Paradies der Liebe

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Auf seiner Privatinsel in der Karibik spürt Parker Laird: Sein Leben besteht nicht nur aus Geschäften. Seine neue Assistentin Abby ist ihm wichtiger als alles andere. Und tatsächlich erleben sie das pure Glück! Bis sein Bruder Ungeheuerliches behauptet …


  • Erscheinungstag 03.07.2016
  • ISBN / Artikelnummer 9783733773557
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

„Abigail? Würden Sie bitte zu mir kommen?“

Abby Monroe schlüpfte in ihre Stöckelschuhe, stand auf und strich den Kostümrock glatt. Dann schritt sie über den dicken, weichen Teppich ins Büro der persönlichen Mitarbeiterin von Parker Laird.

Abby liebte ihre Arbeit in dem sechsundzwanzigstöckigen Bürogebäude der Ölbohrgesellschaft „Laird Drilling“. In den letzten vier Jahren war sie die Karriereleiter langsam und beständig hochgestiegen und hatte dabei entdeckt, dass die Dicke des Teppichs direkt von der Wichtigkeit der Person abhing, in deren Büro er lag.

Mittlerweile war sie im obersten Stockwerk angelangt und konnte sich nicht vorstellen, dass ein Teppich noch dicker sein konnte als der, über den sie gerade schritt.

Hier oben war das Nervenzentrum der Firma, und die Luft schien elektrisch geladen von der Aura schierer Macht.

Valerie Chippin, seit fünf Wochen Abbys direkte Vorgesetzte, schloss die Tür und winkte Abby zu der Sitzgruppe am Fenster. Das war mehr als ungewöhnlich.

Eines Tages werde ich auch so ein Büro haben, dachte Abby. Aber noch war dieser Tag nicht gekommen, und so setzte sie sich gehorsam Valerie gegenüber in einen der bequemen Sessel.

„Ich bin mit Ihrer Arbeit sehr zufrieden“, begann Valerie, und Abby konnte ihre Überraschung nur mit Mühe hinter einem Lächeln verbergen. Ihre Chefin war nicht gerade dafür bekannt, dass sie großzügig Lob an ihre Mitarbeiter austeilte.

„Und Mr Laird ebenfalls“, fuhr sie jetzt fort.

Abby blieb bei ihrem Lächeln, obwohl sie davon überzeugt war, dass Parker Laird von ihrer Existenz nicht einmal etwas ahnte. Gut, er nickte ihr flüchtig zu, wenn zufällig einmal sein Blick auf sie fiel. Aber meist las er in seinem Börsenblatt und hatte für nichts anderes Augen.

Ihr eigener Schreibtisch stand oben in der Empfangshalle, und wenn jemand aus dem Lift trat, fiel sein Blick zwangsläufig auf sie. Sie arbeitete als Empfangssekretärin, aber sie würde dafür sorgen, dass sich das irgendwann änderte.

„Wie Sie wissen, gehe ich nächste Woche in Urlaub“, fuhr Valerie fort.

Abby klappte ihren Block auf, um die erwartete Liste von Anweisungen entgegenzunehmen, aber ihre Chefin schüttelte den Kopf. „Ich weiß, der Zeitpunkt für meinen Urlaub ist sehr unglücklich gewählt, wo wir gerade mit den Ölbohrungen in El Bahar anfangen. Aber mein Mann hatte diese Kreuzfahrt schon seit einem Jahr gebucht.“ Sie lächelte und strich sich ordnend über das makellos frisierte blonde Haar. „Aus Anlass unserer Silberhochzeit.“

Abbys Haare waren kastanienrot, lockig und nur schwer zu bändigen. Sie beneidete Valerie um ihre perfekt sitzende Frisur.

„Herzlichen Glückwunsch“, gratulierte Abby. Sie wunderte sich ein wenig. Valerie verlor nie ein Wort über ihr Privatleben, und es ging das Gerücht, sie hätte gar keines. Das hätte Abby nicht überrascht. Wann immer sie ins Büro kam, Valerie war schon da. Und am Abend blieb sie grundsätzlich länger als alle anderen.

