Nur eine einzige Nacht der Leidenschaft?

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Heiraten? Eine eigene Familie? Nichts für Christos Drakakis! Der Liebe hat der erfolgreiche Scheidungsanwalt längst abgeschworen. Doch um sein Erbe zu erhalten, muss er seinem Großvater eine Ehefrau präsentieren. Eine Scheinehe mit seiner Assistentin ist die Lösung in der Not. Wenn Alexis nur nicht so ungeahnt sexy wäre! Als er mit ihr nach Griechenland reist, um vor seiner Familie das verliebte Paar zu spielen, kann er ihren sinnlichen Reizen nicht lange widerstehen. Ohne an morgen zu denken, verführt er sie zu einer Nacht der Leidenschaft …


  • Erscheinungstag 30.11.2021
  • Bandnummer 2521
  • ISBN / Artikelnummer 9783751507141
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Christos Drakakis musste an ein altes Sprichwort denken. Der Lauscher an der Wand hört seine eigene Schand. Aber er lauschte schließlich nicht mit Absicht. Die beiden aneinandergrenzenden Konferenzräume waren leer gewesen, als er in einem von ihnen vor fünf Minuten Zuflucht gesucht hatte, voller Frustration und Enttäuschung – Gefühle, die ihn in letzter Zeit immer öfter überkamen.

„Wir können wohl davon ausgehen, dass hier Alarmstufe Rot herrscht.“

„Ich hatte eigentlich eher an einen atomaren Supergau gedacht. Aber dann habe ich seinen Gesichtsausdruck gesehen und wusste, es ist noch viel, viel schlimmer. Ich habe gehört, es ist drei Jahre her, dass er das letzte Mal einen Fall verloren hat. Damals war ich noch nicht hier, aber es sollen einige Köpfe gerollt sein.“

Der Sprecher klang nervös.

Gary Willis, einer von Christos’ Juniorpartnern, tat verdammt gut daran, sich ebenso mies zu fühlen, wie er selbst es tat. Deshalb hatte er sich auch in das verwaiste Konferenzzimmer zurückgezogen, anstatt direkt in sein Büro Dutzende Etagen weiter oben zu gehen.

Die meisten Anwälte, egal wie renommiert sie waren, konnten damit leben, im Laufe ihrer Karriere auch einmal einen Fall zu verlieren. Und gerade Scheidungsanwälte waren in gewissen Fällen bereit, Kompromisse einzugehen.

Christos jedoch nicht.

Er nahm nie ein Mandat an, ohne vorher genau zu überlegen, wie der Fall zu gewinnen war. Als er das erste Mal verloren hatte, war er so entsetzt gewesen, dass er sich geschworen hatte, niemals auch nur ein Detail unbeachtet zu lassen. Das zweite Mal hatte er nur verloren, weil sein Mandant ein krankhafter Lügner gewesen war, der sich nicht einmal zur Wahrheit hatte durchringen können, als es darum ging, den eigenen Scheidungsprozess zu gewinnen.

Dabei lag es außerhalb Christos’ Kontrolle, dass er heute verloren hatte. Er hatte vorher jedes mögliche Szenario durchgespielt, jede Information sorgfältig recherchieren lassen und jede Schwachstelle der gegnerischen Seite identifiziert. Alles hätte nach seinen Vorstellungen laufen müssen, und doch stand er jetzt ungläubig hier. Er musste erkennen, dass er seiner Vergangenheit nicht entfliehen konnte, und auch wenn es sein Freund Kyrios war, der vor Gericht unterlegen war, so war es Christos, für den seine dritte Niederlage in fünf Jahren eine emotionale Katastrophe bedeutete.

„Bist du sicher, es ist der Prozess, der Drakakis so zu schaffen macht? Wir arbeiten erst seit drei Wochen an dem Fall, aber er läuft seit zwei Monaten wie ein Zombie herum.“

Auch wenn ein zynisches Lächeln um seine Mundwinkel zuckte, spürte Christos ein schmerzhaftes Ziehen in der Magengegend.

