Portugiesische Liebesnächte

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"Du bist der letzte Mann auf Erden, den ich jemals heiraten würde!" Wütend hat Leonie ihm dies an den Kopf geworfen - und noch immer erregen diese Worte Vidal Dos Santos‘ Zorn. Aber jetzt, zwei Jahre später, hat die temperamentvolle Rothaarige keine andere Wahl: Sie muss seine Frau werden! Denn nur er kann Leonies Vater vor dem Gefängnis bewahren …


  • Erscheinungstag 31.07.2016
  • ISBN / Artikelnummer 9783733774431
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Wenigstens hatte er sich nicht von vornherein geweigert, sie zu empfangen, obwohl ihm natürlich klar sein musste, warum sie hier war. Leonie bemühte sich um ein ausdrucksloses Gesicht, während sie sich nur allzu deutlich der neugierigen Blicke der Mitarbeiter bewusst war. Vidals Ankunft zusammen mit der Abwesenheit ihres Vaters dürfte einige Spekulationen verursacht haben, aber sie bezweifelte, dass bereits alle Fakten bekannt waren.

Voller Anspannung wartete sie darauf, in das Büro vorgelassen zu werden, denn sie fürchtete sich vor dem Moment der Konfrontation. Es war zwei Jahre her, dass sie den Mann gesehen hatte, den sie um ihres Vaters willen um Nachsicht bitten wollte. Zwei Jahre, seit sie ihm ins Gesicht geschleudert hatte, dass er der letzte Mann wäre, den sie jemals heiraten würde. Wenn er ihr diese Zurückweisung immer noch nachtrug, dann standen ihre Chancen, dass er ihrer Bitte nachgab, mehr als schlecht, aber sie musste es zumindest versuchen.

Die Frau, die am Schreibtisch der Sekretärin ihres Vaters saß, war ihr unbekannt, doch sie erinnerte sich daran, dass er vor einem Monat erwähnt hatte, dass es einen Wechsel gegeben hatte. Die Frau blickte Leonie mit unverhohlener Neugier an, während sich die Gegensprechanlage einschaltete. „Sie können jetzt hineingehen“, sagte sie.

Leonie stand auf und stählte sich innerlich gegen das, was sie erwartete. Es würde sie nicht wundern, wenn er sie innerhalb weniger Minuten hochkant wieder hinauswarf.

Das Büro ihres Vaters war groß und hell und bot einen wunderbaren Blick über den Fluss. Vidal Parella Dos Santos lehnte lässig an der Fensterbank. Er trug einen silbergrauen Anzug von makellosem Schnitt, der die muskulösen Formen seines Körpers hervorragend zur Geltung brachte. Für einen endlos langen Moment blickte er sie schweigend an, wobei seine wie in Granit gemeißelten Züge absolut nichts preisgaben.

„Du hast dich kaum verändert“, bemerkte er schließlich in seinem perfekten Cambridge-Englisch. „Aber das ist bei deinem Aussehen auch nicht zu befürchten.“ Er deutete auf einen Stuhl vor seinem Schreibtisch. „Nimm doch bitte Platz.“

„Ich stehe lieber“, entgegnete Leonie. Sie holte tief Luft und begegnete dem Blick aus seinen dunklen Augen. „Ich bin sicher, dass ich dir nicht sagen muss, was ich von dem halte, was mein Vater getan hat. Er hat dein Vertrauen missbraucht, und er verdient es, den Preis dafür zu zahlen.“

„Aber?“, hakte Vidal nach, als sie zögerte.

„Das Gefängnis würde ihn umbringen“, gestand sie.

Er hob eine Augenbraue. „Was schlägst du also vor? Soll ich ihm durchgehen lassen, dass er Gelder veruntreut hat?“

Leonie bemühte sich krampfhaft darum, einen kühlen Kopf zu bewahren. „Ich bitte dich, ihm Zeit zu geben, die Dinge wieder in Ordnung zu bringen. Er kann seine Schulden bei dir zurückzahlen, indem er eine Hypothek auf sein Haus aufnimmt.“

„Und wie soll er eine Hypothek bekommen, wenn er nicht mal einen Job hat?“ Das Lächeln, das sich auf seinen harten Zügen abzeichnete, wirkte beinahe belustigt. „Du erwartest also, dass ich ihm auch noch seine Stelle wiedergebe?“

