Nur eine Nacht - oder für immer?

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Für Milliardär Luca Cavallaro ist die geplante Hochzeit mit Mia Marini ein reiner Deal – den er sofort platzen lässt, als er entdeckt, dass ihr Vater ihn betrügt. Dumm nur, dass Luca die unschuldige junge Mia gegen jede Vernunft trotzdem nicht vergessen kann. Ihr einziger Kuss hat ein alles verzehrendes Feuer des Begehrens in ihm entzündet. Als er erfährt, dass Mia bald einen anderen heiraten soll, beschließt er, sie vorher zu besitzen – nur für eine Nacht! Danach ist sein Verlangen hoffentlich für immer gestillt …


  • Erscheinungstag 11.06.2024
  • Bandnummer 2652
  • ISBN / Artikelnummer 9783751524773
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

PROLOG

Ein Jahr zuvor…

Auf dem Platz vor der Kapelle tief im historischen Herzen Palermos drehte die Welt sich weiter. Kinder mit Eiswaffeln in den Händen und Sonne auf den Pausbacken liefen vorbei. Hinter ihnen schlenderten lächelnd Arm in Arm die stolzen Eltern.

Mia stand am Fenster und beobachtete, wie sich ein kleiner Junge feixend hinter eine Mauer duckte und seiner jüngeren Schwester auflauerte. Als sie näherkam, sprang der Junge laut schreiend auf. Durch das Fenster der Kapelle konnte Mia ihn nicht hören, obwohl die Scheibe dünn und vom Zahn der Zeit leicht gewellt war, doch sie tippte auf „Buh!“. Das Mädchen zuckte zusammen. Gleich darauf lachten beide Geschwister.

Trotz ihres zunehmenden Unbehagens lächelte Mia. Ein schwaches, zerstreutes Lächeln. Widerwillig drehte sie dem Treiben vor dem Fenster den Rücken zu. „Bestimmt verspätet er sich nur.“

Ihr Blick fiel auf einen alten Spiegel. Auch hier hatten die Jahre ihre Spuren hinterlassen, sodass Mia verzerrt wirkte. Doch selbst ohne klares Spiegelbild war das Lächerliche an diesem Moment allzu offensichtlich.

Hatte sie allen Ernstes daran geglaubt?

Dass sie heute heiraten würde?

Dass Luca Cavallaro sie tatsächlich ehelichte?

Blitzartig stiegen Erinnerungen an die Wirbelwindverlobung in ihr auf. Ihre Verwunderung über die angekündigte Heirat. Die Erklärung ihrer Eltern, diese Ehe sei das Beste für die Familie und für die Firma. Die erste Begegnung mit Luca, bei der er sie mit einem einzigen Blick umgehauen hatte. Sein grüblerischer, eindringlicher Blick, der ihr Blut förmlich in Lava verwandelt hatte, sodass sie sich fragte, ob sie ihre bisherige Existenz tatsächlich Leben nennen sollte.

Bei jedem Treffen mit ihm spürte sie diese Energie. Jede Berührung, selbst ein leichtes Streifen der Hände schien ein Feuerwerk in Mias Adern zu entzünden. Und der Kuss, dieser eine wilde Kuss, hatte sie glauben lassen, dass sie dazu bestimmt war, von Luca in den Armen gehalten zu werden.

Ihre Augen brannten. Sie atmete tief ein. Sie wollte den Tränen keinen freien Lauf lassen. Sie würde nicht weinen, nicht hier, nicht jetzt. Nicht vor ihren Eltern, die sie mit unverhohlener Enttäuschung betrachteten. Schlimmer noch: Die beiden schienen kaum überrascht zu sein. Fast, als hätten sie erwartet, dass Mia sie enttäuschte.

