Perlen und Diamanten für dich

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Mehr aus Spaß hat sich Michelle bereit erklärt, die ständige Begleiterin des Unternehmers Nikos Alessandros zu spielen. Er hofft so, eine lästige Verehrerin loszuwerden. Obwohl sie sich heftig dagegen wehrt, fühlt sich Michelle stark zu dem dominanten Mann hingezogen. Sind seine heißen Küsse immer noch gespielt?


  • Erscheinungstag 14.02.2018
  • ISBN / Artikelnummer 9783733755515
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Michelle nippte an dem mit erstklassigem Chardonnay gefüllten Kristallglas und musterte interessiert die anwesenden Gäste.

Es war nicht zu übersehen, dass sich an diesem Abend ein Teil der High Society von Queensland hier versammelt hatte. Die Herren trugen elegante schwarze Abendanzüge, weiße Hemden mit schwarzen Krawatten und die Damen teure Designerabendkleider.

Dabei handelte es sich nur um eine einfache Dinnerparty für zehn Gäste, die im luxuriösen Haus von Antonia und Emerson Bateson-Burrows abgehalten wurde. Antonia und Emerson waren unbestritten die besten Gastgeber an der Goldküste von Queensland, und ihre Weine, ihr hervorragendes Essen und die geschickte Auswahl der Gäste waren unübertroffen.

„Möchtest du noch etwas trinken, Michelle?“

Besitzergreifend legte Jeremy seine Hand auf ihre.

Sie gehört mir! Genau das drückte diese Geste aus. Und die zufriedenen Blicke, die sowohl seine Eltern als auch Michelles Eltern ihnen zuwarfen, signalisierten nur zu deutlich ihre Zustimmung.

Sie glauben doch wohl nicht, dachte Michelle, dass ich nicht genau gemerkt habe, was los ist. Es war kein Zufall, dass Jeremy in den letzten vier Wochen bei allen Festen erschienen war, zu denen auch sie eingeladen worden war.

Michelle hatte nicht vor zu heiraten, und sie wollte auch keine anderweitige Beziehung mit einem Mann eingehen. Ihre Großmutter mütterlicherseits hatte ihr genügend Geld hinterlassen, damit sie sorglos leben konnte, und sie war mit ihrem Leben mehr als zufrieden. Mit fünfundzwanzig besaß sie bereits eine eigene Wohnung und führte zusammen mit einem Freund eine erfolgreiche Kunstgalerie. Warum also sollte sie daran etwas ändern?

Trotzdem bemühte sich Michelle, gute Miene zum bösen Spiel zu machen, und sie lächelte Jeremy höflich an. „Vielen Dank, aber ich warte, bis das Abendessen serviert ist.“

Eigentlich musste es doch schon so weit sein! Oder waren noch nicht alle Gäste eingetroffen? Jeremys Mutter blickte ungeduldig auf die Uhr, und Michelles Neugier erwachte.

Wer, um alles in der Welt, würde es wagen, zu einem Dinner bei den Bateson-Burrows zu spät zu kommen?

„Meine Mutter wird langsam unruhig“, sagte Jeremy mit gedämpfter Stimme. „Nikos hat angerufen und angekündigt, dass er sehr wahrscheinlich später kommen wird.“

„Nikos?“ Jetzt war Michelles Interesse endgültig geweckt.

„Nikos Alessandros. Ein neureicher Grieche ohne alteingesessene Familie. Er hat erst in den letzten zehn Jahren ein Vermögen in der Elektronikbranche gemacht. Der Hauptsitz der Firma ist in Athen, aber er hat Tochtergesellschaften in Rom, Paris, London, Vancouver und Sydney.“

„Wenn seine Firma in Sydney ist, was macht er dann hier an der Goldküste?“

„Er hat ein Penthouse in Main Beach. Der Mann ist ein Genie, was Geschäfte angeht. Es heißt, dass er im Augenblick gerade dabei sei, einen äußerst lukrativen Vertrag abzuschließen – lukrativ natürlich nur für ihn!“ Jeremy schnaufte verächtlich. „Und da er keine Lust hatte, nach Sydney zu fliegen, hat er einfach beschlossen, hier an der Goldküste zu verhandeln.“

„Interessant.“ Michelle konnte sich auch schon vorstellen, wie dieser Nikos aussehen würde: ein kleiner, dicker Mann in den mittleren Jahren, mit einer Beinaheglatze und einer viel jüngeren Frau am Arm.