Zombie. Ein passender Vergleich. So war er seit diesem Vorfall. Und die immer lauter werdenden Forderungen seines Großvaters trugen nicht eben dazu bei, seine Ruhelosigkeit zu vertreiben. Tatsache war, dass sein Leben nicht in den Bahnen verlief, in denen er es gerne gehabt hätte.

„Ist denn irgendetwas passiert?“, fragte Ben Smith, ebenfalls Teilhaber der Kanzlei.

„Keine Ahnung.“

Ja, es ist etwas passiert. Ein Moment der Schwäche mit seiner Persönlichen Assistentin, der sich hartnäckig in seinem Gedächtnis eingenistet hatte und sich weigerte, wieder zu verschwinden.

Ein spätes Dinner zusammen mit seiner Assistentin und einem ungewöhnlichen Ehepaar, das sich entschieden hatte, sich einvernehmlich scheiden zu lassen. Danach ein paar Drinks in seinem Privatclub.

Nichts davon außergewöhnlich.

Doch am Ende des Abend hatte er eine grundlegenden Regel gebrochen. Er hatte eine Linie übertreten, die er selber gezogen hatte.

Dichtes, seidiges Haar zwischen seinen Fingern. Volle, hungrige Lippen an seinen. Seine Hände, mit denen er gierig ihren kurvenreichen Körper erforschte. Ihr atemloses, lustvolles Stöhnen, das ihn bis in seine Träume verfolgte …

Sofort spürte er Erregung in sich aufsteigen. Er biss die Zähne zusammen und versuchte, die Bilder aus seinem Kopf zu verbannen, doch genau in diesem Moment begann sich das Gespräch seiner Mitarbeiter um das Objekt seiner Begierde zu drehen.

„Man sollte Alexis Sutton heilig sprechen dafür, wie sie mit ihm umgeht. Ich habe noch nie gesehen, dass sie sich in seiner Nähe aus der Ruhe hat bringen lassen.“

Außer in jener Nacht vor zwei Monaten. Damals war seine üblicherweise fast schon stoische Assistentin alles andere als unerschütterlich gewesen. Und zwar auf eine so reizvolle Weise, dass sie seine Fantasie bis zum heutigen Tage anheizte.

Er hatte der Versuchung nachgegeben und war nun nicht mehr in der Lage, die Erinnerungen an den Abend aus dem Kopf zu bekommen. Ein Problem, das Alexis anscheinend nicht hatte.

Und obgleich er froh darüber war, dass ihr Abkommen nichts von seiner Gültigkeit verloren zu haben schien und von irgendwelchen amourösen Anwandlungen unbeeinträchtigt bleiben würde, beunruhigte es ihn, dass er sich anscheinend nicht freimachen konnte von der Verlockung, die Alexis darstellte. Er konnte sie noch immer schmecken. Ihre samtige weiche Haut ließ seine Hände erzittern, sobald sie in seiner Nähe war.

Noch immer echote die Stimme in seinem Kopf, mit der sie stöhnend seinen Namen gerufen hatte, während er sie auf dem Sofa an sich gezogen hatte.

Christos war klar, dass seine Unfähigkeit, diese Minuten zu vergessen, zu seiner schlechten Laune in letzter Zeit beigetragen hatte. Aber war sie auch der Grund dafür, dass er diesen Fall verloren hatte? Nein! Er weigerte sich, das zu glauben.

Vielmehr lag es an seinem Großvater und dessen irrationalen Forderungen, die er seit beinahe zwei Jahren stellte.

„Ich habe vorsichtshalber meine Frau angerufen und ihr gesagt, dass ich vermutlich kaum vor Mitternacht zu Hause sein werde.“

Willis’ Worte rissen Christos in die Gegenwart zurück.

„Ach komm, das ist doch lächerlich. Das Donnerwetter wird erst morgen über uns hereinbrechen. Ich habe eine Verabredung mit einer Kollegin in der neuen Bar gegenüber. Meine Sekretärin hat sechs Anläufe gebraucht, um eine Reservierung zu ergattern. Ich sage ganz bestimmt nicht ab.“

Willis stieß niedergeschlagen den Atem aus. „Das würde ich an deiner Stelle vermutlich auch nicht tun.“

Es reicht.

Christos stieß die Flügeltür auf und trat in den angrenzenden Konferenzraum. Ungerührt beobachtete er, wie die Gesichter seiner Mitarbeiter die Farbe wechselten.