„Was hast du zu ihm gesagt?“ Jennifer Marini verschränkte die Arme vor ihrem schmalen Körper. „Neulich warst du allein mit ihm. Was ist da passiert?“

Anders als Mia war Jennifer groß und gertenschlank – was sie gerne betonte. Statt zu einer schlanken, grazilen Frau heranzuwachsen, war Mia nur knapp eins sechzig groß und hatte großzügige Rundungen. „Wie deine Mutter“, pflegte Jennifer missbilligend zu sagen, als wäre es eine Sünde, ihrer leiblichen Mutter zu ähneln.

Widerstrebend richtete Mia den Blick auf ihr Spiegelbild. Auf das ausladende weiße Rüschenkleid und die alberne Frisur. Seit dem frühen Morgen hatte eine Armee Frauen sie geschminkt und frisiert, damit sie wie eine richtige Braut aussah. Mit roten Wangen dachte Mia an die unangenehme Prozedur, als die Frauen sie rasiert hatten. Sie blinzelte rasch.

Trotz all der Mühe war sie weit davon entfernt, wie eine strahlende Braut auszusehen. Über ihr Äußeres hegte sie keine Illusionen. Sie war einigermaßen hübsch, jedenfalls im richtigen Licht. Und wenn die richtige Person sie anschaute. Und solange sie lächelte. Denn dann erinnerte sie sich an das Lächeln ihrer Mutter. Die Augen ihrer Mutter lebten in ihrem eigenen Gesicht weiter. Aber Mia würde nie so dünn wie ihre Adoptivmutter sein und wollte es auch gar nicht. Jennifer strahlte Freudlosigkeit aus. Wahrscheinlich lag das an ihrer strengen Diät. Mia hingegen aß viel zu gern und schwitzte so ungern, dass Sport ausschied. Da war es eindeutig besser, zu essen – Pasta und Eis und Focaccia und Mozzarella – und glücklich zu sein.

„Passiert? Nichts“, sagte Mia hastig, obwohl die Erinnerung ihren Puls schneller pochen ließen.

„Ich habe getan, was ich konnte.“ Jennifer ließ die Arme sinken und gestikulierte mit ihren grellrot lackierten Fingernägeln. „Alles, um dieser Ehe den Weg zu ebnen. Du musst irgendetwas gesagt haben.“

„Ich habe seit einer Woche nicht mit ihm geredet“, entgegnete Mia. Einerseits war es seltsam, so lange nicht mit seinem Verlobten zu sprechen. Andererseits ging es hier nicht um eine normale Ehe. Die Hochzeit mit Luca Cavallaro war keine Liebesheirat. Zumindest nicht für ihn. Sie zog die Stirn kraus, und ihr Herz raste, als sie an ihre erste Begegnung dachte. Wie ihre Blicke sich trafen und Mia berührten. Etwas in ihr war zum Leben erwacht, etwas Unbekanntes, etwas, wonach sie sich aber oft gesehnt hatte.

Die äußere Schönheit, die ihr fehlte, besaß Luca im Übermaß.

Er glich einer Statue in einer Kunstgalerie. Das makellose Bild eines Mannes. Groß, stark, athletisch und muskulös, ohne bullig zu wirken. Ihr war vor Fassungslosigkeit regelrecht schwindlig geworden. Dieser Mann sollte ihr Ehemann werden!

Danach hatten sie sich nur noch wenige Male getroffen, stets mit Mias Eltern. In den Gesprächen war es um den Verkauf der Firma von Mias Vater an Luca und um dessen Milliarden gegangen.

Aber dann jener Kuss, als Luca sich abends verabschiedet und Jennifer ihre Adoptivtochter aufgefordert hatte, ihn hinauszubegleiten. Der Mond hatte hoch am Himmel gestanden, über dem Anwesen auf dem Land unweit von Palermo. Das Rauschen der Meereswellen ging in Mias Ohren unter dem lauten Dröhnen ihres Blutes unter, als Luca sie in die Arme gezogen und mit gerunzelter Stirn auf sie hinabgeschaut hatte. Unwillkürlich hatte sie als Zeichen der Einwilligung knapp genickt. Im nächsten Moment hatte er sie geküsst, als sei es die natürlichste Sache der Welt.

