Nur eine Nacht der Liebe?

– oder –

 

Rückgabe möglich

Bis zu 14 Tage

Sicherheit

durch SSL-/TLS-Verschlüsselung

Olivia hätte sich in dieser Nacht niemals auf Christian einlassen dürfen. Doch sie suchte Nähe - und er wärmte sie mit seinem Feuer. Jetzt ist Olivia schwanger; von einem beinahe Fremden, an den sie ihr Herz verloren hat. Und dennoch darf er ihr Geheimnis nicht erfahren.


  • Erscheinungstag 17.07.2019
  • ISBN / Artikelnummer 9783733747596
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

In der Nachmittagssonne erstrahlte die von weißen Bougainvilleen berankte Villa mit den hellen Mauern und dem roten Ziegeldach in einem sanften Licht. Läden schützten die Fenster, schmiedeeiserne Gitterbalkone im ersten Stock bildeten einen reizvollen Kontrast zu den hellen Blüten.

Überwältigt stand Olivia vor dem Eingang. Im Vergleich zu den Häusern, die sie im Lauf der Jahre mit Tony bewohnt hatte, war dieses zwar eher klein, doch das war ihr nur recht. Viel lieber als einen Prachtbau wollte sie ein gemütliches Domizil, in dem sie ungestört leben konnte.

Hinter dem weitläufigen Garten schimmerte weißer Strandsand, und dahinter glitzerte das blaugrüne Wasser der Karibik. Es war einfach himmlisch. Und es war ihr Zuhause – zumindest für die nächsten Monate.

Als die Erinnerungen wieder hochkamen und sie daran dachte, was sie hierher verschlagen hatte, erschauerte Olivia. Tony war tot. Der Mann, mit dem sie über fünfzehn Jahre verheiratet gewesen war, war in den Armen seiner letzten Geliebten gestorben. Darüber hinaus hatte die Polizei sie informiert, dass die beiden unter Drogeneinfluss gestanden hatten.

Natürlich hatte die Presse das ausgeschlachtet. Schließlich war Antonio Mora schon immer für Schlagzeilen gut gewesen, und sein Tod hatte noch zusätzlich für Spekulationen gesorgt, weil besagte Geliebte die Frau eines Senators war.

Letzteres wurde allerdings, so gut es ging, vertuscht, aber noch viel mehr interessierte die Presse, warum Olivia so lange mit Antonio Mora verheiratet gewesen war. Die meisten mutmaßten, sie hätte seines Geldes wegen über seine Affären hinweggesehen, aber das stimmte nicht. Hätte sie sich von Tony scheiden lassen, wäre sie trotzdem eine wohlhabende Frau gewesen, denn sie hatte keinen Ehevertrag unterzeichnet. Für einen guten Anwalt wäre es also kein Problem gewesen, die Hälfte seines Vermögens herauszuhandeln.

Der eigentliche Grund war Luis. Als sie als Kindermädchen bei Tony angefangen hatte, war Luis erst drei Jahre gewesen. Und sie hatte ihn immer geliebt, selbst nachdem ihr klar geworden war, was für ein Fiasko ihre Ehe war.

Dennoch war Tony kein schlechter Kerl gewesen. Wegen seines Charmes und seines attraktiven Äußeren hatte sie sich sofort zu ihm hingezogen gefühlt. Aber während sie auf der Suche nach einer langfristigen Beziehung war, wollte Tony lediglich eine Mutter für seinen Sohn.

Von Anfang an hatte er gewusst, dass sie Luis niemals wehtun würde. Da sie den Kleinen sofort ins Herz geschlossen hatte, war sie Tony gegenüber sehr nachgiebig gewesen. Außerdem hatte sein Interesse ihr geschmeichelt, zumal sie in England in recht einfachen Verhältnissen aufgewachsen war.

Seine Beerdigung war ein Albtraum gewesen. Aus aller Herren Länder hatten sich Reporter um sie gedrängt, um Fotos von der „trauernden“ Witwe zu machen. Dass es ihr aber unmöglich war, diese zu spielen, sorgte für noch mehr Gerüchte. Als sie tränenlos neben dem Sarg ihres Mannes stand, war ihr nicht bewusst, dass dieses Bild die Titelseiten der nächsten Ausgaben beherrschen würde.