Genau wie Parker Laird. Zu seinem Büro gehörte sogar eine Suite mit kleiner Küche und Bad, auch wenn Abby sich um alles in der Welt nicht vorstellen konnte, warum jemand, der ein so wunderschönes Haus in River Oaks in Houston besaß, den Wunsch verspüren sollte, im Büro zu übernachten.

„Mr Laird war so reizend, darauf zu bestehen, dass ich diese Kreuzfahrt mit meinem Mann unternehme.“

Abby hatte sich mittlerweile von ihrer Überraschung erholt. „Ich werde mein Bestes tun, Ihre Vertretung zu unterstützen“, sagte sie.

„Genau darüber wollte ich mit Ihnen sprechen, Abigail.“ Valerie machte eine kleine Pause. „Ich habe Sie Mr Laird vorgeschlagen.“

„Mich?“ Abby traute ihren Ohren nicht. Sie bemühte sich um Haltung. „Ich bin natürlich entzückt …“, begann sie.

„Aber Sie fragen sich, wie Sie dazu kommen“, meinte Valerie trocken. Abby blieb stumm. Sie stand unter einer Art Schock. „Haben Sie einen Freund?“ Sie schüttelte den Kopf. „Familiäre Verpflichtungen?“

„Auch nicht.“

„Ausgezeichnet. Mr Lairds Assistentin muss einsatzbereit und sehr flexibel sein.“

„Das bin ich!“ Abby ahnte, dass das die Chance war, auf die sie so lange gewartet hatte.

„Zusätzlich werden Entscheidungsfreudigkeit und hellseherische Fähigkeiten von Ihnen verlangt.“ Abby hatte das unbestimmte Gefühl, als hätte Valerie das nicht nur im Scherz gemeint. „Wir haben noch eine Woche, um Sie einzuarbeiten.“ Valerie stand auf, und Abby tat es ihr nach. „Mr Laird erwartet uns heute Nachmittag in seinem Büro.“

„Ich danke Ihnen für Ihr Vertrauen, Mrs Chippin. Ich werde Sie nicht enttäuschen“, versprach Abby.

„Wir sehen uns um halb zwei Uhr.“ Im selben Moment summte die Sprechanlage. „Warten Sie, Abigail. Es sieht so aus, als bekämen Sie jetzt gleich Ihre erste Lektion in Flexibilität.“

„Valerie? Können Sie mit Miss Monroe sofort zu mir kommen?“

„Wir sind schon unterwegs, Mr Laird.“ Valerie hob die Augenbrauen. „Er ist früher als vorgesehen zurückgekommen und erwartet ganz selbstverständlich, dass ich zur Verfügung stehe. Und Sie natürlich auch.“

Abby nickte nur. Mit einmal hatte sie ein flaues Gefühl im Magen.

Parker Laird stand am Fenster und sprach in ein Diktiergerät. Er nickte Valerie und Abby zu, ohne sein Diktat zu unterbrechen.

Abby wusste nicht, wo sie hinschauen sollte, also erwiderte sie einfach seinen Blick. Er war ziemlich jung für so eine hohe Position. Mit dem dunklen welligen Haar, den grauen Augen und schwarzen Brauen sah er fantastisch aus. Aber all dieses gute Aussehen war verschwendet, denn Parker Laird interessierte sich nicht für Frauen. Er war mit seiner Firma verheiratet.

Bisher hatte sie nicht viel von ihm mitbekommen. Entweder kam er gerade von irgendwoher oder war nach irgendwohin unterwegs. Er war grundsätzlich in Eile.

Auf ein Zeichen von Valerie nahm Abby auf einem Stuhl neben dem ausladenden Schreibtisch Platz. Sie holte tief Luft, dankbar für eine kleine Galgenfrist. Natürlich war sie nervös. Sie befand sich in Parker Lairds Heiligtum, nur wenige Meter von ihm entfernt, und atmete dieselbe Luft wie er.

Er hatte sich wieder abgewandt, und sie fand Muße, ihn näher in Augenschein zu nehmen: sein klassisches Profil, den maßgeschneiderten Anzug, die teuren, makellos geputzten Schuhe. Es schien, als wäre das Beste gerade gut genug für Parker Laird.

