Nur wenn du mich von Herzen liebst

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Die hübsche Alison Carew weiß, dass die Männer sie oft wegen ihres großen Vermögens umwerben. Deshalb ist sie sehr vorsichtig, wem sie ihr Herz schenkt! Bis sie auf einer eleganten Dinnerparty den erfolgreichen Konstantin Milo kennenlernt. Alison ist fasziniert von seinem Charme, und sein erster zärtlicher Kuss löst in ihr die Sehnsucht nach mehr aus. Doch meint Konstantin es ehrlich mit ihr?


  • Erscheinungstag 21.06.2017
  • ISBN / Artikelnummer 9783733776671
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Alison ging in den Salon und blieb bestürzt stehen. Es würde kein Abendessen im Familienkreis stattfinden, wie sie erwartet hatte, sondern eine richtige Dinnerparty! Überall standen Gruppen elegant gekleideter Gäste, mehrere Ober servierten Champagner. Und irgendwo in dieser Menge ist unweigerlich der „Kandidat des Abends“, der mich – die unansehnliche, unverheiratete Tochter eines Millionärs – von meinem Dasein als Mauerblümchen erlösen soll, dachte sie verzweifelt.

Sie entdeckte ihn sofort, als sie sich umblickte. Er unterhielt sich am anderen Ende des Salons mit ihrem Vater, und beide sahen auf, um festzustellen, wer hereingekommen war.

Der Mann war groß und attraktiv. Er hatte ein markantes Gesicht, auf dem ein spöttischer Ausdruck lag, aber nicht deswegen stockte ihr plötzlich der Atem. Nein, es lag an seinem Blick, dem typischen Blick eines Mannes, der sich um nichts zu bemühen brauchte.

Diesen Blick kannte Alison. Sie war Männern mit „dem Blick“ begegnet, seit ihre Stiefmutter Lynda angefangen hatte, sie auf Partys mit so genannten netten Leuten bekannt zu machen. Jedoch ohne Erfolg. Sie, Alison, hatte keinen der Männer jemals beeindruckt – eine schmerzliche Erfahrung.

Warum versuchte Lynda immer wieder, sie an den Mann zu bringen? Mit den besten Absichten natürlich.

Ihr Vater sah erleichtert aus, während er etwas zu dem großen dunkelhaarigen Mann neben sich sagte.

Wahrscheinlich hat Dad befürchtet, dass ich mich vor dem Abendessen drücken würde, dachte Alison und fragte sich, warum sie nicht so klug gewesen war, genau das zu tun.

Hier stand sie nun und kam sich wie das hässliche Entlein zwischen den Schwänen vor, denn sie trug ein schlichtes Kostüm, während alle anderen elegant angezogen waren. Zu allem Übel war sie auch noch unterwegs in einen Schauer geraten, und das feuchte Haar klebte ihr am Kopf.

Der große, attraktive Mann kam jetzt zielstrebig auf sie zu. Er hatte einen Gehrock aus Brokat in gedämpften Farben an, der im Kerzenlicht seidig schimmerte. Ja, der Mann wirkte wie ein exotischer Prinz – ein Eindruck, der durch seine leicht schräg stehenden Augen verstärkt wurde.

Nun blieb der Unbekannte vor ihr stehen und nahm ihre Hand.

„Am anderen Ende eines überfüllten Raums …“, begann er, und es mutete an wie ein Zitat aus einem Gedicht. „Ich wusste, dass es eines Tages geschehen würde!“ Seine Stimme klang tief und sehr sinnlich.

Dieser Stimme könnte ich stundenlang mit Vergnügen zuhören, dachte Alison und ermahnte sich sofort, nicht albern zu sein. Sie lächelte kühl und entzog ihm ihre Hand.

Nun kam auch ihr Vater zu ihr. „Guten Abend, Alison.“

„Guten Abend, Dad“, erwiderte sie freundlich und ließ sich von einem Ober ein Glas Champagner reichen.

„Darf ich dir Konstantin Milo vorstellen? Er möchte dich unbedingt kennen lernen.“

Weil er mit dir ins Geschäft kommen will, Dad, oder ich einmal dein Vermögen erbe, dachte Alison.

