor voller Touristen. Sie kamen, um die Bauten, die um die Jahrhundertwende entstanden waren, zu bewundern. Sie waren begeistert von der schönen Lage an der Mündung des Columbia River, wo Fischkutter und Segelboote vertäut waren.

Im Dezember kamen Käufer von Portland und von den Städten jenseits des Flusses, um in den einzigartigen Hafenboutiquen einzukaufen und die großzügigen viktorianischen Lichter und Dekorationen zu bewundern.

Aber es war etwas anderes, sie im Januar und Februar nach Salty Harbor zu bringen. Das war die Zeit des Jahres mit Dauerregen, in der jeder sich glücklich am Kamin fühlte und die Ruhe nach der Urlaubszeit genoss.

Als Leiterin für Entwicklung der Kommunalstruktur konnte Jocelyn diesen Luxus nicht genießen. Sie musste ein Projekt ausarbeiten, das eine neue Vorderfront und ein Dach für ein altes Warenhaus finanzieren sollte, das die Senioren von Salty Harbor von einem alten Einwohner geerbt hatten.

„Lasst uns Kuchen verkaufen!“, schlug Frederika Lund mit hoher, heller Stimme vor. Als Einundachtzigjährige war sie das älteste Mitglied des Komitees.

„Freddie, das ist dumm“, erwiderte eine ärgerliche Männerstimme. „Das würde nicht einmal genug Geld für einen Eimer bringen, um ihn unter das kleinste Leck zu stellen.“ John Whit­tacker, vor Kurzem in den Ruhestand versetzt und der Jüngste der Gruppe, war nicht für Liebenswürdigkeiten bekannt.

„Es ist nicht dumm!“ Mary Maloney, die gerne alles Mögliche verteidigte, legte beschützend einen Arm um Freddies Schultern. „Es ist nur noch nicht genug. Wir müssen an etwas Größeres denken.“

„Lass das Mädchen nachdenken!“ Nathan, der Vorsitzende des Komitees, kreuzte die langen, mageren Beine und verschränkte die Arme, während er Jocelyn anstarrte, als ob sein Vertrauen in sie irgendwie helfen könnte. „Der Stadtrat und die Kaufmannsvereinigung haben sie angestellt, weil sie eine ideenreiche Frau ist. Lasst ihr Zeit. Es wird ihr schon etwas einfallen.“

Vier Augenpaare starrten auf Jocelyn. Und Jocelyn fühlte sich verantwortlich für sie.

Freddie war Jocelyns Lehrerin gewesen. John Whittacker hatte den Kaufladen besessen, den ihre Familie, solange sie denken konnte, betrieben hatte. Und Mary hatte jedes Los, jede Schokolade, jede Illustrierte gekauft, die Jocelyn jemals im Namen der Grund- und Realschulen von Salty Harbor verkauft hatte.

Nathan bedeutete ihr mehr, als sie jemals hätte sagen können. Ihre Schwestern waren verheiratet und ihre Eltern nach San Die­go zurückgekehrt. So war er ihre Familie. Er liebte sie, umsorgte sie, frustrierte und erzürnte sie. Und er war immer da, wenn sie ihn brauchte.

Die scharfe Spitze ihres Bleistifts zeichnete ein lächelndes Gesicht, während sie über das Projekt nachdachte.

Sie malte lange, fließende Linien wie Barthaare auf das Gesicht und fügte dreieckige Ohren hinzu. Dann machte sie einen Bogen unter das Gesicht. Vielleicht ein Tanzabend mit einer Band? Sie hasste Tanzen seit dem Valentinsball, zu dem sie mutig gegangen war. Sie war sicher, kein Mauerblümchen war jemals so einsam gewesen.

Ihr Bleistift zog ein Herz in der Mitte des Blattes. Überrascht sah sie darauf nieder. Sie hob die Hand, um es durchzustreichen. Aber wer konnte schon ein Herz durchstreichen, das ewige Symbol der Liebe und Güte?

Güte. Großzügigkeit.

„Ich hab’s!“ Sie sah vom Block hoch und lächelte Nathan zu. „Ein Valentinstag-Projekt für die ganze Gemeinde.“

„Mit Zuckerkuchenherzen!“, sagte Freddie.

