Only You Band 4

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  • Erscheinungstag 28.09.2024
  • Bandnummer 4
  • ISBN / Artikelnummer 9783751529709
  • Seitenanzahl 384
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Melanie Milburne, Penny Jordan, Lynne Graham

ONLY YOU BAND 4

1. KAPITEL

Sie hasste es, wenn er zu spät kam.

Wohl zum zehnten Mal schaute Emily auf die Uhr und seufzte. Warum konnte Danny nie pünktlich sein? Als es klingelte, sprang sie auf und eilte zur Tür. Mit einem letzten Blick in den Spiegel riss sie die Tür auf und lächelte strahlend.

„Sie?!“ Das Lächeln gefror, erschreckt starrte Emily auf Dannys älteren Bruder. „Was wollen Sie denn hier?“

Damien Margate ließ die dunklen Augen erst über das rote Cocktailkleid gleiten, dann zurück zu Emilys Gesicht. „Danny ist verhindert“, sagte er kühl. „Ich komme an seiner Stelle.“

Emily stand der Mund offen, ein panikartiges Flattern breitete sich in ihrem Magen aus. „Ihm ist doch nichts passiert?“

„Nein. Zumindest bis jetzt noch nicht“, kam die rätselhafte Antwort.

Emilys Miene wurde wachsam. „Ich verstehe das nicht. Danny weiß genau, wie wichtig mir der heutige Abend ist. Warum hat er nicht angerufen und mir Bescheid gesagt?“

Damien zuckte die Schultern in dieser widerwärtig distanzierten Art, die Emily vom ersten Augenblick an nicht hatte ausstehen können. „Mir geht es ähnlich wie Ihnen – ich kann die Handlungen meines jüngeren Bruders nicht immer nachvollziehen. Mir ist klar, wie unangenehm es für Sie sein muss, meine Gesellschaft an seiner Stelle zu akzeptieren. Aber es ist Ihre Entscheidung, ob Sie sich von mir begleiten lassen wollen oder nicht.“

Emily wagte nicht, etwas zu erwidern. Ihr Blick wanderte über den großen Mann im schwarzen Smoking. Die Fliege saß perfekt, symmetrisch genau zu den Enden des Kragens. Danny würde sich wahrscheinlich noch vor ihrer Haustür die Krawatte binden. Aber Danny war ja auch ganz anders als Damien.

„Ich möchte Ihnen nicht Ihre kostbare Zeit stehlen“, setzte sie sarkastisch an. „Sicherlich haben Sie wichtigere Dinge zu tun, als mich zu einer Preisverleihung zu begleiten.“

„Im Gegenteil.“ Er sah ihr mit undurchdringlichem Blick in die Augen. „Ich habe nichts Besseres vor … heute Abend.“

Emily spürte, wie Ärger in ihr aufstieg. Wie konnte er es wagen, herzukommen! Er wusste doch genau, wie sehr sie ihn verabscheute, vor allem, seit er seine Meinung zu ihrer geplanten Biografie über Rose Margate, seine und Dannys Tante, so deutlich kundgetan hatte. Er hatte Emily beschuldigt, sich in die Familie einschmeicheln und Lügen über eine alte Dame verbreiten zu wollen, die sich nicht wehren konnte.

„Was denn, keine heiße Verabredung heute Abend?“ Mit einem ironischen Lächeln fügte Emily hinzu: „Oder hat sie beschlossen, den Abend doch lieber mit ihrem Ehemann zu verbringen?“

Sie bereute ihre Worte, kaum dass sie ihr über die Lippen gekommen waren. Sein Blick wurde hart, seine braunen Augen funkelten wütend.

„Ich nehme an, Danny hat also wieder Unsinn erzählt.“ Obwohl Damiens Ton nichts preisgab, spürte Emily, dass seine übliche eiserne Selbstbeherrschung zu schwanken begann. Dass sie das geschafft hatte, verlieh ihr ein Gefühl von Macht, etwas, das sie in Damien Margates Gegenwart noch nie empfunden hatte.

„Ich wusste nicht, dass es ein Familiengeheimnis ist.“ Sie ritt der Teufel. „Noch eins.“

Mit einem großen Schritt war er bei ihr und packte ihr Handgelenk. Emily musste den Kopf in den Nacken legen, um ihm ins Gesicht sehen zu können. Er war gut einen halben Kopf größer als Danny. Irgendwie fühlte sie sich eingeschüchtert, und sie war sicher, dass er das durchaus beabsichtigt hatte.

„Ein Rat, Miss Sherwood.“ Seine Stimme blieb ruhig, doch Emily hörte die Drohung heraus. „Sie haben vielleicht vor, ein Buch über meine Verwandte zu schreiben, aber das gibt Ihnen nicht automatisch das Recht, Spekulationen über mein Privatleben anzustellen, weder öffentlich noch im Privaten. Ist das klar?“

Sie wollte seinem Blick standhalten, doch es war unmöglich. Sie sah auf den Knoten seiner Fliege, dann zurück zu seinem harten Mund. „Ihr Privatleben interessiert mich nicht im Geringsten“, presste sie zwischen den Zähnen hervor. „Falls Sie überhaupt eines haben. Würden Sie mich jetzt bitte loslassen!“

Sein Griff wurde nur noch fester, als sie versuchte, ihm ihre Hand zu entziehen.

„Meiner Meinung nach haben Sie genau zwei Möglichkeiten. Sie können allein zu dieser Cocktailparty gehen, was die Klatschmäuler darüber spekulieren lassen wird, warum Sie ohne Begleitung auftauchen, oder Sie können mit mir gehen. Also, wofür entscheiden Sie sich?“

„Man wird sich noch mehr die Mäuler zerreißen, wenn ich mit Ihnen erscheine. Schließlich ist Danny mein Freund, nicht Sie.“

„Danny kann aber heute Abend nicht“, erinnerte er sie. „Wenn Sie sich mit einem weiteren Familienmitglied sehen lassen, wird das nicht Ihre Absicht hinsichtlich der geplanten Biografie über meine Tante untermauern?“

Sie wünschte, sie könnte ihm sein Angebot ins Gesicht zurückschleudern, aber er hatte leider recht. Der Presse würde es nicht entgehen, und das allein würde ihrem Buch schon helfen. Tauchte sie allein auf, würde das vielleicht Gerüchte schüren, sie könnte es sich bereits mit der Familie Margate verdorben haben. Und bei der kleinsten Andeutung von möglichen Problemen würde ihr Verleger das Projekt streichen.

Was Emily sich nicht leisten konnte. Ihr nächstes Buch musste sich unbedingt verkaufen, da ihre letzte Biografie nicht gerade astronomische Verkaufszahlen erreicht hatte. Aber warum konnte es nicht Danny sein, der sie begleitete? Immerhin waren sie als Paar bekannt.

„Nun?“

Seine Hand brannte wie Feuer auf ihrer Haut. „Mir scheint, ich habe keine große Wahl, oder?“, erwiderte sie schnippisch.

„Mir ist es eigentlich ziemlich egal, aber ich dachte, der Abend sei wichtig für Sie.“

Man hatte sie für einen Preis nominiert, gemeinsam mit zwei anderen Autoren. Emily hielt nicht viel von dieser Art Werbung für sich selbst, aber ihre Agentin hatte auf ihrer Anwesenheit bestanden.

„Ein solcher Publicity-Vorschuss kann nie schaden. Es wird ein sehr wichtiges Buch werden“, antwortete Emily ein wenig atemlos. „Die Leute wollen alles über das Leben großer Persönlichkeiten erfahren.“

„Sie sollten dann aber die Wahrheit erfahren und nicht irgendein erfundenes Märchen, nur um damit die Absatzzahlen in die Höhe zu treiben.“

Emily warf Damien einen herausfordernden Blick zu. „Was sollte Sie das interessieren? Ich schreibe doch nicht über Ihr Leben.“

„Ich versichere Ihnen, Miss Sherwood, sollte auch nur ein Wort über mich gedruckt werden, werden Sie sich mir gegenüber zu verantworten haben.“

Sie blickte ihn abfällig an. „Soll mir das jetzt Angst machen? Nun, ich werde ein Buch über Ihre Tante schreiben, und nichts, was Sie sagen, wird mich davon abhalten können.“

„Nur behaupten Sie dann nicht, ich hätte Sie nicht gewarnt.“ Ein gefährliches Glitzern trat in seine Augen. „Meinen kleinen Bruder können Sie vielleicht um den Finger wickeln, bei mir wird Ihnen das nicht gelingen.“

Ärgerlich wurde ihr bewusst, dass sie sich vorkam wie ein vom Direktor gescholtenes Schulmädchen, aber sie würde es ihm schon noch zeigen. Sie stand praktisch kurz vor dem finanziellen Ruin, der heutige Abend war ihre Chance, sich aus diesem Sumpf herauszuziehen. Und das würde sie sich von niemandem verbauen lassen.