„Ja“, erwiderte Jeremy kurz angebunden. „Mein Vater würde ihn nur zu gern als Kunden für seine Bank gewinnen.“

„Und seine Freundschaft scheint er auch sehr zu schätzen, denn sonst hätte er ihn ja nicht eingeladen.“

„Ich glaube, das hat eher geschäftliche Gründe.“

Genau das hatte Michelle befürchtet. Jede Einladung, die Emerson Bateson-Burrows aussprach, war Teil eines groß angelegten Plans.

Die Politik, das Geschäftsleben und die Gesellschaft verlangten eben gewisse Strategien und manchmal auch komplizierte Intrigen. Das war etwas, was Michelle nun gar nicht lag, und sie hatte auch keine Lust, sich für etwas einspannen zu lassen, das sie überhaupt nicht interessierte.

„Lass ihnen zwei Stunden Zeit für das Essen und den Kaffee danach“, sagte Jeremy, der ihr Gesicht gesehen hatte. „Dann gehen wir in einen Nachtclub.“

Er ging ganz selbstverständlich davon aus, dass sie noch mit ihm ausgehen wollte! Michelle konnte es nicht fassen. Sie wollte ihm gerade die Meinung sagen, als sie plötzlich durch ein Raunen abgelenkt wurde.

Neugierig drehte sie sich um, und ihr stockte der Atem.

„Das ist Nikos“, sagte Jeremy, aber Michelle hörte gar nicht hin. Ihre ganze Aufmerksamkeit galt dem schlanken Mann, der eben das Zimmer betreten hatte.

Er hatte ausgeprägte männliche Gesichtszüge, und sein Mund war einfach perfekt geformt.

Ein Blick genügte, und Michelle erkannte instinktiv, dass dieser Mann die Eleganz eines Gentleman und die dazu gehörigen guten Manieren besaß – aber sie ließ sich nicht täuschen: Er wusste genau, was er wollte, und setzte seine Ziele mit Härte und ohne Rücksicht auf Verluste durch.

Die stolze Haltung und die grauen Augen, mit denen er lässig die Umgebung und die Gäste musterte, bewiesen ihr nur zu deutlich, dass sie mit ihrer Einschätzung richtig gelegen hatte.

Jetzt war sie an der Reihe. Er blickte sie an, zögerte, und Michelle sah, wie er ihr blondes Haar, die grünen Augen und ihren schlanken, gut gebauten Körper in dem schwarzen eng anliegenden Designerabendkleid prüfend in Augenschein nahm.

Er sah sie so durchdringend an, dass Michelle ein Schauer über den Rücken lief. Sie hatte das Gefühl, als würde sein Blick sich direkt durch ihr Kleid hindurchbrennen und ihre nackte Haut streicheln.

Er hatte schwarzes, gut frisiertes Haar. Seine breiten Schultern zeichneten sich unter dem teuren, maßgeschneiderten Anzug ab. Mit ungefähr Mitte dreißig war er das genaue Gegenteil des kleinen, dicken, glatzköpfigen Griechen, den Michelle sich eben noch vorgestellt hatte.

Verstohlen beobachtete sie ihn, als er zusammen mit Jeremys Mutter von Gast zu Gast ging und jedem vorgestellt wurde. Er war zweifellos charmant und benahm sich ganz locker.