„Kuchen wären wundervoll“, sagte Jocelyn, die hastig Notizen machte. „Wir müssen einen Kuchenstand haben oder eine Kunstgewerbeausstellung oder einen ganzen Bazar, falls wir es schaffen können. Aber größere Summen kommen von den Leuten der Dienstleistungsbetriebe. Man müsste ihnen vor Augen halten, dass der Erlös dem Seniorencenter zugutekommt, um es bewohnbar zu machen.“

Die vier Komiteemitglieder richteten sich auf. „Und wie sollen wir an diese Gruppen herankommen?“, fragte Mary.

Jocelyn sah von ihren Notizen auf. „Ich stehe immer in Verbindung mit den verschiedensten Gruppen. Ich werde erklären, was mit dem Gebäude los ist und was ihr braucht. Ein Bazar lockt viele Leute an. Vielleicht könnte dies das Senioren-Projekt sein.“

Jocelyn kritzelte Spitzen um das Herz herum und sah die Komiteemitglieder mit strahlendem Lächeln an. „Wir werden irgendetwas richtig Romantisches und Altmodisches machen.“

„Du solltest besser an unsere Lage denken“, sagte Nathan ruhig. „Wenn du mit diesen Leuten sprichst, die das Center unterstützen sollen, muss es sich ja nicht so anhören, als ob hier lauter Altertümer herumsäßen.“

Mary sah ihn stirnrunzelnd an. „Sei nicht so empfindlich! Sie meint nicht, dass wir Greise sind. Sie meinte nur, ein altmodisches Thema würde gut dazu passen, dass der Erlös der Wohltätigkeitsveranstaltung den Alten zugutekommt. Das können wir nicht abstreiten, egal, wie jung wir uns fühlen.“ Sie nickte Jocelyn zu. „Ich stimme zu.“

„Wie wäre es, wenn wir den Kuchenstand im Innenhof der Old Cannery aufstellen?“, schlug Freddie liebenswürdig vor und unterbrach damit den kleinen Streit. „Meine Tochter arbeitet dort in dem Restaurant – und es ist so ein hübscher Ort. Und er sieht auch schön aus – mit all den Holzbalken und dem Holzfußboden.“

Alle drehten sich überrascht zu Freddie um – sogar die Gegner. Sie hatte einen ausgezeichneten Vorschlag gemacht. Der Innenhof war ideal!

„Es ist erst vor zwei Monaten eröffnet worden“, sagte John. „Glaubst du, dass sie jetzt schon mit so etwas zu tun haben wollen?“

Nathan runzelte die Stirn. „Der Mann, der die Einkaufspassage gebaut und das Restaurant eröffnet hat, kommt aus Los Angeles. Vielleicht mag er nichts mit unseren komischen Kleinstadtfesten zu tun haben.“

Ein wichtiger Punkt. „Vielleicht“, sagte Jocelyn. „Er mag aus Los Angeles kommen, aber jetzt lebt er in Salty Harbor. Wählt einen aus der Gruppe, und sprecht mit ihm. Ich wette, er wird froh sein, euch helfen zu können.“

Freddie, John und Mary wandten sich Nathan zu. Nathan wandte sich an Jocelyn. „Wir wählen dich“, sagte er lächelnd.

Jocelyn lachte und schüttelte den Kopf. „Großpapa, es sollte einer aus eurem Komitee sein …“

„Aber du kennst uns am besten“, beharrte Nathan. „Du unterstützt das Center. Du hast alle Probleme aus erster Hand mitbekommen. Wir tun, was immer du willst, aber den Großstadtfritzen überlassen wir besser dir. Kennst du ihn nicht schon? Du rufst doch immer die neuen Geschäftsleute an und heißt sie in Salty Harbor willkommen.“

Jocelyn schüttelte den Kopf. „Als ich anrief, sprach ich mit Griffin Donnelly. Er ist Chef und Partner des Restaurants. Aber er sagte, sein Cousin trifft alle geschäftlichen Entscheidungen.“

Nathan hob die Schultern. „Dann sprich mit seinem Cousin. Du kannst es, Jossie. Ich weiß, dass du es kannst.“ Er stand auf und klemmte seinen Schnellhefter unter den Arm. „Nun, das ist eine Erleichterung. Ich wusste, dass dir etwas einfallen würde. Wir werden uns wieder treffen, wenn du mit den Dienstleistungsbetrieben gesprochen hast und dem Mann, dem das Restaurant gehört. Und dann werden wir weiter überlegen. Warum …“ Nathan senkte die Stimme, während John Freddie zur Tür half. Er räusperte sich. „Warum borgst du dir nicht irgendetwas von Charlie, das du tragen kannst, wenn du diesen Mann triffst?“

Jocelyn tat, als berühre sie das nicht. Sie war gewöhnt an die abschätzenden Blicke der Frauen, die ablehnenden Blicke der Männer – und an den Druck, den ihre Familie auf sie ausübte, damit sie den Stil ihrer Garderobe änderte. Das hieß aber nicht, dass es sie nicht schmerzte.