Vielleicht war es das ja auch. Womöglich hatte Luca nach der Verlobung mehr Küsse erwartet, mehr von allem? An jenem Abend hatte er die Initiative ergriffen … Sie hatte gedacht, der Kuss würde wie im Film höchstens drei Sekunden dauern. Stattdessen ließ er die Lippen auf ihren verweilen. Die Zeit schien stehen zu bleiben. Mia stöhnte auf, weil Luca so gut roch und noch besser schmeckte. Der Kuss war mit Abstand das Beste, was sie je erlebt hatte. Plötzlich empfand sie Geborgenheit. Dabei fühlte sie sich seit dem Tod ihrer Eltern nirgendwo mehr geborgen.

Dann hatte sie seine Arme um ihren Rücken gespürt und ihr kurviger Körper schmiegte wie von selbst an ihren Verlobten. Er vertiefte den Kuss, erkundete ihren Mund so ausgiebig, dass sie bebte und sich hemmungslos wand – bis er jäh zurückwich und noch einmal auf sie hinabstarrte. Überrascht? So hatte sie seine Miene gedeutet, doch am folgenden Morgen konnte sie auch Langeweile nicht ausschließen. Oder gar Missfallen. Schließlich hatte sie nur sehr wenig Erfahrung im Küssen.

Das war eine Woche vor der Hochzeit passiert. Anschließend hatten sie einander weder gesehen noch gesprochen, aber Mia hatte keinen Grund gehabt, an Luca zu zweifeln.

Keinen Grund, anzunehmen, dass es so kommen würde wie heute. Wenn überhaupt, hatte er seine Absichten mit dem Kuss doch unterstrichen. Wie konnte er ihr ein derartiges Gefühl geben und sie dann sitzen lassen?

Am liebsten wäre sie in Tränen ausgebrochen. Wie kindisch ihre Träume waren! Ihre Träume hatten sie nachts wachgehalten und ihr Verlangen geweckt.

Sie war skeptisch gewesen, als ihre Eltern zum ersten Mal von einer Hochzeit gesprochen hatten. Die beiden wollten sicherstellen, dass auch nach dem Verkauf des Familienunternehmens eine Marini dort arbeitete und dass für Mia gesorgt war. Lange hatte sie nicht gebraucht, um sich mit der Idee anzufreunden.

Sie würde dann keine Marini mehr sein, als die sie sich im Grunde nie gefühlt hatte.

Sie würde nicht länger allein sein.

Stattdessen wäre sie eine Ehefrau, verheiratet mit einem Mann wie Luca. Abgesehen von seinen äußeren Vorzügen war er reich und mächtig. Gewiss konnte sie unter seinem Dach ihr eigenes Leben führen. Er würde sich nicht darum kümmern, wann sie kam und ging. Außerdem würden sie Kinder in die Welt setzen, und allein dieser Gedanke überzeugte Mia von der Hochzeit. Kinder. Eine eigene Familie. Etwas, das sie unbedingt wollte, seit sie ihre Eltern verloren hatte. Ebenso verzweifelt sehnte sie sich nach Geborgenheit, die dem Wissen entsprang, geliebt zu werden.

Obwohl sie sich stets ihren Adoptiveltern fügte, wuchs mit der Zeit ihr Wunsch nach Eigenständigkeit. In der Ehe mit Luca Cavallaro konnte sie endlich unabhängig sein.

„Bestimmt verspätet er sich nur“, murmelte Mia noch einmal, um sich zu beruhigen.