„Willis, schicken Sie Ihrer Frau einen Strauß mit ihren Lieblingsblumen auf Kosten der Kanzlei und richten Sie ihr aus, wie leid es mir tut, dass sie Sie die ganze Woche nicht mehr sehen wird. Und Sie, Smith, können Ihre Verabredung auf eigene Kosten absagen. Auch Sie werden in den nächsten Tagen nicht mehr an die frische Luft kommen. Die Fälle, an denen Sie beide gerade arbeiten, werde ich an Ihre Kollegen delegieren. Von Ihnen beiden erwarte ich bis morgen früh einen vorläufigen Bericht darüber, wie dieser Fall, der vor achtundvierzig Stunden noch wasserdicht zu sein schien, uns so um die Ohren fliegen konnte. Ich will wissen, wie uns ein uneheliches Kind einfach so entgehen konnte. Ist das klar?“

Die beiden Männer nickten eingeschüchtert. „Natürlich, Sir“, antwortete Smith.

„Wir machen uns sofort an die Arbeit“, fügte Willis hinzu.

Christos wandte sich zum Gehen.

„Sir?“

Er blieb stehen und zog die Augenbrauen hoch.

„Ähm … das, was wir eben gesagt haben …“

„Sie hatten recht. Ich verliere nicht gerne. Und ja, auch dieses Mal werden Köpfe rollen. Sie haben genau eine Chance dafür zu sorgen, dass es nicht Ihre sind. Nutzen Sie sie. Und für die Zukunft empfehle ich, dass Sie sicherstellen, wirklich alleine zu sein, bevor Sie über andere reden.“

Als er ging, ignorierte Christos das Summen des Telefons in seiner Jackentasche.

Nachdem die Nachricht der Niederlage vor Gericht die Runde gemacht hatte, würde es niemand wagen, ihn auch nur zu grüßen. Christos Drakakis hatte den Ruf, ein Einzelgänger zu sein, der niemanden an sich heranließ. Was ihn nicht störte. Immerhin hatte genau dieser Ruf dafür gesorgt, dass er bereits mit sechsundzwanzig Jahren ein angesehener Anwalt für Scheidungsrecht gewesen war und anschließend eine der erfolgreichsten Kanzleien der Welt gegründet hatte.

Die Türen des Aufzugs öffneten sich lautlos.

Im letzten Moment entschied er sich, in sein Penthouse statt ins Büro zu fahren, und drückte den entsprechenden Knopf. Erst dann zückte er sein Telefon, jedoch nicht, um die panischen Nachrichten seines Mandanten zu beantworten. Das würde er später tun, wenn er Gewissheit hatte, was genau falsch gelaufen war.

Stattdessen sandte er eine knappe Nachricht an seine Assistentin, die Frau, die in seinem Kopf viel zu viel Platz einnahm.

Ihre Antwort war ebenso kurz. Und wie erwartet erschien Alexis Sutton nur fünf Minuten später an der Tür zu seinem Penthouse.

„Espresso oder Macallan?“ Sie hielt ihm beides hin, als er ihr öffnete.

Christos stand mit zu Fäusten geballten Händen vor ihr. „Wenn ich einen Drink möchte, mache ich mir einen. Hast du die Liste dabei?“ Seine Gereiztheit war nicht zu überhören, doch Alexis blinzelte nicht einmal.

Christos wusste, dass es nicht leicht war, mit ihm zu arbeiten. Die Fähigkeit seiner Assistentin, stets die Ruhe zu bewahren, war der Grund, warum sie schon so lange für ihn arbeitete. Und sie war der Grund für den Vorschlag, den er ihr vor einem Jahr gemacht hatte, als sich die zuvor subtilen Anspielungen seines Großvaters in veritable Drohungen verwandelt hatten.

„Ich werde nicht ewig leben, Christos. Beweise mir, dass du es verdienst, Drakonisos zu erben, oder ich treffe andere Vorkehrungen.“

Und so hatte Christos einen Plan ersonnen, der zehn Monate lang reibungslos funktioniert hatte.