„Ich habe verstanden, Mr Margate“, sagte sie mit falschem liebenswürdigem Lächeln. „Ich fühle mich geehrt, dass Sie mich anstelle Ihres Bruders begleiten. Ich hole nur schnell meinen Umhang, dann können wir gehen.“

Emily griff nach Cape und Abendtasche. Sollte Damien sich ruhig einbilden, er könne ihr drohen, aber sie saß immer noch am längeren Hebel. Er ahnte ja nicht, was sie alles über ihn erfahren hatte. Und sie freute sich schon darauf, sein Gesicht zu sehen, wenn dieser ganze Schmutz über ihn herauskam.

Die Cocktailparty war in vollem Gange, als Emily und Damien ankamen. Clarice Connor, Emilys Agentin, eingehüllt in einen Traum aus Chiffon, kam mit einem Champagnerglas in der Hand auf sie zu.

„Darling! Es ist ja so in, zu spät zu kommen.“ Clarice küsste die Luft neben Emilys Wange und musterte dann Damien von Kopf bis Fuß. „Da schau her“, murmelte sie hingerissen, „diesmal mit dem älteren Bruder. Emily, du bist wirklich clever.“

„Ich glaube nicht, dass wir uns vorgestellt wurden.“ Damien streckte mit undurchdringlicher Miene die Hand zur Begrüßung aus.

Clarice ergriff Damiens Hand und zog sie gefährlich nahe an ihre Brust. „Das Vergnügen ist ganz auf meiner Seite. Wie schön, dass Sie heute kommen konnten.“ Sie wandte sich an Emily. „Wo ist der Junge?“

„Er …“

„Danny lässt sich entschuldigen“, mischte Damien sich ein, bevor Emily etwas sagen konnte. „Ihm ist unvorhergesehen etwas Wichtiges dazwischengekommen.“

„Nun …“, Clarice wedelte gleichgültig mit einer Hand, „… er hat seine Schuldigkeit getan, nicht wahr, meine Liebe?“ Emily schoss das Blut in die Wangen, was Clarice zu ignorieren beschloss. Stattdessen wandte sie sich an Damien. „Umso mehr freue ich mich, Sie hier zu sehen. Ich meine, bei Ihrem vollen Terminkalender und dem allen.“

Damien nickte knapp. „Ich bin sicher, der heutige Abend wird sehr interessant.“

„Ja, das denke ich auch.“ Clarice drehte sich wieder zu Emily. „Da ist übrigens ein Reporter vom ‚Melbourne Age‘, der unbedingt ein Interview mit dir aufnehmen will. Ich sagte ihm, er solle einen Termin ausmachen, doch er besteht darauf, noch heute Abend mit dir zu reden. Du solltest alles tun, um dein neues Projekt zu promoten, selbst wenn das bedeutet, dich mit Leuten abzugeben, deren Gesellschaft du normalerweise nicht unbedingt suchst.“ Dabei warf sie Damien einen vielsagenden Seitenblick zu, doch der hatte sich bereits abgewandt und unterhielt sich mit einem anderen Gast.

„Damien! Wie schön, dich hier zu treffen!“

Emily sah zu der eleganten Frau, die auf Damien zuschwebte. Ihr eng anliegendes schwarzes Kleid betonte ihre üppigen Kurven.

Etwas an Damiens Miene musste die Frau vorgewarnt haben, denn ihr Blick blieb auf Emily haften. „Hallo. Sind Sie auch jemand Wichtiges?“

Emily wusste nicht, was sie von dieser Begrüßung halten sollte. Sie warf einen Blick zu Damien, doch dessen Miene war ungerührt wie immer.

„Nerolie, das ist Emily Sherwood. Miss Sherwood, Nerolie Highstock.“

Das Lächeln umspielte zwar noch immer Nerolies Lippen, doch aus ihren Augen war es verschwunden. „Oh, dann sind Sie also auch Schriftstellerin? Ich fürchte, ich habe vorher noch nicht von Ihnen gehört.“

Eine höchst geschickt platzierte Beleidigung. Emily war klar, dass man ihr wohl nie den Literaturnobelpreis verleihen würde, aber ihr Erstlingswerk hatte ausreichend Lob eingeheimst, auch wenn ihr zweites Buch nicht unter die Top Ten der Bestsellerliste gelangt war. Nerolie hatte bisher nur ein Buch geschrieben, das unter die ersten zehn gekommen war, und diesen Status genoss Nerolie mit der übertriebenen Aura einer Prima Donna.

„Das kommt wohl darauf an, welches Genre man liest“, gab Emily schneidend zurück.

Nerolie ignorierte die Bemerkung und wandte sich an Damien. „Du bist wohl heute dabei, um aufzupassen, dass Miss Sherwood sich anständig benimmt, oder? Ich habe mir sagen lassen, sie sei recht pietätlos im Umgang mit den Leichen, die jeder so in seinem Keller hat.“

„Ah, dann haben Sie meine Bücher also doch gelesen?“ Emily hielt dem Blick aus den kalten Augen stand. „Ich dachte, Sie hätten noch nie von mir gehört?“

„Ich fürchte, Miss Sherwood“, Nerolie bemaß Emily mit einem knappen Blick, „ich erachte meine Zeit als zu kostbar, um mich mit der schmutzigen Wäsche zu beschäftigen, die in nicht autorisierten Biografien gewaschen wird. Generell ziehe ich Fakten der Fiktion vor.“

„Und woher wollen Sie wissen, was Fakt und was Fiktion ist?“, hakte Emily nach.

Nerolie Highstocks graue Augen wurden eiskalt. „Es gibt Gebiete, auf die sollte man sich besser nicht vorwagen. Eine Erkenntnis, die Sie beherzigen sollten, Miss Sherwood.“ Damit drehte Nerolie sich um und widmete sich einem anderen Gast.

„Puh!“, hörte sie Damiens Stimme direkt an ihrem Ohr und fühlte seinen warmen Atem auf ihrer Wange.

Sie trat zur Seite und starrte in sein amüsiertes Gesicht. „Mir war nicht klar, dass Sie mit Menschen wie Miss Highstock verkehren. Zu schade aber auch, dass sie nicht verheiratet ist. Das würde die Jagd doch nur noch interessanter machen, nicht wahr?“

Sein Blick hätte sie mit Sicherheit erdolcht, wäre nicht genau in diesem Augenblick der Chefredakteur des Verlags ans Mikrofon getreten. Während der gesamten Rede war Emily sich bewusst, dass Damien direkt hinter ihr stand. Er berührte sie zwar nicht, aber sie wusste, sie brauchte nur einen winzigen Schritt zurück zu machen, und sie würde gegen seine breite harte Brust stoßen. Wie in Trance stieg sie aufs Podium und nahm den Preis für ihr Erstlingswerk entgegen, bedankte sich bei allen Beteiligten und signierte Bücher, die man ihr hinhielt, als sie wieder in den Saal hinunterstieg.

Der Rückfahrt sah Emily nicht unbedingt freudig entgegen. Sie hatte keine Ahnung, was heute Abend in sie gefahren war. Sie hatte nun wirklich kein Recht, sich über Damiens Privatleben auszulassen. Es musste seine distanzierte Haltung sein, die sie so anzog. So etwas reizte einen Schriftsteller immer. Mit ihm selbst konnte das unmöglich zu tun haben. Er besaß ja nicht einmal dieses natürliche Äußere, das sie an Danny so anzog. Dieses unbeschwerte Jungen-Aussehen, diesen sonnigen Playboy-Charme mit blauen Augen und blonder Mähne. Sie hatte doch überhaupt nichts übrig für den dunklen, grüblerischen Typ, zu groß zum Küssen, wie Damien es war.

Irgendwann neigte der Abend sich schließlich seinem Ende zu, und Emily blieb nichts anderes übrig, als sich zu Damien zu gesellen.

„Fertig?“ Mit einem ironischen Lächeln ließ er den Blick über ihr erhitztes Gesicht gleiten.

Emily legte sich das Cape um die Schultern. „Ja. Aber ich kann mir auch ein Taxi nehmen. Ich möchte Ihre Pläne für den Abend nicht durchkreuzen.“

Er betrachtete sie mit gerunzelter Stirn. „Sie scheinen mich so schnell wie möglich loswerden zu wollen. Dabei hätte ich gedacht, Sie würden die Gelegenheit nutzen, um so viele Informationen wie möglich aus mir herauszuholen. Sie könnten das doch sicher alles in Ihrem Buch verarbeiten.“

„Ich gedenke kein Interview mit Ihnen zu führen, im Gegenteil. Ich möchte die Zeit, die ich mit Ihnen verbringe, auf ein Minimum beschränken. Wenn Sie mich jetzt entschuldigen würden … Ich möchte mich noch ein wenig frisch machen. Wir treffen uns dann im Foyer. Sagen wir, in fünf Minuten?“ Damit drehte Emily sich um und rauschte mit hoch erhobenem Kopf zu den Waschräumen davon.

Doch anstatt sich danach wie verabredet mit Damien im Foyer zu treffen, verließ Emily das Hotel durch den nächsten Seitenausgang. Der Himmel war sternenklar, die Luft angenehm kühl. Emily mischte sich unter die Fußgänger, die jetzt alle aus den Abendvorstellungen in Sydneys Theatern und Kinos strömten, und ging die drei Häuserblocks zu dem kleinen Café, in dem Danny und sie schon so oft gesessen hatten. Sie stieß die Glastür auf und suchte mit den Augen nach einem ruhigen Tisch, an den sie sich setzen und warten wollte, bis sie sicher war, allein nach Hause gehen zu können, ohne Damien über den Weg zu laufen.