„Er arbeitet an dem neuen Firmensitz“, erklärte ihr Vater und wandte sich seinem Gast zu. „Und das ist Ihre geheimnisvolle Lady: meine Tochter Alison.“

„Geheimnisvoll?“, wiederholte sie argwöhnisch.

„Sie kommen ziemlich spät“, antwortete Konstantin Milo, „sind durchnässt und mit ihren Gedanken ganz woanders.“

Unwillkürlich berührte sie ihr nasses Haar und errötete verlegen. „Was ist geheimnisvoll an einer Verspätung?“, fragte sie scharf. „Ich habe gearbeitet und darüber die Zeit vergessen, das ist alles.“

„Ihr beide habt offensichtlich viel gemeinsam“, meinte ihr Vater nachsichtig und wandte sich ab, um sich anderen Gästen zu widmen.

„Sie sehen nicht aus, als würden Sie Ihrem Vater zustimmen“, bemerkte Konstantin Milo amüsiert.

„Ich versuche, mir ein eigenes Urteil zu bilden“, behauptete Alison kurz angebunden. Dann rief sie sich zur Ordnung. Konstantin Milo konnte schließlich nichts dafür, dass man ihn mit ihr zusammenbringen wollte! Er konnte nichts dafür, dass Lynda sie unter Vorspiegelung falscher Tatsachen eingeladen hatte, sie nicht elegant angezogen, ungeschminkt und sehr müde war. Aber er hätte wenigstens so tun können, es nicht bemerkt zu haben!

„Tut mir Leid, dass ich so gereizt bin“, entschuldigte Alison sich schließlich. „Das bin ich immer am Ende einer arbeitsreichen Woche. Und was haben Sie und ich nach Ansicht meines Vaters gemeinsam, Mr. Milo?“

„Eigentlich meinte vielmehr Ihre Stiefmutter, dass es nett wäre, wenn ich Sie kennen lernte. Lynda hält viel von Ihnen. Sie hat mir vorgeschwärmt, wie klug Sie seien.“

Alison stöhnte insgeheim auf. Lynda machte immer wieder Werbung für ihre unattraktive Stieftochter. Die jetzige Situation kannte sie zur Genüge, nur eins hatte sie noch nie probiert: von Anfang eine klare Grenze zu ziehen. Und genau das würde sie jetzt tun!

„Mr. Milo, ich weiß natürlich nicht, was Lynda Ihnen über mich erzählt hat, aber eins möchte ich unbedingt klarstellen. Ich bin neunundzwanzig Jahre alt, lebe für meine Arbeit und gehe privat nicht mit Männern aus.“

Oje, das hätte nicht so abweisend klingen sollen, sagte sie sich bestürzt, als er sie schweigend ansah, denn sein Blick sprach Bände!

„Das war nicht persönlich gemeint“, fügte Alison schnell hinzu.

„Da bin ich aber beruhigt“, erwiderte Konstantin Milo trocken.

„Ich möchte nicht, dass jemand falsche Vorstellungen bekommt. Ich meine, ich möchte die Dinge nur klarstellen. Ganz allgemein“, erklärte sie stockend. „Manchmal macht Lynda merkwürdige Dinge … Kurz gesagt, Mr. Milo, ich bin so etwas wie ein Workaholic …“

Alison machte eine hilflose Geste, stieß dabei gegen ein vergoldetes Podest mit einer Statue mit der Folge, dass aus dem Glas in ihrer Hand Champagner spritzte, was Konstantin Milo, wie sie bemerkte, belustigt registrierte.

Toll, dachte sie ironisch und hätte ihm am liebsten unverblümt erklärt, dass er nur einer von vielen Männern sei, mit denen Lynda sie schon hatte verkuppeln wollen.

Nur war er nicht wie einer von vielen, sondern durchaus bemerkenswert, herausfordernd, aufregend und unberechenbar, ja, geradezu zynisch!