Bis ein ungewöhnlich angenehmes Abendessen mit zwei Mandanten und ein Nachttrunk mit seiner Assistentin ihn hatten unvorsichtig werden lassen. Damals hatte er, obwohl es sein fester Vorsatz gewesen war, es niemals so weit kommen zu lassen, die Grenze zwischen Privatleben und Beruf ignoriert.

„Habe ich“, antwortete Alexis mit dieser unglaublich nuancierten Stimme, die Christos in den vergangenen Wochen zu analysieren versucht hatte. Manchmal kühl, manchmal scharf. Immer intelligent. Und immer auf eine Weise rauchig, dass er sich vorstellte, wie sie lustvoll seinen Namen stöhnte. Noch einmal. „Trotzdem finde ich, du solltest etwas trinken. Seit heute Morgen hattest du keine Koffeindosis mehr, und der Whisky wird dich beruhigen. Danach gebe ich dir genau fünf Minuten, dich in deinem Leid zu suhlen. Und dann reden wir über den Fall.“

Christos trat einen Schritt auf sie zu. Er biss die Zähne so fest zusammen, dass ihm die Kiefer wehtaten. Sosehr er ihre vernünftige Art auch schätzte, bewegte sie sich dieses Mal am Rand des Ungehorsams. „Was denkst du, mit wem du hier redest?“

Sie hob den Kopf und begegnete unbeeindruckt seinem Blick. Ihre Augen waren schokoladenbraun mit goldenen Einsprengseln. Sie antwortete ihm nicht sofort, was ihm die unerbetene Gelegenheit gab, ihr seidenes kastanienbraunes Haar zu bewundern, den glänzenden Lipgloss, die kleine pochende Ader an ihrem Hals und den blumigen Duft ihres Lieblingsparfums.

Er hatte ihre schmale Taille berührt, wusste, dass er sie spielend mit beiden Händen umfassen konnte …

„Ich rede mit dem großen Christos Drakakis, dem berühmten Anwalt, vor dem Gegner und Richter gleichermaßen erzittern.“

„Dann weißt du auch, dass ich heute nicht in der Stimmung bin, in der man sich mit mir anlegen sollte.“

„Ja. Und ich weiß, du möchtest, dass jemand bezahlt für das, was passiert ist. Deshalb ja auch die Liste. Und du bist in der Stimmung für eines deiner Alexis-auf-die-Probe-stellen-Spiele, aber dazu habe ich keine Lust. So. Jetzt, da das geklärt wäre, was darf es sein?“ Sie hielt die Espressotasse und das Whiskyglas höher, bis ihm der Geruch von frisch gemahlenen Kaffeebohnen und einem gut gealterten Singlemalt in die Nase stieg. „Der eine wird kalt, und in dem anderen schmilzt das Eis.“

Ihre kleine Ansprache hatte ihn ebenso geärgert wie beruhigt. „Weder noch. Die Liste bitte.“

Sie ließ die Arme sinken und sah ihn kurz resigniert an. „Ich habe sie dir schon als Datei geschickt. Außerdem habe ich unten einige Akten für dich vorbereitet.“ Sie drehte sich auf ihren teuren High-Heels um und machte sich auf den Weg ins Wohnzimmer. Der Bleistiftrock reichte ihr bis zu den Knien, und von der Sittsamkeit ihrer Kleidung hatte er früher auch auf deren Trägerin geschlossen.

Bis er einen Eindruck von der Leidenschaft bekommen hatte, die unter dieser trügerisch nüchternen Aufmachung brodelte.

„Alexis.“ Sein Tonfall war so drohend, dass sie innehielt.

Kurz spannte sie die Schultern an, dann entfernte sie sich mit sanftem Hüftschwung weiter von ihm in Richtung Beistelltisch in der Mitte des Raumes. Er wartete, bis sie sich bückte, um die Getränke abzustellen.

„Halt!“

Sie richtete sich wieder auf, Tasse und Glas noch immer in den Händen. Ihre Blicke verkeilten sich ineinander. Einen Moment später flackerte Unsicherheit in ihren Augen auf, ein Anblick, der ihm absurderweise gefiel.

