Nur eine Nacht in Las Vegas

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Ein Wochenende in Las Vegas macht jeden verrückt! Nur so kann sich Izzy erklären, dass sie Owen geheiratet hat - obwohl sie ihn doch erst drei Tage kennt! Oder kann es sein, dass sie, die so stolz auf ihre Unabhängigkeit ist, in dem Feuerwehrmann endlich ihre wahre Liebe gefunden hat? Auf gar keinen Fall! Am Morgen nach ihrer Hochzeitsnacht verlässt Izzy ihren Ehemann ohne ein Wort - seine Liebe gefährdet ihre Freiheit. Doch als Owen bei einem Einsatz schwer verletzt wird, wacht Izzy endlich auf: Owen ist ihr Lebensglück. Aber wird er ihr noch einmal verzeihen?


  • Erscheinungstag 08.02.2011
  • Bandnummer 1771
  • ISBN / Artikelnummer 9783863496685
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
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IMPRESSUM

BIANCA erscheint 14-täglich im CORA Verlag GmbH & Co. KG,

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Anzeigen:

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Es gilt die aktuelle Anzeigenpreisliste.

 

© 2009 by Christie Ridgway

Originaltitel: „Runaway Bride Returns!“

erschienen bei: Silhouette Books, Toronto

in der Reihe: SPECIAL EDITION

Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe: BIANCA

Band 1771 (5/2) 2011 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg

Übersetzung: Patrick Hansen

Fotos: gettyimages

Veröffentlicht im ePub Format in 03/2011 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

ISBN-13: 978-3-86349-668-5

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.

BIANCA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Führung in Lesezirkeln nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Verlages. Für unaufgefordert eingesandte Manuskripte übernimmt der Verlag keine Haftung. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Satz und Druck: GGP Media GmbH, Pößneck

Printed in Germany

Der Verkaufspreis dieses Bandes versteht sich einschließlich der gesetzlichen Mehrwertsteuer.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:

BACCARA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, HISTORICAL MYLADY, MYSTERY, TIFFANY HOT & SEXY, TIFFANY SEXY

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Christie Ridgway

Nur eine Nacht in Las Vegas

1. KAPITEL

Hätte Owen Marston nicht schon flach auf dem Rücken in einem Krankenhausbett gelegen, hätte er sich vielleicht selbst k.o. geschlagen – um sich nicht mit der Familie abgeben zu müssen, die sich um ihn versammelt hatte. Obwohl er noch keine vierundzwanzig Stunden hier war, konnte er es kaum abwarten, von hier zu verschwinden. Schon jetzt hatte er genug von den pinkfarbenen Plastikkrügen und den piepsenden Geräten. Er sehnte sich danach, wieder allein zu sein, und hielt nur deshalb durch, weil er so tat, als wäre er gar nicht hier und als wäre das, was passiert war, überhaupt nicht passiert.

Deshalb hörte er seiner Mutter nicht zu, sondern dachte an seine geräumige Eigentumswohnung, sein breites Bett, seinen Fernseher mit dem großen Bildschirm. Gott, wie sehr er das alles brauchte.

„Und dein Haar riecht noch immer nach Rauch“, holte die besorgte Stimme seiner Mutter ihn in die Realität zurück. Sie tastete nach den Perlen an ihrem Hals. „Caro, findest du nicht auch, dass das Haar deines Bruders noch immer nach Rauch riecht?“

„Mom“, begann Caro so ruhig wie möglich. „Es ist nicht wichtig, ob Owens Haar noch nach Rauch riecht. Auch nicht ob das Bettlaken aus Makosatin oder das Muster der Vorhänge geschmackvoll ist. Dies ist ein Krankenhaus, kein Wellness-Hotel. Wir wollen, dass Owen eine gute medizinische Versorgung bekommt, auf einen perfekten Zimmerservice kann er durchaus verzichten.“

Ihre Mutter ignorierte die Einwände seiner Schwester und wandte sich an Owens jüngeren Bruder. „Bryce, findest du nicht auch, dass das Haar deines Bruders nach Rauch riecht?“

Die Frau war völlig durcheinander. Aber das schien Bryce nicht zu stören. Er saß in lässiger Haltung auf seinem Stuhl und starrte auf sein Smartphone. Vielleicht überflog er gerade irgendwelche Sportergebnisse, aber wahrscheinlicher war, dass er die E-Mails las, mit denen seine Assistentin ihn über die Entwicklung auf den Finanzmärkten informierte.

