Per E-Mail ins Glück

– oder –

 

Rückgabe möglich

Bis zu 14 Tage

Sicherheit

durch SSL-/TLS-Verschlüsselung

Melinda möchte im Erdboden versinken, als sie in der Zeitung von ihrer angeblich bevorstehenden Hochzeit mit Benjamin liest. Denn diese Anzeige ist so etwas wie ein Internet-Unfall, von Melinda versehentlich verursacht. Während sie sich noch fragt, wie sie das Benjamin erklären soll, stürmt der auch schon in ihr Geschäft.


  • Erscheinungstag 10.03.2018
  • ISBN / Artikelnummer 9783733755898
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

PROLOG

Melinda Carey überflog die Auftragslage am Bildschirm. Kein Zweifel – das Brautmodengeschäft rutschte langsam tief in die roten Zahlen.

Der Juni war der beliebteste Heiratsmonat. Aber im Geschäft herrschte absolute Flaute. Und es sah auch nicht so aus, als ob sich die Wirtschaftslage demnächst bessern sollte.

„Das habe ich mir anders vorgestellt“, murmelte Melinda resigniert. Dabei heirateten genügend Paare aus der Umgebung, aber sie zogen es vor, ihre Ausstattung in Santa Barbara zu kaufen.

Berties Brautmodengeschäft und der Hochzeitsservice standen kurz vor der Pleite.

Melinda blickte aus dem Fenster auf den kleinen Park. Die Fontänen der Springbrunnen glitzerten im Sonnenschein. Rote und weiße Petunien säumten die Kieswege. Rosen blühten in allen Farben auf den Beeten.

Sie hatte diesen Ort schon immer geliebt und davon geträumt, eines Tages hier in der Gartenlaube unter der Trauerweide zu heiraten. Aber dieser Traum würde sich wohl nie erfüllen, denn in Melindas Leben gab es keinen Mann.

Es hatte ihr nicht an Verehrern gefehlt. Als sie noch in San Francisco gelebt hatte, war sie mit ihrem Chef verlobt gewesen. Doch kurz vor der Hochzeit stellte sie gerade noch rechtzeitig fest, dass Paul ein ausgemachter Egozentriker war.

Jetzt musste sie sich auch noch um ihre Tante Bertie kümmern. Welcher vernünftige Mann würde schon eine dreißigjährige Jungfer wollen und sich zudem noch eine wunderliche Tante – Ojais stadtbekanntes Original – einhandeln?

Sie starrte auf den Monitor und hoffte, dass sich die roten Zahlen in schwarze verwandeln würden. Aber natürlich passierte nichts. Selbst der erst vor kurzem gegründete Hochzeitsservice brachte nur Verluste.

Melinda hing ihren trübsinnigen Gedanken nach. Sie würde bald einunddreißig sein, und kein Bräutigam war in Sicht – geschweige denn ein Mann, der ihr gefiel. Ihre biologische Uhr tickte laut genug, um Melinda nachts um den Schlaf zu bringen. Unwillkürlich entwickelten ihre Finger auf der Tastatur ein Eigenleben und riefen eine Kontakt-Homepage im Internet auf.

Passender Bräutigam gesucht? Kein Problem. Ohne sich über die Folgen ihres Handelns bewusst zu sein, surfte sie zur nächsten Homepage und blätterte die Fotogalerie der Heiratskandidaten durch. Plötzlich durchzuckte sie ein Schauer, als sie das Bild von Ben Howard entdeckte. Kein Zweifel, das war er: groß, athletisch, blauäugig.

Der Mann, für den sie schon früher geschwärmt hatte. Damals war er der beste Sportler der Schule und der Schwarm aller Mädchen gewesen.

Melinda errötete, als sie Bens Bild betrachtete. Sein Blick war so intensiv, dass er sie selbst vom Bildschirm aus zu durchschauen schien.