Langsam ging er auf sie zu, dabei war jeder Schritt ein Kampf darum, die Kontrolle über sich zu behalten. Das fiel ihm seit dem Telefonat mit seinem Großvater gestern Abend immer schwerer.

„Dein Cousin könnte genauso gut das Rennen machen …“

„Ich will ganz offen sein. Wärst du jemand anderes, so hätte ich vermutet, du hättest dich ins Penthouse zurückgezogen, um dich in deiner Niederlage zu suhlen. Aber du bist du. Christos Drakakis.“

„Ja, der bin ich. Und du scheinst genau zu wissen, wie wenig ich Speichellecker mag.“ Als er schließlich vor ihr stand, sah er, wie sie leicht die Lippen schürzte, bevor sie, genau wie er, ihre Verärgerung abschüttelte.

Er nahm ihr die kleine Porzellantasse ab und leerte sie in einem Zug, dasselbe tat er mit dem Whiskyglas.

Das Koffein, gefolgt von der beruhigenden Wirkung des Alkohols, stellte sein inneres Gleichgewicht wieder her. Er öffnete den einzigen Knopf seines maßgeschneiderten Anzugjacketts.

Dann nahm er seine Krawatte ab und warf sie achtlos aufs Sofa. Ohne den Blick von Alexis zu nehmen, öffnete er die obersten drei Knöpfe seines Hemdes. Ihm gefiel der Ausdruck, der dabei über ihr Gesicht huschte.

Trotz der Mauer, die Alexis seit jenem Abend zwischen ihnen errichtet hatte, war sie ihm gegenüber nicht immun. Er genoss, wie ihr Atem schneller zu gehen begann, ihre Augen aufleuchteten, sie einen winzigen Schritt vor ihm zurückwich und vorgab, ein Buch auf dem Beistelltisch in die korrekte Position zu bringen. Es waren dieselben kleinen Tics, die sie schon bald nach ihrer Einstellung vor drei Jahren an den Tag gelegt hatte. Damals hatte er befürchtet, sie würde sie einsetzen, um mit ihm zu flirten, doch dazu war es nie gekommen.

Anfangs hatte Christos beinahe auf diesen unausweichlichen Moment gewartet, an dem Alexis wie ihre drei ach so effizienten und professionellen Vorgängerinnen wenig subtil zu erkennen geben würde, dass sie gerne ein anderes Verhältnis zu ihrem Boss als ein rein berufliches hätte.

Dazu war es nie gekommen, doch er war zunächst skeptisch, dann zunehmend nervös gewesen, denn sie war die fähigste Assistentin, die er je gehabt hatte. Manchmal wusste sie noch vor ihm, was er gerade brauchte. Doch Christos war ein misstrauischer Mensch – seine Kindheitserlebnisse hatten ihm jedes Vertrauen geraubt.

Jetzt beobachtete er, wie ihr Blick kurz über seinen Hals und Oberkörper glitt, bevor sie ihn wieder abwandte. Doch die Lippen, die sie eben noch geschürzt hatte, waren jetzt weicher, ihr Mund leicht geöffnet, während ihr Atem zu schnell ging.

„Ich habe den Espresso und den Whisky getrunken. Wärst du jetzt vielleicht bereit, das zu tun, worum ich dich gebeten habe?“

Sie fuhr sich mit der Zungenspitze über die Unterlippe. Dieser Anblick genügte, um seine Erregung erneut anzufachen. Er wusste, dass er gefährliches Terrain betrat, wenn er ihre Reaktion auf ihn so sehr genoss.

Er wollte Alexis weder als Assistentin verlieren noch das private Arrangement gefährden, das er mit ihr getroffen hatte, um seinen rechtmäßigen Anspruch nicht zu verlieren. Schließlich arbeitete sie schon drei Jahre für ihn, weil sie die Beste war. Doch wenn er den immer massiver werdenden Forderungen seines Großvaters gerecht werden wollte, war es gut zu wissen, dass Alexis doch nicht so kühl und unnahbar war, wie sie sich gab.

„Wenn das beinhaltet, Demitri für dich ans Telefon zu bekommen, gerne. Seit der Urteilsverkündung läuft der Arme Amok. Ich habe ihm versprochen, dass du dich bei ihm meldest. Sagen wir, in fünf Minuten?“

Sie war schon fast an der Tür.