„Er kommt zu spät zu seiner eigenen Hochzeit?“ Jennifer stemmte eine Hand mit den spitzen, rot lackierten Nägeln auf die Hüfte. „Er sollte da draußen stehen und auf dich warten. So funktioniert das normalerweise.“

„Er ist sehr beschäftigt und gefragt. Deshalb sind wir doch hier, nicht wahr?“

Gianni Marini schüttelte den Kopf. Sein rundliches Gesicht drückte Ungeduld aus. „Du hättest nur in der Ecke sitzen und dann und wann lächeln müssen.“

Etwas regte sich in Mias Brust. Hatte sie einen Fehler gemacht? Alles ruiniert? War der Kuss dermaßen schlecht gewesen? Abrupt drehte sie sich um und sah nach den Kindern, die Verstecken gespielt hatten, doch sie waren fort. Die Sonnenstrahlen tanzten auf dem großen Baum in der Mitte des Platzes. Mia liebte das Licht in Palermo. Der Umzug in das trübe, graue England damals war schlimm gewesen, aber Jennifer hatte auf dem Internat bestanden, das sie selbst besucht hatte. Mia hatte den Sonnenschein und das Meer sehr vermisst.

„Oh nein“, stieß Jennifer hervor.

Mia schloss die Augen. Sie hielt an der Hoffnung und der Erinnerung an Lucas Blick fest. Jemand mit solch schönen Augen, jemand, der sie ansah, der sie wirklich sah, der konnte nicht so kaltherzig sein. Dennoch wusste sie Bescheid. Schon als die Friseurin sie herausgeputzt, die Kosmetikerin ihr falsche Wimpern angeklebt und ihre Nägel lackiert und unter UV-Licht gesteckt hatte, wurde Mia klar: Es ist vergeblich.

„Was ist?“, fragte Gianni laut.

„Er kommt nicht.“

„Woher weißt du das?“

„Die ganze Welt weiß es“, sagte Jennifer und drückte ihm ihr Handy in die Hand. „Sieh selbst.“

Mia hielt die Augen geschlossen. Noch immer drehte sie sich nicht um. Ihr Herz war bleischwer. Sie atmete kaum.

Gianni las vor:

Bräutigam ausgerissen!

Abflug statt Gang zum Altar: Luca Cavallaro, der milliardenschwere Junggeselle, wurde gestern Abend auf dem Flughafen auf Sizilien gesehen. Seine Hochzeit mit Mia Marini, der Tochter von Stahlmagnat Gianni Marini, war für heute geplant. Steht die Fusion der beiden Unternehmen vor dem Aus? Wir berichten.

Mia stöhnte. Am unerträglichsten war der vorletzte Satz. Offenbar wusste jeder, dass der Zweck dieser Ehe die Fusion zweier Firmen war. Das stimmte ja auch. Aber war es denn so unwahrscheinlich, dass ein Mann wie Luca sie um ihrer selbst willen heiratete?

Eine Träne lief ihr über die Wange.

„Abgereist? Gestern?“ Jennifers Stimme zitterte vor Wut. „Und er hatte nicht einmal den Anstand, uns Bescheid zu sagen! Der ganze Aufwand umsonst. Und wir haben keine Chance, unser Gesicht zu wahren. Wie konnte er uns das antun, Gianni?“

Euch? wollte Mia schreien. Sie war diejenige in dem lächerlichen Kleid und mit der grässlichen Frisur und dem viel zu knalligen Make-up. Plötzlich bekam sie keine Luft mehr. Sie konnte sich kaum auf den Beinen halten. Sterne tanzten vor ihren Augen. Ruckartig drehte sie sich um und starrte ihre Eltern an, ohne sie richtig zu sehen. Dann marschierte sie zur Tür. „Ich muss gehen.“

„Wohin?“, fragte Jennifer scharf.

„Nach draußen. Irgendwohin. Egal. Ich kriege keine Luft.“

„Nicht“, warnte ihre Adoptivmutter zu spät. Mia platzte in die Kapelle voller Leute, die nun alle Zeugen wurden. Die meisten schauten auf ihre Handys, doch als die Braut erschien, blickten alle auf, manche mitleidig, andere schadenfroh. Mia bekam kaum etwas mit. Hinter der letzten Reihe schlängelte sie sich hinaus, vorbei an den Gästen, die keinen Sitzplatz gefunden hatten. Sie überhörte sämtliche Bemerkungen, stieß die schwere alte Holztür auf und stand in dem einzigartigen Licht von Palermo. Kurz schloss sie die Augen und atmete tief ein. Dann lief sie die Treppenstufen hinunter. Als sie über den Platz rannte, stieß sie mit einem Kind zusammen, das Erdbeereis auf ihr furchtbares weißes Brautkleid schmierte.