Nicht einmal die passionierte Ehestifterin Lynda konnte sich eingebildet haben, dass sie, Alison, die passende Partnerin für einen so weltgewandten Mann sei. Oder war alles nur ein Missverständnis?

„Hat Lynda tatsächlich gesagt, dass sie mich Ihnen vorstellen wolle?“, erkundigte Alison sich zögernd.

Konstantin Milo rückte die abstrakte Skulptur auf dem Podest zurecht, die sie beinah umgeworfen hätte. „Sie, Miss Carew, und ich haben doch viel gemeinsam.“

„Haben wir das tatsächlich?“, fragte sie eisig.

„Ja, durchaus. Darf ich Sie mit dem Workaholic Konstantin Milo näher bekannt machen?“, antwortete er gelassen und hielt ihr die Hand hin.

Ohne zu überlegen, nahm sie diese und ärgerte sich sofort darüber. Sie fühlte sich wie hypnotisiert, deshalb entzog sie ihm die Hand sofort wieder.

„Wenn Sie ein echter Workaholic sind, Mr. Milo, warum sind Sie dann auf dieser Party?“

„Ich könnte Sie dasselbe fragen, Miss Carew.“

„Familiäre Verpflichtungen“, antwortete sie kurz angebunden. „Lyndas Partys sind ein Muss. Außerdem habe ich meinen Vater nicht mehr gesehen, seit wir die Halbjahresbilanz für seine Firma gemacht haben.“

Konstantin Milo blickte zu ihrem Vater hinüber. „Sie arbeiten für Carew? Ihre Stiefmutter hat behauptet, Sie seien selbstständig.“

„Das bin ich auch!“, erwiderte Alison aufgebracht. „Allerdings interessiere ich mich nach wie vor für die Firma meines Vaters.“

„Das kann ich mir denken“, sagte er, und es klang ausgesprochen sarkastisch.

Er mag mich nicht, überlegte sie. Nun, das beruhte auf Gegenseitigkeit! „In einer Familie interessiert man sich üblicherweise für die Angelegenheiten der anderen.“

„Wenn Sie es sagen, muss ich das wohl glauben“, erwiderte er trocken.

„Sie haben keine Familie, Mr. Milo?“

„Jedenfalls keine Angehörigen, mit denen ich über meine Finanzen rede.“

„Könnten die fehlenden Familienbande der Grund sein, warum Sie ein Workaholic sind?“, fragte sie anzüglich.

„Wollen Sie damit etwa andeuten, ich wüsste mit meiner Zeit nichts Besseres anzufangen? Nein, das ist nicht der Grund. Im Gegensatz zu Ihnen habe ich ein Privatleben.“

Seine Antwort verschlug ihr die Sprache, ebenso sein amüsierter Blick.

„Jedem wie’s ihm beliebt“, erwiderte sie schließlich kühl.

„Dem stimme ich voll und ganz zu. Und was beliebt Ihnen, Miss Carew? Vergnügen Sie sich damit, die Geschäftsfrau zu spielen, unterstützt von Ihrem Vater? Sind Sie hier, um dafür zu sorgen, dass die Geldquelle weiterhin munter sprudelt?“

Die Unterstellung empörte sie. „Ich bin hier, um Kontakte zu knüpfen“, erwiderte sie wütend, obwohl es nicht stimmte. „In meinem Job nimmt man jede Gelegenheit dazu wahr.“

„Ja, hier kann man gut Beziehungen anbahnen“, stimmte Konstantin Milo ihr verächtlich zu. „Und wie verdienen Sie sich Ihren Lebensunterhalt?“

„Ich bin Unternehmensberaterin.“

„Alle Achtung!“

Wollte er sie verspotten? Das würde sie ihm bei erster Gelegenheit heimzahlen!

„Sie haben, soviel ich verstanden habe, mit dem neuen Firmensitz meines Vaters zu tun. Was genau machen Sie, Mr. Milo?“

„Ich halte Carew bei der Stange.“

Alison war verblüfft. „Ich kann mir nur schwer vorstellen, wie Sie das machen.“

„Kein Wunder! Denn Ihr Vater ist höllisch dickköpfig.“

Die meisten, die mit Tony Carew zusammenarbeiteten, waren von ihm beeindruckt, waren sie es nicht, verschwanden sie schnell wieder von der Bildfläche!