„Michelle Gerard. Jeremys Freundin“, sagte Antonia, als sie Michelle erreicht hatten.

Nikos Alessandros nahm Michelles Hand und hob sie an die Lippen.

Und dann tat er etwas ganz Ungewöhnliches. Er drehte ihre Hand, küsste die Handinnenfläche und drückte dann ihre Finger ganz leicht, als würde er einen geheimen Pakt besiegeln. Erschrocken zuckte Michelle zusammen. Ihr wurde heiß, all ihre Nerven schienen zu vibrieren, und die Stelle, an der er sie geküsst hatte, schien lichterloh zu brennen.

„Michelle.“ Dass er nicht Australier war, hörte man seinem leichten Akzent an.

„Schön, dich wieder zu sehen!“

Was sollte das denn heißen? Sie hatte ihn noch nie zuvor getroffen. Da war sie sich ganz sicher, denn ein Mann wie Nikos Alessandros wäre ihr bestimmt in Erinnerung geblieben. Keine Frau auf dieser Welt würde einen Mann mit dieser Ausstrahlung einfach vergessen!

Michelle waren die Überraschung in Antonias Gesicht und Jeremys Stirnrunzeln nicht entgangen.

„Ihr kennt euch?“, fragte Antonia neugierig.

„Ich kenne Michelle noch aus der Zeit, als sie an der Sorbonne in Paris studierte“, erwiderte Nikos ungerührt.

Hatte er einfach nur geraten? Nein, das war unwahrscheinlich. Aber woher wusste er von Paris?

„Tatsächlich?“ Antonia konnte ihre Neugier kaum zügeln.

Nikos blickte Michelle an, und in seinem Gesicht spiegelte sich nur zu deutlich unverhohlenes Verlangen wider.

Eigentlich hätte sie abstreiten müssen, ihn jemals getroffen zu haben, und ihm ins Gesicht sagen müssen, was er wirklich war: ein schamloser Lügner.

„Wie habe ich das nur vergessen können! Ich bin erstaunt, dass du dich noch daran erinnerst.“ Michelle konnte es nicht glauben. Was hatte sie gesagt? Warum ließ sie sich bloß auf dieses Spiel ein?

Lag es an der Hitze des Sommers? Oder wollte sie einfach nur den Verkupplungsversuchen von Jeremys Eltern ein Ende bereiten? Oder steckte etwas anderes dahinter?

Die ganze Zeit hatte Nikos sie beobachtet, und Michelle hatte das Gefühl, er könnte ihre Gedanken lesen.

Das war kein sehr angenehmes Gefühl. Über eins war sie sich im Klaren: Er war gefährlich, rücksichtslos und stark. Und seine Handlungen waren so gut wie nie vorhersehbar. Und er ist unbeschreiblich anziehend, flüsterte eine Stimme tief in ihrem Innern. Er ist der perfekte Liebhaber, denn er kennt keine Grenzen, nimmt sich alle Freiheiten und fordert seine Partnerin heraus, das Gleiche zu tun.

Allein der Gedanke, was er mit einer Frau machen und wie er es machen würde, reichte aus, um Michelle erschauern zu lassen. Warum reagierte sie so? War es Furcht? Oder vielleicht eher Vorfreude?

„Du glaubst doch nicht etwa, ich hätte dich vergessen?“ Seine tiefe Stimme strahlte so viel Sinnlichkeit aus, dass Michelle ganz schwindlig wurde.

Antonia spürte es auch, und sie bemühte sich sofort um Schadensbegrenzung. „Nikos, lassen Sie sich von Emerson doch einen Drink holen.“ Sie legte die Hand auf seinen Arm, und einen Augenblick lang dachte Michelle, er würde Antonia ignorieren und seine Hand da lassen, wo sie gerade war.

Aber er gab nach und ließ zu, dass Antonia ihn zum anderen Ende des Raumes führte.