Mia stand da, mitten auf dem Platz, stemmte beide Hände in die Hüften, legte den Kopf in den Nacken und konnte nur noch lachen.

1. KAPITEL

Kein einziger Tag verging, an dem Luca Cavallaro nicht überzeugt war, richtig gehandelt zu haben. Wenn er an die Familie Marini dachte, spürte er Zorn und Abscheu.

Sie hatten ihn belogen.

Sie hatten ihm eine wertlose Firma verkaufen und ihn durch Heirat an ihre Tochter binden wollen. Und fast wäre er drauf reingefallen. Luca Cavallaro, der von klein auf wusste, dass er nie heiraten, nie lieben wollte. Denn er hatte gesehen, was Liebe anrichten konnte.

Dabei ging es hier ja gar nicht um Liebe, sondern darum, an das Unternehmen zu kommen, das ihm so viel bedeutete. Er ballte die Hand zur Faust bei der Erinnerung an die Nachricht damals, dass Marini Enterprises zum Verkauf stand … Jene Firma, auf die sein Vater so scharf gewesen war, die er sich aber nicht unter den Nagel reißen konnte. Nun wollte Luca den Deal unter allen Umständen abschließen. Nicht um die Anerkennung seines Vaters zu gewinnen, sondern weil er stets gewinnen wollte. Unbedingt. Wenn er dabei seinen Vater übertrumpfen konnte – umso besser.

Also hatte er der Hochzeit als Bedingung für die Fusion zugestimmt, er hatte sogar Gefallen an der Aussicht auf eine Ehe mit Mia gefunden. Eine richtige Beziehung wäre es ja nicht, sondern bloß eine Zweckehe, wenn auch mit unbestreitbaren Vorzügen. Luca hatte sich darauf gefreut, Mia in seinem Haus und seinem Bett zu haben. Eine Liebesheirat war es nicht. In diesem Punkt hatte kein Risiko bestanden, weder für ihn noch für Mia.

Doch dann kam die Wahrheit ans Licht. Seine Finanzexperten hatten Marini Enterprises gut einen Monat lang unter die Lupe genommen. Gianni war sehr clever und hatte seine Firma mithilfe von Schattenfirmen und Trusts profitabel aussehen lassen. Alles nur Fassade.

Genau wie Mia.

Luca war außer sich vor Wut. Nicht nur wegen des Geldes, sondern weil die Marinis ihn für einen Dummkopf hielten, der auf ihre Lügen hereinfiel. Nur zu gut wusste er, dass sein Vater nur darauf wartete, wie er scheiterte und mit eingezogenem Schwanz nach Australien zurückkehrte. Die Marinis hätten ihn nicht ruiniert, dafür besaß er zu viel Geld, doch es wäre demütigend gewesen, wenn sich die Wahrheit herumgesprochen hätte. Deshalb war er ohne einen Blick zurück abgereist.

Und doch …

Luca stand in der warmen Nachmittagssonne neben seinem Infinitypool. Noch einmal nahm er das Handy zur Hand. Sein Blick landete auf einem Artikel mit dem Foto der lächelnden Mia. Sie stand neben einem Mann, dem Luca einige Male begegnet war. Lorenzo di Angelo war der Erbe eines expandierenden Textilunternehmens.

Also hatte Gianni einen anderen Investor gefunden.

Und Mia spielte mit, genau wie zuvor, als williger Köder.

Mia Marini schon wieder verlobt!