Ihre Mutter seufzte dramatisch. „Bryce, hörst du mir überhaupt …“

„Ein Anruf für dich, Owen“, sagte sein Bruder. „Granddad auf Lautsprecher.“ Er legte das Handy auf den Klapptisch am Bett. Die Oberfläche sah nur so aus, als wäre sie aus echtem Holz. Das hatte ihre Mutter sofort festgestellt.

Owen warf ihm einen wütenden Blick zu, aber Bryce zuckte nur mit den Schultern, als die Stimme ihres Großvaters ertönte. Ihm war anzuhören, dass er täglich eine Schachtel Zigaretten rauchte. „Junge, ich habe gerade gehört, dass du im Krankenhaus bist. Wieso hat mir das gestern keiner erzählt?“

Owen sah in die Runde. Sein Vater, der noch vor einer Minute am Fußende gestanden hatte, war verschwunden. Das tat er immer, wenn der Senior der Familie sich über etwas beschwerte. Seine Mutter hatte ihm den Rücken zugekehrt und tuschelte mit Caro. Bryce war in Unterlagen vertieft, die er blitzschnell aus seinem Aktenkoffer geholt hatte.

Owen schaute wieder zur Tür hinüber. Eine schlanke, feminine Gestalt huschte vorbei. Er zuckte zusammen, als dunkles Haar kurz durch sein Blickfeld wehte und das Geräusch von Stiletto Heels rasch verklang.

Augenblick mal! War das …? Konnte es sein, dass …?

Sein Herz begann zu klopfen. Er versuchte sich aufzusetzen, aber sein Knöchel, sein Kopf und jeder Muskel in seinem Körper protestierten. Er ließ sich aufs Kissen zurückfallen und versuchte sich einzureden, dass es keinen Grund zur Aufregung gab. Das kann nicht sein, dachte er, das war sie nicht. Warum sollte sie ausgerechnet jetzt auftauchen? Er wollte nicht, dass sie ihn so sah. Nicht in einem Moment, in dem er sich so fühlte, als wäre er in einem Fass voller Steine einen Berghang hinabgerollt.

Die Stimme seines Großvaters wurde noch lauter. „Warum erfahre ich das erst jetzt?“, fragte Philip Marston scharf.

Owen behielt die offene Tür fest im Blick, und trotz des mulmigen Gefühls in seinem Bauch schaffte er es, ruhig und gelassen zu klingen. „Weil wir dir gestern noch nichts Definitives erzählen konnten. Und heute warst du den ganzen Tag in einer Besprechung mit dem Gouverneur.“

„Ich will wissen, was los ist, junger Mann. Was zum Teufel ist passiert?“

„Eine kleine Beule am Kopf, ein wenig Rauch in der Lunge, und ich habe mir den Unterarm gebrochen.“ Seine Schwester hatte ihn überredet, einen königsblauen Gips zu nehmen, und in diesem Moment kam Owen sich damit ziemlich albern vor. Aber noch mehr ärgerte er sich darüber, dass sein Herz so sehr klopfte. Wieso bildete er sich ein, dass er sie auf dem Korridor gesehen hatte? Zumal das, was er mal für diese Frau empfunden hatte, auch nur ein Hirngespinst gewesen war.

„Außerdem habe ich mir den rechten Knöchel verstaucht und den linken Fuß gebrochen.“ Zum Glück musste er an dem keinen Gips tragen, nur einen dieser großen hässlichen Stiefel.

