Nur eine verruchte Nacht

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Eine Nacht voller Abenteuer? Die schöne Daphne de Courtenay zögert nicht lange, als der attraktive Jamie anbietet, gemeinsam von dem öden Ball zu fliehen und die verruchten Seiten des Londoner Nachtlebens zu entdecken. Nie hätte Daphne geahnt, wozu ihre eigene Abenteuerlust sie dabei treiben würde … Doch wird ihr leidenschaftlicher Begleiter noch zu ihr stehen, wenn der Morgen anbricht?


  • Erscheinungstag 24.05.2017
  • ISBN / Artikelnummer 9783733778248
  • Seitenanzahl 60
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Folkestone Town House, London, im Mai 1835, acht Uhr abends

An jedem anderen Ort auf der Welt wäre Jamie Burke gerade lieber gewesen als hier. „Hier“ war in diesem Fall die jährliche Sternennacht-Gala im Folkestone House, ein Ball, den seine Mutter veranstaltete und der von der vornehmsten Londoner Gesellschaft im Allgemeinen als der Auftakt zu den anderen wichtigen Festen der Saison betrachtet wurde.

Mit allem Respekt war er ganz anderer Meinung.

Jamie lehnte an der steinernen Brüstung des Folkestone Town House. Dabei balancierte er seinen Champagnerkelch mit einer Hand nachlässig viel zu nah am Rand und blickte erschöpft in den Garten hinab, der mit langen Girlanden aus Laternen geschmückt war. Der Garten war, genau wie drinnen der Ballsaal, perfekt hergerichtet worden; es war alles elegant, ohne die kleinste Spur von Protzigkeit. Der Anblick schmeichelte dem Auge und zog einen unerwartet in seinen Bann. Darin, dass er einen so leicht nicht wieder losließ, ähnelte er der leuchtend rot gefärbten indischen Sandboa, von der er erst kürzlich gelesen hatte. Es war schon mehr als ein Gentleman seiner Freiheit beraubt worden, nachdem er sich unvorsichtigerweise in einen laternengeschmückten Garten gewagt hatte.

Er musste unbedingt ins Haus zurückgehen und den guten Gastgeber spielen. Die Leute erwarteten von ihm, dass er als Sohn seine Mutter unterstützte. Dazu gehörte vor allem auch, mit einer Unmenge von Mädchen in weißen Kleidern zu tanzen, die seine Mutter für passende Anwärterinnen auf eine Ehe mit ihm hielt und damit auf den Titel der nächsten Vicomtesse Knole.

Jamie fürchtete den Tag, an dem es so weit wäre. In vier Wochen wurde er einunddreißig. Es war für ihn an der Zeit zu heiraten. Er hatte immer gewusst, dass eines Tages kein Weg mehr daran vorbeiführen würde, und doch konnte er wenig Begeisterung dafür aufbringen, genauso wenig wie für die Kandidatinnen, die seine Mutter aussuchte und die alle mit der gleichen Schablone gezeichnet zu sein schienen: Sie waren alle jung, aus gutem Hause, einigermaßen hübsch, und jede einzelne glich einem unbeschriebenen Blatt Papier, das ihr zukünftiger Ehemann mit seiner Handschrift füllen konnte. Er kannte genügend Männer, denen es sehr recht war, mit so einer Frau vor den Traualtar zu treten. Aber er war keiner von ihnen. Er mochte Frauen lieber, die wussten, was sie wollten.

Jamie seufzte. Drinnen war man inzwischen bereit, mit dem Tanz zu beginnen. Er konnte hören, wie die Musiker auf der Empore ihre Instrumente stimmten. Er sollte wirklich langsam hineingehen. Aber hier draußen konnte er noch ein wenig an einer Illusion von Freiheit festhalten. Dort drinnen wartete seine Zukunft auf ihn, und die stellte er sich ziemlich eintönig vor. Er wusste, was seine Mutter von ihm erwartete; er sollte eines von ihnen heiraten, eines von diesen unschuldigen, leeren Mädchen aus guter Familie. Es war eine beängstigende Vorstellung, dass seine zukünftige Ehefrau nur wenige Meter von ihm entfernt hinter der Schwelle dieser Fenstertür stand und er trotzdem noch keine Ahnung hatte, wer sie sein mochte.