Das Prickeln in der Luft war immer noch deutlich zu spüren, und Michelle musste all ihre Kraft zusammennehmen, um Jeremy nicht zu zeigen, wie aufgewühlt sie war. Mühsam beherrscht nippte sie an ihrem Weinglas.

„Du kennst ihn.“

Michelle wollte es erst leugnen, aber sie zögerte zu lange.

„Und ich benehme mich hier wie ein Gentleman. Und wofür?“ Jeremy hob das Glas und toastete ihr spöttisch zu. Dabei musterte er sie vielsagend von oben bis unten.

„Man erkennt doch sofort, dass dieser Grieche nur eins im Sinn hat. Er hat dich doch förmlich mit den Blicken ausgezogen.“

„Ach tatsächlich?“ Michelle lächelte honigsüß. Das würde sie nicht auf sich sitzen lassen! Aber zu Jeremys Glück informierte Antonia gerade in diesem Augenblick die Gäste, dass das Abendessen bereit sei.

„Ich bin eben eifersüchtig, das kannst du mir doch wohl nicht übel nehmen“, entschuldigte sich Jeremy halbherzig, als sie zusammen ins Esszimmer gingen.

Der einzig wirklich Schuldige ist Nikos Alessandros, dachte Michelle erbost.

Unwillkürlich suchte sie den großen, muskulösen Griechen, der ganz in ihrer Nähe stand. Zu ihrer Überraschung schien er ihren Blick gespürt zu haben, denn er drehte sich um und sah sie an.

Nikos’ dunkle Augen hatten einen Ausdruck, den Michelle nicht zu deuten wusste. Und für den Bruchteil einer Sekunde war alles um sie her wie weggewischt. Es gab nur ihn. Das leise Stimmengewirr und die anderen Gäste, all das existierte für sie nicht mehr.

Er lächelte sie an, und Michelle stockte der Atem. Nur mühsam gelang es ihr, sich aus diesem Bann zu befreien und ihre Aufmerksamkeit auf die Sitzordnung zu lenken.

Hoffentlich saß Nikos Alessandros ganz am anderen Ende des Esstisches. Dann brauchte sie sich wenigstens nicht mit ihm zu unterhalten.

Antonia – die perfekte Gastgeberin wie immer – platzierte fünf Gäste an der einen und sechs an der anderen Seite des Tisches. Danach nahmen sie und Emerson ihre Plätze am Kopfende ein.

Verdammt! Dreizehn Gäste am Freitag, dem dreizehnten. Konnte es noch schlimmer kommen?

Beruf es nicht, dachte Michelle und sah sich auch sofort bestätigt, als sie bemerkte, dass Nikos Alessandros ihr direkt gegenübersaß.

Emerson schenkte den Wein aus, während Antonia mit Argusaugen das Auftragen des ersten Ganges überwachte.

„Prost!“ Nikos hob das Glas. Und obwohl sein Lächeln allen am Tisch galt, sah er nur Michelle an.

Die Rahmsuppe schmeckte ganz vorzüglich, aber Michelle bekam kaum etwas herunter.

Der zweite Gang bestand aus auf Blattsalat angerichteten Scampi, die in pikanter Sauce serviert wurden. Dazu trank Michelle Weißwein, entschied sich danach aber für eisgekühltes Mineralwasser.

Die Unterhaltung am Tisch drehte sich hauptsächlich um politische Themen, und es dauerte nicht lange, und alle sprachen über die finanzielle Lage des Staates, mögliche Steuerreformen und die Auswirkungen auf die Wirtschaft.

„Was hältst du davon, Michelle?“

Erschrocken zuckte sie zusammen, als Nikos sie so unvermutet ansprach.

„Meine Meinung ist doch völlig unwichtig. Der Lauf der Dinge wird sich sowieso nicht ändern.“

„Trotzdem würde ich sie gern hören.“ Nikos ließ nicht locker.

Sieh an, dachte Michelle. Er versucht also, mit mir zu spielen. Aber dazu gehören immer zwei. Er wird sich noch wundern!