Ihre Hormone spielten verrückt, als sie sich an den einzigen Tanz erinnerte, den sie vor Jahren auf der Abschlussparty mit Ben getanzt hatte. Es war Damenwahl gewesen. Ben war der Topstar der Basketball-Schulmannschaft gewesen und Melinda ein glühender, aber unscheinbarer Fan. Selbst heute noch meinte sie seine starken Arme zu spüren. Sie hatte sich in eine Traumwelt geflüchtet, bis er ihr einen flüchtigen Kuss auf die Stirn gehaucht und ihr gesagt hatte, dass man sich ja irgendwann einmal wiedersehen könnte.

Zwölf Jahre waren mittlerweile vergangen, und nun sah Melinda ihn tatsächlich wieder. Wenn auch nur auf dem Monitor. Aber er war noch immer ihr Traummann. Wehmütig betrachtete sie sein Bild.

Sie wusste vom Hörensagen, dass Ben noch während des Studiums geheiratet hatte und bereits vor dem Examen wieder geschieden war. Vielleicht erklärte das seine abweisende Miene. Aus dem lachenden, unbekümmerten Jungen war inzwischen ein ernsthafter, angesehener Likörfabrikant geworden.

Was hatte Ben Howard auf einer Website für Heiratskandidaten zu suchen?

Aber da war er. Und eindeutig zu haben. Auch wenn es nur in ihrer Fantasie war – Melinda hatte sich für Ben entschieden. Niemand würde je davon erfahren.

Gewünschter Hochzeitstermin? Je eher, desto besser. In einem Monat. Wo soll die Hochzeit stattfinden? In dem kleinen Park. Was für ein Brautkleid? Melinda würde das lange, weiße Seidenkleid mit den dezenten Blumen aus ihrem Brautmodengeschäft tragen. Und dazu einen Kranz aus rosa Rosen. Wer soll die Trauung vornehmen? Natürlich Reverend Charles Good, ein alter Freund von ihrer Tante Bertie.

In ihrer lebhaften Fantasie hatte Melinda auch schon das Essen ausgesucht. Es würde ein leckeres Picknick im Park geben, und als Blumenschmuck würde sie Gardenien bestellen.

Ihre Aufregung wuchs, als sie in Gedanken bereits die Heiratsanzeige entwarf und an die Lokalpresse schickte.

Das Telefon riss sie aus ihren Träumen. „Melinda!“, klagte eine Frauenstimme. „Sie können sich nicht vorstellen, was passiert ist. Ich brauche unbedingt Ihre Hilfe!“

Melinda blickte noch immer auf den Bildschirm. „Was ist denn los, Sue Ellen? Machen Sie sich keine Sorgen wegen Ihrer Hochzeit. Wir haben alles exakt geplant. Es kann gar nichts schief gehen.“

„Frank ist allergisch gegen frische Blumen!“

„Das darf doch nicht wahr sein. Nicht jetzt. Die Hochzeit findet ja schon übermorgen statt.“

„Als ich Frank die Blumen zeigte, die ich bestellt hatte, bekam er plötzlich keine Luft mehr. Ich dachte schon, er stirbt. Später sagte er mir, dass er gegen alle Blumen allergisch ist.“

Melinda musste sofort handeln. Jetzt war ihr Improvisationstalent gefragt. „Das bekommen wir schon in den Griff“, meinte sie. „Ich besorge stattdessen Seidenblumen, mit denen wir die Kirche schmücken.“

„Aber mein Brautstrauß! Und die Blumen der Brautjungfern!“, weinte die Anruferin. „Ich kann doch nicht ohne Blumen heiraten.“

„Wir werden schon eine Lösung finden und dafür sorgen, dass Ihre Hochzeit unvergesslich bleibt, Sue Ellen“, sagte Melinda beruhigend. „Sie brauchen nichts weiter zu tun, als pünktlich zur Kirche zu kommen.“

Hastig schloss Melinda die Website und dachte nicht länger an ihre eigenen Hochzeitsträume. Jetzt musste sie eine wirkliche Hochzeit ausrichten.

1. KAPITEL

Es hämmerte so laut an der Haustür, dass sogar Dornröschen davon aufgewacht wäre.