An einer blonden Mähne in der hinteren Ecke blieb ihr Blick hängen. Der Kopf dieses Mannes lehnte sich vertraulich zu dem Rotschopf einer jungen Frau hinüber, die Hände der beiden waren fest ineinander verschlungen.

Emily stockte der Atem, ihr Magen verkrampfte sich. Und genau in diesem Augenblick legte sich ihr von hinten eine große Hand auf die Schulter.

„Mein Wagen steht direkt vor der Tür, wenn Sie immer noch nach Hause wollen.“

Emily wirbelte auf dem Absatz herum und stürzte zur Tür hinaus. Sie drängte sich durch die vielen Menschen auf der Straße und wäre fast über eine leere Bierdose gestolpert, hätte Damien sie nicht rechtzeitig am Ellbogen festgehalten.

„Kommen Sie“, er zog sie ein wenig in seine Richtung, „mein Auto ist da drüben.“

Sie schwieg und wehrte sich nicht gegen seine Hand an ihrem Arm. Vor sich sah sie immer nur das Bild von Danny und der jungen rothaarigen Frau, wie die beiden an dem kleinen Tisch saßen und die Köpfe zusammensteckten.

Dort, wo sie, Emily, noch vor Kurzem mit Danny gesessen und über ihre gemeinsame Zukunft geredet hatte.

2. KAPITEL

Erst als es zu spät war, fiel Emily auf, dass Damien nicht den Weg zu ihrem Apartment eingeschlagen hatte. Denn schon fuhr er vor einer großen Villa vor.

„Ich will nach Hause“, meldete sie sich endlich.

„Ich werde Sie nach Hause bringen, wenn ich mit Ihnen fertig bin.“

Emily wusste nicht, ob ihr diese Bemerkung gefiel. Was wollte er denn noch von ihr? Was hatte er vor? Für ihr zweites Buch hatte sie Schwerstkriminelle im Gefängnis interviewt, doch da hatte eine Sicherheitsscheibe sie von den Männern getrennt und bewaffnete Gefängniswärter hatten daneben gestanden. Wer würde ihr zur Hilfe kommen, wenn Damien Margate ihr etwas antun wollte?

Nur unwillig folgte sie ihm in das riesige Haus. Der Pomp und die Eleganz der mit Marmor ausgelegten Eingangshalle nahmen ihr fast den Atem. Eine lebensgroße Bronzestatue einer jungen Rose Margate schien den Raum zu beherrschen. Die genau ausgeklügelte Beleuchtung betonte die schönen Züge. Fasziniert betrachtete Emily die Statue, es kribbelte ihr in den Fingerspitzen, die Hand auszustrecken und das schöne Gesicht zu berühren.

„Sie war neunzehn, als sie dafür Modell stand“, sagte Damien direkt hinter ihr.

„Sie ist wunderschön“, flüsterte Emily ergriffen. „Wer hat die Skulptur gemacht?“

„Niemand, den Sie kennen.“ Damien deutete ihr an, ihm zu folgen. „Und da es nie als Ausstellungsstück geplant war, hat es auch keinen Sinn, Ihnen den Namen zu nennen. Der Künstler ist längst tot. Und Rose ist nicht anwesend, um ihre Erlaubnis zu geben.“

„Wo hält sie sich auf?“, fragte Emily, auch wenn sie wusste, welche Antwort sie erwartete. „Danny behauptet, es nicht zu wissen. Aber Sie schon, oder?“

Damien schüttelte sich das Smokingjackett von den Schultern. „Rose ist an einem Ort, wo Menschen wie Sie ihr nichts antun können. Und dort wird sie auch bleiben.“

„Das ist wohl kaum fair ihren Verehrern gegenüber“, stellte Emily fest. „Das Geheimnis um ihr Verschwinden auf dem Höhepunkt ihrer Karriere ist doch nur Nährboden für alle möglichen Spekulationen. Wenn Sie ihren Aufenthaltsort endlich bekannt geben würden, würden die Leute sie auch in Ruhe lassen.“

Seine Miene wurde hart, während er das Jackett auf eines der tiefen Ledersofas warf und sich die Fliege abband. „Ich habe gesehen, was die sogenannte Öffentlichkeit Menschen antut, für die man keine Verwendung mehr hat. Außerdem … wenn ich es Ihnen sage, steht es sofort in jeder Zeitung, und Sie können einen Riesenscheck auf Ihr Bankkonto einzahlen. Ich habe gesehen, wie Sie arbeiten. Was Sie nicht wissen, erfinden Sie einfach, und die Öffentlichkeit fällt darauf herein. Das war auch der Sinn hinter dem kleinen Intermezzo mit Danny, nicht wahr?“

„Wie bitte?“ Sie starrte ihn fassungslos an.

Damien lachte zynisch auf. „Tun Sie nicht so, als hätte er Ihnen das Herz gebrochen. Zweifelsohne haben Sie alles an Informationen aus ihm herausgequetscht. Jetzt, da Sie haben, was Sie brauchen, werden Sie schnell über ihn hinwegkommen.“

Alle Farbe wich aus Emilys Gesicht. „Danny und ich waren …“

„Haben Sie mit ihm geschlafen?“

„Das geht Sie nicht das Geringste an.“

Damien zuckte mit den Schultern. „Ich frage mich nur, wie weit jemand wie Sie bereit ist zu gehen.“

„Sie sind widerwärtig“, fauchte Emily empört.

Er warf ihr einen verächtlichen Blick zu. „Aber leider haben Sie den falschen Bruder ausgesucht, nicht wahr? Ich bin derjenige, der Roses Angelegenheiten vertritt, nicht Danny. Mein kleiner Bruder weiß kaum etwas.“

„Auf eine solch niedrige Ebene würde ich nie sinken …“

Mit einem abschätzigen Lachen fiel er ihr ins Wort. „Danny hat mit Ihnen gespielt, so wie Sie mit ihm gespielt haben.“ Er öffnete den Barschrank. „Ihr beide habt bekommen, was ihr verdient.“ Er goss zwei Gläser Brandy ein und reichte Emily eines davon.

„Und wo passen Sie in dieses Spiel? Warum wollten Sie mich heute Abend begleiten? Um mich öffentlich in Verlegenheit zu bringen?“

„Danny ist ein Feigling, wenn es um Konfrontationen geht. Ich dagegen …“, er hob seinen Schwenker und prostete ihr zu, „… ich liebe einen anständigen Streit.“

Am liebsten hätte Emily ihm ihren Cognac ins Gesicht geschüttet. „Das kann ich mir vorstellen.“ Ihre Finger umklammerten das Glas. „Sie müssen sich ja köstlich amüsiert haben. Besser hätten Sie es gar nicht planen können.“

„Ich hatte keine Ahnung, was Sie in diesem Café erwarten würde. So gefühllos bin ich nicht, auch wenn Sie mich dafür halten mögen. Danny rief mich an und bat mich, heute Abend für ihn einzuspringen. Das war alles.“

„Wie außerordentlich großmütig von Ihnen. Worum hat er Sie denn noch gebeten, was Sie an seiner statt tun sollen?“

„Ich habe durchaus meine Grenzen.“ Er blickte sie über den Rand seines Glases hinweg an. „Und mit dem Feind zu schlafen ginge weit darüber hinaus.“

Fast hätte sie sich an ihrem Cognac verschluckt. „Als ob ich da mitmachen würde!“ Sie nippte noch einmal, und nach einer langen Pause hob sie an: „Sie stehen Rose sehr nahe, nicht wahr?“

Er schwenkte die braune Flüssigkeit im Glas. „Bei mir werden Sie sich wohl etwas mehr Mühe geben müssen, wenn Sie nach Informationen fischen.“

„Das wäre bestimmt reine Zeitverschwendung. Sie können mir sowieso nicht bieten, was ich will.“

„Sie scheinen sich da ja sehr sicher zu sein.“

„Haben Sie denn etwas zu bieten?“

„Kommt darauf an, was Sie wollen.“

Emily nahm einen weiteren Schluck aus ihrem Glas. „Ich würde gern erfahren, warum Rose aus dem öffentlichen Leben verschwunden ist.“

„Ich dachte, der allgemein bekannte Grund sei Alkoholismus, nicht wahr?“, sagte Damien ruhig.

Emily kaute an ihrer Lippe. Danny hatte behauptet, diese Story sei wahr. Aber sie hatte sich noch nicht entschieden, ob sie das auch in ihrem Buch erwähnen würde. „Ich habe es aus sicherer Quelle gehört …“

„Nun, Sie verlassen sich offensichtlich auf die falsche Quelle“, unterbrach er sie. „Ich habe bereits mit meinem Rechtsbeistand Rücksprache gehalten. Und darüber wollte ich heute mit Ihnen reden.“

Emily riss erschreckt die Augen auf. Was erwartete sie jetzt?