Die Minuten verstrichen, und Abby wurde allmählich ungeduldig. Schließlich steckte sie selbst bis über beide Ohren in Arbeit. Außerdem hatte sie Hunger. Sie schlug die Augen zur Decke auf und verzog das Gesicht. Hätte er das Diktat nicht erledigen können, bevor er sie zu sich zitierte?

In diesem Moment trafen ihre Blicke sich in der spiegelnden Fensterscheibe.

Er drehte sich um und legte das Diktiergerät auf seinen Schreibtisch. „Entschuldigen Sie, dass ich Sie habe warten lassen.“

Abby errötete, während Valerie sie vorstellte. „Mr Laird, das ist Abigail Monroe. Wie schon besprochen, wird sie mich während meiner Abwesenheit vertreten.“

„Sie helfen mir sehr, Abigail“, sagte Parker Laird und bot Abby die Hand.

„Abby“, berichtigte sie spontan. Offenbar nahm er ihr ihre so deutlich zur Schau gestellte Ungeduld nicht übel. Sein Händedruck war angenehm fest, und er lächelte.

„Wie ergeht es Ihnen in Ihrem Fortbildungskurs, Abby?“, erkundigte er sich und setzte sich hinter seinen Schreibtisch.

Valerie sah Abby verblüfft an. Offenbar hatte sie nichts von diesem Kurs gewusst – im Gegensatz zu Parker Laird. Das war erstaunlich.

„Gut, danke. Ende der Woche ist die Semesterprüfung, dann haben wir erst einmal Ferien.“ Er sollte nicht glauben, dass ihre Arbeit darunter litt.

„Was haben Sie belegt?“, wollte er wissen.

„Betriebswirtschaft.“

Parker nickte und wandte sich dann Valerie zu. „Wie sieht das Programm für heute Nachmittag aus?“

Valerie las ihm seine Termine vor. Manche tat er ab, andere bestätigte er, zu einigen machte er Anmerkungen in einer Art Geheimsprache, der Abby nur schwer folgen konnte.

Parkers Arbeitstag war in Fünfzehnminutenblöcke eingeteilt und endete erst nachts um zehn Uhr. Offenbar gönnte der Mann sich nie eine Pause. Sie arbeitete selbst viel, aber im Vergleich mit Parker kam sie sich faul und träge vor.

„Wann ist Ihre Prüfung?“, fragte er unvermittelt.

„Am Donnerstag.“

„Dann werden wir den Mittwochabend freihalten, Valerie“, bestimmte er.

Abby war ganz gerührt über seine unerwartete Fürsorge. Dass ein Mann, der täglich mit der ganzen Welt konferierte, sich um solche Kleinigkeiten kümmerte! Aber vielleicht lag gerade darin das Geheimnis seines Erfolges: in großen Maßstäben zu denken und dabei die kleinen nicht zu vergessen. Es sah so aus, als würde sie in den vor ihr liegenden Wochen einiges lernen.

In den nächsten zehn Minuten erlebte sie ein regelrechtes Feuer an Anweisungen und fragte sich bang, wie sie da nur je Schritt halten sollte.

„Das wäre alles für den Augenblick.“ Parker sah auf die Uhr. „Abby, Sie bringen bitte den Terminkalender auf den aktuellen Stand. Valerie wird Sie einweisen.“

Valerie klappte ihr Notebook zu und übergab es zusammen mit dem diktierten Band Abby.

Abby stand auf. „Soll ich das Band abschreiben?“ Valerie nickte nur, und sie verließ mit langen, zielstrebigen Schritten Parker Lairds Büro.

„Sie ist noch sehr jung“, stellte Parker fest, als er mit seiner langjährigen Sekretärin allein war.

„Aber sie ist intelligent und fleißig. Ich halte sie für geeigneter als Barbara oder Nancy. Vor allem ist sie flexibler.“

„Und nichts ist wichtiger als das.“ Parker lächelte. Immerhin brachte Valerie es fertig, ihm dabei in die Augen zu schauen. Natürlich wusste er genau, warum sie ihm eine Vertreterin präsentierte, die es an Erfahrung nicht mit ihr aufnehmen konnte. Unter normalen Umständen würde er das nicht dulden.