„Großvater – so bin ich.“ Sie breitete den langen, schweren Jeansrock aus und zog am Saum des naturwollenen Fischerpul­lovers, der ihr fast bis zu den Knien ging. Er plusterte sich um die Hüften auf. Aber das machte ihr nichts aus. „Ich kleide mich bequem und warm.“

Er schüttelte den Kopf über sie. „Du kleidest dich wie eine Sack-Lady.“

„Vielleicht.“ Mary, die Nathans Kommentar gehört hatte, stimmte freundlich zu. „Vielleicht ein paar Locken für dein Haar.“ Jocelyn hob eine Hand an ihr leuchtend rotes Haar. Es ging ihr bis zu den Augenbrauen und war in Kinnlänge geschnitten. „Der Mann achtet nicht darauf, wonach ich aussehe“, sagte sie geduldig. „Ich treffe ihn geschäftlich.“

„Jeder Mann“, sagte Nathan, während er einen Arm um Jocelyns Schultern legte, als sie zur Tür gingen, „merkt, wonach eine Frau aussieht. Und unbewusst beeinflusst das seine Reaktionen.“

„Das mag zu deiner Zeit gestimmt haben, Großpapa. Heute denken die Männer weniger sexuell.“

Nathan hob eine Augenbraue. „Wer hat dir das gesagt?“

„Es ist eine Tatsache.“

„Es ist Unsinn.“ Jocelyn ignorierte das, umarmte ihren Großvater und winkte der Gruppe zu. „Ich nehme Verbindung mit euch auf, wenn ich etwas Neues weiß.“

Sie schloss die Tür und lehnte sich seufzend dagegen. Sie hatte sich auf eine schwierige Sache eingelassen, aber sie würde ihr Bestes tun.

Ein romantisches Thema für den Valentinstag war ausgezeichnet für das Projekt. Aber es war ziemlich schwierig für eine Frau, die nicht an Romantik glaubte. Jocelyn glaubte an Liebe: Liebe zur Familie, Liebe zu Freunden. Und an die barmherzige Liebe, mit der Menschen sich um Fremde kümmerten und ihnen halfen – die Art von Liebe, aus der dieses Projekt entstand.

Jocelyn ging zum Fenster und schaute auf den Fluss hinab. Ihr Büro lag in der zweiten Etage. Eine einsame Seemöwe flog ein Stück flussabwärts. Sie wurde vom Wind und Regen hinabgedrückt, schien aber entschlossen, sich in dieser einsamen, schwierigen Lage zu behaupten. Jocelyn spürte ein starkes Gefühl der Zusammengehörigkeit mit ihr.

„Ist das nicht zu viel Oregano?“ Rob Donnelly sah über die Schulter seines Cousins in den Topf mit duftender Suppe auf dem Herd. Er langte nach einem Löffel und tauchte ihn hinein.

„Hey!“ Griffin Donnelly balancierte den Löffel an den Topfrand und schob die Kochmütze nach hinten. „Du hast die geschäftlichen Aufgaben übernommen. Die Küche ist mein Bereich.“

Die Minestrone war stark und delikat. Rob grinste Griff an. „Sie ist köstlich. Meine untertänigste Entschuldigung!“

Griff schob ihn zurück, sodass er eine große silberne Schüssel mit einer grünen, cremigen Mischung erreichen konnte. Der Duft nach Pfefferminzcreme stieg auf.

„Deine ‚Grashüpferpastete‘ ist ein Hit.“

Mit einem Spatel gab Griff die hellgrüne Creme in die Pasteten­pfannen. Er tat dies mit solcher Genauigkeit, dass dekorative Kringel in der Mitte entstanden.