„Er wird kaum einen anderen Arbeitsplatz finden, wenn du Anzeige erstattest“, erklärte sie. „Was auch bedeutet, dass er niemals in der Lage sein wird, das Geld zurückzuzahlen. Natürlich müsste es eine weniger verantwortungsvolle Position sein.“

„Eine, bei der er in Zukunft keine Chance mehr hat, Gelder zu unterschlagen, meinst du?“

Leonie riss sich zusammen. Ihr war klar, dass er sie provozieren wollte. „Es ist sinnvoller, als ihn in eine Zelle zu stecken.“

Vidal betrachtete ihr ungewöhnlich schönes Gesicht, das von leuchtend tizianrotem Haar eingerahmt wurde, dann ließ er seinen Blick über ihren verführerischen Körper gleiten. Trotzig hob sie das Kinn, während ihre grünen Augen Feuer sprühten. Sie war immer noch da: die Gier, die sie in der Vergangenheit so wütend gemacht hatte. Dieser Mann war es gewohnt, das zu bekommen, was er haben wollte. Als sie seinen Heiratsantrag abgelehnt hatte, war seine erste Reaktion Ungläubigkeit gewesen. Als sie dann noch Beleidigungen hinzugefügt hatte, hatte er kalten Zorn gezeigt.

„Hat dein Vater dich geschickt, um für ihn zu betteln?“, fragte Vidal jetzt.

Sie schüttelte den Kopf. „Es war meine Idee. Ich billige nicht, was er getan hat, aber ich will verhindern, dass er ins Gefängnis muss. Aber es ist selbstverständlich, dass er in Zukunft nicht mehr spielen wird.“

Es entstand eine unangenehme Pause. Leonie wünschte, sie wüsste, was in Vidals Kopf vor sich ging. Aber sie war immer noch hier. Das allein machte ihr etwas Hoffnung.

„Du glaubst, dass er unter den gegebenen Umständen bereit ist, weiter hier zu arbeiten?“, fragte er gedehnt. „Bislang kennt nur eine weitere Person die Wahrheit, aber selbst wenn ich diese zu Verschwiegenheit verpflichte, wird es Spekulationen geben.“

Ohne es zu wissen, hatte Leonie den Atem angehalten, den sie nun langsam losließ. „Damit muss er leben. Das ist ein Teil des Preises.“

Vidal stieß sich von der Fensterbank ab. Ein Meter neunzig voller vitaler portugiesischer Männlichkeit. „Ich brauche Bedenkzeit“, erklärte er. „Ich werde dir meine Antwort heute Abend geben. In meiner Suite.“ Er schüttelte den Kopf, als sie den Mund öffnen wollte, um zu protestieren. „Acht Uhr. Es sei denn, du willst das Ganze jetzt und hier regeln.“

Sie wusste genau, was das bedeutete: Wenn sie ihr Ziel erreichen wollte, dann würde auch sie den Preis dafür zahlen müssen.

Leonie machte keinen Hehl aus ihrer Verachtung, während sie ihn anschaute. „Ich schätze, ich hätte damit rechnen müssen.“

Er zuckte kurz die Schultern. „Ich habe eine gewisse Wiedergutmachung verdient, aber die Entscheidung liegt ganz bei dir.“

Ohne ein weiteres Wort wandte sie sich um und verließ das Büro. Sie erreichte die Aufzüge, ohne nach rechts oder links zu schauen, und drückte den Knopf. Gott sei Dank war der Fahrstuhl leer, als er ankam. Sie hätte es im Moment nicht ertragen, fragenden Blicken ausgesetzt zu sein.

Eines war sicher: An diesem Abend würde er ihr keinen zweiten Heiratsantrag machen. Vidal würde es darauf anlegen, sie zu demütigen, so wie sie es zwei Jahre zuvor mit ihm getan hatte. Unwillkürlich wanderten ihre Gedanken zu dem Mann, den sie gerade verlassen hatte.