„Drei“, gab Christos zurück. Er war dem Gespräch schon zu lange ausgewichen. Er knöpfte den Anzug wieder zu, legte seine Krawatte um und schob seine Frustration beiseite. „Sorge bitte dafür, dass ich die gesamte Prozessmitschrift auf meinem Schreibtisch habe.“

Sie sah ihn über ihre Schulter hinweg an. „Da liegt sie, seit ich von dem Urteil erfahren habe.“

Die Andeutung eines Lächelns streifte seinen Mund. „Vorsicht, Alexis. Wir wollen schließlich nicht, dass ich auf die Idee komme, du könntest dich um jedes meiner Bedürfnisse kümmern, nicht wahr?“

„Mein Job ist es, mich um jedes deiner beruflichen Bedürfnisse zu kümmern. Wenn meine Fähigkeiten dazu nicht erwünscht sind, sollte ich mich vielleicht nach einem anderen Arbeitgeber umsehen.“

„Soll das eine Drohung sein?“ Falls es so war, ging sie nicht ins Leere.

Vor einem Monat hatte er zufällig eine E-Mail gelesen, in der ein Headhunter Alexis ein stattliches Gehalt mit zahlreichen Sonderleistungen geboten hatte, wenn sie bereit wäre, die Kanzlei zu wechseln. Daraufhin hatte er die Personalabteilung angewiesen, ihr Monatsgehalt um dreißig Prozent zu erhöhen.

Die Angst, dass Alexis trotzdem gehen könnte, nagte dennoch seither an ihm. Es war dieselbe Verunsicherung, die ihn seine gesamte Kindheit über geprägt hatte. Er brauchte Alexis, um sich Drakonisos zu sichern, das ihm mehr als alles andere bedeutete.

„Nein. Es soll nur ein kleiner Hinweis darauf sein, dass wir beide über Optionen verfügen“, antwortete sie.

Er ging zur Tür und hielt sie ihr auf. „Du wirst nirgendwohin wechseln. Ich bin nicht bereit, auf dich zu verzichten. Noch nicht jedenfalls.“

Ein Ausdruck, den er nicht deuten konnte, huschte über ihr Gesicht, dann nickte sie steif. Zusammen gingen sie zum Lift, um ins Büro zu fahren. „Gut zu wissen. Dein Küchenchef hat heute die neue Herbstkarte geschickt, und ich hätte es bedauert, auf sein kulinarisches Geschick verzichten zu müssen.“

„Seinem Ego wird es sicher guttun, wenn er erfährt, dass er der einzige Grund für dich ist, weiterhin für mich zu arbeiten.“ Er drückte den Knopf, um den Aufzug zu rufen, und stellte fest, dass er sich allmählich beruhigt hatte. Er wusste, dass er das allein Alexis zu verdanken hatte.

Er schätzte ihre Unerschütterlichkeit, mit der sie seinem bisweilen heißen griechischen Temperament begegnete.

„Ich habe versucht, seinen Kochkünsten zu widerstehen, aber ich schaffe es einfach nicht. Wegen ihm muss ich jetzt noch öfter ins Fitnessstudio gehen.“

Christos verengte die Augen, als sie vor ihm den Lift betrat. „Warst du deshalb so oft zwischen sechs und sieben abends nicht an deinem Schreibtisch?“

„Ja. Allerdings hatte ich geglaubt, es wäre dir nicht aufgefallen.“

Christos ließ den Blick über ihren schlanken Körper bis zu den High-Heels wandern. „Mir ist sowohl deine Abwesenheit aufgefallen als auch die Tatsache, dass du gar kein Fitnessstudio brauchst.“

Ihre Blicke begegneten sich, und wieder spürte er für den Bruchteil einer Sekunde eine besondere Verbundenheit mit Alexis. „Du gehst doch selber jeden Abend aufs Laufband. Hast du das etwa nötig?“

Dieses Mal lächelte er wirklich. „Touché.“

Sie sah auf seinen Mund und erwiderte sein Lächeln.