Aber die Umstände waren eben nicht normal. Für ihn zählte vor allen Dingen, dass Abigail Monroe eine sehr natürliche, ungekünstelte Ausstrahlung hatte und mit Sicherheit nicht der Typ seines Bruders Jay war.

Valerie schien einen ähnlichen Gedankengang zu verfolgen. „Soll ich sie mit …“ Sie zögerte fast unmerklich. „… allen Aspekten des El-Bahar-Projektes vertraut machen?“

„Sie können darauf hinweisen, wie wichtig es ist, dass Jay in keinster Weise von seinen Aufgaben abgelenkt wird.“ Parker lächelte ein wenig grimmig. „Ich werde dafür sorgen, dass er bis zu seinem Abflug ausreichend beschäftigt ist.“

Valerie sah ihn unglücklich an. „Mr Laird, ich sollte Sie wirklich nicht ausgerechnet jetzt im Stich lassen.“

„Sie haben gar keine andere Wahl.“ Parker nahm einen Umschlag mit zwei Flugtickets erster Klasse aus der Schublade. Zusätzlich hatte er die Schiffskabine in eine Suite umgebucht. „In all den Jahren, in denen Sie jetzt schon für mich arbeiten, hat Gordon sich nie über ausgefallene Abendessen oder verschobene Ferien beklagt. Aber wenn Sie die Kreuzfahrt absagen, würde er uns das nie verzeihen.“ Er schob ihr den Umschlag hin. „Ich wünsche Ihnen eine schöne Reise.“

„Mr Laird!“ Valerie schluckte und holte Luft, um ihren Dank angemessen anzubringen.

Parker hob abwehrend die Hand. „Amüsieren Sie sich gut.“

Abby war, als schwebe sie. Sie konnte es immer noch nicht glauben, dass sie für Parker Laird arbeiten würde – sie, die kleine Sekretärin, die in einer Kleinstadt in Texas aufgewachsen war. Davon hatte sie geträumt, seit sie bei „Laird Drilling“ angefangen hatte.

Ob Valerie Nancy und Barbara die große Neuigkeit schon beigebracht hatte? Vermutlich nicht. Ihre beiden Kolleginnen hätten das sicher nicht kommentarlos zur Kenntnis genommen.

Abby sah auf die Uhr. Die Mittagspause musste heute ausfallen. Aber sie würde vor Aufregung vermutlich ohnehin keinen Bissen hinunterbringen.

Als Barbara und Nancy vom Essen zurückkamen – mit Verspätung, wie Abby bemerkte – war sie schon mit dem Abtippen des Diktats beschäftigt. Kurz darauf hörte sie im Waschraum unfreiwillig eine Unterhaltung zwischen den beiden mit.

„Ich verstehe nicht, warum Valerie sich für Abby entschieden hat.“

„Ich schon.“ Das war Barbara. „Mr Laird soll merken, wie unentbehrlich Valerie ist. Abby ist dem Job nicht gewachsen.“

„Deshalb hätte sie eine von uns nehmen sollen.“

„Deshalb hat sie eben nicht eine von uns genommen.“

Ihr werdet euch noch wundern, dachte Abby und trat geräuschlos den Rückzug an. Ihre Kolleginnen erwarteten also, dass sie scheiterte. Aber da konnten sie lange warten! Sie würde es allen zeigen, auch Parker Laird.

2. KAPITEL

Am folgenden Montag trat Abby um sieben Uhr morgens aus dem Lift. In ihrer Tasche hatte sie eine ganze Liste mit allerletzten Anweisungen. Sogar aus Athen hatte Valerie noch angerufen und sie mitten in der Nacht aufgeweckt.

Sie setzte sich, der Gewohnheit gehorchend, an ihren eigenen Schreibtisch, bis ihr einfiel, dass sie ja jetzt vier Wochen lang das Recht hatte, Valeries Büro zu benutzen.