Aber sie kam darüber hinweg. Ihre Tränen vergoss sie allein in ihrer Suite in Bal Harbour. Zu lange waren Tony und sie zusammen gewesen, als dass sie gar nichts für ihn empfinden konnte. Und bevor sie herausgefunden hatte, was für ein Lügner er sein konnte, hatte er ihr auch durchaus etwas bedeutet.

Letztlich waren aber nicht seine Lügen dafür verantwortlich, dass sie sich hierher zurückgezogen hatte. Gedankenverloren legte sich Olivia die Hand auf den Bauch. Auch sie hatte einen Fehltritt hinter sich. Allerdings musste sie niemandem Rechenschaft ablegen, sondern allein mit ihren Schuldgefühlen fertig werden.

Noch Wochen nach seinem Tod verdrängte sie die Geschehnisse jener Nacht. Zum Glück war sie viel zu sehr damit beschäftigt, seine Angelegenheiten zu regeln, um an sich zu denken. Wenn sie abgelenkt war, konnte sie das Vergangene hinter sich lassen und so tun, als hätte sie ihre Selbstachtung nicht verloren.

Christian Rodrigues aus dem Weg zu gehen, war hingegen sehr viel schwerer. Auch er hatte sie gedemütigt, genau wie Tony. Und nun tat er so, als wäre sie ihm wichtig und als hätte er das Recht, sich in ihr Leben einzumischen.

Absolut lächerlich! Sie bedeutete ihm gar nichts. Das hatte er bewiesen, indem er sie in jener Nacht verführt hatte. Seitdem konnte sie seine Nähe nicht mehr ertragen, weil sie überzeugt war, dass er sein Verhalten bereute. Ihr war klar, dass sie ihm nur leid getan hatte, denn eigentlich war sie zu alt und zu langweilig für ihn. Christian war wie Tony. Wenn er sich ernsthaft für eine Frau interessierte, musste sie nicht nur schön, sondern auch repräsentativ sein.

Als sie von ihrer Schwangerschaft erfahren hatte, wollte sie nur noch weg aus Miami. Und da Luis in San Francisco aufs College ging, hielt sie dort ohnehin nichts mehr. San Gimeno war ihr geradezu perfekt erschienen.

In dieser Situation wusste sie die Vorzüge ihres Reichtums ausnahmsweise einmal zu schätzen. Obwohl Tony Luis den Großteil seines Vermögens als Treuhandkonto hinterlassen hatte, hatte er auch sie großzügig bedacht. Von seinen sechs Anwesen gehörten nun zwei ihr – das Herrenhaus in Bal Harbour und ein Apartment in Miami –, außerdem erhielt sie von einem eigenen Treuhandkonto zwei Millionen Dollar im Jahr.

Allerdings plante sie, nach ihrer Rückkehr in die Vereinigten Staaten einen großen Teil ihres Erbes an Wohltätigkeitsorganisationen zu stiften. Auf keinen Fall sollte ihr Kind so aufwachsen wie Luis – mit allen Reichtümern der Welt, aber ohne Elternliebe. Trotzdem war sie dankbar, dass sie sich den Luxus leisten konnte, bis zur Geburt des Babys auf dieser Insel zu leben, ohne dass jemand ihren Aufenthaltsort kannte. Auch wenn sie Luis Anrufe vermisste, war es besser ihn im Unklaren zu lassen, denn womöglich erfuhr Christian sonst von ihrer Schwangerschaft, und das durfte nicht geschehen.

Obwohl San Gimeno zu den Bahamas gehörte, war die Insel wegen ihrer Größe vom Tourismusboom verschont geblieben. Hier gab es nur wenige Hotels, und die Bevölkerung lebte überwiegend von der Landwirtschaft und vom Fischfang. Es war der perfekte Rückzugsort, und auch wenn sie erst seit wenigen Monaten hier war, liebte sie den Ort bereits.