„Vergiss nicht, dass diese Frau kommt, um mit dir zu sprechen.“

„Richtig.“ Rob sah auf seine Uhr, nahm dann das graue Nadel­streifenjackett, das zu seiner Weste und der Hose passte, von der Stuhllehne und schlüpfte hinein. „Ich muss wieder alles allein machen.“

Griff verteilte Schokoladenkringel auf den Pasteten. „Irgendetwas von der Gemeinde für alte Leute. Sie möchten den Innenhof der Einkaufspassage für einen Bazar haben.“

„Siehst du darin irgendwelche Probleme?“

„Nicht, solange du die alten Damen von meiner Küche fernhältst.“

Rob lachte und ging auf die Doppeltür zu, die die Küche vom Restaurant trennte. „Wie sieht sie aus?“

Griff sah ihn über die Kühlschranktür hinweg an. „Typ Prinz Eisenherz“, erwiderte er.

Stöhnend machte Rob einen Schritt zurück in die Küche. „Hat sie ein Schwert?“

Griff grinste. „Sie hat denselben Friseur.“

„Aha.“ Rob ging ins Restaurant hinaus. Seine Augen streiften die zum Dinner gedeckten Tische, die Kerzen, die sich in der Glaswand, die auf den Fluss hinausging, widerspiegelten, ein paar erste Dinnergäste, die sich ruhig unterhielten, die wolkenreiche Dämmerung und die hellen Lichter der Kanalbojen.

Die Atmosphäre im Old-Cannery-Restaurant war von gemütlicher Eleganz, und das Essen war hervorragend. Nach zwei kurzen Monaten im Geschäft erfreuten sie sich regelmäßiger Kundschaft, buchten große Banketts, und verschiedene Clubs hatten ihre monatlichen Mittagessen ins Old Cannery verlegt. So weit, so gut.

„Mr Donnelly?“

Eine kleine Blonde in einem dunklen Wollanzug trat hinter der Registrierkasse hervor und überreichte ihm eine Visitenkarte. „Sie sagt, sie hat eine Verabredung, um mit Ihnen über das Seniorencenter-Projekt zu sprechen.“

Rob sah auf die Karte hinab. „Jocelyn Foley“, las er. „Leiterin für Entwicklung der Kommunalstruktur. Stoveman Building, Ecke Water Street.“ Prinz Eisenherz war angekommen!

Er steckte die Karte ein. „Danke, Abby. Wo ist sie?“

„Ich habe sie zur Nummer zehn gebracht. Soll ich Kaffee bringen, oder brauchen Sie eine Kellnerin?“

Rob schaute in die entfernte Ecke des Restaurants, wo die Umrisse dieser Frau unmöglich aussahen, abgesehen von ihrem Haar. Sogar aus dieser Entfernung war es klar, dass es sehr rot war.

„Bitte Kaffee.“

Jocelyn beobachtete den Mann, der mit männlicher Eleganz auf sie zukam. Nein, dachte sie, oh nein!

Sie mochte Männer. Zumindest, soweit es das Geschäftliche betraf. In der Regel waren sie geradeheraus, logisch und erfreulich erfolgreich. Aber gut aussehende Männer waren anders. Sie machten sie nervös. Jedes Mal, wenn ein gut aussehender Mann ihren Weg kreuzte, fühlte sie sich, als ob ein Zeichen auf ihrer Stirn erschien, das in zentimetergroßen Neonbuchstaben deutlich machte: „Meine Schwester ist schöner als ich.“ Es war dumm. Sie wusste es, aber sie war machtlos und konnte nichts dagegen tun.

Energisch nahm sie sich zusammen. Sie war eine Frau, betraut mit einer Mission, die wichtig und wertvoll war.

Sie stand auf und bot ihm die Hand. „Ich weiß Ihr Entgegenkommen zu schätzen, Mr Donnelly. Ich bin Jocelyn Foley.“

Rob lächelte und schüttelte ihre Hand.

Er kam aus Los Angeles und hatte geglaubt, er hätte alles gesehen, was Kleider auszudrücken vermögen. Aber niemals hatte er eine so klare Botschaft empfangen. „Schau mich nicht an“, schrie sie ihm zu. Dieser sackartige Pullover über dem glatten Shirt zum langen Jeansrock, der formlos bis fast zu ihren Knöcheln herabhing! Als sie aufstand, um ihn zu begrüßen, hatte er einen kurzen Blick auf braune Sandalen über Socken geworfen.