„Ich will, dass Sie das Projekt aufgeben.“

Sie starrte ihn schockiert an. „Das meinen Sie nicht ernst!“ Viel zu heftig setzte sie ihr Glas ab, sodass der Cognac überschwappte.

„Schreiben Sie es, und ich werde Sie verklagen. Es ist Ihre Entscheidung.“

„Deshalb haben Sie mich also heute Abend begleitet!“, spie sie ihm entgegen. „Nicht, weil Ihr Bruder keine Lust hatte, sondern damit Sie mir den tödlichen Stoß versetzen können!“

Jetzt stellte auch Damien sein Glas ab. „Ich habe nicht vor, Ihnen zu schaden, aber ich werde alles tun, um meine Familie zu schützen.“

„Und dass Sie dabei meine Karriere als Schriftstellerin ruinieren, ist unwichtig?“

Er zögerte nur kurz. „In solchen Situationen kann so etwas vorkommen. Es ist nichts Persönliches.“

„Lächerlich!“, warf sie ihm vor. „Sie haben von Anfang an vorgehabt, mich fertigzumachen!“

„Nichts läge mir ferner. Ehrlich gesagt, Sie tun mir sogar leid. Sie sind nur eine kleine Schachfigur in dem Spiel. Es sind Leute wie Sie, die dabei geopfert werden.“

Emily funkelte ihn feindselig an. „So? Warum klären Sie mich nicht auf?“

Wieder zuckte er gleichgültig die Achseln. „Sie sind absolut abhängig von Ihren Verlegern und den Redakteuren. Ich vermute, die Hälfte der Zeit schreiben Sie, was man Ihnen befiehlt, und nicht das, was Sie wirklich schreiben wollen.“

Sie fühlte sich plötzlich bloßgestellt und sehr verletzlich. „Unsinn“, entgegnete sie. „Ich schreibe das, was die Öffentlichkeit lesen will.“

„Was denn? Lügen? Unterstellungen?“

„Nein. Die Wahrheit.“

Er schnaubte abfällig. „Sie sind genauso verblendet wie die sogenannte Öffentlichkeit. Sie würden die Wahrheit nicht erkennen, wenn Sie direkt vor Ihrer Nase läge.“

„Na schön“, forderte sie ihn heraus. „Dann sagen Sie es mir. Warum ist Rose verschwunden? Klären Sie mich auf über die Wahrheit.“

„Damit Sie sich an der Bloßlegung des Lebens einer alten Dame, die nicht mehr im Rampenlicht stehen möchte, gesundstoßen können?“

„Sie hat fünfunddreißig Jahre im Rampenlicht gestanden. Das dürfte doch wohl auch zählen.“

„Nicht, wenn sie es nicht mehr wünscht“, widersprach er sofort. „Rose hat selbst beschlossen, wann es genug ist. Sie will einen ruhigen Lebensabend verbringen, und ich respektiere diesen Wunsch. So wie Sie es auch tun sollten.“

„Aber warum all diese Heimlichtuerei? Roses abruptes Verschwinden hat das Interesse an ihr nur noch geschürt. Eine offizielle Erklärung, und ich könnte alles zu einem endgültigen Abschluss bringen. Dann könnte sie auch in Ruhe weiterleben.“

„Sie geben nie auf, was?“

„Ich möchte der Öffentlichkeit das geben, was sie will.“

„Selbst, wenn Sie dabei Unschuldigen Schaden zufügen?“

Emily biss sich auf die Lippe. Sie erinnerte sich nur zu gut an die Eltern der Hauptperson ihres letzten Buches. Wie sie sie gebeten hatten, den Sohn anders darzustellen. Doch Emily hatte sich an die Anweisungen ihrer Agentin halten müssen.

„Ich tue das, was man von mir erwartet“, erwiderte sie tonlos.

„Und ich erwarte von Ihnen, dass Sie das Buch nicht schreiben. Suchen Sie sich ein anderes Thema. Aber nicht meine Tante.“

„Das kann ich nicht. Meine Agentin hat bereits einen Vorvertrag mit dem Verleger.“

Damien griff nach seinem Jackett. „Wie viel?“ Er zog seine Brieftasche hervor. „Ich werde Ihren Verlust decken. Wie hoch ist die Summe?“

Emily war übel, sie kam sich billig vor. „Das können Sie sich gar nicht leisten“, erwiderte sie stumpf.

Er hob eine dunkle Augenbraue. „Ich übernehme Ihre Kosten und verschaffe Ihnen einen neuen Auftrag. Etwas, das weniger Staub aufwirbelt. Also, wie viel?“

„Fragen Sie das alle Frauen?“, meinte Emily schneidend.

Seine Miene wurde finster. „Ich mache Ihnen ein äußerst großzügiges Angebot. Nehmen Sie es an oder lassen Sie es meinetwegen auch.“

„Ich lasse es“, gab sie hochmütig zurück. „Für mich hängt viel von der Veröffentlichung des neuen Buches ab.“

„Und dafür riskieren Sie alles?“

„Tun Sie, was Sie nicht lassen können, Mr Margate. Ich habe keine Angst vor Ihnen.“

„Das sollten Sie aber“, warnte er. „Ich habe es in der Hand, Ihre gesamte literarische Karriere zu ruinieren.“

„Mich interessiert es immer mehr, warum Sie das so unbedingt tun wollen“, gab sie kühl zurück. „Dieses Projekt scheint eine große Bedrohung für Sie darzustellen. Was mich wiederum zu der Frage veranlasst, warum das so ist. Meinen Quellen zufolge haben weder Sie noch Danny in den letzten fünfzehn Jahren viel mit Rose zu tun gehabt. Warum also wollen Sie sie jetzt so unbedingt schützen?“

„Sagen Sie, Miss Sherwood“, Damiens Blick hielt den ihren gefangen, „kommen Sie aus einer Familie, die eng zusammenhält?“

Emily nahm erneut ihr Glas in die Hand und schaute in die goldene Flüssigkeit. „Ich habe zwei Geschwister. Meine Eltern starben vor ein paar Jahren.“

„Das tut mir leid.“

Sie sah auf. Seine Stimme hatte so ernst und echt geklungen. „Danke. Wir … unsere Familie war nie sehr eng miteinander verbunden. Meine Eltern ließen sich scheiden, da war ich vier. Ich bin es gewöhnt, allein zu sein.“

„Haben Sie sich deshalb entschieden, Biografien zu schreiben? Das Schreiben über andere Familien muss einige der Fragen beantworten, die Sie sich stellen. Tauchen Sie deshalb in das Privatleben anderer ein, als eine Art Ersatz für die Familie, die Sie nie hatten?“

Sie wandte ihm das Gesicht zu. „Mich interessiert das Leben anderer, ob sie nun berühmt sind oder nicht. Das hat nichts mit meinem persönlichen Hintergrund zu tun. Und außerdem“, sie funkelte ihn herausfordernd an, „verdient man damit auch Geld. Viel Geld.“

„Sie berechnendes Biest“, stieß er hervor und warf seine Brieftasche auf den Tisch. „Hier geht es gar nicht um Geld, sondern um Macht. Und Dannys Untreue hat Ihnen nur noch mehr Grund gegeben, den Namen Margate durch den Schmutz zu ziehen.“

In seinen Augen brannte ein flammender Hass, der Emily zutiefst erschreckte. Mit einem einzigen Schluck leerte sie ihr Glas und stellte es wieder ab. „Sie haben eine schlechte Meinung von Biografen, wenn Sie sich einbilden, ich würde Monate sorgfältiger Recherche aufgeben, nur weil ein Familienmitglied seine Bedürfnisse nicht unter Kontrolle halten kann.“

Damien stand mit zusammengekniffenen Augen vor ihr. „Danny und Louise Morse sind schon ewig zusammen. Sie trennen sich, und dann versöhnen sie sich wieder. Ihre Recherche, Miss Sherwood, kann nicht sonderlich sorgfältig gewesen sein, wenn Sie das nicht von Anfang an gewusst haben.“

Emily wahrte nur mit Anstrengung ihre Haltung. Danny war ein angenehmer und interessanter Begleiter gewesen – ja, auch nützlich, immerhin hatte er ihr den Einblick in Familienalben und Aufzeichnungen ermöglicht. Sie war nicht in Danny verliebt, und doch hatte sie mit dem Gedanken gespielt, mit ihm zu schlafen. Jetzt kam sie sich unendlich dumm vor. Solche Fehler unterliefen ihr normalerweise nicht.

„Vielleicht sind wir uns in dieser Hinsicht ja ähnlich“, provozierte sie Damien unüberlegt. „Vielleicht macht es mir ja nichts aus zu teilen.“

Er bewegte sich viel zu schnell, als dass sie hätte reagieren können. Plötzlich fand sie sich gegen seine harte Brust gepresst wieder. „Ich hatte Sie doch gewarnt, keine achtlos dahingesagten Bemerkungen über mein Privatleben zu machen, Miss Sherwood. Aber scheinbar hören Sie nicht auf Ratschläge.“

Emily stockte der Atem. Sein Gesicht war so nahe, seine Augen brannten sich in ihre. Ihre Beine drohten nachzugeben, und sie hatte weder die Kraft noch den Wunsch, sich von ihm abzustoßen. Ein Teil von ihr wollte herausfinden, wie weit er gehen würde, jener Teil, der sie drängen wollte, Damien noch mehr zu provozieren, damit er weiterging …

Damiens Mund presste sich auf ihren, schockierte sie mit seiner Hitze und Dringlichkeit. Das war kein vorsichtiger, zögerlicher Kuss, es war ein Kuss, der strafen sollte. Emily hätte Damien fortstoßen sollen, sich wehren müssen, stattdessen entwickelten ihre Hände ein Eigenleben und zogen Damien noch enger heran.