Über den Rasen ging Olivia zu den von Palmen gesäumten Dünen. Allmählich gewöhnte sie sich daran, barfuß zu laufen und fand es ganz wunderbar, was für ein Gefühl von Freiheit ihr der Sand unter den Füßen verlieh. An diesem Ort war das Leben ganz anders als in Florida an der Seite eines der reichsten Männer des Landes. Für Tony war sie ein Vorzeigeobjekt gewesen, und ganz sicher hätte er ihren derzeitigen Aufzug – ein schlichtes T-Shirt und Shorts – missbilligt.

Aber Tony war tot, und zum ersten Mal seit ihrem einundzwanzigsten Lebensjahr konnte sie selbst über ihr Leben bestimmen. Bei dem Gedanken lief Olivia ein Schauer über den Rücken. War das freudige Erwartung? Oder Angst?

Wieder einmal sah sie Christian Rodrigues vor ihrem inneren Auge, und ihr schnürte sich die Kehle zu. Natürlich würde er ihr helfen, wenn sie ihn brauchte, doch sie wollte weder ihn noch Luis darum bitten.

Noch immer hatte sie sich nicht entschieden, wo sie nach der Geburt des Babys leben würde – ob sie hier bleiben, zurück nach Florida oder sogar wieder nach England gehen sollte. Alles hing davon ab, ob sie ihre Pläne in die Tat umsetzen konnte.

Glühend brannte die Sonne auf ihre Schultern, und obwohl sie aus Florida an Hitze gewöhnt war, wollte Olivia kein Risiko eingehen und kehrte zur Villa zurück.

Auf der Veranda erwartete sie ihr Hausmädchen Susannah.

Etwas in Susannas Gesichtsausdruck alarmierte Olivia und machte ihr Angst.

„Stimmt etwas nicht?“, rief sie Susanna zu, während sie schneller ging.

„Hm … Nein, Ma’am“, erwiderte Susannah und rang hilflos die Hände. „Ein Anruf aus den Staaten für Sie, Mrs. Mora. Ich wusste nicht, ob Sie ihn entgegennehmen wollen.“

„Ein Anruf?“, wiederholte Olivia verblüfft. „Ich … Wer ist es?“

„Ich glaube, sein Name ist Roderick oder Rodrigo. Soll ich ihm sagen, dass Sie nicht da sind?“

Unwillkürlich ballte Olivia die Hände zu Fäusten, so dass sich ihre Nägel schmerzhaft in die Handinnenflächen bohrten. „Könnte es auch ‚Rodrigues‘ sein?“, fragte sie und hoffte, dass man ihr die Panik nicht anhörte.

Erleichtert nickte Susannah. „Ja“, erwiderte sie. „Kennen Sie ihn?“

Kannte sie Christian? In gewisser Weise sogar sehr gut, schoss es ihr durch den Kopf, obwohl das beinah lächerlich war. Eigentlich hätte sie sich denken können, dass sie Christian nicht so einfach entkommen würde.

„Soll ich ihn fragen, was er will“, schlug Susannah ein wenig besorgt vor. In den acht Wochen, die sie für Olivia arbeitete, hatte noch nie jemand angerufen.

Insgeheim fand Olivia die Vorstellung, dass Susannah Christian abwimmelte, sehr verlockend. Zumal sie ihm keine Rechenschaft schuldig war. Schließlich war er nicht Tony. Im Grunde bin ich nicht einmal mit ihm befreundet, überlegte sie. Keinesfalls hatte er ein Recht, sie dermaßen zu verfolgen.

Doch dann meldete sich ihr gesunder Menschenverstand. Wollte sie Christian etwa den Eindruck vermitteln, dass sie Angst vor ihm hatte?

Nein!

„Schon gut, Susannah“, lächelte sie zerknirscht. „Er ist nur ein Geschäftspartner meines verstorbenen Mannes.“ Von wegen!

„Sind Sie sicher?“ Die Haushälterin wirkte immer noch skeptisch.