Melinda war vollkommen geschafft, weil sie am Wochenende die verschiedenen Ortschaften im Umkreis von 50 Meilen abgeklappert hatte, um alle erhältlichen Seidenblumen aufzutreiben. Zum Glück konnte der ungeduldige Besucher sie nicht sehen. Hoffentlich würde er von selbst aufgeben, wenn Melinda nicht antwortete. Sie schlich zur Küche.

Man sah ihr die Erschöpfung weiß Gott an. Sie hatte sich mit einer enttäuschten Braut, einem allergischen Bräutigam und acht Brautjungfern auseinandersetzen müssen, die nicht begreifen wollten, dass sie statt der Blumensträuße weiße Gesangsbücher und Seidenblumengestecke in den Händen halten sollten.

Auch dass sie die Extrakosten für Seidenblumen nicht in Rechnung stellte, half nicht über die gedrückte Stimmung hinweg. Wenn sie die bestellten frischen Blumen nicht anderweitig einsetzen konnte, würde die Hochzeit ein herbes Verlustgeschäft werden.

Das Hämmern an der Tür wurde stärker. Auch Melindas Kopfschmerzen nahmen zu. Das war ja nicht zum Aushalten!

Sie blickte zur Uhr. Es war gerade erst acht, und die Geschäfte hatten noch nicht einmal geöffnet. Bevor Melinda einen klaren Gedanken fassen konnte, brauchte sie einen starken, schwarzen Kaffee.

Eine Männerstimme vor der Tür begann zu fluchen. Das hatte Melinda gerade noch gefehlt! Ein ungeduldiger Hausierer, der nicht begriff, dass mit ihr um diese Zeit kein Geschäft zu machen sei? Dem Mann würde sie aber Bescheid sagen!

Sie verknotete ihr ärmelloses Hemd vor der Taille und schwang sich in ihre abgeschnittene Lieblingsjeans. Dann riss sie die Tür auf.

Das Erste, was sie sah, war eine Zeitung, die ihr der gereizte Besucher unter die Nase hielt.

„Was zum Teufel sagen Sie dazu?“

„Das ist die Morgenzeitung, die ich abonniert habe. Geben Sie her, und jetzt verschwinden Sie gefälligst.“ Sie wollte die Tür zuknallen, aber der Mann hatte seinen Fuß dazwischen gestellt.

Das Gesicht kam Melinda seltsam vertraut vor. „Ben?“, fragte sie vorsichtig. „Ben Howard?“

Sie schluckte.

Der Besucher konnte sich nur mühsam beherrschen. Es schien, als hätte er Schaum vor dem Mund, und seine Augen sprühten Feuer. Was hatte das zu bedeuten? Ben Howard, der begehrteste Junggeselle von Ojai, hämmerte schon um acht Uhr morgens an ihre Haustür.

Melinda schloss die Augen und zählte bis zehn. Vielleicht würde er ja von selbst verschwinden.

Es half nichts. Ihr Herz klopfte zum Zerspringen, und selbst mit geschlossenen Augen sah sie diesen unerhört attraktiven Mann vor sich, auch wenn seine Züge wutverzerrt waren. Ben Howard hatte sie nun wirklich nicht vor ihrer Haustür erwartet.

„Wer könnte wohl sonst hinter der Heiratsanzeige stecken, die ich heute Morgen in der Zeitung entdeckt habe?“

Melinda schluckte schwer. Das war alles andere als ein Höflichkeitsbesuch. Sie trat einen Schritt zurück und sagte so würdevoll wie nur irgend möglich: „Ich habe keine Ahnung, worum es geht. Anscheinend liegt ein Fehler vor.“

„Ja, und es sieht so aus, dass Sie die Schuldige sind!“ Wütend ging er durch die Tür nach drinnen. „Was hat das zu bedeuten? Ich will eine Erklärung!“

Sie wich einen Schritt zurück und unterdrückte ein Stöhnen. „Es tut mir leid, aber ich weiß immer noch nicht, wovon Sie sprechen.“

„Zum Teufel, das wissen Sie genau.“ Anklagend deutete der Mann mit dem Zeigefinger auf einen Zeitungsartikel.