Die Schlagzeile verursachte ihm ein Unbehagen, das er sich nicht erklären konnte. Mia hatte bei der Intrige ihrer Eltern mitgemacht. Sie arbeitete für Marini Enterprises und war zweifellos mitschuldig an dem Betrug. Allerdings hatten sich nach der geplatzten Hochzeit sämtliche Medien auf sie gestürzt, die sitzen gelassene Braut. Ein Foto zeigte sie auf dem Kirchplatz mit einem roten Fleck auf dem Brautkleid, vor ihr ein Kind, das sie staunend ansah, während sie mit verzerrtem Gesicht und geöffneten Lippen in den Himmel schaute …

Scham hatte ihm einen scharfen Stich versetzt, obwohl er überzeugt war, dass Mia den Skandal verdiente. Er hatte die Anrufe seines Vaters ignoriert. Carrick Stone hatte kein Recht, ihn zu belehren. Schwieriger war es, die Anrufe seines Halbbruders Max Stone zu ignorieren, für den Luca Zuneigung und Respekt empfand. Aber er hatte keine Fragen zur Hochzeit beantworten wollen, auch nicht zu Marini Enterprises oder der Tatsache, dass er es Mia überlassen hatte, die Scherben zusammenzukehren.

Sie hätte ihm die Wahrheit sagen können. Vor allem an jenem Abend. Der Kuss … Er schloss die Augen. Bei der Erinnerung vibrierte sinnliche Wonne in seinem Körper, noch immer mächtig genug, um ihn aus dem Gleichgewicht zu bringen. Was hatte er sich nur dabei gedacht? Dass er mit einem Kuss Mias Seele aufschloss? Dass sie wegen des explosiven Verlangens zwischen ihnen ehrlich zu ihm sein würde?

Für Ehrlichkeit hatte zu viel auf dem Spiel gestanden.

Mia war eine willige Spielfigur in dem Schwindel. Sogar bereit, sich selbst zu verkaufen und einen unbekannten Mann zu heiraten, damit er eine wertlose Firma über Wasser hielt.

Das machte sie fast zur schuldigsten Beteiligten.

Nach der Hochzeit des Jahrzehnts, die dann doch nicht stattfand, macht Mia Marini einen weiteren Anlauf, diesmal mit dem ältesten Sohn der di Angelos. Damit vereinigen sich zwei der angesehensten Familien Italiens.

Tja, schön für Mia. Sie hatte einen weiteren Kerl hinters Licht geführt.

Er legte sein Handy zurück auf den Tisch, schaute auf das kristallklare Wasser im Pool und auf das azurblaue Mittelmeer dahinter.

Zuerst war Mia belanglos gewesen.

Dann hatte sie ihn geküsst – oder er sie, und ein Funke des Begehrens hatte etwas viel Stärkeres entzündet.

Sie war seine Verlobte gewesen.

Luca hätte sie also in Besitz nehmen können, wenn er gewollt hätte, und auf einmal hatte er gewollt. Hatte sie in seinen Wagen setzen und mit ihr von ihren Eltern und deren Anwesen wegfahren wollen. Irgendwohin, wo ein großes, bequemes Bett stand, in dem er mit ihr schlafen konnte. Wo er sie noch öfter so stöhnen hörte wie bei dem Kuss. Hörte, wie sie erregt seinen Namen rief.

Diesmal musste er nicht zum Handy greifen, um das Foto zu betrachten. Er sah Mia vor sich. Wie sie an jenem Abend im milchigen Mondlicht ausgesehen hatte und wie sie auf dem aktuellen Foto aussah. Er machte einen Kopfsprung ins Wasser, während sich ein Entschluss in ihm einnistete. Weniger ein Entschluss, überlegte er und kraulte mit kräftigen Zügen. Vielmehr ein Bedürfnis, das zu besitzen, was einmal sein gewesen war. Oder hätte sein sollen.

An jenem Abend war er aus Wut auf Mia abgereist. Weil sie ihn belogen hatte, weil sie ihn betrog und dann auf diese Weise küsste.

Wütend war er nach wie vor.

Doch das sizilianische Blut floss heiß durch seine Adern und verlangte etwas von ihm, das er nicht länger leugnen konnte. Bevor Mia heiratete, bevor sie sich um des abgestürzten Imperiums ihrer Familie willen an einen anderen Mann verkaufte, würde sie Luca gehören.