Ihre Besorgnis rührte Olivia. „Ja“, antwortete sie und atmete einmal tief durch, bevor sie das helle luftige Wohnzimmer betrat. „Können Sie mir bitte ein Glas Eistee holen? Ich habe großen Durst.“

„Natürlich, Ma’am.“

Widerstrebend näherte sich Olivia dem Telefon. Durch die geöffneten Fenster stieg ihr der betörende Duft der Blumen in die Nase. Nachdem sie noch einmal tief durchgeatmet hatte, hob sie den Hörer ans Ohr.

„Ja?“, fragte sie. „Mit wem spreche ich?“

„Hier ist Christian Rodrigues“, antwortete Christian kurz angebunden. „Hallo, Olivia. Wie geht es dir?“

Verdammt, warum rief er sie an?

„Was willst du, Christian?“, erkundigte sie sich kühl, ohne auf seine Frage einzugehen. „Woher hast du meine Nummer?“

Einen Moment schwieg er. „Oh, por favor, Olivia, für wie dumm hältst du mich eigentlich?“, fragte er dann ärgerlich.

Seufzend sank Olivia auf ein Sofa und umklammerte die Armlehne. „Du hast gewusst, wo ich bin“, stellte sie fest.

„Du bist schließlich Antonia Moras Witwe, Olivia“, erklärte er. „Eine wohlhabende Frau. Ich bin es Tony schuldig, mich um dich zu kümmern. Was wäre ich für ein Mann, wenn ich sein Vertrauen missbrauchen würde?“

„Sag du es mir.“

Wieder schwieg er, und sie wusste, dass sie einen wunden Punkt getroffen hatte. „Dies ist nicht der richtige Zeitpunkt, um über die Vergangenheit zu sprechen“, erwiderte er schließlich schroff. „Aber Tony ist tot, und du bist verletzlich, ob es dir nun passt oder nicht. Ich muss dafür sorgen, dass du deine Ruhe hast.“

„Nur nicht vor dir.“

Offenbar war sie zu weit gegangen, denn sie hörte, wie Christian scharf einatmete. Er war ein guter Freund von Tony gewesen, und sie wollte ihn nicht zum Feind haben. Aber um ihrer selbst willen – und dem Baby zuliebe – musste sie ihm klar machen, dass sie seine Hilfe nicht brauchte.

Nur wie?

Nun schwieg auch Olivia einen Moment, bevor sie antwortete. „Hör zu, es tut mir leid, und auf keinen Fall möchte ich undankbar erscheinen, aber ich wollte hier vollkommen ungestört sein. Nach … nach Tonys Tod hatte ich nicht eine Minute für mich. Vielleicht war es naiv von mir, zu glauben, ich könnte meinen Aufenthaltsort geheim halten. Aber du erwartest hoffentlich nicht, dass ich dir jedes Mal Bericht erstatte, wenn ich …“

Wenn ich das Zimmer verlasse, hätte sie am liebsten gesagt, doch sie überlegte es sich anders, weil sie ihn nicht schon wieder beleidigen wollte. Irgendwie musste sie ihn überzeugen, dass es ihr gut ging und sie seine Unterstützung nicht brauchte. Wenn sie einen klaren Kopf behielt, würde er schon merken, dass er nur seine Zeit vergeudete.

„Du musst mir über gar nichts Rechenschaft ablegen, Olivia“, sagte Christian grimmig, und sie hatte das ungute Gefühl, dass er sich nicht so leicht abwimmeln lassen würde. „Allerdings hätte es die Höflichkeit geboten, dass du deine Adresse bei meiner Sekretärin hinterlegst.“

Ganz bestimmt nicht! Den Triumph hätte sie diesem Miststück nicht gegönnt. Seit Tony ihr vor einem Jahr den Laufpass gegeben hatte, war Dolores Samuels hinter Christian her. Unmöglich, dass er das nicht wusste. Oder war er ihren Reizen vielleicht bereits erlegen? Und warum machte sie sich darüber überhaupt Gedanken?