Hitze schoss durch ihren Körper, als ihrer beider Zungen ein wildes Duell ausführten. Mit einer Hand hielt Damien ihren Nacken fest, die Finger der anderen schoben sich unter den dünnen Träger ihres Kleides, strichen ihn von ihrer bloßen Schulter, bis die schwellende Rundung ihrer Brust sich Damiens Blick bot. Mit dem Mund fuhr er über ihren Hals, seine Zunge zeichnete eine feuchte Spur über ihre Haut, immer weiter hinunter bis zu …

„Nein!“

Irgendwie fand sie die Kraft, ihn fortzustoßen. Erhitzt und aufgelöst stand sie vor ihm, mit geschwollenen Lippen, fiebrigen Wangen, zitternden Beinen. Sie konnte ihn nicht ansehen.

„Nein?“, fragte er lakonisch. „Danny braucht es ja nicht zu erfahren. Ihr kleines Geheimnis ist sicher bei mir.“

Emily war übel. Wie hatte sie sich nur in eine solche Lage bringen können? Ihre große Nacht war zu einer schmutzigen Farce geworden. Damien hatte von Anfang an die Situation kontrolliert und sie in die Rolle der naiven Närrin gedrängt. Die ganze Zeit hatte er darauf hingearbeitet, sie ein für alle Mal abzuservieren.

„Wenn Sie sich einbilden, Sie könnten mich mit solchen Mitteln manipulieren, irren Sie sich gewaltig“, fauchte sie. „Sie sind nicht anders als der Rest. Glauben, Sie brauchen nur mit den Fingern zu schnippen, und alle Frauen liegen Ihnen zu Füßen. Aber ich habe Ihnen schon einmal gesagt, dass ich keine Angst vor Ihnen habe.“ Sie schnappte nach Luft, als er sie ruckartig an sich zog und sein Becken an ihren Leib presste.

„Sie haben genau eine Woche“, fuhr er fort, als hätte sie nichts gesagt. „Wenn Sie bis dahin Ihren Plan, dieses Buch zu schreiben, nicht aufgegeben haben, werden Sie von meinen Anwälten hören.“

Emily riss sich von Damien los und stürmte zur Tür. Über die Schulter rief sie zu ihm zurück: „Dann sehen wir uns also vor Gericht wieder.“

3. KAPITEL

Emily hielt das nächste Taxi an und ließ sich auf die Rückbank fallen. Adrenalin pumpte durch ihre Adern, während sie an Damien Margates Drohung dachte. Die Lichter der Stadt verschwammen vor ihren Augen. Sie musste sich ihre nächsten Schritte genau überlegen.

Sie hatte einfach nicht die Mittel, jemanden wie Damien zu bekämpfen. Ihre literarische Karriere hing an einem seidenen Faden. Clarice hatte sie gewarnt, dass dieses nächste Buch unbedingt ein Erfolg werden musste.

Das Taxi hielt. Emily stieg aus und sah zu ihrem kleinen Apartment empor. Sie hatte so hart gearbeitet, um diese Wohnung zu bekommen. Mit dem Erfolg ihres ersten Buches über einen bekannten Politiker hatte sie die Kautionssumme decken und die Einrichtung anschaffen können. Dass ihr zweites Buch gefloppt war, hatte ihre finanzielle Sicherheit zwar erschüttert, aber mit Zusicherungen an ihren Bankmanager und einem Nebenjob in einem kleinen Restaurant hatte sie sich bisher halten können.

Emily seufzte schwer, während sie auf den Lift wartete. Kampflos würde sie nicht aufgeben, auch wenn sie ihren ganzen Mut zusammennehmen musste. Damien Margate glaubte wahrscheinlich, Drohungen würden ausreichen, um sie abzuschrecken, aber sie hatte das ganze Wochenende, um sich eine Verteidigungsstrategie zu überlegen.

In der Nacht wälzte sie sich hin und her, war viel zu aufgedreht, um wirklich zu schlafen. Sobald der Wecker acht Uhr morgens zeigte, rief Emily ihre Agentin an, die sich verschlafen meldete.

„Ja?“

„Clarice, ich bin’s, Emily. Ich will mit ‚Rose’s Cupboard‘ auf Promotiontour gehen.“

Emily hörte die Bettfedern knarren, als Clarice sich umdrehte. „Aber du hast es doch noch nicht einmal geschrieben.“

„Na und? Ich habe den Preis erhalten, die Leute werden jetzt losgehen und meine vorherigen Bücher kaufen. Ich will, dass du so viele Lesungen und Signierstunden wie möglich organisierst. Das heißt, nicht nur Buchläden, sondern auch Einkaufszentren, Radioshows und Frühstücksfernsehen.“

„Ich kann es nicht fassen“, hörte sie Clarice durch die Muschel. „Du warst doch so dagegen, die Werbetrommel zu rühren.“

„Ich weiß, aber das hier ist anders.“

„Weiß der Junge davon?“

„Mit Danny hat das überhaupt nichts zu tun“, sagte Emily entschieden.

„Und dieser ältere Bruder? Ich kann mir nicht vorstellen, dass das seine Idee war.“

„Damien Margate ist ein selbstherrlicher, arroganter Pinsel, der wahrscheinlich seit der Schule nichts anderes als die ‚Financial Times‘ gelesen hat. Ich will für mich werben, und niemand wird mich davon abhalten.“

„Gutes Kind!“ Clarice war jetzt hellwach und begeistert. „Gib mir ein paar Stunden, ich werde sehen, was ich so kurzfristig erreichen kann.“

„Danke, Clarice“, sagte Emily. „Du wirst es nicht bereuen. Ich weiß, dieses Buch wird ein Hit.“

„Das muss es auch werden. Noch einen Flop können wir uns nicht leisten. Die schlechte Publicity bei deinem zweiten Buch überleben nur Filmstars, nicht aber Autoren und Agenten.“

Um die Mittagszeit rief Danny an. Emily war gerade dabei, Wäsche zusammenzulegen und klemmte das Telefon zwischen Schulter und Ohr.

„Ich wollte mich für gestern Abend entschuldigen“, begann er. „Wie lief’s auf der Cocktailparty?“

„Sehr gut.“ Sie zog eine Grimasse, als sich ein rosa Spitzenslip aus dem Wäschebündel in ihren Armen löste und zu Boden fiel. „Man hat mir einen Preis für mein erstes Buch verliehen. Dein Bruder war sehr …“

„Damien?“, sprudelte Danny heraus. „Er war dabei?“

Emily starrte mit gerunzelter Stirn auf das Badelaken, das sich jetzt zu dem Slip gesellte. „Hattest du ihn denn nicht gebeten, mich an deiner statt zu begleiten?“

„Ein Gefallen wäre das Letzte, was mein Bruder für mich tun würde“, erwiderte Danny bitter. „Ich frage mich, was er vorhat.“

„Genau diese Frage wollte ich dir auch stellen.“

„Ich wollte es dir sagen …“, setzte Danny an, doch Emily unterbrach ihn.

„Bevor oder nachdem wir miteinander geschlafen hatten?“

„Du musst mich für einen Schuft halten.“

„Sagen wir einfach, die Familienähnlichkeit ist mir aufgefallen.“

„Also bist du schon mit Damien zusammengestoßen?“, hakte Danny trocken nach. „Ich hoffe, er war nicht allzu unhöflich zu dir. Er ist ein wenig überbesorgt um Rose.“

„Ein wenig?“ Emily lachte hart auf. Mehr Wäsche glitt aus ihren Armen. „Man könnte glauben, er sei ihr Sohn, so wie er sich anstellt.“

Am anderen Ende blieb es lange still.

Emily sah auf den Wäschehaufen zu ihren Füßen, die Unordnung glich dem Gedankentumult in ihrem Kopf. „Danny? Das ist doch nicht möglich, oder? Könnte Damien Roses leiblicher Sohn sein?“ Jetzt hielt sie den Hörer mit beiden Händen.

„Mach dich nicht lächerlich, Emily. Du weißt doch, dass Rose nie verheiratet war.“

„Das war nicht meine Frage, Danny. Könnte Damien ihr Sohn sein? Ein Kind aus einer früheren Beziehung?“

„Damien ist mein Bruder. Er ist vier Jahre älter als ich, und auch wenn wir uns nicht unbedingt ähneln, so verhält er sich doch praktisch wie mein Vater.“

„Aber ihr beide versteht euch nicht sonderlich gut, oder?“

„Das kommt häufiger unter Brüdern vor. Was nicht heißt, dass sie keine Brüder sind.“

„Aber ist dir dieser Gedanke denn nie gekommen? Du hast mir doch erzählt, dass er und deine Eltern sich häufig in den Haaren lagen.“

„Hast du nicht gerade das Gleiche angedeutet? Damien ist eben ein mürrischer Typ. An deiner Stelle würde ich einen großen Bogen um ihn machen. Er ist nicht der Mensch, der sich an Regeln hält. Er könnte dich verletzen.“

„Deine Sorge um meine Gefühle rührt mich zutiefst“, erwiderte Emily ironisch.