„Wenn ich mich richtig entsinne, hast du dich für meine Meinung noch nie interessiert.“

Nikos musterte sie wie die Schlange das Kaninchen. Dann lächelte er, und Michelle konnte seine ebenmäßigen Zähne sehen.

„Nimmst du mir das etwa immer noch übel, pedhi mou?“ Allein der Klang dieses griechischen Kosewortes ließ Michelles Nerven vibrieren.

„Jetzt wird der Hauptgang serviert!“ Michelle hörte Antonias Ankündigung zwar, aber sie war mit ihren Gedanken ganz woanders.

„Noch etwas Wein, Nikos?“

Emerson war wie immer ein sehr aufmerksamer Gastgeber, aber Nikos winkte ab. „Nein, danke. Ich habe bereits alles, was ich brauche.“ Unverwandt sah er Michelle an.

Das ging nun wirklich zu weit. Nikos erregte die Aufmerksamkeit aller Gäste, was Michelle mehr als peinlich war.

Als Hauptgang folgte Hähnchen in Zitronensauce mit geschmortem Gemüse, aber Michelle brachte noch immer kaum einen Bissen herunter. Sie probierte ein wenig vom Hähnchen, nahm etwas Gemüse und legte dann das Besteck zur Seite. Hoffentlich war dieser Abend bald zu Ende!

Aber es warteten noch der Nachtisch und zum Abschluss eine Käseplatte auf sie. Und nicht zu vergessen der Kaffee. Es würde noch mindestens eine Stunde dauern, bevor sie sich unter irgendeinem Vorwand verabschieden konnte.

Jeremy legte einen Arm auf die Lehne ihres Stuhls und flüsterte ihr ins Ohr: „Ich würde doch zu gern wissen, Darling, wie ist er eigentlich im Bett?“

Michelle ignorierte ihn und wagte es auch nicht, Nikos anzublicken. Stattdessen wandte sie sich dem Gast zu ihrer Linken zu und verwickelte ihn in ein Gespräch. Später konnte sie sich allerdings nicht mehr daran erinnern, was sie eigentlich zu ihm gesagt hatte.

Der Nachtisch bestand aus einem Stück Blätterteiggebäck mit frischen Früchten und einer mit Brandy verfeinerten Sahne.

Michelle nahm sich nur einige Weintrauben.

„Wollen wir jetzt den Kaffee im Salon einnehmen?“, fragte Antonia, als alle das Besteck zur Seite gelegt hatten.

Endlich eine gute Nachricht! Michelle musste sich zwingen, nicht zu schnell aufzuspringen und ihren Eltern in den Salon zu folgen.

Nachdenklich musterte Chantelle Gerard ihre Tochter. „Ich wusste gar nicht, dass du Nikos Alessandros kennst.“

Geld war entscheidend. Die Herkunft auch. Die Familie Bateson-Burrows hatte beides. Aber Nikos Alessandros’ Vermögen war auch nicht ohne.

Michelle konnte förmlich sehen, wie es im Kopf ihrer Mutter arbeitete. „Ich trinke nur noch einen Kaffee, dann verabschiede ich mich.“

„Willst du noch mit Jeremy ausgehen, Liebes?“

„Nein.“

„Ich verstehe“, erwiderte ihre Mutter ernst. „Wir sprechen morgen früh darüber.“

„Es gibt nichts, worüber wir reden müssten, Maman“, versicherte Michelle schnell. Sie stöhnte insgeheim, als ihre Mutter sie zweifelnd ansah. Das Letzte, was sie beantworten wollte, war eine Flut von Fragen noch vor dem Frühstück. Chantelle war nämlich eine Meisterin der unterschwelligen Manipulation, und Michelle konnte dem wenig entgegensetzen.