Melinda zwang sich zur Ruhe. Am besten lese ich den Artikel gleich durch, dachte sie. Vielleicht verschwindet Ben Howard dann. Sie griff nach der Zeitung und erstarrte, als sie die Überschrift las: Bekannter Geschäftsmann heiratet Jugendliebe. Und darunter standen Bens und ihr Name.

Kein Wunder, dass Ben Howard so aufgebracht war. Den Ärger hatte Melinda sich selbst zuzuschreiben, weil sie ihren Hochzeitsträumen und Fantasien freien Lauf gelassen hatte. Plötzlich gaben ihre Knie nach, und sie wäre auf den Boden gesunken, wenn Ben sie nicht aufgefangen hätte. „Ich habe keine Ahnung, wie das in die Zeitung kommen konnte“, sagte sie mit schwacher Stimme.

„Wenn Sie es nicht wissen, wer dann?“, fragte Ben kalt. „Melinda Carey, das sind doch Sie, oder? Eine frühere Bewohnerin unserer Stadt, die kürzlich zu ihrer Tante Bertilda Blanchard zurückgekehrt ist, gibt ihre Verlobung mit Benjamin Howard bekannt. Miss Carey arbeitet in Berties Brautmodengeschäft und dem Hochzeitsservice. Mr. Howard ist ein prominenter Winzer und Mitinhaber der Oak Tree Likörfabrik.“ Ben machte eine kurze Pause. „Die Trauung findet am 4. Juli draußen im Sunlight Park an der Main Street statt.“

Er ließ die Zeitung sinken und sah Melinda finster an. „Da steht noch mehr Mist drin, aber den können wir uns schenken. Wieso sind Sie ausgerechnet auf mich gekommen? Ich kenne Sie doch gar nicht.“

Zu Melindas wachsender Verwirrung musterte er sie von den Zehen über ihre nackten Beine, die vollen Brüste bis hin zu ihren Augen und den geröteten Wangen. „Oder etwa doch?“

Es schien, als hätte sie das alles schon einmal erlebt. Jugendliebe? Von wegen! Ben Howard hatte damals kaum ein Wort mit ihr gewechselt – geschweige denn von Liebe gesprochen. Und abgesehen von einem einzigen Tanz hatte er sie niemals in den Armen gehalten. Wahrscheinlich erinnerte er sich nicht einmal an sie.

Was war denn eigentlich passiert? Melinda erinnerte sich nur vage daran, dass sie ihre heimlichen Wunschträume eingetippt hatte, als sie am Rechner spielte. Aber sie hatte doch niemals die Enter-Taste gedrückt, oder? Das war doch alles nur ein Spiel gewesen.

„Vielleicht ist einer übereifrigen Reporterin die Fantasie durchgegangen“, meinte sie vage.

Seinem Ausdruck nach zu urteilen, schien er ihr diese Erklärung nicht abzukaufen. Wie er Melinda ansah.

Ihr wurde plötzlich heiß.

Und die Hochzeit sollte ausgerechnet an ihrem Lieblingsplatz im Park stattfinden?

Was hatte sie da nur angerichtet! Anscheinend hatte sie tatsächlich das Unglaubliche getan und ihre Wunschträume versehentlich über das Internet verbreitet. Sie wich schuldbewusst Bens Blick aus und fühlte sich sehr unbehaglich. Wie würde er reagieren, wenn er die Wahrheit erfuhr? Dass sie sein Foto auf einer Website gefunden und ihn als ihren Traummann ausgewählt hatte, weil sie schon damals heimlich für ihn geschwärmt hatte.