Jamie atmete noch einmal tief durch, um sich innerlich für das zu wappnen, was ihm bevorstand, blieb dann jedoch stehen, anstatt in den Ballsaal zurückzukehren. Er hatte aus dem Augenwinkel ein Stück die Veranda hinab eine Bewegung wahrgenommen. Eine schlanke Gestalt in einem blauen Ballkleid schlüpfte nach draußen und sah sich verstohlen um. Das war ja interessant. Vielleicht war sie ein Flüchtling, genau wie er.

Sie drehte den Kopf zunächst nach links und dann nach rechts, sodass er ihr Gesicht erkennen konnte. Ihre beinahe unwirkliche Schönheit löste eine sehr männliche Reaktion in ihm aus. Sie hatte helles, goldblondes Haar, das sich bereits aus ihrer komplizierten Hochsteckfrisur gelöst hatte. Die auf Abwege geratenen Strähnen rahmten ein Gesicht mit dunkelblauen Augen ein. Für ihn sah sie aus wie ein eigensinniger Engel, der vom Himmel herabgestiegen war, um sich ein bisschen auf der Erde herumzutreiben. Bei ihrem Anblick stieg ein regelrechter Strudel von widersprüchlichen Emotionen in ihm auf; einige beschützend – so ein Wesen durfte man doch nicht allein durch Ballsäle und auf Veranden herumspazieren lassen; andere animalisch – so ein Wesen war nicht für irgendeinen Mann gemacht. Sie war für diesen Mann gemacht, für ihn. Zum ersten Mal seit langer Zeit verspürte Jamie Sehnsucht, konnte fühlen, dass er am Leben war.

Dann sah der Engel in Blau ihn und blieb vor Schreck stehen, die Hoffnung in ihren Augen zerbrach beim Anblick eines anderen Menschen. Normalerweise waren Frauen nicht enttäuscht, wenn sie ihn zu Gesicht bekamen. Hatte sie etwa gedacht, dass sie hier allein sein könnte? Sein Interesse wurde noch größer. Jamie lächelte freundlich und hob sein Glas, um ihr zur Begrüßung zuzuprosten. „Herzlich willkommen auf der Veranda. Müssen Sie sich vor jemandem verstecken?“

Er ging auf sie zu, weil er nicht über fünf Meter Entfernung hinweg mit ihr reden wollte. Sie rang sich ein Lächeln ab, das ziemlich gequält wirkte. „Ich habe gemerkt, dass ich Kopfschmerzen bekomme, und dachte, ich schnappe ein bisschen frische Luft.“

Er hörte ein kurzes Zögern in ihrer Stimme und bemerkte eine versteckte Furcht in ihrem Blick. Offensichtlich war das nicht die ganze Wahrheit, bestimmt nicht einmal die halbe. „Sie sind keine besonders gute Schauspielerin“, sagte er leichthin und hoffte, dass sein Tonfall ihr dabei helfen würde, sich zu beruhigen. Er hatte schließlich überhaupt kein Interesse daran, ihre Geheimnisse zu verraten, ganz gleich, um was es sich dabei handeln mochte.

Gekränkt sah sie ihn an. „Wollen Sie mir etwa unterstellen, dass ich nicht die Wahrheit sage?“

Jamie lächelte. Die Sache fing an, ihm Spaß zu machen. „Ein Gentleman würde das niemals so geradeheraus sagen. Aber ich wette trotzdem um fünf Pfund, dass Sie keine Kopfschmerzen haben.“

Sie schnaubte leise und warf ihr blondes Haar zurück. In ihren dunkelblauen Augen konnte er deutlich erkennen, dass sie wütend war, weil man sie durchschaut hatte. „Also schön, Sie haben recht, ich versuche mich zu verstecken.“ Er freute sich über ihr Geständnis. Sie hatte sich entschlossen, ihm zumindest ein bisschen zu vertrauen. Jamie betrachtete das als Fortschritt.