Sie zog die Jalousien hoch und schaute aus dem Fenster über die Stadt. Der Berufsverkehr begann sich bereits auf den Zufahrtsautobahnen zu stauen. In ihrer Familie verstand niemand die Faszination, die die Großstadt mit ihrem Lärm, ihrem Schmutz und den Menschenmassen auf sie ausübte. Aber für sie war Houston der Inbegriff des Lebens. In dieser Stadt, in diesem Gebäude wurden wichtige Entscheidungen getroffen, und sie selbst war ein Teil davon – oder würde es zumindest bald sein.

Abby ging ihre Notizen durch. Eine Woche war sie Valerie auf Schritt und Tritt gefolgt und war sich doch immer noch nicht des genauen Ablaufs sicher. Offenbar gab es den typischen Arbeitstag nicht. Vieles war auch gar nicht vorauszusehen.

Sie entdeckte die Tonbandkassette auf ihrem Schreibtisch erst nach einer Weile. „Guten Morgen, Abby“, klang es in ihrem Kopfhörer. Das war Parker Lairds tiefe Stimme. „Bitte ändern Sie die folgenden Termine und legen Sie sie mir baldmöglichst vor.“ Offenbar war das Band vom selben Morgen. Er musste schon vor ihr da gewesen sein. Schlief der Mann denn nie?

Er diktierte schnell, und sie musste das Band immer wieder zurückspulen. Ihr Kopf fing an zu schmerzen. Aber wozu hatte sie ihre Mitarbeiterinnen? Sie öffnete die Tür zu Barbaras und Nancys Zimmer. Es war zehn nach acht Uhr, und keine der beiden war da.

Ihre Sprechanlage summte. „Abby?“

Abby fuhr zusammen. „Mr Laird?“

„Warum haben Sie sich nicht bei mir gemeldet? Ich habe auf Sie gewartet.“

„Ich bin schon seit über einer Stunde hier.“

Aus seiner Stimme hatte kein Vorwurf geklungen, trotzdem war Abby das Blut ins Gesicht gestiegen. „Ich bin sofort bei Ihnen.“ Sie schrieb einen Zettel mit der Anweisung, das Band fertig abzuschreiben, und klebte ihn auf Barbaras Computerbildschirm. Dann machte sie sich eilig auf den Weg.

Parker Laird stand hinter einem großen Tisch am anderen Ende des Raums und machte eine kleine Handbewegung. Abby wusste nicht, ob sie zu ihm kommen oder ihren Platz am Schreibtisch einnehmen sollte. Valerie schien immer zu wissen, was er erwartete.

Unsicher blieb sie stehen. Parker schwenkte eine Lampe über die Karten, die vor ihm auf dem Tisch ausgebreitet waren. „Hatten Sie vergessen, sich bei mir zu melden?“

„Ich wusste nicht, dass Sie das wünschen.“

Er antwortete nicht, und Abby schwieg ebenfalls. Endlich straffte er die Schultern, drehte sich abrupt um und ging zum Schreibtisch. „In Zukunft sagen Sie bitte sofort Bescheid, wenn Sie da sind.“

„Ja, Mr Laird.“ Davon hatte Valerie ihr kein Wort gesagt.

„Sind Sie mit den Terminen fertig?“

„Ich war gerade dabei, als Sie anriefen.“ Parker sah sie an. „Barbara kümmert sich darum.“

„Wie lange wird das dauern?“

„So kurz wie möglich, Mr Laird“, erwiderte sie kühl und sah ihn dabei ruhig an. „Haben Sie noch weitere Terminänderungen, die wir für die endgültige Fassung berücksichtigen müssen?“, fragte sie in dem Bemühen, einen möglichst kompetenten Eindruck zu machen.

„Einen endgültigen Terminplan gibt es nie, nur den jeweils aktuellsten.“

„Haben Sie also noch Änderungen für den aktuellsten Terminplan?“

Parker blinzelte. Er schien sich glänzend zu amüsieren. „Kaffee?“, fragte er.