„Wir können dich auch nach Hause fahren. Aber dann müsstest du noch etwas länger bleiben.“

Wäre sie doch mit ihrem eigenen Wagen gekommen! Aber Jeremy hatte darauf bestanden, sie abzuholen. Nachträglich gesehen war das nicht sehr klug gewesen.

Die Kopfschmerzen, die sie eigentlich als Vorwand benutzen wollte, hatten sich jetzt wirklich eingestellt. Und Jeremy ging ihr gehörig auf die Nerven. Aber es gab noch ein anderes Problem: Ihre Wohnung war zwar nur zehn Minuten Fußweg entfernt, und tagsüber wäre sie auch, ohne zu zögern, allein nach Hause gegangen, aber nachts war es für eine Frau ohne Begleitung nicht unbedingt ratsam.

„Ich werde mir ein Taxi rufen.“

Antonia ließ einen hervorragenden Kaffee servieren. Likör, Sahne, Milch, ausgefallene Kekssorten und belgische Schokolade wurden dazu gereicht.

Michelle nahm Milch und Zucker und trank den Kaffee so schnell, wie es gerade noch höflich war. Sie stellte die leere Tasse auf einen kleinen Beistelltisch und machte sich dann auf die Suche nach den Gastgebern, um sich zu verabschieden. Erschrocken stellte sie fest, dass Antonia und Emerson sich ausgerechnet mit Nikos Alessandros angeregt unterhielten.

Setz einfach ein freundliches Lächeln auf, dachte sie. Bedank dich für den netten Abend, und sieh zu, dass du schnell wegkommst. Zwei Minuten, allerhöchstens fünf, länger nicht.

Zu allem Überfluss schien Nikos ihr Zögern bemerkt zu haben, denn er blickte auf und sah sie an.

Plötzlich erschien Jeremy neben ihr und legte ihr den Arm um die Schultern. Seine Hand berührte beinahe ihre Brust, und sie trat einen Schritt zur Seite, um dieser plumpen Vertraulichkeit zu entgehen. Aber das hatte nur zur Folge, dass Jeremy blitzschnell ihren Arm ergriff.

„Nun, hast du deinen Eltern gegenüber wieder deine Pflicht und Schuldigkeit getan und dich gebührend verabschiedet?“

Der Spott in seiner Stimme und sein unmögliches Benehmen empörten Michelle. „Ich empfinde es nicht als Pflicht, wenn ich mit meinen Eltern spreche“, antwortete sie kühl.

„Was für ein Glück! Du fühlst dich anscheinend nicht von deinen Eltern erdrückt, und das, obwohl du ein Einzelkind bist.“

„Genau“, erwiderte sie ruhig und machte sich los. Sie würde sich nicht aus der Fassung bringen lassen.

„Bist du fertig?“, fragte Nikos, als Michelle ihn und Jeremys Eltern erreicht hatte. „Würden Sie uns bitte entschuldigen?“, bat er die Gastgeber mit tadelloser Höflichkeit. „Michelle und ich haben noch einiges aufzuarbeiten.“ Er nahm Michelle bei der Hand und führte sie aus dem Salon, vorbei an Jeremy, der ihnen mit offenem Mund nachsah und von dem sich Nikos mit einem kurzen Kopfnicken verabschiedete.

„Was fällt Ihnen eigentlich ein!“ Aufgebracht stellte Michelle Nikos zur Rede, als sie schließlich im Flur standen.

„Ich fahre dich nach Hause.“

„Michelle.“ Inzwischen hatte Jeremy sich von seiner Überraschung erholt und war ihnen gefolgt. „Ich fahre dich.“

Wenn es nach Michelle gegangen wäre, hätte sie beiden am liebsten so richtig die Meinung gesagt. Jeremy für sein besitzergreifendes Verhalten und die kindische Eifersucht. Und Nikos für seine Überheblichkeit.

„Sie sollten ihre Eltern mit all den Gästen nicht allein lassen, Jeremy“, sagte Nikos betont freundlich. „Michelles Wohnung ist ja gleich um die Ecke.“

Woher, zum Teufel, wusste er das?