„Emily, es tut mir wirklich leid wegen gestern. Aber Louise und ich … das geht schon lange.“

„Trotzdem hättest du es mir sagen können. Es war nicht gerade angenehm zu beobachten, wie dein Bruder sich ins Fäustchen lacht, weil ich abserviert werde.“

„Niemand hat dich abserviert, Emily“, widersprach Danny. „Können wir nicht Freunde sein?“

„Ich denke, das hängt von deinem Bruder ab.“

„Was meinst du damit?“

Emily sah wieder Damiens bedrohliche Miene vor sich. „Lass nur, wir reden später darüber. Jetzt habe ich noch einiges zu erledigen.“

Emily sammelte die heruntergefallene Wäsche wieder ein und warf sie achtlos aufs Sofa. Dann holte sie ihre Arbeitsunterlagen hervor und suchte die Fotos der Margate-Familie heraus, die Danny ihr überlassen hatte. Sie breitete die Bilder auf dem Fußboden aus und betrachtete sie noch einmal genauer.

Da gab es viele Aufnahmen von Baby Danny mit wirren blonden Locken, vom Kleinkind Danny, der mit einem Hund im Garten tollte. Von Damien schien es sehr viel weniger Aufnahmen zu geben, und wenn, so stand er immer etwas abseits. Zufall oder Absicht, um den düster dreinblickenden Jungen aus dem Kreis der Familie auszuschließen?

Es gab auch ein großes Foto von Donald Margate, dem Vater der Jungen. Groß und streng sah er aus, wie er da neben seinem Auto stand. Emily erkannte die gleichen breiten Schultern und das gleiche dunkle Haar wie bei Damien. Cora, die Mutter, hatte einen Schal um ihr aschblondes Haar gebunden, ihre Miene wirkte irgendwie traurig.

Emily suchte weiter. Das einzige Bild, auf dem Cora lächelte, war das, auf dem sie ihren Sohn Danny ansah. Warum nur war Emily das vorher noch nie aufgefallen?

Sie schob die Fotos wieder zusammen und überlegte, was als Nächstes zu tun sei. Ihr blieb eine Woche, bevor sie den Vertrag mit dem Verlagshaus unterzeichnete. Eine Woche, bevor Damien Margate seine angedrohten Schritte einleiten konnte.

Eine Woche, um die Wahrheit herauszufinden.

Clarice rief eine halbe Stunde später an und gab Emily vier feste Termine durch.

„Am Montagmorgen fängt es mit dem Frühstücksfernsehen an“, berichtete sie triumphierend. „Danach geht es direkt weiter zum Studio von ‚NMDA Radio‘. Anschließend trinkst du Tee mit dem Redakteur von ‚Writer’s Review‘, und am Nachmittag gibt’s ein Interview mit Nadine Brereton und Damien Margate.“

„Was?“ Emily schnappte fassungslos nach Luft.

„Nadine Brereton. Du weißt schon, die aus dem Nachrichtenprogramm im Fernsehen. Sie will …“

„Ich weiß, wer Nadine ist“, unterbrach Emily aufgeregt. „Aber wieso mit Damien Margate?“

„Ich hätte etwas mehr Begeisterung von dir erwartet. Das ist ein absoluter Knüller! Der Neffe von Rose hat sich endlich zu einem Interview bereit erklärt.“

„Aber ich habe unendlich viele Interviews mit Danny aufgezeichnet …“

„Ich weiß, Liebes, aber im Vergleich zu Damien Margate ist er doch wirklich nur ein unreifer Junge. Damien ist der mit den Insider-Informationen. Und er weiß auch, wo Rose sich aufhält. Du hättest dich von Anfang an auf ihn konzentrieren sollen, nicht auf dieses Leichtgewicht von einem kleinen Playboy, der nicht weiß, wann er den Mund und seinen Hosenstall geschlossen halten muss.“

Emily verzog das Gesicht, aber Clarice sagte im Grunde nur die Wahrheit. Danny war oberflächlich und egoistisch. Damien dagegen war aus einem ganz anderen Holz geschnitzt. Dabei war sie sich nicht sicher, ob sie es mit ihm aufnehmen könnte. Sie wusste nicht einmal, ob sie es versuchen wollte. Was, wenn er der Journalistin von seinen Plänen berichtete, vor Gericht zu gehen, um das Erscheinen des Buches zu verhindern? Konnte sie ihn daran hindern, sie vor laufenden Fernsehkameras zu ruinieren?

„Gib mir die Zeiten durch, ich werde da sein“, hörte Emily sich in die Muschel sagen, während sie nach Papier und Bleistift suchte. Sie notierte sich Zeiten und Adressen und verabschiedete sich von Clarice mit dem Versprechen, pünktlich auf die Minute zu sein und in Bestform.

Selbst wenn in ihrem Kopf alle Alarmsirenen losschrillten.

Der Auftritt im Frühstücksfernsehen verlief reibungslos, das Radiointerview dauerte knapp drei Minuten und war Emilys Meinung nach reine Zeitverschwendung gewesen. Jetzt ging Emily durch das Foyer des „Regent Hotel“ auf Clarice zu, die bereits eisgekühlte Limonade für sie beide bestellt hatte.

„Nadine hat angerufen, dass sie sich ein paar Minuten verspäten wird. Sie hat es so arrangiert, dass sie Damien und dich in einer der Hotelsuiten interviewen wird.“

In einer Suite? Damien und sie zusammen? Emily gefiel der Gedanke nicht unbedingt.

Clarice schaute auf ihre Armbanduhr. „Er ist spät dran.“

„Nein, das ist Taktik.“

Clarice zog eine Augenbraue in die Höhe. „Kennst du ihn so gut?“

Emily schüttelte den Kopf. „Das nicht, aber ich weiß, wie er arbeitet. Er ist ein Power-Freak. Er wird erst in der letzten Minute auftauchen, so, als wäre er derjenige, der das Interview leitet, und nicht Nadine Brereton.“

Clarice nippte an ihrem Tonic. „Du hättest Krimi-Autorin werden sollen, Liebes. Du durchschaust die Menschen so gut.“

„Nicht alle.“ Emily schob ihr Glas beiseite. „Aber etwas an Damien Margate fesselt mich.“

„Natürlich. Er ist sexy. Groß, düster, geheimnisvoll“, dachte Clarice laut.

Emily schaute ihre Agentin pikiert an. „Er ist ein arroganter Schuft. Ich würde nicht eine Minute mit ihm verbringen, wenn ich die Wahl hätte …“

Clarice erhob sich plötzlich und streckte ihre gepflegte Hand über Emilys Schulter. „Mr Margate! Wie nett von Ihnen, sich zu uns zu gesellen.“

Emily wünschte, der Boden würde sich auftun und sie verschlingen, doch leider hatten die Architekten des Luxushotels eine solche Möglichkeit nicht vorgesehen. Der Boden unter ihr blieb hart und solide, ganz im Gegensatz zu ihren eigenen Knien.

„Mr Margate“, grüßte sie knapp und zwang sich, ihn anzusehen.

„Miss Sherwood.“ Damien nickte ihr zu. Sein Blick glitt prüfend über sie, während er ihre Hand nahm.

„Nadine müsste gleich zurück sein“, plapperte Clarice drauflos. „Sie bereitet eine Suite für Sie beide vor.“

„Das hört sich ja vielversprechend an“, meinte Damien mit einem nicht zu deutenden Lächeln. „Ich habe übrigens die Sendung im Frühstücksfernsehen mit Ihnen gesehen“, sagte er, als er sich auf den freien Sessel neben Emily niederließ. „Ich war angenehm überrascht, wie zurückhaltend Sie sich über mich geäußert haben.“

Emily hielt seinem Blick stand. „Ich hätte natürlich noch mehr sagen können, aber man weiß ja nie, ob zu dieser Tageszeit nicht auch Kinder vor dem Bildschirm sitzen.“

Er lachte leise und stand auf, um Nadine zu begrüßen, die mit ihrer Crew im Schlepptau auf die kleine Gruppe zukam.

Man führte sie in eine der Luxus-Suiten, wo die Beleuchter bereits die Scheinwerfer aufgestellt hatten. Kameramänner und Visagisten erledigten die letzten Handgriffe.

„Miss Sherwood, wenn Sie sich bitte hierhin setzen wollen …“, Nadine deutete mit einer perfekt manikürten Hand auf einen Sessel, „… und Mr Margate hier zu mir. Dann können wir loslegen. Alles klar, Joe?“

Der Kameramann nickte und verzog sich hinter die Linse.