Ganz und gar ihm. Wie sie es bei der Verlobung zugesagt und ihr Körper es an jenem Abend bei dem Kuss im Mondlicht versprochen hatte. Etwas war zwischen ihnen beiden entflammt, etwas Drängendes, Intensives. Bis heute hatte Luca es ignorieren können. Bis er gelesen hatte, dass sie heiraten wollte, womit er endgültig die Chance verlor, das gegenseitige Verlangen auszuleben. Endlich wollte er der Versuchung gehorchen.

Offiziell fand der Ball zu Ehren von Mias Eltern statt. Jedes Jahr veranstaltete die Familie Marini dieses Event, um Spenden für die Stiftung von Gianni und Jennifer zu sammeln. Mia empfand bei diesen Gelegenheiten besonders deutlich, wie einsam sie war. Trotz ihrer neuerlichen Verlobung und der elterlichen Beteuerungen, wie sehr sie Mia liebten, fühlte sich alles wie eine Lüge an. Sie würde einen Mann heiraten, den sie kaum kannte und definitiv nicht liebte. Der klargestellt hatte, dass er bis zur Trauung wie ein freier Mann leben wollte. Kein Problem für Mia – sie machte sich keine Illusionen über die Ehe, die ihnen bevorstand.

Gianni und Jennifer hatten sie aus Pflichtgefühl aufgenommen, denn Jennifer war die beste Freundin von Mias leiblicher Mutter gewesen. Im Laufe der Jahre hatte das Paar mit der Adoptivtochter immer wieder Enttäuschungen erlebt. Mia glaubte, dass die beiden sie auf ihre Weise liebten und ihr Bestes wollten, aber hinter ihr lag keine glückliche Kindheit. Die Schatten der frühen Jahre reichten bis heute und trübten ihre Sicht auf das Leben.

An Abenden wie diesem war es noch schlimmer, weil sie an ihre Vergangenheit denken musste. An die Zeit mit ihren leiblichen Eltern.

Bei deren Tod war sie noch klein gewesen, aber Erinnerungen an Glück und Liebe hatten sich in ihrer Seele eingebrannt. War es ein Wunder, dass ihre stärkste Sehnsucht einer eigenen Familie galt? Kindern, die sie verwöhnen und denen sie all ihre Liebe schenken konnte?

„Ich dachte, die di Angelos würden hier sein“, zischte Jennifer.

„Eine Terminüberschneidung“, murmelte Gianni. „Keine Sorge. Diese Hochzeit und diese Fusion werden stattfinden. Diesmal läuft es anders.“

Zweifel beschlichen Mia. Könnte ihr zweiter Hochzeitsversuch genauso unglückselig enden wie der erste? Nein. Ausgeschlossen. Lorenzo war kein bisschen wie Luca. Während Lucas Genialität und Entschlossenheit etwas Gefährliches an sich hatten, ganz zu schweigen von seinem zügellosen Sex-Appeal, ging Lorenzo ruhig und systematisch vor. Körperlich zog Mia ihn kein bisschen an, was sie beruhigte. Sachlich hatten sie über die Fusion gesprochen, den Grund für die Hochzeit, und über Lorenzos Absicht, bis zur Trauung diskret andere Frauen zu treffen.

„Entschuldigt mich“, murmelte sie, weil sie einen Schluck Champagner und einen Moment Ruhe brauchte. „Ich mische mich unter die Gäste. Bin gleich zurück.“

Jennifer presste missbilligend die Lippen zusammen, doch Mia fragte sich schon längst nicht mehr, womit sie wohl ihre Adoptivmutter verärgert hatte. Sie drehte sich um und verschwand.

Unabhängig von der An- oder Abwesenheit der di Angelos war der Abend ein Erfolg. Mia konnte es an der Gästezahl und dem Kaliber der Prominenten ablesen. Die Stiftung würde davon profitieren.