„Ich vermute, dass Ihre Geschäftsbeziehung zu meinem Vater sozusagen in den letzten Zügen liegt“, sagte Alison.

„Nein. Wieso?“ Konstantin Milo klang überrascht. „Er will das Beste, und ich bin der Beste in meinem Beruf. Ich muss Ihrem Vater nur beibringen, das einzusehen.“

Erstaunt blickte sie zu ihm auf. Was sollte sie auf eine derartig selbstbewusste – um nicht zu sagen selbstherrliche – Bemerkung erwidern?

„Er braucht eine Herausforderung – und ist, was das anbetrifft, nicht der Einzige in der Familie“, fügte Konstantin provozierend hinzu.

„Bei mir haben Sie keine Chance“, erwiderte Alison kühl. „Ich lasse mich ebenso wenig auf alberne Spiele ein, wie ich mit Männern ausgehe. Und jetzt möchte ich endlich meine Stiefmutter begrüßen.“

Sie ließ Konstantin Milo einfach stehen und machte sich auf die Suche nach Lynda.

Zur Begrüßung küsste Lynda sie herzlich. „Wie schön, dich zu sehen, Alison! Dein Vater hat sich, wie ich vorhin bemerkt habe, schon um dich gekümmert. Und wie hast du dich mit dem hinreißenden Konstantin verstanden?“

„Er ist der Star des Abends, stimmts?“, erwiderte Alison ausweichend.

Nervös ließ ihre Stiefmutter eine Hand über ihr sündhaft teures goldenes Collier gleiten. „Dein Vater hat ihn eingeladen. Die beiden haben geschäftlich miteinander zu tun.“

„Und ich sitze beim Abendessen wahrscheinlich neben Mr. Milo.“

Ihre Stiefmutter verneinte es nicht.

Plötzlich kam Alison ein weiterer Verdacht. „Außerdem liegt meine Wohnung vermutlich auf seinem Heimweg, richtig?“

Auch das leugnete Lydia nicht. Besorgt sah sie auf. „Alison, ich will nur …“

Heiße Wut erfüllte Alison plötzlich. Konstantin Milo hatte sie mehr als jeder andere Mann, den Lynda ihr bisher präsentiert hatte, aus dem inneren Gleichgewicht gebracht. Warum das so war, konnte sie nicht sagen. Sie wusste nur, dass es ihr äußerst missfiel.

„Er bietet mir also an, mich nach Hause zu bringen, was ich dankend annehme. Dann ruft er mich nächste Woche an, um mich zum Essen einzuladen. Sag mal, Lynda, hast du ihm schon meine Telefonnummer gegeben?“ Ihre Stimme bebte vor Zorn.

Plötzlich sah ihre Stiefmutter wie eine schuldbewusste Vierjährige aus, die man bei einer Missetat ertappt hatte. „Nicht Konstantin. Ehrlich nicht. Allerdings …“

„Ich mag dich wirklich gern“, unterbrach Alison ihre Stiefmutter, „aber würdest du bitte aufhören, dich in mein Leben einzumischen?“

Lynda sah bestürzt aus, was kein Wunder war, denn noch nie hatte Alison so heftig reagiert. Zwar war sie bisher mit jedem Mann, den Lynda ihr vorstellte, nicht mehr als ein Mal ausgegangen, aber sie hatte es mit einem gewissen Amüsement getan. Dass sie plötzlich auf einen Mann leidenschaftlich reagierte – genauer gesagt: mit leidenschaftlicher Abneigung –, war noch nie da gewesen.

„Dein Vater wollte unbedingt einige seiner Geschäftsfreunde einladen. Deshalb habe ich dazu gebeten“, erklärte Lynda betont beiläufig. „Du bist doch bestimmt froh, Leute kennen zu lernen, die dir Aufträge verschaffen können.“

Genau das habe ich vorhin behauptet, gestand Alison sich ein. Jetzt war sie mit ihren eigenen Waffen geschlagen worden und musste sich damit abfinden. Plötzlich lächelte sie und hob kapitulierend die Hände.