Vidal Parella Dos Santos galt mit seinen fünfunddreißig Jahren bereits als einer von Europas führenden Industriellen. Er war in die portugiesische Aristokratie hineingeboren worden und hätte sein Leben auf jede erdenkliche Weise vertändeln können. Leonie war ihm zum ersten Mal begegnet, kurz nachdem ihr Vater zum Chefbuchhalter des Londoner Zweigs des Unternehmens aufgestiegen war. Sie musste zugeben, dass sie sich zunächst zu ihm hingezogen gefühlt hatte. Was sie allerdings gegen ihn eingenommen hatte, war seine arrogante Annahme, dass alle Frauen ihm zu Füßen liegen müssten. Es war ein Schock gewesen, als ihre Weigerung, mit ihm zu schlafen, dazu geführt hatte, dass er ihr einen Heiratsantrag machte. Aber Leonie war klug genug gewesen, sich keinen falschen Hoffnungen hinzugeben. Alles, was er sah und begehrte, war die äußere Hülle. Er hatte keine Ahnung, was für ein Mensch sie wirklich war, und er wollte es auch nicht wissen. Sobald er ihrer müde geworden wäre, hätte er sie fallen lassen, genau wie die zahlreichen anderen Frauen in seinem Leben.

Ihr Vater ahnte nichts von dem Antrag. Seit ihre Mutter vor vier Jahren gestorben war, hatte er sich nur noch für seine Arbeit interessiert – oder zumindest hatte sie das geglaubt. Wann genau er der Spielsucht verfallen war, wusste sie nicht. Jedenfalls hatte er genug Zeit gehabt, um achtzigtausend Pfund Firmengeld zu veruntreuen. Wie bei den meisten Spielern waren seine Verluste wesentlich höher gewesen als seine Gewinne.

Aber er würde nicht ins Gefängnis gehen, schwor sie sich. Vidal sollte seine Rache bekommen, wenn es das war, worum es ihm ging.

Es war schon nach vier, als sie das Haus in Northwood Hills erreichte, das sie zusammen mit ihrem Vater bewohnte. Leonie war sechsundzwanzig und verdiente ein anständiges Gehalt, sodass sie sich ohne Weiteres eine eigene Wohnung hätte leisten können, zur Miete allemal, aber er wollte sich nicht verkleinern. Außerdem brachte sie es nicht über sich, ihn in dem großen Haus seiner Einsamkeit zu überlassen. Wenn es allerdings hart auf hart kam, würde ihm ohnehin nichts anderes übrig bleiben, als das Haus zu verkaufen.

Stuart Baxter saß mit einer Tasse Kaffee am Schreibtisch in seinem Arbeitszimmer und blickte niedergeschlagen auf, als sie eintrat. Er hatte ganz ähnlich ausgesehen, als er ihr am Abend zuvor die Wahrheit gestanden hatte.

„Ich habe immer noch nichts gehört“, flüsterte er tonlos. „Jede Minute rechne ich damit, dass die Polizei vor der Tür steht.“

„Vielleicht wird es nicht dazu kommen.“ Leonie tat ihr Bestes, um optimistisch zu klingen. „Ich habe Vidal aufgesucht. Natürlich ist er nicht gerade erfreut über die ganze Geschichte, aber die Chancen stehen nicht schlecht, dass er keine Anzeige erstatten wird. Es könnte sogar sein, dass er dich weiterhin beschäftigt, damit du das Geld zurückzahlen kannst, das du genommen hast.“

Stuart starrte sie stumm an. Seine Miene spiegelte die wechselnden Emotionen wider, die ihn erfassten. „Wie in aller Welt hast du das geschafft?“, fragte er schließlich. „Du kennst den Mann doch kaum!“

Leonie biss sich auf die Lippe. „Ich habe an sein Mitgefühl appelliert.“

„Als ich ihn gestern gesehen habe, machte er nicht den Eindruck, so etwas zu besitzen.“ Stuart hielt inne, offensichtlich immer noch sprachlos. „Was genau hast du zu ihm gesagt?“

„Ich habe ihm versichert, dass du dir eher die Hand abhacken würdest, als noch einmal zu spielen“, antwortete sie. „Ich hoffe, damit habe ich nicht gelogen?“

Sein Lächeln hatte etwas Gezwungenes. „In dieser Hinsicht habe ich meine Lektion gelernt, glaub mir!“ Immer noch ungläubig, schüttelte er den Kopf. „Es ist mehr, als ich jemals zu hoffen gewagt hätte!“ Er zögerte, ehe er vorsichtig hinzufügte: „Ich nehme an, mittlerweile wissen alle Bescheid?“

„Offenbar nur eine weitere Person, obwohl es natürlich Gerede geben wird unter den anderen Mitarbeitern. Wie auch immer“, bemerkte Leonie tapfer, „es ist besser, sich den Gerüchten zu stellen, als ins Gefängnis zu gehen, oder?“

„Ja, natürlich. Glaub bitte nicht, ich wäre nicht dankbar!“ Er schüttelte erneut den Kopf. „Ich kann es kaum fassen, dass er keine Anzeige erstatten will, und noch viel weniger, dass er mich vielleicht weiterbeschäftigt! Hat er irgendetwas gesagt, wann er seine Entscheidung treffen wird?“

„Morgen früh solltest du Bescheid wissen“, entgegnete sie und verbot sich jeden Gedanken daran, dass ihr Ziel immer noch scheitern konnte.