„Ja, vielleicht“, räumte Olivia leise ein – wütend, weil er offensichtlich Erklärungen von ihr erwartete. Verdammt, er war nicht ihr Mann!

„Tut mir leid, wenn du das Gefühl hast, dass ich mich zu weit aus dem Fenster lehne, Olivia“, sagte Christian schließlich und brach damit das Schweigen. „Aber in Anbetracht der Umstände ließ es sich leider nicht vermeiden.“

Nicht vermeiden? Hatte sie etwas übersehen? Voller Panik versteifte Olivia sich. Ausgeschlossen, dass er … Nein, sie hatte niemandem von der Schwangerschaft erzählt, und der Arzt war an seine Schweigepflicht gebunden.

Offenbar litt sie unter Verfolgungswahn. Sie hatte nichts getan, was jemanden zu der Annahme, dass sie schwanger war, hätte verleiten können, schon gar nicht Christian. Sicher rief er sie wegen des Nachlasses an. Aber warum hatte er sich dann nicht mit Luis in Verbindung gesetzt?

„Das verstehe ich nicht“, sagte sie betont distanziert. „Was lässt … ließ sich nicht vermeiden?“

„Luis liegt in San Francisco im Krankenhaus“, erklärte Christian ohne Umschweife, und sie war froh, dass sie bereits saß, so sehr schockierten sie seine Worte.

„Im Krankenhaus?“, wiederholte sie schwach, während sie automatisch den Griff um den Hörer verstärkte. „Himmel, Christian! Was ist passiert? Ist er krank?“

„Nein“, erwiderte er schnell. „Er ist mit dem Wagen gegen eine Mauer gerast und hat einen Beckenbruch, Abschürfungen, eine Gehirnerschütterung …“ Er machte eine kurze Pause. „… und zuerst bestand auch Verdacht auf Halswirbelbruch. Aber er liegt nicht im Sterben, Olivia“, fuhr er fort. „Seine Wirbel sind nur geprellt. Mit Hilfe der Ärzte und viel Geduld wird er sicher wieder völlig hergestellt.“

„Bist du sicher?“, fragte sie schluckend.

„Ja.“ Christian atmete hörbar aus. „Ich bin kein Experte, Olivia. Aber soweit ich weiß, wird dein kostbarer Junge bald wieder der Alte sein.“

Unwillkürlich verspannte sie sich. „Spar dir deinen Sarkasmus, Christian. Tony und du, ihr wart schon immer geldgierig und machtbesessen. Aber Luis ist anders. Für ihn gibt es Wichtigeres im Leben.“

„Ach ja?“, erwiderte er eisig. „Ich schätze, dass er deswegen einen Porsche Turbo statt des GT gefahren ist.“

Wütend presste sie die Lippen zusammen. „Sag mir nur, wo er ist“, bat sie kühl. „Ich möchte ihn sehen.“

„Dazu besteht überhaupt kein Anlass.“

„Was soll das heißen, verdammt?“ Ihre Sorge war jetzt blanker Wut gewichen. „In welchem Krankenhaus liegt er? Wenn du es mir nicht verraten willst, werde ich es auch so herausfinden …“

„Ganz ruhig, ja?“, bat Christian.

Wenn sie sich doch nur nicht so hilflos fühlen würde! „Du kannst mich nicht davon abhalten, ihn zu besuchen, Christian.“

„Das versuche ich doch auch gar nicht!“, rief er verärgert. „Aber was willst du um Himmels willen in San Francisco, Olivia? Ich habe veranlasst, dass Luis morgen nach Miami geflogen wird.“

„Du hast was?“, fragte sie fassungslos.