„Okay, Lynda, ich bin hier, um berufliche Kontakte zu knüpfen, mehr nicht. Und ich darf nachher allein nach Hause fahren. Ist das klar?“, fügte sie streng hinzu.

„Ja“, bestätigte ihre Stiefmutter erleichtert und legte ihr eine Hand auf die Schulter. „Du kommst vermutlich direkt von der Arbeit?“

„Wie hast du das erraten?“, erwiderte Alison spöttisch.

„Du bist immer kratzbürstig, wenn du müde bist“, antwortete Lynda unverblümt und fügte freundlich hinzu: „Warum machst du dir alles so schwer? Versuch doch, dich ein bisschen zu amüsieren.“

„Das sagst du mir seit meinem vierzehnten Lebensjahr.“

„Dann wird es höchste Zeit, dass du meinen Rat befolgst, Liebes.“

Alison wollte etwas erwidern, kam aber nicht dazu.

„Geh nach oben in mein Zimmer, und mach dich frisch“, schlug Lynda vor. „Leih dir Ohrringe oder sonst etwas Hübsches von mir aus. Dann komm zurück, und sei nett zu den Gästen. Bitte, verdirb deinem Vater nicht die Party. Es ist lang her, dass er sich richtig entspannt hat.“

Nachdenklich betrachtete Alison ihre zierliche, bildschöne Stiefmutter und dankte, wie schon oft, dem Schicksal, das ihrem Vater diese Frau über den Weg geführt hatte. Lynda hatte ihr von Anfang an echte Zuneigung geschenkt. Nie hatte sie Bella, ihre Tochter aus erster Ehe, vorgezogen, und – was das Wichtigste war – sie hatte Alisons Vater wieder zum Lachen gebracht. Er war abends nach Hause gekommen, hatte sich um die beiden Mädchen gekümmert und dabei festgestellt, dass Alison nicht von Natur aus mürrisch und widerspenstig war, sondern nur äußerst schüchtern und befangen. Und er hatte Wohlwollen für seine linkische Tochter entwickelt, auch wenn er es nicht oft zeigte.

Ja, Lynda hat mir sozusagen meinen Vater zurückgegeben, dachte Alison dankbar und gab sich geschlagen.

„Na gut, ich gehe jetzt nach oben und tue etwas für mein Aussehen. Danach bin ich nett zu den Gästen. Tu mir nur bitte einen Gefallen, Lynda, und versuch nicht, mich mit einem der überzähligen Männer zu verkuppeln.“

Lynda war nicht gekränkt, sondern lachte. „Hol dir noch ein Glas Champagner, und nimm es mit nach oben.“

Erst als Alison vor dem Spiegel am Frisiertisch saß, fiel ihr auf, dass Lynda ihr keinerlei Zugeständnisse oder Versprechungen gemacht hatte.

„Wieder mal ausgetrickst“, meinte sie ironisch zu ihrem Spiegelbild. Ihre Stiefmutter wirkte entgegenkommend und nachgiebig, setzte sich jedoch bei Meinungsverschiedenheiten letztlich immer durch. „Wann werde ich endlich lernen, nicht mehr darauf hereinzufallen?“

Die „Kandidaten“ waren meist Männer mit viel versprechenden Aussichten und wenig Geld, weshalb es ihnen durchaus reizvoll erschien, sich um die schwierige, noch dazu von einer Narbe entstellte Tochter des Millionärs Tony Carew zu kümmern.

Womit Konstantin Milo sich seinen Lebensunterhalt verdient, habe ich noch nicht herausgefunden, fiel Alison plötzlich ein. Finster betrachtete sie ihr Spiegelbild, dann ermahnte sie sich, nicht immer die Stirn so zu runzeln, dass sich die dichten dunklen Brauen beinah berührten. Da Lynda ihr erlaubt hatte, sich Schmuck oder etwas Hübsches auszuleihen, beschloss sie, wenigstens aus dem schlichten Kostüm das Beste zu machen.