„Ist es dafür nicht ein wenig zu früh? Der Tanz hat ja noch nicht einmal angefangen.“ Er sah über ihre Schulter hinweg in den Ballsaal, um festzustellen, ob ihr irgendein ungelenkes Scheusal von Verehrer folgte.

Sie bedachte das Glas in seiner Hand mit einem scharfen Blick. „Ist es dafür nicht noch ein wenig zu früh?“

„Es ist niemals zu früh für Champagner, vor allem, wenn er perfekt temperiert ist.“ Jamie bot ihr das Glas an. „Ich habe noch nicht daraus getrunken. Wahrscheinlich brauchen Sie ihn sowieso dringender als ich.“

Sie lächelte und nippte, dabei sah sie ihn über den Rand des Kelchs hinweg an. Jamie sah zu, wie die goldene Flüssigkeit zwischen ihren rosigen Lippen verschwand, und beobachtete die Schluckbewegungen an ihrem schlanken Hals. Den Champagner zu opfern, hatte sich schon gelohnt.

„Ich versuche, mich vor meiner Mutter zu verstecken, wenn Sie schon so fragen“, sagte sie, ohne dass er sie hätte ermuntern müssen, und stellte das Glas auf die Brüstung.

„Dann haben wir ja etwas gemeinsam. Ich verstecke mich auch vor meiner.“

Sie lächelte wieder, langsam atmete sie auf. Sie nahm noch einen Schluck Champagner. „Wirklich? Meine will unbedingt, dass ich einen Gentleman kennenlerne. Ich soll einen guten Eindruck auf ihn machen und vorteilhaft heiraten, um so die ganze Familie vor der Armut zu retten, die noch lange nicht eingetreten, aber wohl unausweichlich ist.“ Sie sah ihn aus ihren dunkelblauen Augen ernsthaft an, dabei ließ sie ihre Finger mit dem Stiel des Champagnerglases spielen. „Ich weiß gar nicht, warum ich Ihnen das erzähle. Ich kenne Sie doch überhaupt nicht.“

„Vielleicht ist genau das der Grund“, sagte Jamie vorsichtig, weil er die Verzweiflung spüren konnte, die tief in ihrem Inneren tobte, auch wenn sie sich große Mühe gab, ihre Gefühle zu verbergen. Ihre Verzweiflung war seiner eigenen sehr ähnlich, die ihn auf die Veranda getrieben hatte. Sie stand jetzt so dicht bei ihm, dass er den zarten Jasminduft des Parfüms wahrnehmen konnte, das sie aufgelegt hatte. Er war sanft und doch vielsagend. Er passte zu ihr. Sie sah vielleicht wie ein Engel aus, aber sie ruhte ganz und gar nicht in sich selbst. Er hatte ein wütendes Feuer in ihren Augen lodern sehen, als er sie bei der Flucht ertappt hatte.

„Sie wollen den Gentleman also nicht kennenlernen?“, bohrte Jamie nach. Seiner Erfahrung nach konnten Frauen es normalerweise kaum abwarten, Männer im heiratsfähigen Alter zu treffen. „Ist er hässlich? Hat er ausschweifende Gewohnheiten oder hundert Kinder, die Sie aufziehen sollen?“

Sie lachte über seine Übertreibung und zuckte mit den Schultern. „Das weiß ich nicht. Ich weiß noch nicht einmal, wie er heißt oder wie er aussieht. Ist das nicht schrecklich? Ich will nicht verschachert werden, auch wenn ich dadurch meiner Familie helfen kann. Zumindest noch nicht. Ich will noch ein bisschen Spaß haben, vielleicht ein kleines Abenteuer, ganz für mich allein, ohne dass ich mir Gedanken darüber machen muss, was ich sagen, was ich tun, was ich anziehen soll oder wen ich treffen muss.“