Dann schaute er in ihre dunkelblauen Augen und war wehrlos. Sie war nervös und unsicher, sogar ein bisschen erschrocken.

Für einen Moment verunsicherte ihn das. Für gewöhnlich machte er nicht diesen Eindruck auf Menschen. Als Mann hatte er sich angewöhnt, prüfend und interessiert in die Augen einer Frau zu schauen. Als Restaurantbesitzer hatte er die Fähigkeit erworben, die Leute einzuschätzen und sich eine Meinung über sie zu bilden.

Er langte um sie herum, um ihr die Stuhllehne zu halten. „Es ist mir ein Vergnügen, Miss Foley. Bitte, setzen Sie sich.“

Abby erschien, stellte die Kaffeekanne mitten auf den Tisch und verließ sie wieder.

„Ich habe es so verstanden, dass Sie ein Projekt planen“, sagte Rob, „für das Sie den Innenhof des Old Cannery benötigen.“

„Ja.“ Große blaue Augen sahen ihn unsicher an. „Vor zwei Jahren erbten unsere Senioren ein Warenhaus, wo sie sich treffen zum Kartenspielen, Basteln, Fernsehen, was immer sie wollen. Für manchen von ihnen ist das der einzige Kontakt, den sie mit anderen haben. Unglücklicherweise ist das Dach undicht, und die Vorderfront wurde kurz vor Weihnachten so schadhaft, dass sie es nicht mehr benutzen können. Und die Reparaturkosten sind viel zu hoch. Ich versuche, ein umfassendes Gemeindeprogramm zu koordinieren. Und ein Bazar ist immer eine runde, sichere Sache. Außerdem kann man die Senioren mit einbeziehen. Wir möchten wissen, ob der Bazar in Ihrem Innenhof stattfinden kann.“

Er trank von seinem Kaffee. „Wird so was sonst nicht in kirchlichen Einrichtungen oder in der Schulaula abgehalten?“

„In unserem Fall wäre es die Stadthalle. Aber sie ist so dunkel und liegt so abseits. Seit wir beschlossen, ein romantisches Valentinstag-Thema zugrunde zu legen … Wir … wir dachten, es würde besser zu unserem Thema passen. Hier ist es so rustikal und gemütlich, und das würde genau für unser Vorhaben passen.“

„Was würden Sie machen?“, fragte er.

„Ungefähr ein Dutzend Tische aufstellen“, erwiderte sie und sah ihm errötend ins Gesicht. „Wenn Sie uns ein paar Girlanden und Herzen und Blumen aufhängen lassen, würde das wunderbar sein. Aber wir könnten auch darauf verzichten. Der Betrieb in der Einkaufspassage würde uns helfen, und ich glaube, auch Sie hätten Ihren Vorteil davon.“

Rob nickte. „Ich denke, wir könnten da etwas planen. Die Idee finde ich gut. Aber ich möchte erst mit den Mietern der Läden in der Passage sprechen.“

„Fabelhaft!“ Jocelyn entspannte sich etwas. „Wir übernehmen die Versicherung für solche Projekte“, fuhr sie fort, „damit brauchen Sie sich nicht zu belasten.“

„Miss Foley“, sagte Rob und schob seine Tasse beiseite, als er sich zu ihr vorbeugte. „Warum haben Sie Angst vor mir?“

„Ich habe keine Angst“, erwiderte sie. „Ich bin – ich bin nur etwas nervös.“

„Warum?“

„Sie sind aus Los Angeles“, sagte sie als Entschuldigung.

„Macht mich das zum Nachtgespenst oder so etwas?“

Sie schüttelte den Kopf und erkannte, wie unmöglich ihre Entschuldigung war. „Ich hatte erwartet, dass Sie sehr großstädtisch und herablassend sein würden“, sagte sie entschuldigend. „Und dieses Projekt ist für viele Menschen wichtig. Sie zählen auf mich, dass ich es schaffe. Ich fürchtete, dass Sie das Projekt verspotten.“

Seine Augen waren dunkel. Im Augenblick sahen sie aus, als sei er nicht sicher, ob er ihr glauben sollte oder nicht. Dann lächelte er und lehnte sich in seinem Stuhl zurück. „Wenn die anderen Ladenbesitzer in der Passage zustimmen, gehört der Innenhof Ihnen. Nun, schämen Sie sich nicht, mich falsch eingeschätzt zu haben?“