Sie reihte sich vor der Bar in die Schlange ein, bestellte Champagner und bahnte sich mit dem Glas erleichtert einen Weg durch die Menge. Höflich nickte sie Bekannten zu, bis sie die Türen erreichte, die zur Dachterrasse führten. Wegen der Hitze befanden sich mehr Leute hier oben, als Mia sich wünschte, aber eine abgeschiedene Nische war zum Glück leer. Dankbar setzte sie sich auf einen der Stühle und zog die hohen Pumps aus. Über ihr schufen Lichterketten eine magische Stimmung. Um sie herum plauderten gut gelaunte Gäste, während sie sich selbst nahezu anonym fühlte dank der beiden riesigen Farne, die sie abschirmten.

Sie lehnte sich zurück, schloss die Augen und atmete tief durch, um sich zu entspannen. Meine Entscheidungen sind richtig, redete sie sich ein, auch wenn sie oft daran zweifelte. Was hätten ihre Eltern wohl zu der bevorstehenden Hochzeit gesagt?

Mia lächelte ironisch. Dann verzog sie das Gesicht, seufzte und nippte am Champagner.

Hätten ihre Eltern noch gelebt, wäre sie nie in diese Lage gekommen – gezwungen, Adoptiveltern zu entkommen, die sie gleichzeitig liebten und ablehnten. Die ihre Liebe zeigten, indem sie Mia viel zu sehr beschützten und kontrollierten. Die ihr ein Maß an Dankbarkeit anerzogen hatten, das es ihr unmöglich machte, aufzubegehren.

Ihr Verstand sagte ihr, wie falsch es war. Warum erklärte sie ihren Adoptiveltern nicht einfach, dass sie weder im Familienunternehmen arbeiten noch einen Fremden heiraten wollte, bloß um Marini Enterprises verbunden zu bleiben? Doch als kleines Mädchen, das vor einem Leben als Pflegekind bewahrt worden war, hatte sie immer wieder gehört, wie glücklich sie sich schätzen konnte, Jennifer und Gianni zu haben. Mia konnte ihnen keinen Wunsch abschlagen. Also blieb ihr nur, die eigenen Wünsche mit denen ihrer Adoptiveltern in Einklang zu bringen.

Und mit ihrer Verbindung zu Lorenzo hatte sie das erreicht.

Noch einmal seufzte sie und hob das Glas zu den Lippen, da registrierte sie aus den Augenwinkeln eine Bewegung und drehte den Kopf.

Schlagartig fühlte sie sich, als würde jede Zelle ihres Körpers von einem Fieberkrampf geschüttelt, um schon in der nächsten Sekunde zu erstarren.

Abrupt stand sie auf. Der Champagner schwappte in hohem Bogen aus ihrem Glas auf den gekachelten Boden. Vor Schreck war ihr Körper nur noch zu ruckartigen Bewegungen fähig.

„Luca?“ Sie blinzelte heftig. Ihre Augen mussten sie täuschen.

Doch dann verzog er die Lippen zu jenem Lächeln, an das sie sich so gut erinnerte, halb zynisch und halb verführerisch. Prompt schien ihr Magen einen solchen Salto zu vollführen, dass sie befürchtete, er katapultiere sich aus ihrem Körper heraus.

„Was machst du hier?“, fragte sie.

„Dies ist eine Wohltätigkeitsveranstaltung. Ich habe eine Eintrittskarte.“

„Du hast eine Eintrittskarte“, wiederholte sie mit großen Augen. „Warum?“

Gleichgültig zuckte er die Schultern. „Warum nicht? Ich konnte es mir leisten.“ 

„Aber es ist die Stiftung meiner Eltern“, sagte Mia hastig und leerte ihr Glas Champagner.

Autor

Clare Connelly
<p>Clare Connelly liebt Liebesromane – von Jane Austen bis E L James. Nachdem sie lange erfolgreich Selfpublisherin war, ging 2017 ihr Traum in Erfüllung, als ihr erstes Buch bei einem Verlag erschien. Seitdem ist sie nicht mehr zu stoppen. Clare liest und schreibt leidenschaftlich gerne, und lebt in einem kleinen...
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