Jamies Pulsschlag beschleunigte sich. Ihre Verzweiflung glich wirklich seiner eigenen, und dahinter steckte viel mehr als nur einmalige Ereignisse, wie diesen Gentleman kennenzulernen oder jene junge Dame. Es war ein Hunger nach Freiheit, nach der Freiheit, die Fesseln von Familie und Verantwortung abzustreifen.

Sie lachte leise und entschuldigend. „Ich fürchte, ich bin eine sehr schlechte Tochter. Die Wahrheit ist, dass ich überall lieber wäre als hier, egal, was es mich kosten würde, glaube ich.“

Das war genau das, was er gerade gedacht hatte. Jamie warf einen schnellen Blick in den Garten, ein völlig verrückter Plan nahm in seinem Kopf Gestalt an. Hinter diesem Zaun und diesen Laternen lag London. Er sah seinem Engel in die Augen. „Dann gehen wir einfach.“ Mit diesen vier schlichten Worten legte er den Köder für sie aus. Er wollte wissen, wie viel Überzeugung hinter ihrer beider Gedanken stand. Er war es leid, immer nur zu denken, dass er jederzeit von der Veranda verschwinden konnte. Heute Abend würde er von der Veranda verschwinden, und sie konnte mit ihm kommen, falls sie den Mut dazu hatte. Er hätte sein Geld darauf gesetzt, dass sie hatte.

„Was? Wohin?“ Sie zog die Augenbrauen zusammen, sodass eine winzige Falte über ihrer Nase erschien.

„Irgendwohin. Wir gehen einfach.“ Jetzt, da er es einmal ausgesprochen hatte, wollte er seinen Worten unbedingt Taten folgen lassen; von der Veranda verschwinden, den Garten durchqueren, das Anwesen verlassen. Seine Familie würde gemeinschaftlich einen Herzschlag erleiden. Was er da vorgeschlagen hatte, war schier undenkbar, sogar für ihn. Aber eigentlich nicht so undenkbar, wie zu bleiben.

„Sie sind ja verrückt!“ Aber sie lachte bei diesen Worten, und das Lächeln, mit dem sie ihn ansah, ließ ihr Gesicht erstrahlen, wie um zu beweisen, dass er sich nicht in ihr getäuscht hatte. Wenn er wirklich verrückt war, dann war sie auch verrückt, zumindest ein bisschen.

„Aber warum denn nicht?“, bohrte Jamie weiter nach, weil er das Gefühl hatte, sie überreden zu können. Sie musste nur verstehen, dass sein Vorschlag vollkommen durchdacht war.

„Wegen meiner Mutter und Ihrer Mutter zum Beispiel“, stieß sie hervor, während sie nach einer sinnvollen Antwort auf seinen unerwarteten Vorschlag suchte. „Das macht man einfach nicht.“

„Vielleicht sollte man aber“, erwiderte Jamie und zuckte dabei nachlässig mit den Schultern. „Keiner von uns beiden will doch wirklich hier sein.“

„Aber die Folgen, die das haben könnte!“, protestierte sie, vielleicht eher der Form halber. „Muss ich Ihnen das wirklich in allen Einzelheiten erklären? Wenn man uns erwischt ...“

Autor

Bronwyn Scott
<p>Bronwyn Scott ist der Künstlername von Nikki Poppen. Sie lebt an der Pazifikküste im Nordwesten der USA, wo sie Kommunikationstrainerin an einem kleinen College ist. Sie spielt gern Klavier und verbringt viel Zeit mit ihren drei Kindern. Kochen und waschen gehören absolut nicht zu ihren Leidenschaften, darum überlässt sie den...
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