Mit diesen Worten ließ sie Stuart allein und ging hinauf in ihr Schlafzimmer. Es war eine Erleichterung, für eine Weile allein zu sein. Um acht musste sie sich vollkommen im Griff haben und sich einzig und allein auf eine Sache konzentrieren – ihren Vater aus der Falle zu befreien, in die er sich selbst hineinmanövriert hatte. Das war allerdings leichter gesagt als getan, wenn sich alles in ihr gegen das sträubte, was sie dazu tun musste. Dennoch hatte sie keine andere Wahl. Vidals Stolz verlangte Genugtuung.

Obwohl sie ihn verachtete, konnte sie nicht leugnen, dass sie sich körperlich zu ihm hingezogen fühlte. Das hatte sie in dem Moment gespürt, als sie ihn wiedergesehen hatte. Sie würde ihre Gefühle unter eiserner Kontrolle halten müssen.

Um keinen falschen Eindruck zu erwecken, gab sie sich bei der Auswahl ihres Outfits keine besondere Mühe, sondern entschied sich für einen schlichten grauen Rock, eine weiße Bluse und ihre nüchternste Unterwäsche.

Vidal lebte in London, so wie in allen anderen wichtigen Großstädten, in einer permanent gemieteten Hotelsuite. Als sie vor dem eleganten Gebäude in Mayfair vorfuhr, kam sich Leonie wie eine Edelprostituierte vor. Und wenn man es genau betrachtete, gab es wirklich kaum einen Unterschied.

Da Leonie die Nummer seiner Suite bereits kannte, blieb es ihr wenigstens erspart, an der Rezeption danach fragen zu müssen. Mit klopfendem Herzen fuhr sie mit dem Lift in die obere Etage des Hotels, holte noch einmal tief Luft und klopfte dann gegen die solide Mahagonitür.

Vidal öffnete und hob beide Augenbrauen, als sie stumm auf dem Gang stehen blieb und wartete. Er trug jetzt Jeans und ein legeres Hemd und sah darin kein bisschen weniger beeindruckend aus als in einem Anzug.

„Pünktlich auf die Minute“, bemerkte er. „Komm herein.“

Die Tür stand zwar weit offen, dennoch war er ihr unangenehm nah, als sie an ihm vorbei in den Raum trat. Seit ihrem letzten Besuch war die Suite neu dekoriert worden – das war ihr erster, absolut irrelevanter Gedanke. Im Wohnbereich herrschten nun geschmackvolle Blau- und Grautöne vor.

„Hübsch“, urteilte sie, indem sie sich betont ungezwungen gab. „Der Designer hat gute Arbeit geleistet.“

„Für das, was ich ihm zahle, sollte er das auch“, kam es trocken zurück. „Aber du bist nicht hier, um über die Einrichtung zu reden.“

„Richtig.“ Leonie drehte sich zu ihm um und hasste ihn für das, was er sie zu tun zwang, und sie hasste sich selbst dafür, dass sie es tat. „Bevor hier irgendetwas zwischen uns passiert, verlange ich deine Zusicherung, dass meinem Vater nichts geschehen wird.“

Vidal kräuselte die Lippen. „Mein Wort würde dir reichen?“

„Seltsamerweise ja.“ Sie konnte nur hoffen, dass ihr Vertrauen in diesen Aspekt seines Charakters gerechtfertigt war.

Das verächtliche Lächeln verstärkte sich noch. „Dann sollst du diese Zusicherung natürlich haben. Vielleicht ein Drink, bevor wir essen?“

„Essen?“ Für einen Moment war sie vollkommen perplex. „Ich dachte …“

„Du dachtest, ich hätte nur die eine Sache im Kopf“, beendete er ihren Satz, als sie nicht weitersprach. In seinen dunklen Augen lag Abscheu. „Ich bekenne mich vieler Sünden schuldig, aber ich war noch nie stillos.“

„Wie sonst würdest du dieses … Arrangement nennen?“, konterte sie.