„Sie ist meine Freundin.“ Aufgebracht drehte sich Jeremy zu Michelle um.

Das war ja nicht mehr zum Aushalten!

„Michelle?“, fragte Nikos, und seine Stimme war kalt wie Eis.

Wie um seine Worte zu bestätigen, legte Jeremy besitzergreifend eine Hand auf ihre Schulter. „Verdammt noch mal, sag’s ihm, Michelle.“

„Da gibt es nichts zu sagen“, erwiderte sie und zuckte zusammen, als Jeremys Finger sich in ihre Schulter bohrten.

„Doch, es gibt eine Menge zu sagen“, mischte sich Nikos mit trügerisch sanfter Stimme ein. Jeremy ließ Michelle los und wandte sich wutentbrannt seinem neuen Gegner zu.

„Das geht Sie gar nichts an!“

„Falsche Antwort.“

„Wieso?“

„Weil Michelle zu mir gehört.“

„Das ist ja wohl ein Witz!“

„Soll ich es Ihnen beweisen?“, fragte Nikos.

Und bevor Michelle noch protestieren konnte, hatte er sie schon in die Arme genommen und die Lippen auf ihre gepresst.

Der Kuss war besitzergreifend und erregte ihre Sinne, und Nikos nutzte Michelles Überraschung ausgiebig aus. Er drückte sie fest an sich, und sein Kuss wurde intensiver, fordernder und leidenschaftlicher.

Ihr Herz schlug schneller und begann zu rasen, als er eine Hand zielstrebig über ihren Rücken bis zum Po gleiten ließ, ihn umfasste und sie so eng an sich zog, dass sie seine Erregung deutlich spürte.

Michelle versuchte, ihrer Gefühle Herr zu werden.

Leidenschaft … knisternde Spannung … uneingeschränkte Anziehungskraft … Es gab keine Zurückhaltung und keine Konventionen mehr, es gab nur noch pures Verlangen.

Michelle hatte alles um sich her vergessen. Es gab nur noch ihn, und er erregte all ihre Sinne … sie atmete sein herbes After Shave und den Duft seiner Haut ein und fühlte den weichen Stoff seiner Kleidung.

Der leidenschaftliche Teil von ihr war bereit, ihm überallhin zu folgen, wenn er nur weitermachte, während der letzte Rest von gesundem Menschenverstand, der ihr noch geblieben war, heftig protestierte.

Mit einer letzten Kraftanstrengung riss sie sich von ihm los. Sie keuchte, und einen Augenblick lang wusste sie nicht, wo sie sich befand. Es gab nur diesen Mann und ein unstillbares Verlangen.

„Was, zur Hölle, soll das?“

Jeremys laute Worte brachten Michelle wieder auf den Boden der Tatsachen zurück.

„Ich werde Michelle jetzt nach Hause bringen“, erwiderte Nikos ungerührt. „Michelle, kommst du?“

Ihm war überhaupt nichts anzumerken. Er atmete ganz ruhig und regelmäßig, während sie immer noch um Fassung rang.

„Wenn du jetzt mit ihm gehst, will ich dich nie mehr wieder sehen“, sagte Jeremy drohend.

Michelle sah die Wut in seinen Augen, und seine Unbeherrschtheit machte sie krank. „Jeremy, was ist los mit dir? Du tust so, als wäre ich dein Eigentum!“

Glücklicherweise betraten in diesem Augenblick zwei Gäste den Flur. Sofort verschwand der zornige Ausdruck auf Jeremys Gesicht, und er lächelte wieder freundlich.

„Lass uns von hier verschwinden“, befahl Nikos leise und nahm ihren Arm.

Er führte sie zu einer großen Limousine, die er in der Auffahrt vor dem Haus geparkt hatte. Verzweifelt versuchte sie, sich loszureißen, aber ohne Erfolg.