Zerknirscht nickte sie. „Sehr.“

„Haben Sie ein Datum für den Bazar festgesetzt?“

Einen Augenblick lang senkte sie die Wimpern. Dann sah sie ihn mit kühlem, geschäftsmäßigem Lächeln an. „Der Valentinstag, am 14. Februar.“ Sie stand auf und bot ihm wieder die Hand. „Vielen Dank, Mr Donnelly. Salty Harbor ist glücklich, Sie hier zu haben.“

Rob stand auf und nahm ihre Hand. Sie fühlte sich klein und sehr kalt an. „Wir sind glücklich, Ihnen helfen zu können, Miss Foley. Ich werde Sie anrufen, sobald ich mit meinen Pächtern gesprochen habe.“

„Vielen Dank. Ich warte, bis ich von Ihnen höre. Gute Nacht.“

Rob beobachtete sie, als sie mit den schweren, farblosen Kleidern, die um sie schwangen, durch das Restaurant eilte. Er stand an der Küchentür und warf ihr noch einen letzten Blick zu, bevor sie in der Fußgängerzone verschwand.

Griff erschien auf der anderen Seite der Schwingtür und folgte Robs Blick. „Wem schaust du nach?“, fragte er.

„Prinzessin Eisenherz“, erwiderte Rob abwesend.

2. KAPITEL

„Hast du in den letzten Tagen mit Charlie gesprochen? Ich habe sie gestern angerufen, um …“

„Brumm-brumm!“ Ein vierjähriges Mädchen rollte mit flatternden schwarzen Zöpfen auf Rollschuhen durch die Küche, am Küchentisch vorbei zur Hintertür.

Jocelyns ältere Schwester, Phyllis, hörte mitten im Satz auf und fing das Mädchen mit beiden Armen auf. „Lindsay Marie, ich sage dir zum letzten Mal, dass du die Rollschuhe ausziehen oder nach draußen in den Hof gehen sollst. Noch einmal, und du gehst sofort ins Bett!“

Phyllis, etwas größer als Jocelyn, sah so schön aus wie eine nordische Göttin.

„Mami!“ Lindsay kletterte auf Phyllis’ Schoß und nahm ihr Gesicht in beide Hände. „Ich weiß, dass du mich liebst.“

Ich weiß, dass du mich liebst! Als Lindsay mit ihrer hohen Kinderstimme diese Worte aussprach und sie mit einem Blick der graugrünen Augen unterstrich, die sie von ihrem Vater geerbt hatte, vergaß Jocelyn Zeit und Ort. Es war Mitternacht vor sechs Jahren. Sie saß auf dem Beifahrersitz von Jeffreys Auto, das an der Küste über der Bucht geparkt war. Sie hatten sich am Gemeinde-College für Sekretärinnen getroffen, wo sie an einem Kursus teilnahm und er Englisch lehrte.

Jocelyn erinnerte sich noch genau, wie überrascht und alarmiert sie war, als er ruhig zu sprechen begonnen hatte. „Ich weiß, dass du mich liebst. Oder du glaubst, mich zu lieben.“ Tapfer hatte er ihr in die Augen gesehen. „Aber ich glaube … ich habe mich in Phyl verliebt.“

Phyllis arbeitete als Verkäuferin bei Salty-Harbor-Moden, hin und wieder auch für die Theatergruppe am College, zu dem Jeffrey gehörte. Sie hatte für eine Aufführung mit ihm gearbeitet. Mehr nicht.

„Sei nicht böse mit ihr“, hatte er hastig gebeten. „Ich habe ihr noch nicht gesagt, was ich für sie empfinde.“ Er hatte seinen Arm um Jocelyn gelegt und sie an sich gezogen. „Ich liebe dich wie einen Kumpel, Joss, aber was ich für sie empfinde, raubt mir den Appetit und meinen Schlaf und macht mich völlig fertig.“

Wann immer Jocelyn sich schlecht fühlte, erinnerte sie sich an diesen Augenblick und spürte irgendetwas wie Rechtfertigung. Dass sie ihn endlich freigegeben und ihm alles Gute gewünscht hatte, war ein Teil ihrer Verbundenheit mit ihm und ein Teil der Liebe zu ihrer älteren Schwester gewesen.