„Ich habe dich gewarnt“, knurrte Philip Marston missmutig. „Ich habe dir gesagt, dass das kein Beruf für dich ist.“

Owen biss die Zähne zusammen, um nicht aufzustöhnen. Sogar einen verärgerten Seufzer unterdrückte er. „Ja, Granddad, das hast du.“

„Schön, dass du es zugibst“, brummte der alte Mann.

Owen schnappte nach Luft, als er ein Brennen im Magen fühlte.

„Und ich habe dir vorhergesagt …“

„Das hier hast du verdammt noch mal nicht vorhergesagt“, unterbrach Owen seinen Großvater gereizt. „Du hast nie vorhergesagt, dass ich durch das Dach eines zweistöckigen Hauses fallen würde.“

„Owen …“

„Du hast gesagt, dass ich mich langweilen würde, dass ich für diesen Beruf nicht aufs College hätte gehen müssen, dass ich das Familienunternehmen in Stich lasse. Aber das hier hast du nicht vorhergesagt, Granddad. Du hast kein Wort davon erwähnt, dass ich mal in einem Krankenhausbett liegen würde, mit einem völlig zerschundenen Körper und …“

„Owen …“

„Und einem meiner besten Freunde tot.“

Mit dem letzten Wort – tot – kam Owens Ausbruch abrupt zum Schluss. Tot.

Er hörte seinem Großvater nicht mehr zu, drückte die empörte Stimme weg und warf das Handy seinem Bruder zu. Entgeistert starrte Bryce ihn an.

Genau wie seine Mutter. Und seine Schwester. Sein Vater war ins Zimmer zurückgekehrt, und auch er sah seinen Sohn voller Besorgnis an.

Owen wusste, warum sie es taten. Normalerweise war er ein ruhiger, ausgeglichener Mensch. Jemand, der niemals die Nerven verlor und in kritischen Situationen einen kühlen Kopf bewahrte. Ein Mann, der jedem Druck standhielt. Und davon hatte er jede Menge erlebt, seit er sich entschieden hatte, zur Feuerwehr zu gehen, anstatt an einem Schreibtisch im Wirtschaftsimperium seiner Familie zu sitzen und Zahlen zu addieren.

Aber verflucht noch mal, der gestrige Abend war eine einzige Katastrophe gewesen, und jetzt streikte nicht nur sein beim Sturz lädierter Körper. Jetzt spielte ihm auch noch der Verstand einen Streich.

Nein, es war nicht sie gewesen. Das hatte er sich nur eingebildet.

„Ross“, wandte seine Mutter sich an seinen Vater. „Geh los und such den Arzt. Es ist höchste Zeit, dass wir Owen hier herausholen. Ich glaube, die Atmosphäre tut ihm nicht gut.“

June Marston war vermutlich überzeugt, dass es die geschmacklosen Vorhänge waren, die ihn so missmutig machten. Und wenn schon, dachte Owen. Hauptsache, er konnte endlich nach Hause. Seine ruhige, große Wohnung erschien ihm wie das Paradies.

„Ich will ihn nach Hause mitnehmen“, fuhr seine Mutter fort. „Damit ich ihn im Auge behalten kann.“

Mitnehmen? Das klang nicht gut. Entsetzt sah er sie an. „Nach Hause? Zu euch nach Hause? Nein, danke, Mom.“

„Owen …“

„Dad.“ Er warf seinem Vater einen flehentlichen Blick zu. Der ältere Mann sah aus, als würde er gleich wieder die Flucht ergreifen. „Bringt mich einfach in meine Wohnung. Mehr will ich nicht.“ Das und die Möglichkeit, die letzten vierundzwanzig Stunden ungeschehen zu machen. Und wenn er schon mal dabei war, konnte er auch jenen Tag in Las Vegas streichen, an dem eine gewisse Frau auf hohen Absätzen in sein Leben gestöckelt war.