„Willkommen, liebe Zuschauer, bei ‚Afternoon Muse‘. Ich bin Nadine Brereton, und als Gäste sind heute bei mir Miss Emily Sherwood, die eine Biografie über das, wie man wohl sagen darf, geheimnisvolle Leben von Australiens wohl bekanntester Theaterschauspielerin, Rose Margate, schreiben möchte. Als zweiten Gast begrüße ich Damien Margate, Neffe von Rose Margate, der sich freundlicherweise zu diesem Interview bereit erklärt hat. Aber zuerst zu Miss Sherwood. Miss Sherwood, stimmt es, dass die Familie Margate gegen die Veröffentlichung einer Biografie über Rose Margate ist?“

Emily sah direkt in die Kamera. Nur das kleinste Anzeichen von Problemen, erinnerte sie sich, und der Vertrag wie meine Karriere sind Geschichte. „Nein, so kann man das nicht sagen. Ein Familienmitglied hat sich überaus kooperativ gezeigt. Danny Margate, Rose Margates anderer Neffe, hat mit sehr viel Zeit und Hilfe meine Recherchen unterstützt. Er liebt seine Tante und möchte, dass der Öffentlichkeit eine authentische und korrekte Beschreibung ihres Lebens vorgelegt wird.“

„Ist es wahr, dass Sie Rose Margate persönlich nie interviewt haben?“

„Das stimmt, ja.“

Nadine Brereton neigte leicht den Kopf. „Wie kann man eine akkurate Biografie schreiben, wenn man nie mit der Person selbst gesprochen hat?“

„Oftmals werden Biografien erst nach dem Tode der Person verfasst. Der Autor zieht dazu verschiedene Quellen zu Rate, Tagebücher, Fotos, private Aufzeichnungen, Interviews mit Freunden und Verwandten“, erklärte Emily.

„Aber die Margate-Familie, Danny Margate ausgenommen, steht dem nicht sehr positiv gegenüber, ist es nicht so?“

Emily warf einen Blick auf Damien. „Ich bin sicher, sie werden ihre Gründe dafür haben“, sagte sie schließlich diplomatisch.

„Mr Margate“, wandte Nadine sich jetzt an Damien, „wieso sind Sie so dagegen, dass Miss Sherwood die Biografie Ihrer Tante verfasst?“

Damien schaute kurz auf Emily, dann direkt in die laufende Kamera. „Ich habe nichts gegen Biografien im Allgemeinen. Allerdings halte ich absolut nichts von Biografien, die gegen den ausdrücklichen Wunsch der betroffenen Familienmitglieder geschrieben werden sollen.“

„Sie haben also von Anfang an Ihre Zustimmung verweigert?“, fragte Nadine.

Emily verkrampfte die Hände in ihrem Schoß, während sie mit angehaltenem Atem auf die Antwort wartete.

„Meine Tante Rose hat sich entschieden, aus dem Licht der Öffentlichkeit zurückzutreten. Sie hat ihren Verehrern über fünfunddreißig Jahre gewidmet, ohne auf ihre eigene Freizeit zu achten. Sie hat dieses Buch in keinster Weise autorisiert, und daher tue ich das ebenfalls nicht.“

„Stimmt es, dass Sie gerichtliche Schritte einlenken wollen, sollte dieses Buch tatsächlich erscheinen?“

Damiens Miene wurde verschlossen. „Ich hoffe, dass sich solche Maßnahmen vermeiden lassen.“

„Miss Sherwood“, richtete Nadine das Wort jetzt wieder an Emily, „sind Sie bereit, für das Erscheinen von ‚Rose’s Cupboard‘ zu kämpfen, ganz gleich, gegen welche Hindernisse?“

Emily konnte nur hoffen, dass ihr Verleger zu beschäftigt war, um sich diese Show anzusehen. Sie erhaschte Damiens herausfordernden Blick, bevor sie Nadine antwortete. „Für die Recherche habe ich Monate aufgewendet. Rose Margate hat Tausende von Fans, die unbedingt etwas von ihr hören wollen, vor allem seit ihrem abrupten Rückzug von der Theaterbühne. Das Buch soll eine Fotosammlung aus ihren frühen Jahren enthalten sowie eine Beschreibung ihrer Erfolge. Und ich bin sicher, dass sehr viele Leser sich dafür interessieren werden.“

„Mr Margate“, Nadine drehte sich wieder zu Damien, „zweifelsfrei werden viele unserer Zuschauer Miss Sherwood zustimmen. Was könnte es schaden, ein Sammlerstück herauszugeben, mit dem unzählige treue Bewunderer Rose Margate feiern würden?“

„Wenn diese Biografie sich lediglich mit den außerordentlichen Erfolgen meiner Tante beschäftigen würde, hätte ich mit Sicherheit nichts dagegen einzuwenden. Allerdings steht Miss Sherwood in dem Ruf, jene auszubeuten, über die sie schreibt. Natürlich verstehe ich, dass Miss Sherwood ihren Lebensunterhalt verdienen muss, aber dazu sollte sie sich jemand anderen zum Thema suchen als ausgerechnet meine Familie.“

Emily war ärgerlich aufgesprungen, doch glücklicherweise hatte die Kamera bereits auf Nadine geschwenkt.

„Nun, liebe Zuschauer, entscheiden Sie selbst. Beutet Emily Sherwood den Namen Margate für ihre eigenen Zwecke aus? Oder will sie der Öffentlichkeit das Leben der geliebten Schauspielerin Rose Margate in Erinnerung halten? Lassen Sie uns Ihre Meinung wissen, rufen Sie an oder schreiben Sie uns. Ein Dank an unsere Gäste, und nach der Werbung sehen wir uns wieder mit einem Bericht über die Neueröffnung der Notfallstation der St. Stephen-Klinik.“

„Dieser Mann kann sich gleich auf der Notfallstation melden, wenn ich fertig mit ihm bin!“, zischte Emily ihrer Agentin zu, während sie an den Kameras vorbei zur Tür rauschte.

„Aber, aber, Herzchen“, beschwichtigte Clarice. „Denk doch nur an die Verkaufszahlen nach diesem kleinen Schlagabtausch. Eine bessere Publicity hättest du gar nicht bekommen können.“

Emily warf einen Blick zurück zu Damien, der mit Nadine Brereton im Gespräch zusammenstand. Jetzt sah er zu ihr. Hastig drehte sie sich wieder um. Sie musste unbedingt hier raus. Damien Margate hatte das Interview manipuliert und Emily als geldgierige Journalistin dargestellt, die vor nichts haltmachen würde, um an ihre Story zu kommen.

Wütend stapfte sie zum nächsten Lift und drückte unwirsch auf den Rufknopf.

„Miss Sherwood?“

Beim Klang seiner tiefen Stimme wirbelte Emily herum. „Kommen Sie mir nicht mit ‚Miss Sherwood‘, Sie … Sie Mistkerl!“

Damien hob überheblich eine Augenbraue. Im gleichen Moment glitten die Lifttüren auf, und Emily betrat den Aufzug. Doch sie konnte nicht verhindern, dass er ebenfalls in die enge Kabine trat, sie konnte ihn nur wütend anfunkeln.

„Ich möchte mit Ihnen reden“, sagte er aufreibend ruhig.

„Das haben Sie doch gerade, vor ungefähr drei Millionen Leuten!“, fauchte sie.

„Unter vier Augen, ohne Kameras.“

„Wieso?“, fragte sie argwöhnisch. „Damit Sie mich wieder begrapschen können, wenn Ihnen danach ist?“

Sie sah, wie seine Wangenmuskeln arbeiteten, und es verschaffte ihr eine gewisse Genugtuung, seine Selbstbeherrschung auf den Prüfstand gestellt zu haben.

„Sie haben seinerzeit nicht allzu großen Protest laut werden lassen“, erinnerte er sie ungalant.

Ihr blieb eine entsprechende Erwiderung verwehrt, da in diesem Augenblick der Aufzug stehen blieb und die Türen sich öffnete. Damien schob sie auf den Ausgang zu.

„Was soll das?“ Emily versuchte ihren Arm freizubekommen. „Ich werde nicht mit Ihnen gehen.“

Doch Damien winkte nur eines der Taxis heran und schob sie unbeeindruckt auf die Rückbank. Durch ihre Entrüstung war sie so abgelenkt, dass sie die Adresse, die er nannte, leider nicht verstand.

„So etwas nennt man Entführung!“, beschwerte sie sich. „Hallo!“ Emily klopfte an die Schutzscheibe zum Fahrer. „Dieser Mann will mich entführen. Halten Sie bei der nächsten Polizeiwache!“

Der Taxifahrer lächelte nur freundlich und murmelte etwas Unverständliches in einer fremden Sprache. Offensichtlich verstand der Mann sie gar nicht.

„Ich werde Anzeige gegen Sie erstatten“, fauchte sie Damien an.

„Und mit wessen Hilfe?“, machte er sich über sie lustig.

Sie knirschte mit den Zähnen und grub ihre Fingernägel in seine Hand, die ihr Handgelenk immer noch mit eisernem Griff festhielt.

„Hören Sie auf, sich wie eine Wildkatze zu gebärden!“, fuhr er sie an und inspizierte die Kratzer auf seinem Handrücken.