Dann öffnete sich die Tür des Aufzugs, und sie gingen in sein Büro. Christos war zurück in seiner wahren Domäne. In dem Reich, das er mit einem festen Ziel vor Augen eigenhändig aufgebaut hatte. Er würde dafür kämpfen, dass Menschen wie sein Vater keine Chance mehr hatten, ihre Bösartigkeit an unschuldigen Opfern, wie er selbst und seine Mutter es gewesen waren, auszuleben.

Bevor er sich seiner jüngsten Niederlage widmen konnte, musste er sich allerdings um die zwei Quadratmeilen große Ägäische Insel kümmern, die ihm während seiner Kindheit der einzig sichere Zufluchtsort gewesen war. Der Ort, der ihn zu dem Mann gemacht hatte, der er heute war. Nur dort hatte er sich damals akzeptiert gefühlt. Vielleicht sogar geliebt? Er tat die Frage mit einem Schulterzucken ab. Genauso wenig wie er darüber nachdenken wollte, warum es ihm so viel bedeutete, Drakonisos in seinen Besitz zu bringen, würde er sich einfach zurücklehnen und zusehen, wie sein Großvater die Insel seinem Cousin überschrieb.

Und genau deshalb musste er über das Arrangement sprechen, das er mit Alexis vereinbart hatte. Eines, das ihn ernsthaft an seiner Zurechnungsfähigkeit zweifeln ließ.

„Alexis …“

„Ja?“ Sie klang wachsam. Innerhalb von Sekunden baute sich zwischen ihnen erneut diese erotische Spannung auf, die in den letzten Tagen so oft aufflackerte, wenn sie in einem Raum waren. „Brauchst du noch etwas?“, hakte sie nach, als er nach den richtigen Worten suchte.

„Ja. Du musst deine Rolle wieder einnehmen.“

Christos beobachtete, wie Alexis erblasste. Dann weiteten sich ihre Augen, und sie wich einen Schritt zurück.

„Aber … Es ist erst Juni. Wir werden doch erst in zwei Monaten wieder in Griechenland erwartet.“ Ihre bebende Stimme verriet, was sie empfand. Dass sie, vermutlich wie er auch, das ganze Thema am liebsten verdrängt hätte, bis es nicht mehr anders ging.

Natürlich ging es nur um eine geschäftliche Abmachung, aber dennoch enttäuschte ihre Reaktion ihn.

Der Deal, den sie gemacht hatten, diente ihnen beiden. Alexis hatte ihre eigenen Bedingungen gestellt, Vorteile für sich ausgehandelt.

Wie schon früher in seinem Leben hatte er als Faustpfand gedient, als Mittel zum Zweck.

„Es gibt neue Entwicklungen hinsichtlich meines Großvaters.“ Ausgelöst von einem habgierigen Konkurrenten, wie Christos vermutete.

Alexis’ Augen wurden noch größer. „Was genau hat das zu bedeuten?“

Er trat auf sie zu, bis nur noch wenige Zentimeter sie voneinander trennten. Er glaubte, ihren Herzschlag hören zu können, und spürte ihren warmen Atem auf seiner Haut. „Es bedeutet, dass es an der Zeit ist, deine Rolle als meine Ehefrau wieder anzunehmen, Alexis.“

2. KAPITEL

Ja, Alexis war mit ihrem Chef verheiratet. Wenigstens besagte dies das kurze Dokument in der hintersten Ecke ihrer Wäscheschublade, das sie als Mrs. Alexis Drakakis auswies, Ehefrau von Christos Drakakis, geheimnisvoller Multimillionär, weltberühmter Anwalt und, wie es hieß, Erbe des milliardenschweren Imperiums seines Großvaters.

Ein Dokument, das sie nicht noch einmal anzusehen gewagt hatte nach dem einen Mal, als sie es kurz in der Hand gehalten und sich gefragt hatte, ob es die richtige Entscheidung gewesen war, dem absurden Vorschlag ihres Chefs zuzustimmen.

Eine Entscheidung, die sie damals innerhalb neunzig Sekunden gefällt hatte.

Es ging um ein Abkommen, das für drei Jahre gelten sollte und in das sie eingewilligt hatte, weil sie überzeugt gewesen war, die Situation mit derselben Unerschütterlichkeit unter Kontrolle halten zu können, mit der sie Christos’ Büro leitete.