Sie wählte ein Seidentuch, bedruckt in zarten Blau- und Grüntönen, und Ohrringe mit Türkisen. Um sich perfekt zu schminken, blieb nicht genug Zeit, außerdem hielt sie ohnehin nichts von aufwendigem Make-up. Sie kämmte sich das Haar so, dass es die Narbe verdeckte, die sich von der einen Braue bis zum Haaransatz zog, und betonte ihre vollen, schön geschwungenen Lippen mit dezentem rosa Lippenstift.

Als Alison wenig später den Salon betrat, kam ihr zum Glück weder Konstantin Milo noch ein anderer attraktiver Mann entgegen, sondern ihre Stiefschwester Bella. Sie war dreiundzwanzig, ebenso blond, hübsch und charmant wie ihre Mutter und Alisons beste Freundin.

„Alison!“, rief Bella schon von weitem erfreut.

Viele der Gäste sahen Bella lächelnd nach, und auch Konstantin Milo blickte auf – und wirkte plötzlich überhaupt nicht mehr gelangweilt. Er sah vielmehr fasziniert aus … wie eigentlich jeder Mann, der Bella zum ersten Mal sah.

Diese war bester Laune und trug ein sehr kurzes, sehr enges Kleid, das ihre herrliche Figur betonte und viel von ihren langen, schlanken Beinen zeigte.

„Hallo, Schlaubergerin“, begrüßte sie Alison und umarmte sie stürmisch.

Alison küsste sie auf die Wangen. „Hallo, Bella-Floh!“, erwiderte sie. Die Spitznamen verwendeten sie seit ihrer Jugend. „Wie gehts?“

„Absolut fantastisch. Was ist …?“

„Für einen Schwatz ist später noch Zeit“, mischte Lynda sich ein. „Jetzt möchte ich Alison mit jemandem bekannt machen.“

„Mit noch jemandem?“, hakte Alison ungläubig nach.

Bella lächelte schalkhaft. Sie wusste, was ihre Mutter im Schilde führte. „Lass es erst mal gut sein, Mom“, bat sie freundlich. „Alison ist eine hart arbeitende junge Frau. Gönn ihr eine kurze Atempause, bevor der Märchenprinz persönlich erscheint.“

„Na gut!“ Lynda gab nach. In dem Moment erschienen weitere Gäste, die sie begrüßen musste. „Wir unterhalten uns später, Alison. Übrigens, du siehst großartig aus.“

„Warum klingt sie immer so überrascht, wenn sie das sagt?“, überlegte Alison laut.

„Weil sie nicht neben dir gestanden und jedes einzelne Stück für dich ausgesucht hat und das Ergebnis sich trotzdem sehen lassen kann. Sie macht es bei mir genauso“, versicherte Bella ihr. „Als sie gesehen hat, was ich heute Abend anhabe, hat sie als Erstes gefragt, ob mir auch bestimmt nicht kalt würde.“ Sie drehte sich ein Mal im Kreis, um zu demonstrieren, wie viel Haut sie zeigte.

Fasziniert blickte Konstantin Milo vom anderen Ende des Raums zu ihnen. Bestimmt ist er nicht von meinem Anblick hingerissen, dachte Alison selbstkritisch. Neben Bella hatte sie absolut keine Chance. Und das war gut so, denn sie wollte Konstantin Milo auf Abstand halten.

„Und? Bist du dir sicher, dass du nicht frieren wirst?“, erkundigte sie sich bei Bella.

„Frieren? Hier? Es gibt Zentralheizung, außerdem ein Feuer im Kamin – und mehr als einen heißen Blick, oder?“

„Richtig“, bestätigte Alison. Ihr fiel auf, dass Konstantin nicht einmal mehr so tat, als würde er dem Mann neben sich zuhören.

„Außerdem könnte es sein – ganz sicher bin ich mir noch nicht –, dass meine Liebe mich warm hält“, fügte Bella hinzu.