„Ich glaube, du hast mich ganz gut verstanden.“

„Aber …“ Fassungslos rang sie nach Worten. „Dazu hattest du kein Recht.“

„Nein?“

„Nein! Es ist viel zu früh, um ihn zu verlegen. Du sagtest, er hätte einen Beckenbruch. Und was ist mit der Gehirnerschütterung?“

„Mit der leichten Gehirnerschütterung“, sagte er so ruhig, dass sie hätte schreien mögen. „Er wird es überleben.“

„Trotzdem hättest du ihn nicht so schnell verlegen lassen dürfen“, beharrte sie wütend. „Nur weil du keine Zeit hast, ihn dort zu besuchen, riskierst du, dass es Komplikationen gibt.“

„Glaubst du das wirklich?“

Als sie hörte, wie schwer Christian jetzt atmete, war sie einen Moment versucht, nichts mehr zu sagen. Aber weil sie sich auch nicht von ihm einschüchtern lassen wollte, antwortete sie: „Ja.“ Und nach einer Pause fügte sie trotzig hinzu: „Und ich bin sicher, dass Tony das auch geglaubt hätte.“

„So, bist du?“ Selbst durchs Telefon merkte sie, dass er sich nur noch mühsam beherrschte. „Nur zu deiner Information, querida: Sein Arzt hat Luis eingehend untersucht und den Transport nach Miami bewilligt. Er wird mit einem Ambulanzflugzeug nach Miami und von dort mit einem Hubschrauber zum ‚Sacred Heart‘ gebracht. Beruhigt dich das?“

Nervös befeuchtete sie sich die Lippen. „Ich … ich denke schon.“

„Gut“, meinte er spöttisch. „Dann stellt sich nur noch die Frage, wann du nach Miami kommst, um ihn zu besuchen.“

Oh nein! Verzweifelt sank Olivia gegen die Lehne des Sofas. Natürlich hatte sie das kommen sehen, doch sobald Christian die Worte ausgesprochen hatte, war die Vorstellung noch viel bedrohlicher.

„Du … du hast gesagt, Luis wird morgen nach Miami gebracht?“, stammelte sie, um Zeit zu gewinnen.

„Ja“, bestätigte Christian. „Allerdings wäre es in Anbetracht des Zeitunterschieds besser, wenn du frühestens übermorgen kommen würdest“, fuhr er trocken fort. „Ich schlage vor, dass ich dir Donnerstagmorgen einen Hubschrauber schicke. Wenn du gegen halb elf fertig bist, könnten wir …“

„Ich brauche deine Hilfe nicht“, unterbrach sie ihn hastig, da sie die Vorstellung nicht ertrug, dass Christian hierher kam. „Ich buche mir einen Flug.“

„Und wann?“ Er klang ungeduldig. „Komm schon, Olivia, wir wissen doch beide, dass du erst mal von San Gimeno nach New Providence kommen musst.“

„Man kann Maschinen auch chartern“, konterte sie. „Ich habe genug Geld, um einen Piloten zu engagieren.“

„Aber warum solltest du das tun? Schließlich besitzt die Mora Corporation mehrere Hubschrauber“, erklärte er wütend. „Wenn du mir damit zu verstehen geben willst, dass ich dich nicht begleiten soll, okay. Dann schicke ich dir Mike Delano.“

„Du brauchst mir niemanden zu schicken“, entgegnete Olivia, merkte jedoch, dass sie jetzt zu weit gegangen war.

„Vergiss es, Olivia“, sagte Christian brüsk. „Bisher habe ich es geschafft, alles geheim zu halten, aber wenn du ein Flugzeug charterst, wird es an die Öffentlichkeit dringen, das garantiere ich dir. Ich akzeptiere, dass du mich nicht magst. Dios, schließlich weiß ich das schon seit acht Jahren. Und ja, was in Tonys Todesnacht passiert ist, war unverzeihlich, und du wirst schon dafür sorgen, dass ich es nicht vergesse. Aber damit kann ich leben. Ich werde dich auch nicht beleidigen, indem ich behaupte, du hättest es genauso gewollt wie ich. Das hier ist allerdings etwas anderes. Wir müssen Luis vor möglicher Publicity schützen. Und in Anbetracht des Rummels nach Tonys Tod dachte ich, es wäre auch in deinem Sinne. Luis ist schließlich der einzige Sohn, den du hast.“

Für den Bruchteil einer Sekunde überlegte sie, wie er wohl reagieren würde, wenn er herausfand, warum sie die Flucht ergriffen hatte. Luis davon zu überzeugen, dass sie nach Tonys Tod etwas Abstand brauchte, war ihr nicht schwer gefallen. Bei Christian hingegen würde ihr das nicht so leicht gelingen.