„Kennen wir uns etwa?“

„Doch, irgendwie schon.“ Sie lächelte schwach. „Ich bin Melinda Carey. Wir waren zusammen auf der Highschool.“ Als Ben ungläubig den Kopf schüttelte, setzte sie hinzu: „Ich war ein paar Klassen unter dir. Du hast mich wahrscheinlich nie bemerkt.“

Sie schloss die Augen und wartete auf einen erneuten Wutanfall. Doch Ben reagierte nicht, und als sie vorsichtig die Augen öffnete, stellte sie zu ihrem Ärger fest, dass er sie einer gründlichen Musterung unterzog – und ihre Reize wohlwollend registrierte.

„Ich muss zugeben, dass du eine lebhafte Fantasie hast, Melinda.“ Er sah sie so durchdringend an, dass sie eine Gänsehaut im Nacken bekam. „Wieso kann ich mich bloß nicht mehr an dich erinnern?“

Sie starrte zurück. Seine Augen waren genauso blau, wie Melinda sie in Erinnerung hatte, aber der Blick war weiser und erfahrener. Und der Mann Ben Howard war noch attraktiver und unwiderstehlicher als der Highschool-Absolvent. Damals hatte sie von ihm geträumt. Heute war sie eine erfahrene Frau, doch er war auch heute noch ihr Traummann.

Wie irritierend. Vorhin hatte er noch wutschnaubend gegen ihre Tür gehämmert, und jetzt schien er sie durchaus anziehend zu finden.

„Vielleicht warst du auf der Abschlussparty einfach zu sehr mit dem blonden Cheerleader beschäftigt“, gab sie spitz zurück, bevor sie sich auf die Zunge beißen konnte.

Ben lächelte. „Ich kann mich zwar nicht mehr an dich erinnern, aber du scheinst mich offenbar nicht vergessen zu haben.“

Melinda errötete.

„Hast du deshalb die Heiratsanzeige in die Zeitung gesetzt?“, fragte Ben forschend. „Wolltest du mich nach über zehn Jahren wiedersehen?“

Sie holte tief Luft. „Natürlich nicht. Ich habe seit Jahren nicht mehr an die Abschlussparty gedacht. Und überhaupt … es war alles ganz anders.“

„Wie kommt die Anzeige in die Zeitung?“

„Ich habe im Internet gesurft und mir aus Spaß die Website mit den Heiratskandidaten aus der näheren Umgebung angesehen. Da habe ich dein Foto entdeckt. Ich dachte, wenn du auf Brautschau bist, dann kann ich dich wohl auch für eine Fantasiehochzeit als Bräutigam wählen.“

Wenn Ben schon vorher wütend ausgesehen hatte, dann war sein Gesicht jetzt wutverzerrt. „Mein Foto auf einer Website der einsamen Herzen? Das soll wohl ein Witz sein!“

„Nein, ehrlich. Warum sollte ich dich anlügen?“

„Das ergibt doch alles keinen Sinn. Wieso erscheint ohne mein Wissen ein Foto von mir im Internet?“

„Keine Ahnung, aber es war da“, rechtfertigte sich Melinda mit schwacher Stimme. „Ich habe nichts weiter getan, als dich mir als imaginären Bräutigam auszuwählen. Das ist alles.“

„Und wieso gerade mich? Da gab es doch sicher Hunderte anderer Männer.“

Sie überlegte fieberhaft. Sollte sie Ben wirklich sagen, dass er seit der Highschool ihr Traummann war? Und dass sein Bild wieder die alten Sehnsüchte ausgelöst hatte?

Seine Augen funkelten böse.

„Es tut mir leid, mit der Heiratsanzeige. Ich muss wohl versehentlich die Enter-Taste gedrückt haben, als mich eine Kundin unterbrochen hat. Aber das hat doch nichts zu bedeuten. Diese Hochzeit war nur ein Fantasiegebilde.“

„Ein Fantasiegebilde? Unsinn! Und wessen Fantasie entspringt dieses so genannte Gebilde?“

„Meiner.“ Melinda gab sich geschlagen. „Aber ich schwöre, dass ich es niemals ins Internet setzen wollte.“