Der Schmerz hatte Zeit gebraucht, um zu verheilen, und er hatte sie völlig überrannt, als Jocelyn lächelnd die Brautjungfer für Phyllis spielen musste. Als ihre Mutter die Neuigkeiten gehört hatte, hatte sie Jocelyn in ein elegantes Restaurant am Cannon Beach mitgenommen. Sie hatte ihre Hand über den Tisch hinweg gestreichelt und gesagt: „Ich bin so stolz auf dich. Es gibt nicht viele Frauen, die mit dieser Art von …“ Sie hatte nach dem richtigen Wort gesucht, und Jocelyn hatte geduldig gewartet. „Enttäuschung“ war das Wort, das sie endlich gefunden hatte. Jocelyn hatte es nicht passend gefunden, aber weniger schmerzlich als die anderen Worte, an die sie sich erinnerte. „… und fortzufahren, eine liebevolle Schwester und eine gute Freundin zu sein. Das ist es, was so besonders an dir ist, Jossie. Charlie hat den Liebreiz, Phyl die Schönheit. Aber du hast viel Herz mitbekommen und den Verstand. Dein Vater und ich sind stolz auf dich.“

„… der kleine Satan weiß jede Situation auszunutzen“, sagte Phyllis, als das Zuschlagen der Küchentür Jocelyn in die Gegenwart zurückbrachte. „Genau wie ihr Vater. Möchtest du noch Tee?“

Jocelyn starrte ihre Schwester an und sah, wie ihr Gesichtsausdruck Unsicherheit auszudrücken begann.

„Bist du okay?“, fragte Phyllis.

„Natürlich bin ich das. Warum sollte ich nicht?“

Phyllis goss Tee aus einer großen braunen Kanne in ihre Tasse. „Weiß ich nicht. Ich hatte das Gefühl, dass du einen Moment lang ganz woanders warst. Komm, gib mir Robin. Sie wird gern eine Weile im Laufstall bleiben.“

Jocelyn wartete, während Phyllis das Baby in den Laufstall setzte, der in der Nähe des Tisches stand. „Du wolltest mir etwas über Charlie mitteilen“, sagte sie, als Phyllis sich wieder setzte.

„Richtig.“ Phyllis beugte sich zu Jocelyn und sprach mit leiser Stimme: „Ich glaube, irgendetwas stimmt nicht“, sagte sie.

„Was?“, fragte Jocelyn und richtete sich in ihrem Stuhl auf. Phyllis schüttelte den Kopf. „Sie hat es nicht gesagt, und ich habe nicht gefragt.“

Jocelyn verdrehte die Augen. „Fabelhafte Art, etwas herauszufinden. Glaubst du, irgendetwas mit ihrer Schwangerschaft stimmt nicht?“

„Nein. Sie sieht ein bisschen blass und müde aus. Aber du kennst Charlie. Das platinblonde Haar und die Haut wie Porzellan. Das lässt sie aussehen, als würde sie zusammenbrechen.“

Jocelyns Schwestern hatten die blonde Eleganz ihrer Mutter mitbekommen. Jocelyn kam nach ihrem rothaarigen, stattlichen Vater.

Phyllis fuhr fort: „Sie sieht genauso aus wie … ich weiß nicht … abwesend, finde ich. Wir hatten uns getroffen, um nach Baby­möbeln zu sehen. Und sie hätte kaum weniger interessiert sein können. Erinnerst du dich daran, wie wir beide meine Möbel gekauft hatten?“

Jocelyn musste lachen. „Du hättest die Wiege gleich mitgenommen, wenn ich nicht gedroht hätte, dich dazulassen, damit du heimlaufen musstest. Und nachdem du zweitausend Dollar ausgegeben hattest …“

„Schon gut!“ Phyllis winkte ihrer Schwester, zu schweigen. „Es war eine rhetorische Frage.“ Sie wurde wieder ernst. „Der Punkt ist, dass sie sich im Augenblick an nichts freuen kann. Ihr erstes Baby wird in weniger als einem Monat da sein. Aber ihre Gedanken sind irgendwo anders. Das ist nicht normal.“

Jocelyn wollte die möglichen anderen Gründe für die Gleichgültigkeit ihrer Schwester nicht erfahren, aber Phyllis war weniger zurückhaltend. „Ich frage mich, ob sie und Chris Probleme haben“, sagte sie mit gedankenvollem Stirnrunzeln. „Er ist ein Schatz – aber seine Art, diese Unbekümmertheit kann dich ganz schön nerven.“

„Er ist jetzt über ein Jahr bei Gibson & Dunn.“ Jocelyn trank von ihrem Tee. „Er hat es ausgebaut. Er betet Charlie an. Er würde nichts tun, was sie verletzen würde.“

„Nicht absichtlich, nein.“ Phyllis knabberte an einem Stück Kuchen. „Aber du weißt, wie Männer sind.“

Jocelyn wusste es nicht – wenigstens nicht in allen Einzelheiten. Nach Jeff hatte es keinen mehr gegeben.