Ein seltsames Gefühl breitete sich in Emilys Unterleib aus. Unwillkürlich hielt sie den Atem an.

Das Taxi stand jetzt vor Damiens Haus. Damien beugte sich vor, um den Fahrpreis zu zahlen, und Emily zuckte zusammen, als sein Arm dabei ihre Schulter streifte.

„Steigen Sie aus“, knurrte er.

„Lassen Sie mich in Ruhe!“

Mit einer schnellen Bewegung packte er sie wieder beim Handgelenk und zog sie aus dem Taxi hinaus und ins Haus hinein. Ihr blieb gar keine andere Wahl, als hinter ihm herzustolpern.

Sobald die Haustür sich hinter ihnen geschlossen hatte, drehte Emily sich trotzig zu ihm um. „Sollten Sie mich auch nur anrühren … Ich schwöre, ich …“

„Halten Sie endlich den Mund“, grollte er. „Ich habe nicht vor, Ihnen etwas anzutun.“

Emily verschränkte die Arme vor der Brust. „Warum dann diese kleine Entführungsszene? Oder laden Sie eine Frau immer so auf einen Kaffee ein?“

Er lachte auf. Ein entwaffnendes Lachen, sodass Emily selbst sich ein Grinsen verkneifen musste. Sein Lachen gefiel ihr, es war dunkel, weich und melodisch.

„Möchten Sie denn eine Tasse Kaffee?“ Er lächelte immer noch.

Sie schüttelte den Kopf. „Ich möchte nach Hause.“

„Nun, ich brauche einen Kaffee. Kommen Sie und reden Sie mit mir, während ich welchen aufbrühe.“

Da er sich bereits umgedreht hatte, blieb ihr nichts anderes übrig, als ihm in die große Küche zu folgen.

„Wie nehmen Sie Ihren Kaffee?“, fragte er, während er die Kaffeemaschine einschaltete.

„Schwarz mit …“ Dann fiel ihr wieder ein, dass sie ja gar nichts wollte. „Nichts. Ich möchte nichts.“

Damien schenkte trotzdem zwei Becher ein. „Der Zucker steht in dem Regal hinter Ihnen, Löffel sind dort in der Schublade.“

„Warum sagen Sie nicht endlich, was Sie von mir wollen? Was soll das alles hier?“ Sie machte eine ausholende Geste durch den Raum. „Sie haben mich doch nicht hergebracht, um Kaffee mit mir zu trinken.“

„Nein, der Kaffee ist nur ein Bonus.“

Emily verdrehte die Augen zur Decke. „Lassen Sie uns endlich zum Wesentlichen kommen. Was wollen Sie?“

Damien stieß sich von der Anrichte ab und kam auf Emily zu. Den Kaffeebecher stellte er neben ihrer unberührten Tasse ab und sah Emily mit durchdringendem Blick ins Gesicht.

„Ich sagte Ihnen bereits, was ich will.“ Seine Stimme klang sehr sachlich.

Sie zögerte. „Das … das kann ich nicht tun.“

„Können Sie nicht oder wollen Sie nicht?“

Sie fuhr sich über die plötzlich trockenen Lippen und versuchte Zeit zu schinden. „So verstehen Sie doch … ich muss dieses Buch schreiben, und das Buch muss sich verkaufen. Sie sind selbst im Finanzwesen tätig, Sie wissen doch, wie das ist. Ich habe Verpflichtungen, eine Hypothek …“

„Geben Sie das Buchprojekt auf, und ich übernehme Ihre Verpflichtungen.“

„Was?“ Sie starrte ihn ungläubig an.

„Sie haben richtig gehört. Ziehen Sie das Buch zurück, und ich kümmere mich um Ihre Rechnungen.“

„Das meinen Sie nicht ernst.“ Sie war völlig verdattert. „Wo ist da der Haken?“

„Sie haben recht, es gibt einen.“

„Nämlich?“

Er schwieg, und Emily wusste, dass das, was sie jetzt zu hören bekommen würde, ihr ganz bestimmt nicht gefallen würde.

„Heiraten Sie mich.“

„Das … das ist ein wirklich geschmackloser Witz.“ Sie klang atemlos.

Damien zuckte mit einer Schulter. „Kein Witz. Ich meine es ernst.“

Sie starrte ihn entsetzt an. „So weit würden Sie also gehen, um mich aufzuhalten?“

Wieder dieses kleine Achselzucken. „Sie können den Vorschlag annehmen oder es sein lassen.“

„Ich kann nicht fassen, dass Sie zu solchen Maßnahmen …“

„Die Ehe würde lediglich auf dem Papier bestehen. Ich befinde mich nämlich in der unangenehmen Position, eine Ehefrau zu brauchen. Aber nur auf dem Papier natürlich. Wegen der Steuern und so. Sie verstehen.“

„Ich habe gehört, dass in Asien sehr viele Frauen zu einer Heirat bereit sind, um an einen Pass zu kommen“, hielt sie ihm trocken vor.

„So wie ich das sehe, reichen Sie vollkommen aus.“

„Ich fühle mich geschmeichelt.“ Mit gerunzelter Stirn musterte sie ihn. „Hat mein umwerfendes Aussehen Sie so fasziniert? Oder vielleicht mein gewählter Umgang mit Worten? Oder haben Sie bei unserem Interview einen tiefen Einblick in meine engelsgleiche Seele erhalten?“

Er trank von seinem Kaffee und blitzte sie dann amüsiert an. „An Ihnen ist eine Dramaturgin verloren gegangen. Sie sollten eine eigene Show bekommen.“

„Freut mich, dass Sie das so amüsant finden, denn ich kann darüber überhaupt nicht lachen! Und was, zum Teufel, soll ich meiner Agentin und meinem Verleger sagen?“

Damien nahm noch einen Schluck Kaffee, bevor er ihr antwortete. „Sagen Sie ihnen, dass Sie heiraten und das Buch ein paar Monate aufschieben wollen.“

„Monate?“

„Meinetwegen, dann eben Wochen. Wer weiß, wenn Sie sich anständig benehmen … vielleicht arrangiere ich ein persönliches Treffen mit Rose für Sie.“

Emilys Herz machte einen Sprung. „Das würden Sie tun?“

Er zuckte gleichgültig mit den Schultern. „Warten wir’s ab. Das entscheide ich, nachdem wir geheiratet haben.“

„So oder so, Sie können nur gewinnen, nicht wahr?“

„Kommt darauf an, von welcher Seite Sie es betrachten“, gab er gewandt zurück. „Sie ziehen den dicksten Fisch Ihres Lebens an Land, indem Sie meine Frau werden.“

4. KAPITEL

Damien beobachtete das Mienenspiel auf Emilys Gesicht, während sie schweigend ihren Kaffee trank.

„Es gibt da allerdings ein paar Punkte, die vorher abgeklärt werden sollten“, sagte er, als sie endlich ihre Tasse absetzte.

„Welche?“ Emily sah argwöhnisch zu ihm hin.

„Darum geht es doch bei einer Vernunftehe. Dass vorher alles genau abgesprochen wird und beide Parteien sich über Vor- und Nachteile im Klaren sind.“

Sie bedachte ihn mit einem verächtlichen Blick. „Ich kann mir schon vorstellen, wem die meisten Vorteile zugesprochen werden.“

„Und ich kann mir bestens vorstellen, wie gern Sie sich in der Opferrolle sehen würden. Doch wenn Sie ablehnen, verpassen Sie vielleicht die Chance Ihres Lebens.“

Mit einem tödlichen Blick über die Schulter ging Emily auf die Tür zu. „Sie müssen mich für eine komplette Närrin halten, wenn Sie glauben, ich würde auf Ihr Angebot eingehen.“ Sie griff nach dem Türknauf, doch bevor sie ihn öffnen konnte, lag Damiens Hand auf ihrer.

„Denken Sie darüber nach, Emily“, sagte er in diesem sanften Tonfall, bei dem ihr jedes Mal ein angenehmer Schauer über den Rücken lief. „Nie wieder Geldsorgen. Keine Termine mehr, die einzuhalten sind. Sie können genau das tun, was Sie wollen, schreiben, worüber Sie wollen, ohne auf die Forderungen anderer eingehen zu müssen.“

„Und was springt für Sie dabei heraus?“ Sie versuchte Abstand zwischen ihre beiden Körper zu bringen.

Er ließ sich Zeit mit seiner Antwort. Zeit, die er nutzte, um ihr Gesicht genau zu mustern. „Ihre charmante Gesellschaft. Was könnte ein Mann sich mehr wünschen?“

In Emily flammte Wut auf. „Ich werde nicht mit Ihnen schlafen!“, stieß sie hervor.

„Ah.“ Damien grinste spöttisch. „Sie sind also versucht, mein Angebot anzunehmen.“...

Autor

Melanie Milburne
Eigentlich hätte Melanie Milburne ja für ein High-School-Examen lernen müssen, doch dann fiel ihr ihr erster Liebesroman in die Hände. Damals – sie war siebzehn – stand für sie fest: Sie würde weiterhin romantische Romane lesen – und einen Mann heiraten, der ebenso attraktiv war wie die Helden der Romances....
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