„Verdammt! Weißt du eigentlich, was du damit für einen Schaden angerichtet hast?“ Ben fuchtelte mit der Zeitung herum. „Und deine Erklärung ist mehr als dürftig.“

Melinda wollte sich rechtfertigen und fühlte sich doch schuldig bis über beide Ohren. „Es war ein Versehen. Ich habe aus Versehen die Enter-Taste betätigt, weil ich abgelenkt worden bin. Anders kann ich mir das Ganze nicht erklären.“

Ben hob eine Braue und sah Melinda forschend und unglaublich intensiv an. Sie lächelte hilflos und überprüfte die Knöpfe an ihrer Bluse. Ihr wurde heiß.

„Noch einmal zu meinem Bild auf der Website“, sagte er. „Glaubst du wirklich, dass ich mich auf einen solchen Schwachsinn einlasse?“

„Sicher nicht, aber das Bild ist dort.“

„Dann entfernst du es gefälligst wieder!“

„Schrei mich bitte nicht an. Ich habe nichts damit zu tun. Warum glaubst du mir denn nicht?“

„Weil du mir bisher noch keine einzige vernünftige Erklärung gegeben hast“, sagte Ben, und seine Stimme klang resigniert. „Ich habe den Eindruck, als ob du hinter der ganzen Sache steckst.“

„Nur zum Teil, aber ich mag nicht mehr darüber sprechen.“ Melinda wies zur Tür. „Ich habe furchtbare Kopfschmerzen und will jetzt allein sein.“

„Allein sein, um noch mehr Chaos an deinem Computer anzurichten?“

„Nein. Ich brauche dringend eine Kanne starken Kaffee. Dann werde ich mich anziehen und zur Arbeit gehen. Wenn du unbedingt darauf bestehst, können wir uns später treffen.“

„Du meinst, dass du nicht in diesem Outfit arbeitest?“, fragte er zurück. Melindas Reize waren ihm nicht verborgen geblieben, und er war sichtlich davon angetan. „Schade.“ Er betrachtete die Holztreppe. „Wohnst du hier ständig?“

Sie nickte. „Ja. Mit meiner Tante Bertie. Ihr gehört das Brautmodengeschäft.“ Die Kopfschmerzen nahmen zu.

Ben warf einen Blick in die Zeitung und raufte sich die Haare. „Wie kommen wir nun aus diesem Schlamassel wieder heraus?“

„Ich sehe da überhaupt kein Problem. Wenn mich jemand fragt, stelle ich die Sache einfach richtig. Und jetzt geh bitte. Ich bin nicht in der Stimmung, um noch länger darüber zu sprechen.“

„Aber ich. Kannst du dir vielleicht vorstellen, wie ich mich fühle?“, brüllte er. „Da erfahre ich aus der Zeitung von meiner bevorstehenden Hochzeit mit einer Frau, die ich nicht einmal kenne.“

„Bitte nicht jetzt. Ich habe schreckliche Kopfschmerzen.“ Melinda rieb sich die Schläfen. „Ich werde die Sache später aus der Welt schaffen.“

Zu ihrer Erleichterung nickte Ben. „Einverstanden. Gönn dir deinen Kaffee. Aber danach erwarte ich von dir, dass du bei der Zeitungsredaktion anrufst und alles richtig stellst. Und noch etwas: Das Thema ist für mich keinesfalls beendet.“

„Na schön, dann komm mit in die Küche“, sagte sie erschöpft. „Du kannst gern eine Tasse mittrinken, wenn dir der Kaffee nicht zu stark ist.“

„Nach den heutigen Ereignissen kann er mir gar nicht stark genug sein“, meinte Ben.

Melinda nickte verständnisvoll. Unzählige Frauen würden nach der Lektüre des Artikels ihre Hoffnungen begraben müssen, Ben als Ehemann zu gewinnen. Vielleicht war er Melinda dafür ja insgeheim sogar dankbar, dass sie ihn unbeabsichtigt vom Heiratsmarkt genommen hatte – wenigstens für kurze Zeit.