„Lass es sein. Du tust dir nur weh“, warnte er.

Sein Gesicht war im Halbdunkel nur schwer zu erkennen. Er zog ein Schlüsselbund aus der Tasche, schloss die Wagentür auf und gab den Schlüssel dann Michelle. „Wenn du willst, kannst du fahren. Vielleicht fühlst du dich dann sicherer.“

Das fehlte noch! Wortlos gab ihm Michelle den Schlüssel zurück, öffnete die Beifahrertür und stieg ein.

Nikos setzte sich ans Steuer und ließ den Motor an. Gleich darauf fuhren sie auf der nach Norden führenden Autobahn und nahmen die nächste Abfahrt nach Main Beach.

„Hier gibt es ein nettes Café. Lass uns noch etwas trinken“, sagte Nikos, als sie an einer Ampel halten mussten. „Ich will etwas mit dir besprechen.“

„Was denn? Die übliche Gehen-wir-zu-dir-oder-zu-mir-Frage?“, spottete Michelle. „Vergiss es. Nur für eine Nacht bin ich nicht zu haben.“

Die Ampel sprang auf Grün um, und es dauerte nicht mehr lange, bis sie in eine Tiefgarage fuhren. Dort bremste Nikos und stellte den Wagen ab.

Michelle wollte die Tür öffnen und sich bedanken, aber plötzlich erstarrte sie.

Es war es nicht ihre Tiefgarage.

2. KAPITEL

„Wo sind wir?“, fragte Michelle fassungslos.

„Ich habe hier die Penthousewohnung“, erwiderte Nikos ungerührt. „Du wohnst gleich um die Ecke.“ Er öffnete die Wagentür und stieg aus.

Vor Wut kochend, verließ auch Michelle das Auto. Wortlos drehte sie sich um und ging zur Garagenausfahrt.

„Das Tor ist nur mit einer Fernbedienung zu öffnen.“ Er machte eine Pause und teilte ihr dann die nächste Hiobsbotschaft mit. „Das Gleiche gilt für den Fahrstuhl.“

Empört wirbelte Michelle herum. Das konnte doch nicht wahr sein. „Kidnapping ist eine Straftat. Ich zeige dich an, wenn du mich nicht rauslässt! Und zwar sofort!“, befahl sie energisch. Er würde schon merken, dass sie sich zu wehren wusste.

Nikos musterte sie interessiert. Sie zeigte keine Furcht, und diese Tatsache faszinierte ihn.

„Ich möchte nur, dass du mir eine Viertelstunde deiner Zeit opferst.“

Michelle ging gar nicht auf seine Worte ein. Sie holte ihr Handy aus der Tasche und suchte die Taste für den Polizeinotruf.

„Du brauchst keine Angst zu haben.“

Er war ganz ruhig und gelassen. Zu gelassen.

„Ich finde das hier überhaupt nicht komisch.“ Mit einer Handbewegung wies sie auf die zwar gut beleuchtete, aber unheimlich ruhige Umgebung.

„Ins Café wolltest du ja nicht.“

Aufgebracht funkelte sie ihn an. „Vergib mir“, spottete sie, „dass ich deine Einladung nicht angenommen habe.“

Ihr Mut faszinierte ihn. Verdammt noch mal, sie faszinierte ihn. Alle Frauen, die er bis jetzt kennen gelernt hatte, wären ihm ohne Widerspruch überallhin gefolgt, denn hinter ihm stand Geld, viel Geld.

Autor

Helen Bianchin
Helen Bianchin wurde in Neuseeland geboren und wuchs dort als Einzelkind auf. Sie hatte eine äußerst lebhafte Fantasie und liebte schon damals Bücher über alles. Als Teenager begann sie zu schreiben, doch sie vernachlässigte ihr Hobby, als sie als Sekretärin in einer kleinen Kanzlei arbeitete. Als sie 21 war, setzten...
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