„Nein, danke, Mr Laird.“ Er schwieg und sah sie einfach nur an. „Oh!“ Abby schoss in die Höhe. „Kaffee!“ Wie peinlich. „Ich werde mich sofort darum kümmern.“

Er hob die Hand. „Kaffeekochen gehört nicht zu Ihren Aufgaben. Aber sollten Sie gerade beim Kaffeetrinken sein, wenn ich Sie rufe, bringen Sie Ihre Tasse einfach mit – zum Beispiel, wenn Sie mir nachher den Terminplan bringen.“ Die etwas schärfere Betonung der zweiten Satzhälfte war ihr nicht entgangen.

„Danke, Mr Laird.“ Abby bewegte sich rückwärts zur Tür. „Das ist sehr freundlich.“

Idiotin! dachte sie, als sie in ihr Büro zurückhastete. Wie konnte man sich nur so dämlich anstellen.

Sie konnte es nicht fassen. Barbara und Nancy waren immer noch nicht da, und so setzte sie sich selbst an den Computer und machte die Termine fertig. Sie wartete ungeduldig auf den Ausdruck, als Barbara mit einem Kaffeebecher in der Hand eintrudelte. „Na, ein bisschen nervös heute Morgen?“, fragte sie anstelle einer Begrüßung.

„Wo haben Sie gesteckt?“, fuhr Abby sie an.

„Valerie meinte, es würde reichen, wenn wir heute erst um halb neun Uhr kommen, damit Sie sich ungestört eingewöhnen können.“

Abby riss die fertigen Seiten aus dem Drucker. „In Zukunft werden Sie pünktlich um acht Uhr hier sein.“

Barbara verstaute ihre Tasche im Schreibtisch. „Was soll ich tun?“

„Mr Laird hat um zehn Uhr eine Besprechung und möchte vorher die Akten vorgelegt haben.“

„Ich kümmere mich darum.“ Das klang schon besser.

Abby eilte zu Parker Lairds Büro zurück. Vor der Tür holte sie mehrmals tief Luft, um ihre Nerven zu beruhigen.

Er stand mit dem Rücken zu ihr am Fenster und telefonierte. Abby setzte sich. Er schien sie gar nicht wahrzunehmen und konzentrierte sich ganz auf sein Gespräch. Im Anschluss machte er sich schnell ein paar Notizen. „Ihr Terminplan, Mr Laird“, verkündete Abby. „Nennen Sie mich Parker.“

Abby öffnete den Mund, brachte aber keinen Ton heraus. Er sah sie an. „Wie Sie wünschen, Mr Laird.“

„Parker.“

„Gut, Mr Parker.“

Er blinzelte kaum merklich. „Den ‚Mr‘ können Sie weglassen.“

„Ja, Sir.“

Seine Augenbrauen schoben sich zusammen. „Stört Sie mein Vorname?“

Stören war nicht das richtige Wort. Sie fühlte sich einfach nicht wohl bei dieser doch ziemlich vertraulichen Ansprechform, aber das wollte sie nicht zugeben. „Ich bin gewöhnt, dass Valerie Sie ‚Mr Laird‘ nennt.

Er nickte. „Das hat sie schon getan, als ich dreizehn Jahre alt war. Ich kann es ihr nicht abgewöhnen. Vielleicht hilft Ihnen die Überlegung, dass es uns Zeit spart, wenn Sie mich Parker nennen. Das ist eine Silbe weniger.“

Nahm er sie auf den Arm? „Ja, Sir.“

Er sah sie eine Weile an. „‚Sir‘ ist, so betrachtet, natürlich noch besser, da es nur eine Silbe hat.“ Er wandte seine Aufmerksamkeit dem Terminplan zu, den Abby ihm auf den Schreibtisch gelegt hatte. „Die Besprechung um zehn Uhr wird vermutlich nicht länger als eine Stunde dauern. Falls doch, würde ich Sie bitten, uns eine Platte mit belegten Broten aus dem Delikatessenladen unten kommen zu lassen.“

„Ja, Sir – Parker.“

„Abby?“ Sie sah auf und mitten in seine grauen Augen. „Einfach nur Parker“, erinnerte er sie milde.

Sie nickte stumm und vermied es in den nächsten zehn Minuten, ihn überhaupt irgendwie zu nennen.

Barbara hatte die gewünschten Akten tatsächlich herausgesucht. Inzwischen war auch Nancy eingetroffen.