Schritte auf der Treppe unterbrachen sie in ihren Gedanken, und Bertie kam in die Küche. „Da sind Sie ja, Benjamin“, sagte sie und strahlte Ben und Melinda an. „Wie schön, dass Sie Ihre Verlobte schon so früh besuchen.“

Verlobte? Melinda sah, wie ihm die Kinnlade herunterfiel. Aber Ben hatte sich schnell wieder unter Kontrolle. „Das ist nicht ganz richtig, Miss Bertie. Ich bin so früh gekommen, weil ich festgestellt habe, dass Ihre Nichte und ich viel miteinander zu besprechen haben.“

Er errötete wie ein Teenager, als die ältere Dame lächelnd auf den Zeitungsartikel wies. „Ich wusste gar nicht, dass ihr näheren Kontakt habt – geschweige denn Heiratspläne. Wie romantisch.“

Ben nickte freundlich, aber in ihm brodelte es. Er musste erst einmal tief durchatmen und mit Melinda ein ernstes Gespräch unter vier Augen führen. Und danach würde sie nie mehr so einen Blödsinn veranstalten.

Er dachte an ihre Tante. Bertie hatte, solange Ben zurückdenken konnte, schon immer ihre berühmten Schokoladenkekse für die Highschool-Teams gebacken, und das rechnete er ihr hoch an.

Und Melinda? Eigentlich hätte er wütend auf sie sein müssen, aber zu seinem Erstaunen war er es nicht mehr. Er betrachtete sie. Trotz ihrer Kopfschmerzen sah sie bezaubernd aus. Sie hatte ihr blondes Haar zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden, und ihre Kleidung zeigte ebenso viel von ihren Reizen, wie sie verdeckte.

„Ich freue mich ja so für euch“, schluchzte Bertie gerührt. „Besonders für dich, Melinda. Du wolltest die Hochzeit geheim halten, aber ich weiß es schon seit Freitag.“ Sie strahlte vor Stolz.

„Wie hast du es herausgefunden? Ich habe niemandem etwas gesagt!“ Melinda konnte sich nur mühsam beherrschen.

„Martha Ebbetts rief mich sofort an, als sie deine E-Mail bekommen hat.“ Sie wandte sich glückselig an Ben. „Sie kennen doch sicher Martha, die Gesellschaftsreporterin vom Ojai Newsday. Jedenfalls rief sie gleich zurück. Leider war Melinda nicht da, deshalb habe ich Martha die gewünschten Informationen gegeben.“

„Informationen?“, fragten Melinda und Ben gleichzeitig zurück.

„Natürlich. Martha brauchte für ihre Leser noch weitere Einzelheiten über euch. Es war mir eine Ehre, ihr zu helfen.“

„Das darf doch nicht wahr sein! Bertie, du hast ihr doch hoffentlich nichts gesagt!“, brauste Melinda auf.

Ben betrachtete Melinda. Vor Aufregung hatte sie ihren Kaffee verschüttet und sich dabei die Hand verbrannt. Sie wurde kalkweiß im Gesicht und sah aus, als würde sie jeden Moment zusammenbrechen. Ben nahm ihr den Kaffeebecher ab und legte ihr den Arm um die Schultern. „Was haben Sie Martha Ebbetts über uns berichtet, Miss Bertie?“

Melindas Tante legte einen Zeigefinger auf die Lippen, bat um Ruhe und überlegte. Eine Minute. Zwei Minuten. Bens Nerven waren zum Zerreißen gespannt.

„Nun, ich sagte ihr, dass ihr euch schon seit der Highschool kennt. Das ist doch richtig, oder?“

Ben unterdrückte einen Fluch. Bertie sah so unschuldig aus, dass er kaum glauben konnte, was sie da eben gesagt hatte. Sie musste doch wissen, dass er und Melinda einander praktisch Fremde waren. „Möglich, aber deshalb waren wir doch noch lange kein Liebespaar.“

Bertie lächelte. „Martha wollte noch ein bisschen mehr Romantik in die Geschichte bringen.“

Jetzt stöhnte Melinda auf. Ben konnte sich genau vorstellen, was sie dachte: Wenn jemand eine harmlose Geschichte zu einer märchenhaften Romanze aufbauschen konnte, dann war es die berüchtigte Klatschtante Martha Ebbetts, eine gute Freundin von Bertie. Aber eines stand fest: Melinda hatte nicht das Gerücht von der großen Jugendliebe in die Welt gesetzt.