Eine Zeit lang hatte es auch funktioniert. Himmel, zu Beginn hatte sie sogar für ein paar Stunden am Stück vergessen können, dass sie mit dem beeindruckenden Mann verheiratet war, der seine internationale Kanzlei mit eiserner Faust führte. Vergessen, dass sich unter der Heiratsurkunde ein Kästchen mit einem diamantenbesetzten Ehering befand, den Christos ihr ausdruckslos vor einem Jahr im Standesamt von Marylebone an den Finger gesteckt hatte.

Der Ring lag in der Schublade, weil sie ihn laut ihrem Abkommen nur brauchte, wenn sie zwei Mal im Jahr Costas Drakakis für zwei Wochen in Griechenland besuchten. Es waren Costas’ Forderungen gewesen, die seinen Enkel dazu gebracht hatten, ihr den Vorschlag zu unterbreiten, ihn zu heiraten.

Damals hatte sie alles rational betrachtet – bis auf diesen neunzig Sekunden kurzen Zeitraum.

Da hatte sie plötzlich das Gefühl gehabt, gebraucht zu werden und nicht ungewollt zu sein wie von ihrer Mutter, die sie wenige Stunden nach ihrer Geburt weggegeben hatte. Alexis wusste, dass es dieses Gefühl von Anerkennung war, das sie dazu gebracht hatte, in Christos Vorschlag einzuwilligen. Das und die schmerzvolle, doch lebenswichtige Entscheidung, die sie nach ihrer einzigen, dafür aber umso vernichtenderen Beziehung getroffen hatte.

So hatte sie zwar akzeptiert, dass das Schicksal Nähe und Liebe für sie nicht vorgesehen hatte, aber das Bedürfnis, gewollt und gebraucht zu werden, die Sehnsucht, zu jemandem zu gehören, hatte nie nachgelassen.

Nachdem die neunzig Sekunden vorbei gewesen waren, hatte sie eingewilligt. Seither litt sie unter gelegentlichen Anfällen milden Staunens darüber, was sie getan hatte, wenn sie sich mitten in der Nacht schlaflos im Bett hin und her wälzte.

„Alexis, hast du gehört, was ich gesagt habe?“

Als ob sie ihn einfach ignorieren könnte! Als ob nicht alle ihre Sinne auf Christos ausgerichtet wären! Als ob sie nicht jeden Moment während der Arbeit darum kämpfte, nicht zu verraten, was sein Gesicht, seine Stimme, seine hochgewachsene Gestalt mit ihrem inneren Gleichgewicht anstellten!

Bisher hatte sie es geschafft. Wenigstens meistens. Bis auf den Abend vor zwei Monaten. Seither war sie nicht mehr sie selbst.

Alexis räusperte sich. „Natürlich. Aber ich warte noch immer auf eine Erklärung für die Planänderung.“

In seinen Augen blitzte es auf, eine Warnung an sie, jetzt nicht auszuscheren, und gleichzeitig ein Ausdruck seines Respekts dafür, dass sie sich seinem Willen nicht einfach beugte.

Seine vibrierende Energie und das täuschend ruhig, beinahe raubtierhafte Auftreten im Gerichtssaal hatten ihm bei anderen Anwälten und seinen Angestellten einen wahren Heldenstatus eingebracht. In Alexis hatten sie zu einer Mischung aus Ehrfurcht und gelinder Angst geführt, zu einem stillen Stolz. Einem elektrisierenden Ziehen tief im Inneren, das zu analysieren sie sich jedoch weigerte.

Sie versuchte ihren Puls zu beruhigen, indem sie tief ein- und ausatmete. Christos sah sie unverwandt an, seine Nasenflügel bebten kaum merklich. Er schob die Hände in die Hosentaschen.

Autor

Maya Blake
<p>Mit dreizehn Jahren lieh sich Maya Blake zum ersten Mal heimlich einen Liebesroman von ihrer Schwester und sofort war sie in den Bann gezogen, verlor sich in den wunderbaren Liebesgeschichten und begab sich auf romantische Reisen in die Welt der Romanhelden. Schon bald träumte sie davon, ihre eigenen Charaktere zum...
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