„Eine Sache von gegenseitigem Nutzen“, entgegnete er ungerührt. „Eine Hand wäscht die andere – sagt man nicht so bei euch?“ Er wartete nicht auf die Antwort. „Was kann ich dir anbieten?“

Sie wollte sein Angebot bereits dankend ablehnen, doch dann überlegte sie es sich anders. Falls Vidal tatsächlich bis zum Äußersten gehen würde, wäre sie gelassener, wenn sie etwas getrunken hätte. „Ich nehme einen Gin Tonic.“

Er deutete mit der Hand auf ein nahe stehendes Sofa. „Mach es dir bequem.“

Das, dachte sie bitter, war völlig unmöglich. Sie fühlte sich wie die sprichwörtliche Katze auf dem heißen Blechdach, während sie beobachtete, wie er zu einer kleinen Bar hinüberging und die Drinks mixte. Seine Bewegungen waren so geschmeidig wie die eines Panthers, und unter seinem Baumwollhemd zeichneten sich deutlich die festen Muskeln ab.

Nachdem er ihr den gewünschten Drink gereicht hatte, setzte er sich in einen Sessel ihr gegenüber.

„Nun, worüber sollen wir uns deiner Meinung nach unterhalten, bis unser Dinner kommt?“, fragte er. „Oder vielleicht sollte ich als Gastgeber die Unterhaltung eröffnen?“

„Das ist mir völlig egal“, entgegnete sie und bemühte sich, die Kontrolle zu wahren, die ihr zunehmend zu entgleiten drohte.

„Dann erzähl mir, wie dir deine Reise nach Paris im vergangenen Monat gefallen hat.“

Ihre grünen Augen weiteten sich vor Schreck über die unerwartete Frage. „Woher weißt du, dass ich in Paris war?“

„Ich habe es mir zum Anliegen gemacht, über all deine Aktivitäten in den vergangenen zwei Jahren Bescheid zu wissen“, gab er mit der größten Selbstverständlichkeit zurück. „Ich weiß zum Beispiel, dass es weder im Moment noch in der Vergangenheit eine ernsthafte Beziehung zu einem Mann gab.“

„Du hast mich beschattet?“ Im ersten Moment war sie zu perplex, um Wut zu verspüren.

Er neigte leicht den Kopf. „Ich würde eher sagen, dass ich Interesse gezeigt habe. Falls du dich ernsthaft mit jemandem eingelassen hättest, wäre es eine extrem kurze Affäre gewesen.“

„Oh, ich verstehe.“ Allmählich gewann der Zorn die Oberhand, und sie rutschte auf die äußerste Kante des Sofas vor. „Da ich die Unverschämtheit besessen habe, dir einen Korb zu geben, sollte es auch mir nicht gestattet sein, jemand anderen zu finden!“

„Richtig.“ In seinem Ton lag nicht die geringste Entschuldigung. „Hast du wirklich geglaubt, ich würde die Dinge, die du mir an den Kopf geworfen hast, einfach vergessen? Soll ich dich daran erinnern?“

Leonie biss sich auf die Lippe. Sie war damals weit über das Ziel hinausgeschossen, weil sie damit jeglicher Versuchung, seinen Antrag doch anzunehmen, zu widerstehen versuchte – sie wollte sozusagen alle Brücken hinter sich abreißen.

„Also gut, ich bin ein bisschen zu weit gegangen“, bemerkte sie steif. „Ich gebe es zu. Aber das ist keine Entschuldigung für dein Verhalten. Als Stalker geht man hierzulande ins Gefängnis.“

Vidal zuckte ungerührt die Achseln. „Da du selbst nicht einmal bemerkt hast, dass du beobachtet wurdest, kann ich mir kaum vorstellen, dass diese Anschuldigung irgendjemand ernst nehmen würde. Aber das ist mittlerweile auch völlig unerheblich. Ich habe eine andere Form der Wiedergutmachung gefunden.“

„Das Wort, nach dem du suchst, heißt Rache“, versetzte sie beherrscht. „Nicht besonders ehrenhaft!“

„Aber befriedigend.“ Vidal streckte sich, als ein Klopfen an der Tür zu hören war. „Das ist vermutlich unser Dinner.“

Der Kellner, der einen eleganten Rollwagen in den Raum schob, war äußerst zurückhaltend. Er servierte die mitgebrachten Speisen auf einem bereits gedeckten Tisch, ohne ein Wort zu sagen. Die Höhe des Trinkgeldes, das er von Vidal bekam, schien ihn aber mehr als zufriedenzustellen.