Aber seine nächsten Worte beruhigten sie. „Hör zu, Olivia“, sagte er. „Ich bitte dich nicht, es für mich zu tun aber Luis rechnet damit, dass du kommst. Seit er das Bewusstsein wiedererlangt hat, redet er kaum von etwas anderem.“

Langsam atmete sie aus. „Natürlich möchte ich ihn auch sehen …“

„Dann sei bitte so vernünftig und lass dir einen Firmenhubschrauber schicken …“

Sie zögerte. „Donnerstagmorgen?“

„Ja.“

Voller Zweifel schloss Olivia die Augen. Für ihn klang das alles ganz einfach. Und würde sie nicht sein Misstrauen erregen, wenn sie jetzt weiter mit ihm stritt?

Trotzdem …

„Ich denke darüber nach“, erklärte sie schließlich und legte auf, noch bevor Christian etwas sagen konnte.

2. KAPITEL

Es regnete in Strömen.

In Miami regnete es nicht oft, aber wenn, dann ergossen sich richtige Sturzbäche aus den Wolken. In diesem Fall war der Hurrikan Flora dafür verantwortlich, der sich vor der Küste zu einem tropischen Unwetter abgeschwächt hatte. Vermutlich war es der letzte Wirbelsturm der Saison, aber das machte ihn nicht weniger unangenehm. Schlecht gelaunt und mit einem genervten Blick gen Himmel betrat Christian Rodrigues an diesem Morgen das Firmengebäude von Mora.

Zum Glück hatte der Hurrikan die Bahamas verschont, denn er hatte zwar über dem Golf von Mexiko gewütet, aber die Inseln vor der Küste verschont. Trotzdem war der Hubschrauber ohne Olivia zurückgekommen, und sie war auch nicht zu erreichen.

Ohne die meisterhafte, viel gepriesene Architektur oder die Kunstgegenstände wahrzunehmen, eilte Christian durch die marmorne Empfangshalle. An diesem tristen Donnerstagmorgen war er einfach nicht in der Stimmung, auf seine Umwelt zu achten – oder sich über seinen Erfolg in der Firma zu freuen.

Antonio Mora und sein Vater waren Cousins gewesen, und als Tony ihm vorgeschlagen hatte, für ihn zu arbeiten, war das eine Riesenchance für Christian gewesen. Damals hatte er Jura studiert und sein Studium mit Teilzeitjobs finanziert. Seine Eltern waren bei einem Erdrutsch in Venezuela ums Leben gekommen, als sie seine Großeltern besucht hatten, und bis Tony sich bei ihm gemeldet hatte, hatte Christian nie mit dem Gedanken gespielt, sich mit ihm in Verbindung zu setzen.

Tony bot ihm an, für seine Studiengebühren aufzukommen, wenn Christian nach seinem Abschluss für ihn arbeiten würde. Angeblich wollte er es für seinen toten Cousin tun. Und anfangs hatte Christian ihm geglaubt, doch im Lauf der Jahre hatte er Tony besser kennengelernt.

Nie tat Tony etwas umsonst. Und obwohl er Christian und seine Familie selten besucht hatte, war er offensichtlich von seiner Intelligenz und seinen Leistungen beeindruckt. Außerdem brauchte er jemanden in der Firma, auf den er sich verlassen und dem er vertrauen konnte. Die Familie hatte Tony immer sehr viel bedeutet, und bis Luis so weit war, war Christian ein willkommener Stellvertreter.

Vielleicht war ihm aber auch damals bereits klar, dass Luis anders war als er. Er ähnelte eher seiner Mutter – oder vielmehr seiner Stiefmutter –, was auch Christian sehr schnell auffiel. Von Anfang an hatte ihn die kühle, schöne Mrs. Mora nicht gemocht, und sie hatte aus ihrer Verachtung ihm gegenüber auch nie einen Hehl gemacht, als glaubte sie zu wissen, warum er Tonys Angebot angenommen hatte.