Sein Vater räusperte sich geräuschvoll. „Deine Mutter könnte recht haben, Owen. Wie willst du in deinem Zustand allein zurechtkommen? Deine Wohnung hat drei Stockwerke, mit einer Treppe zwischen der Küche und dem Schlafzimmer.“

Das war ihm egal. Im Haus seiner Eltern wäre er tot, bevor …

O Gott. Das war es wieder. Das Wort. Tot. Gestern Abend hatte sich die Welt für ihn in eine Flammenhölle verwandelt. Und als sie das Feuer endlich gelöscht hatten, war Jerry Palmer tot gewesen.

Jerry Palmer war tot.

Owen fröstelte. Die plötzliche Kälte kam aus den Tiefen seiner Seele. Sein Magen rebellierte, ein Schraubstock legte sich um seine Brust, und ihm brach der Schweiß aus.

Wie war das alles geschehen? Warum war er am Leben geblieben, während Jerry gestorben war? Er schloss die Augen und versuchte, der Frage auszuweichen. Nicht nur der, sondern alldem hier.

„Ross.“ Die Stimme seiner Mutter drang wie aus weiter Ferne an sein Ohr. „Aber vielleicht brauchen wir auch nur jemanden aus der Verwaltung, damit wir den Papierkram erledigen und Owen nach Hause mitnehmen können.“

Nach Hause. Verdammt, genau dorthin wollte er. Egal, was seine Mutter sagte, er wollte in seine eigene Wohnung hier in Paxton, wo er die Tür hinter sich abschließen, seine Wunden lecken und die ganze Welt draußen lassen konnte. Einschließlich seiner Verwandten, die es zwar gut mit ihm meinten, ihn aber nie verstanden hatten.

Seine Augen waren noch immer geschlossen, als die Stimme seiner Mutter plötzlich anders klang. „Oh, wie schön. Junge Lady, wollen Sie zu meinem Sohn? Das will ich doch stark hoffen, denn wir möchten ihn so schnell wie möglich mitnehmen.“

„Ja, ich bin wegen Owen gekommen“, antwortete eine andere Stimme.

Eine Stimme, die er kannte. Eine, von der seit dem Wochenende in Las Vegas träumte. Ihre Stimme. Sein Herz begann wieder zu klopfen und schlug schmerzhaft gegen die geprellten Rippen. Selbst die überall am Körper verstreuten Blutergüsse schienen zu pulsieren.

Sie war tatsächlich hier. In diesem Moment. Warum?

Warum jetzt, nachdem sie ihn vor fünf Wochen im Streit verlassen hatte und Hals über Kopf aus Las Vegas abgereist war? Warum war sie hergekommen, obwohl sie sich seitdem nicht mehr bei ihm gemeldet hatte? Aber irgendwie war es typisch für sie, ausgerechnet dann aufzutauchen, wenn er mit einem lächerlichen blauen Gips in einem Krankenhausbett lag und sich wie null Komma fünf auf einer Skala von eins bis zehn fühlte.

Und das mit Haaren, die noch immer nach dem beißenden Qualm des brennenden Gebäudes rochen. Owen rieb sich die unrasierten Wangen, bevor er sich zwang, die Augen zu öffnen und die Frau anzublicken, die in der Tür stand und noch dazu unverschämt gut aussah.

Sie war klein und schlank, mit schimmerndem schwarzem Haar, das ihr ovales Gesicht umspielte. Die Augen waren schokoladenbraun, mit langen Wimpern, die beim Tanzen seinen Hals gestreift hatten – so nahe waren sie einander gewesen. Die makellose Haut war zart gebräunt, die vollen Lippen kirschrot. Er hatte sie an seinen gespürt, sie mit der Zungenspitze nachgezogen und sich in ihrem erregenden Geschmack verloren.

Ja, die Küsse hatten ihm den Verstand geraubt. Sie hatte ihm den Verstand geraubt.

„Wie geht es dir, Izzy?“, hörte Owen sich fragen und staunte darüber, dass seine vom Rauch noch raue Stimme nicht so abweisend klang, wie sie sollte.

„Besser als dir, wie ich sehe“, erwiderte sie sanft.