„Du bist verliebt, Bella? Du Glückliche!“

„Na ja, es ist noch zu früh, um von Glück zu sprechen, aber ich halte mir die Daumen.“

„Es wird bestimmt alles gut gehen.“

Bella verliebte sich oft und gern. Sie war dann wie verzaubert und noch bezaubernder als sonst, blieb im Grunde ihres Herzens jedoch ungerührt. Alison bewunderte das, denn sie brauchte lange, um sich in einen Mann zu verlieben, und noch länger, um sich von ihm zu lösen. Bella hingegen stürzte sich sozusagen Hals über Kopf in leidenschaftliche Affären, und wenn die Gefühle erkalteten, trennte sie sich im Guten von ihrem jeweiligen Geliebten. Niemand wurde dabei verletzt, nicht einmal der Stolz und das Selbstwertgefühl der Betroffenen.

Diesmal schien Bella jedoch ausnahmsweise nicht zuversichtlich zu sein. „Ich hoffe es“, erwiderte sie ungewohnt ernst. „Der Mann, um den es geht, bringt mich völlig aus dem inneren Gleichgewicht.“

„Das ist dir so eigentlich gar nicht ähnlich“, stellte Alison überrascht fest.

„Ich weiß. Aber was soll’s? Das Leben ist voller neuer Erfahrungen.“ Bella zuckte resigniert die Schultern. „Erzähl mir lieber von dir. Wer ist zurzeit der Mann in deinem Leben?“

„Wäre ich allein und unbeschützt hier, wenn es einen geben würde?“, erwiderte Alison trocken und blickte unwillkürlich zu Konstantin Milo. Der musterte Bella so anerkennend, als wäre sie ein neues Auto oder sonst ein Spielzeug für einen Playboy.

Diese bemerkte seinen Blick nicht. „Wenn du dir einen Mann suchen würdest, würde Mom mit ihren Kuppeleiversuchen aufhören.“

Alison hob nur abwehrend die Hand.

„Schon gut, ich weiß, du hast nur Zeit für die Arbeit, Frau Schlaubergerin. Und wer ist der Mann des heutigen Abends?“

„Ich bin mir nicht sicher“, antwortete Alison ausweichend. „Vermutlich der, neben dem ich beim Essen sitzen werde.“

„Soll ich ihn ablenken?“, fragte Bella schalkhaft.

Das ist gar nicht nötig, erwiderte Alison im Stillen. „Nein, danke, Bella, ich komme bestimmt allein klar.“

„Du hast ja mittlerweile auch genug Übung.“

Obwohl Bella es bestimmt nicht böse meinte, tat ihre Bemerkung weh. Zum Glück wurde in diesem Augenblick zu Tisch gebeten.

Das riesige Esszimmer bot einen beeindruckenden Anblick. Der große Tisch war zu seiner vollen Länge ausgezogen worden und mit einem schneeweißen, gestärkten Damasttischtuch bedeckt. Kristallgläser funkelten, das silberne Besteck glänzte, und die goldenen Verzierungen des kostbaren Porzellans schimmerten im Licht unzähliger Kerzen. In den Nischen standen große Vasen mit gekonnt arrangierten Herbstblumen.

Lynda wies jedem Gast einen Platz zu. Bella setzte sich zwischen zwei grauhaarige Herren, die in ein angeregtes Gespräch vertieft waren.

Um Bella braucht man sich wirklich keine Sorgen zu machen, dachte Alison bedrückt, blickte den Tisch entlang und entdeckte Konstantin Milo neben einem freien Stuhl. Es waren einige sehr attraktive Männer da, aber Konstantin Milo stellte sie alle in den Schatten. Er wirkte ausgesprochen selbstbewusst und umwerfend sexy.

Und natürlich bat Lynda sie, neben Konstantin Platz zu nehmen!

„So trifft man sich wieder“, bemerkte er, als sie sich setzte.

„Ja“, bestätigte sie einsilbig und wandte sich ihrem anderen Tischnachbarn zu. Er war groß, blond, muskulös und sah sehr gut aus. Sie hatte ihn schon im Salon bemerkt, wo er drei Frauen zugleich in seinen Bann gezogen hatte.