„Nun, ich sollte mich nicht darum kümmern“, fuhr Phyllis fort. „Vielleicht ruft sie dich an und erzählt es dir. Dann kannst du mich beruhigen.“

„Sie hat dich immer bewundert“, sagte Jocelyn taktvoll. „Sie will dir nicht eingestehen, dass sie Probleme hat. Es ist leichter, mit mir zu sprechen. Ich gehe immer auf alles ein, und ich habe andere Ansichten als du.“

„Du hast Ansichten“, sagte Phyllis. Und dann, mit schwesterlicher Verbundenheit, fuhr sie fort: „Du hast noch nicht mal etwas Stil.“ Jocelyn antwortete mit freundlicher Ironie. „Danke, Phyl.“

Phyllis wies jedes Schuldgefühl von sich. „Weil du ohne ein Gefühl für Mode geboren bist! Ich habe das noch nie gesagt. Das da …“ Sie zeigte auf Jocelyns Rollkragenpullover, der formlos alles versteckte. Sie war nicht in der Lage, das Wort zu finden, das ihn beschreiben konnte. „… hast du ausgewählt. Mein Kommentar wäre brutal.“

„Ich habe mich immer so angezogen, wie ich wollte.“

„Dein Geschmack war immer schon ein bisschen merkwürdig. Aber jetzt kleidest du dich nicht deshalb so, weil du es willst, sondern um andere Leute abzuschrecken. Und das ist ein Grund, dich zu kritisieren.“

„Nun, schau …“ Jocelyn schob die Tasse fort und machte Anstalten aufzustehen. Aber Phyllis hielt ihre Hand fest.

„Bleib genau da, wo du bist, Jossie“, sagte sie lächelnd. „Oder ich werde Lindsay mit dir heimschicken. Hast du von Mom und Dad gehört, was es Neues auf Coronado Island gibt?“

Das war Phyllis, dachte Jocelyn, als sie sich zwang, sich zu entspannen und den Bericht des letzten Telefongesprächs mit ihren Eltern anzuhören. Es erfüllte Jocelyn mit einem Gefühl leiser Schadenfreude, dass Jeff ihre Schwester verdient hatte.

Rob trug alte Jeans und ein neues Unterhemd, als er das verrottete Brett mit einem Brecheisen löste. Er kämpfte mit einem uralten Nagel, der darin festsaß. Der Nagel gab so plötzlich nach, dass Rob hinfiel.

Griff sank neben seinem Cousin in die Knie. In einer Hand hatte er ein Glas Wein und in der anderen ein Brett mit einer neuen Fuge. Er prostete ihm zu. „So sehe ich dich gern – flach auf deinem Hinterteil.“ Rob drehte sich auf die Knie und nahm ihm das Brett ab. „Bleib stecken“, sagte er, als er es in das lange, rechteckige Loch an der vorderen Veranda einpasste.

Der Regen fiel wie ein Sturzbach über den mit Gras bewachsenen Abhang hinunter in eine stille kleine Bucht. Griff sah Rob ruhig und nachdenklich an.

„Sandy war selbstsüchtig und dumm“, sagte er. „Und es war richtig, dass du dich von ihr getrennt hast.“

Rob hämmerte auf den Nagel. „Nun, selbstsüchtig schon. Aber du kannst es nicht als dumm bezeichnen, wenn man mit einem pensionierten Filmproduzenten in einem herrschaftlichen Wohnhaus lebt.“ Er nahm einen neuen Nagel.

Autor

Muriel Jensen

So lange Muriel Jensen zurückdenken kann, wollte sie nie etwas andere als Autorin sein. Sie wuchs in einer Industriestadt im Südosten von Massachusetts auf und hat die Menschen dort als sehr liebevoll und aufmerksam empfunden. Noch heute verwendet sie in ihren Romances Charaktere, die sie an Bekannte von damals erinnern....

Mehr erfahren