Als sie ins Zimmer kam, ohne den Blick von ihm zu nehmen, verschränkte er die Arme vor der Brust, und der dämliche Gips prallte dumpf gegen das Brustbein. Izzy verzog mitfühlend das Gesicht. „Oh, Owen.“

„Oh, Owen, was?“ Verdammt, er wollte nicht, dass sie ihn bemitleidete. Er wollte, dass sie … Er wollte nur eins von ihr. Aber sie war wie ein scheues Reh, und jetzt, da sie sich wieder in seine Nähe getraut hatte, durfte er sie auf keinen Fall verschrecken.

Egal, wie elend er sich fühlte und wie schrecklich er aussah, er musste alles sagen, alles tun, um sie zum Bleiben zu bewegen. Jedenfalls lange genug, um den unerträglichen Zustand zu beenden, den sie beide sich vor fünf Wochen eingebrockt hatten. Er durfte auf keinen Fall zulassen, dass sie wieder vor ihm davonlief.

Es war Caro, die sie beide daran erinnerte, dass sie nicht allein im Zimmer waren. Lächelnd sprang sie von ihrem Stuhl auf und streckte die Hand aus. „Ich bin Owens Schwester Caro.“

Izzy schüttelte sie höflich. „Und ich bin …“ Sie warf Owen einen hilfesuchenden Blick zu.

Er machte eine kleine Handbewegung. „Caro, das ist Isabella Cavaletti. Izzy, außer meiner Schwester sind da noch mein Bruder Bryce und meine Eltern June und Ross.“

Ums Bett herum wurden weitere Hände geschüttelt, und dann gab Owen seiner Familie noch einen letzten Brocken zu schlucken. Schließlich hatte er selbst auch daran zu kauen.

„Izzy ist meine Ehefrau“, verkündete er.

Izzys Plan war nicht besonders ausgefeilt. Hätte man sie danach gefragt, hätte sie wahrscheinlich behauptet, dass sie nur mal kurz nach Owen sehen wollte. Mal kurz? Nach einem Flug über dreitausend Meilen?

Anstatt an der offenen Tür vorbeizuhuschen, war sie davor stehengeblieben, als sie den Gips an seinem Arm, den Verband am Knöchel und den klobigen Kunststoffstiefel am anderen Fuß entdeckt hatte. Und dann waren da noch das zerzauste dunkelblonde Haar, der Kratzer unter dem Auge und die Schnittverletzung an der Nase. Noch nie, so fand sie, hatte ein Mann so erschöpft und hinreißend zugleich ausgesehen.

Wie angewurzelt stand sie da, bis sie eine hochgewachsene, hübsche Frau bemerkte, die standesgemäße Perlen um den Hals und eine besorgte Miene zur Schau trug. June Marston, Owens Mutter.

Sie hatte viel glücklicher ausgesehen, als sie Izzy noch für eine Krankenhausmitarbeiterin gehalten hatte. Dass die junge Frau mit ihrem Sohn verheiratet war, schien ihr nicht zu gefallen, denn sie starrte Izzy mit gespitzten Lippen und weit aufgerissenen Augen an. „Ehefrau?“, wiederholte sie, als würde das Wort einen üblen Geschmack auf ihrer Zunge hinterlassen.

Owen schien nichts mehr sagen zu wollen, also atmete Izzy tief durch und mobilisierte ihren ganzen Charme. Inzwischen fiel es ihr leicht, zu fremden Menschen nett zu sein und sie sogar für sich einzunehmen. Das hatte sie schon als Kind gelernt, aus reiner Notwendigkeit, und jetzt half es ihr im Beruf, dass sie auf andere Menschen zugehen konnte.

„Ich berate Bibliotheken“, erzählte sie Owens Familie und setzte ein unbeschwertes Lächeln auf, das die anderen hoffentlich davon ablenkte, dass sie June Marstons Frage nicht beantwortete. Sie warf Owen einen verstohlenen Blick zu. Bei seinem Anblick wurden ihre Hände kalt, und sie verspürte einen Stich im Bauch. Warum tat es so weh, dass er solche Schmerzen litt?