Ständig klingelte das Telefon, und Abby geriet allmählich in Zeitnot. Um halb zehn begann sie, alles für die Besprechung vorzubereiten. Dazu gehörte auch Kaffeekochen. Parker Laird stellte große Ansprüche an seinen Kaffee und hatte genaue Vorstellungen von Sorte und Frische. Für Abby war eine Bohne wie die andere. Sie trank ausschließlich Tee und konnte nur hoffen, dass sie alles richtig machte.

„Hallo, Valerie, Königin meiner Träume. Haben Sie sich endlich entschlossen, Ihren Mann zu verlassen und mit mir durchzubrennen?“

Abby fuhr herum. Unter der Tür zum Besprechungszimmer lehnte eine jüngere Version von Parker, das berühmte „schwarze Schaf“: Jay Laird. Sie hatte ihn bisher nur einmal von hinten gesehen, denn er tauchte selten in der Firma auf. Er hatte die grauen Augen und schwarzen Haare seines Bruders, aber seine Züge waren nicht ganz so scharf wie die von Parker. Er war braun gebrannt.

„Sie sind ja gar nicht Valerie“, stellte er jetzt fest und kam näher. „Brennen Sie trotzdem mit mir durch?“

„Das wird nicht gehen. Ich bin mit den Vorbereitungen für die Besprechung noch nicht fertig.“

Er sah sich um. „Stühle, einen Tisch – was brauchen wir noch?“

„Wasser“, sagte Abby.

„Aha.“ Er legte den Kopf ein wenig auf die Seite. „Wenn ich das Wasser besorge, kommen Sie dann mit?“

Abby musste lächeln. „Mr Laird, Sie werden zu dieser Besprechung erwartet.“

„Jay.“

„Jay“, erwiderte sie ohne jede Schwierigkeit.

Kleine Fältchen bildeten sich um seine Augen. „Sie kennen mich?“

„Jeder kennt Sie.“

„Leider kenne ich nicht jeden.“

Abby begrub die schwache Hoffnung, dass er sie in den letzten vier Jahren vielleicht einmal bemerkt hatte. „Ich bin Abby Monroe. Mrs Chippin ist auf einer Kreuzfahrt, und ich vertrete sie.“

„Eine Kreuzfahrt.“ Jay seufzte, „Valerie ist einfach abgereist, ohne mir ein Wort davon zu sagen. Ich bin am Boden zerstört.“

Abby lachte, und zum ersten Mal an diesem Morgen fiel die Spannung von ihr ab.

Er nahm ihre Hand. „Erzählen Sie mir etwas von sich.“

„Und was?“ Abby entzog ihm wieder die Hand und nahm die beiden leeren Wasserkrüge.

„Zum Beispiel wie man sich als Sklavin meines Bruders fühlt. Haben Sie überhaupt noch so etwas wie ein Privatleben?“ Er folgte ihr in die winzige Kaffeebar.

In der Bar war kaum genug Raum für eine Person, geschweige denn für zwei, und Abby war Jays Nähe nur zu bewusst. „Heute ist mein erster Tag.“

Er fasste sie an den Schultern. „Fliehen Sie, solange Sie noch können!“, riet er ihr eindringlich.

Abby lachte und drückte ihm einen Krug in die Hand. „Ich fürchte mich nicht vor viel Arbeit.“

„Es gibt noch ein Leben jenseits der Firma.“

Abby folgte Jay in das Besprechungszimmer zurück, arrangierte die Krüge auf dem Tisch und trat dann prüfend einen Schritt zurück.

„Sehr gut. Valerie hätte das nicht besser machen können.“

Er hatte genau die richtigen Worte getroffen, und Abby sah ihn mit einem strahlenden Lächeln an.

Autor

Heather Allison
Heather Allison schreibt Roman- und Sachliteratur in englisch und französisch. Ihr Stil ist von diversen Ländern und Kulturen beeinflusst, da sie in unterschiedlichen aufgewachsen ist. Sie macht kein Geheimnis aus der feministischen Sicht in ihren Geschichten. Fünf Jahre lang war sie sehr erfolgreich in der Veröffentlichung erotischer Literatur.
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