„Guten Abend“, begrüßte er sie und lächelte strahlend. Offensichtlich nahm er an, dass sie wusste, wer er war, denn er stellte sich nicht vor.

„Hallo, ich bin Alison …“

„Freut mich, Sie kennen zu lernen“, sagte er, dann wurde seine Aufmerksamkeit von der anderen Frau neben ihm beansprucht.

Alison versuchte, die Tischkarte ihres Nachbarn zu entziffern, doch die stand leider im falschen Winkel zu ihr. Wer war er? Hatte sie ihn schon einmal getroffen? Er kam ihr irgendwie bekannt vor …

Ein Freund aus der Kindheit? Ein Bekannter aus dem Segelclub?

„Das ist Alexander de Witt“, unterbrach eine tiefe Stimme sie in ihren Überlegungen. „Man konnte ihn am Mittwoch im Radio hören und gestern im Fernsehen bewundern. Sie, Miss Carew, dürften die einzige Frau hier sein, die ihn nicht erkennt.“

Sie wandte sich Konstantin zu und stellte bestürzt fest, wie nahe er ihr war. Es wäre ein Leichtes, ihn zu berühren, den Kopf an seine Schulter zu schmiegen … ihn zu küssen. Sich küssen zu lassen.

Was, um Himmels willen, denke ich da? tadelte sie sich und erwiderte schärfer als beabsichtigt: „Ich habe keine Zeit, um mir Talkshows anzusehen.“

„Wie lange leiden Sie schon an Arbeitssucht, Alison?“, erkundigte er sich spöttisch.

Sie blickte kurz zu ihrem Vater am Kopfende des Tisches. „Es ist eine Erbkrankheit.“

„Ja, Tony Carew ist wirklich ein Phänomen“, bestätigte Konstantin.

Die Art, wie er das sagte, ließ sie aufhorchen. „Mögen Sie meinen Vater nicht?“

„Wir haben unsere Meinungsverschiedenheiten.“

Das wunderte sie. Nicht viele widersprachen ihrem Vater und blieben trotzdem bei ihm angestellt!

„Bezüglich welcher Dinge?“, fragte Alison fasziniert.

„Zum Beispiel wegen Häuser, Unpünktlichkeit, Rechte und Pflichten von Besitzern.“

„Lieber Himmel!“ Sie war ehrlich beeindruckt. „Sie haben sich getraut, meinem Vater zu sagen, welche Pflichten er als Besitzer hat?“

„Wenn man etwas besitzt, möchte man es wegschließen und alle anderen daran hindern, es ebenfalls zu genießen“, erläuterte Konstantin. „Das ist eine elende Art zu leben.“

„Das haben Sie meinem Vater so gesagt?“, hakte sie nach.

„Ja, sicher habe ich das. Es hat ihm natürlich nicht gefallen. Dann habe ich ihn darauf hingewiesen, dass man Gebäude, vor allem öffentliche Gebäude, nicht für sich behalten könne, weil zu viele Menschen sie benutzen – oder zumindest sehen möchten.“

„Mein Vater hatte daraufhin bestimmt einen Anfall“, meinte sie amüsiert.

„Sie haben eine ziemlich unverblümte Art, sich auszudrücken, Miss Carew“, stellte er sachlich fest.

„Ja, ich bin ganz die Tochter meines Vaters.“

Sie sah ihm in die Augen und merkte, dass sie ihn aus dem Konzept gebracht hatte und es ihm nicht behagte. Gut so, dachte sie triumphierend.

„Sie sind ihm wirklich sehr ähnlich. Ich kann mich allerdings nicht rühmen, so … freimütig zu sein.“

Autor

Sophie Weston
Sophie Weston reist leidenschaftlich gern, kehrt aber danach immer wieder in ihre Geburtsstadt London zurück. Ihr erstes Buch schrieb und bastelte sie mit vier Jahren. Ihre erste Romance veröffentlichte sie jedoch erst Mitte 20. Es fiel ihr sehr schwer, sich für eine Karriere zu entscheiden, denn es gab so viele...
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