„Sie machen sich ja keine Vorstellung davon, wie dieser Artikel auf einige Menschen wirkt, Miss Bertie. Und was sie jetzt von uns denken mögen“, sagte Ben und winkte resigniert ab. „Nun können wir ohnehin nichts mehr daran ändern.“ Sein Blick fiel auf die verschiedenen Brautmodenmagazine und Hochzeitskataloge auf dem Küchentisch. Im Hintergrund spielte romantische Musik. Das ganze Haus schien eine Brutstätte für hoffnungslose Romantiker zu sein. Aber was hätte er auch von zwei Frauen erwarten sollen, die ein Brautmodengeschäft führten?

Egal, er wollte auf keinen Fall in diese Fantasiehochzeit hineingezogen werden, und er würde schnellstens dafür sorgen, dass sein Foto aus dem Internet verschwand.

Melinda brach das Schweigen. Sie war von Natur aus gutmütig und wollte niemandem wehtun. „Es war alles ein Missverständnis, Bertie. Ben und ich sind überhaupt nicht verlobt.“

Ihre Tante lachte nervös. „Über eine Hochzeit macht man keine Witze, Liebes.“

„Das ist kein Witz, Bertie.“ Hilfe suchend sah Melinda zu Ben. „Ich habe am Computer herumgespielt“, erklärte sie. „Und dabei habe ich mir in meiner Fantasie meine Traumhochzeit vorgestellt. Das war alles.“ Sie rieb sich die Stirn. „Erst als Ben hier auftauchte, wurde mir klar, dass ich meinen Fantasietext versehentlich als E-Mail abgeschickt haben muss. Nun weißt du, was passiert ist, und wir sollten die ganze Angelegenheit vergessen. Ich werde versuchen, meinen Fehler so schnell wie möglich zu korrigieren.“

„Das wird nicht ganz einfach sein“, murmelte Ben und stellte sich vor, dass er unzählige Telefonate führen musste, sobald er wieder zu Haus war: Sein Onkel Joseph würde sicher schon längst angerufen haben. Joseph war der einzige ältere Verwandte von Ben, und er versuchte seinen Neffen ständig zu ermuntern, wieder zu heiraten. Und dann die Freunde aus dem Golfclub. „Zuerst musst du Martha Ebbetts anrufen und die Geschichte dementieren. Je eher, desto besser. Ich werde mir einen triftigen Grund ausdenken, weshalb ich die Hochzeit abgesagt habe.“

„Auf keinen Fall!“, protestierte Bertie lebhaft. „Eine abgesagte Hochzeit bringt immer Pech. Ich glaube fest daran, dass das Schicksal euch füreinander bestimmt hat, sonst hätte Melinda nicht die Wie-heißt-sie-noch-Taste auf dem Computer betätigt. Eine höhere und weisere Macht hat ihr die Hand geführt.“

„Das ist nicht dein Ernst!“, sagte Melinda entrüstet.

„Doch“, widersprach die alte Dame energisch. „Gegen sein Schicksal ist man machtlos. Ihr seid füreinander bestimmt. Ich habe Sie übrigens schon immer gern gemocht, Benjamin.“

Autor

Mollie Molay
Nachdem sie einige Jahre in einem Logistikzentrum eines Lufttransportunternehmens gearbeitet hatte, entdeckte Mollie Molay, dass ihr das Schreiben von Liebesromanen, was sie nebenbei verfolgte, viel mehr Freude bereitete als ihre bisherige Tätigkeit. Also versuchte sie, ihr Hobby zu ihrem Beruf zu machen.
Mehr erfahren