Irgendwann hatte Christian eingesehen, dass er sie von dieser Meinung wohl nicht abbringen konnte, wie sehr er sich auch anstrengen mochte. Außerdem musste Olivia Mora mit ganz anderen Dingen fertig werden. Bereits nach wenigen Wochen in der Firma merkte er, dass ihre Ehe genauso wertlos war wie Tonys angebliche Hilfsbereitschaft, denn sein Großcousin konnte keiner Frau treu sein. Vermutlich hatte Olivia die schmerzhafte Erfahrung gemacht, dass man besser keinem Mann traute.

Trotz seiner eigenen Affären war Tony jedoch rasend eifersüchtig und hätte jeden Mann umgebracht, der Olivia auch nur berührt hätte. Ein guter Grund, sich von ihr fernzuhalten, auch wenn das nicht leicht war. Außerdem hatte sie trotz allem einen zufriedenen Eindruck gemacht, der kleine Luis schien ihre Bedürfnisse ausreichend zu befriedigen.

Zumindest war das früher der Fall gewesen, überlegte Christian grimmig, während er die lächelnden Empfangsdamen an dem großen Glastresen kurz angebunden begrüßte. Warum war sie also nicht in dem Hubschrauber gewesen?

Um sie selbst abzuholen und alle Unstimmigkeiten endgültig aus dem Weg zu räumen, bevor sie ins Krankenhaus fuhren, war er heute früh zum Flughafen gefahren. Selbst wenn Olivia Luis nichts gesagt hätte, hätte dieser die Feindseligkeit zwischen ihnen vielleicht bemerkt und sich nach dem Grund dafür gefragt.

Schwankend zwischen Ärger und Sorge runzelte Christian die Stirn. Der Pilot hatte sich damit entschuldigt, dass Olivia nicht erschienen wäre und er nicht ewig hätte warten können. Aber warum ging sie nicht ans Telefon?

Als Christian einen der sechs Aufzüge betrat, drückte er unnötig heftig auf den Knopf für die zweiundvierzigste Etage. Olivia musste doch wissen, dass er versuchen würde, sie zu erreichen, weil sie nicht im Hubschrauber gewesen war. Verdammt, was war nur los?

Im Foyer seines Büros kam ihm seine Sekretärin Dolores Samuels entgegen. Offenbar hatte eine der Empfangsdamen sie bereits über seine Ankunft informiert. Klein, dunkelhaarig und temperamentvoll, war Dolores eine typische Südamerikanerin. Als sie seine finstere Miene bemerkte, fing sie an wild zu gestikulieren.

„Sie war nicht im Hubschrauber?“, fragte sie, wobei es eher wie eine Feststellung klang.

Starr blickte er sie an. „Woher wissen Sie das?“

Aufreizend befeuchtete sie sich die Lippen. „Mike Delano hat aus dem Krankenhaus angerufen. Kurz, nachdem Sie zum Flughafen gefahren sind, ist Mrs. Mora dort eingetroffen.“

Wütend presste Christian die Lippen zusammen. „Und warum haben Sie mir nicht Bescheid gegeben? Dann hätte ich mir die Fahrt zum Flughafen sparen können.“

„Weil sie Mike gebeten hat, es Ihnen nicht zu verraten“, protestierte Dolores und sah ihn dabei betont unschuldig an. „Ich habe Ihnen nur ausgerichtet, was Mike Delano mir gerade erzählt hat.“

Autor

Anne Mather
<p>Ich habe schon immer gern geschrieben, was nicht heißt, dass ich unbedingt Schriftstellerin werden wollte. Jahrelang tat ich es nur zu meinem Vergnügen, bis mein Mann vorschlug, ich solle doch meine Storys mal zu einem Verlag schicken – und das war’s. Mittlerweile habe ich über 140 Romances verfasst und wundere...
Mehr erfahren