„Ich reise durchs Land und besuche öffentliche Büchereien“, fuhr sie fort. „Ich helfe ihnen, ihren Service zu modernisieren und die Benutzerfreundlichkeit zu erhöhen.“

Owens Bruder war aufgestanden, um ihr die Hand zu schütteln, und jetzt schienen die Worte modernisieren und erhöhen sein Interesse zu wecken. Er trug einen grauen Anzug und ein gestärktes weißes Oberhemd. Ein Geschäftsmann, dachte Izzy. „Und was für Vorschläge machen Sie so?“, fragte er.

„Oft rate ich dazu, die Bibliothek umzugestalten, damit sie mehr der Filiale einer großen Buchhandelskette gleicht. Bequeme Sessel, Tische mit den aktuellen Bestsellern, eine Coffee-Bar. So etwas.“

„Eine Coffee-Bar.“ Bryce wirkte beeindruckt. „Tatsächlich?“

„Frag sie nach Dewey und der Dezimalklassifikation“, mischte Owen sich ein.

Überrascht sah Izzy ihn an. Es schien ihm besser zu gehen, als er aussah. Auch ohne seine Verletzungen hätte sie nicht gedacht, dass er sich daran erinnern würde. Sie beide hatten in Las Vegas nicht viel Zeit zusammen verbracht und kaum über ihre Jobs geredet. Stattdessen hatten sie sich leidenschaftlich geküsst und ihre Körper mit sinnlichen Berührungen erkundet, selbst wenn sie sich nur auf der Tanzfläche drehten.

„Okay, ich beiße an“, sagte Bryce und lenkte ihre Gedanken in eine weitaus ungefährlichere Richtung. „Was ist mit Deweys Dezimalklassifikation?“

Sie warf Owen einen Blick zu. „Na ja …“

„Als ich sie kennenlernte, kam sie gerade von einer fünftägigen Konferenz für Bibliothekare und trug eine runde Plakette, auf der der Name Dewey mit einem dicken roten Balken durchgestrichen war.“

Bryce strahlte sie an. Sein Gesicht war nicht so markant wie Owens, aber ebenso attraktiv. „Kein Dewey und keine Dezimalklassifikation?“

Genau deshalb galt sie in Fachkreisen als Rebellin. Manche hielten ihre Kritik an der veralteten Methode, Bücher zu katalogisieren, für so etwas wie Gotteslästerung. „Ich setze mich dafür ein, dass die Bibliotheken ihre Bücher nach Themen zusammenfassen. Das ist viel sinnvoller und benutzerfreundlicher.“

Bryce schien die Idee gut zu finden. „Deine … Ehefrau muss eine sehr überzeugende und vielbeschäftigte Frau sein.“

„Vielbeschäftigt? Ja, das ist sie“, bestätigte Owen trocken. „So beschäftigt, dass sie keine Zeit hatte, ihren …“

„Ehemann anzurufen?“, unterbrach June Marston ihn und blinzelte, als wäre sie gerade aus einem Koma erwacht. „Ihr zwei seid wirklich verheiratet?“

Owen sah Izzy an und verzog das Gesicht, als täte es ihm leid, dass er ihr Geheimnis verraten musste. Seine Mutter deutete seine Miene anders und eilte ans Bett. „Owen, was ist los? Hast du wieder Schmerzen? Was brauchst du?“

„Hör zu, Mom, das mit der Heirat erkläre ich dir später. Im Moment brauche ich vor allem Ruhe.“ Mühsam fand er eine etwas bequemere Haltung. „Warum lasst ihr mich nicht alle allein?“

Autor

Christie Ridgway
<p>Bereits mit elf Jahren schrieb Christie Ridgway ihren ersten Liebesroman. Der Held war ihr Teenageridol, die Heldin sie selbst. Inzwischen gehört zu den USA Today-Bestsellerautorinnen. Sie lebt in Kalifornien und verbringt ihre Freizeit am liebsten mit ihren Söhnen, ihren Hunden und ihrem Mann, in den sie sich schon auf dem...
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