„Lass uns essen“, forderte Vidal sie auf, nachdem sich die Tür hinter dem Mann geschlossen hatte. „Wenn ich mich recht entsinne, magst du Meeresfrüchte sehr gern.“

Nichts lag Leonie im Moment ferner als der Gedanke an ein gemeinsames Dinner mit Vidal, aber sie würde auch nichts dadurch gewinnen, dass sie sich weigerte. Also stand sie auf und wunderte sich kein bisschen, dass ihre Beine zitterten, während sie zu dem Tisch hinüberging.

Das Menü war hervorragend, ganz wie erwartet, aber was Leonie betraf, so hätte sie auch auf Stroh kauen können. Vidal gestand ihr lediglich ein Glas Wein zu, indem er unverblümt äußerte, er wolle, dass sie all ihre Sinne bei sich behalte und nicht vorzeitig einschlafe.

Leonie verkniff sich eine beißende Antwort. Sie konnte schwören, nicht auf ihn zu reagieren, aber ihr Körper machte dieses Vorhaben ziemlich unwahrscheinlich. Sie konnte lediglich versuchen, so kalt wie möglich zu bleiben.

Das Menü endete mit einer Mousse au Chocolat, für die sie sich reichlich Zeit ließ. Doch irgendwann hatte sie den letzten Löffel gegessen, und so betrachtete sie Vidal über den Tisch hinweg mit sehr gemischten Gefühlen. Einerseits hasste sie den Gedanken an das, was nun kommen würde, andererseits erregte er sie auch.

„Lass es uns hinter uns bringen“, erklärte sie bitter. „Je eher ich von hier verschwinden kann, desto besser!“

Vidal verschränkte beide Hände hinter dem Kopf und lehnte sich in seinem Stuhl zurück. Sein Gesichtsausdruck wirkte ironisch. „Zeit spielt keine Rolle. Wir haben die ganze Nacht vor uns.“

Leonie hatte das zwar erwartet, doch das bedeutete nicht, dass sie es widerspruchslos hinnehmen musste. „Wenn es dir nur um meine Demütigung geht, musst du dir nicht solche Mühe machen“, entgegnete sie. „Genau genommen, hast du dein Ziel bereits erreicht.“

„Und nun schlägst du vor, dass ich es dabei belassen soll?“ Er schüttelte den Kopf. „Auf diesen Augenblick habe ich viel zu lange gewartet. Und falls du gehofft hast, mich abzuschrecken, indem du dich wie eine Sekretärin anziehst, muss ich dich enttäuschen. Die Strenge deiner Kleidung ist ein interessanter Kontrast zu dem, was darunter verborgen liegt.“

„Du hast überhaupt keine Ahnung, was darunter liegt!“ Unter den gegebenen Umständen war ihre Empörung lächerlich, das wusste sie, aber sie war einfach zu wütend. „Ich habe es nicht zugelassen, dass die Dinge zwischen uns so weit gehen!“

Er lächelte zufrieden. Ganz offensichtlich genoss er ihre Entrüstung. „Meine Augen müssen mir nicht erst bestätigen, was meine Hände bereits entdeckt haben. Deine Haut ist weich wie Samt, deine Brüste fest und voll, deine Taille schmal. Dein Körper bringt einen Mann um den Verstand …“

„Hör auf!“ Leonies Wangen brannten vor Scham, ihr ganzer Körper bebte. „Ich will nichts mehr davon hören!“

„Du wirst noch eine ganze Menge mehr hören, ehe die Nacht vorbei ist“, versprach er. „Aber nicht gerade jetzt. Zunächst einen Brandy, dann ein bisschen Musik, um die richtige Atmosphäre zu schaffen. Vielleicht tanzen wir sogar.“

Leonie biss sich auf die Zunge. Was auch immer Vidals Absichten waren, ihr blieb keine andere Wahl, als sich zu fügen.

Auf sein Geheiß setzte sie sich auf dasselbe Sofa wie vorhin, während er auf dem Weg zur Bar einen versteckten CD-Player einschaltete. Sanfte Musik füllte den Raum. Nichts, was Leonie kannte, aber zumindest beruhigend, das musste sie zugeben.

Diesmal nahm Vidal direkt neben ihr Platz und stieß mit ihr an. „Angenehme Träume!“, meinte er spöttisch.

„Ich hoffe, du hast Albträume“, konterte sie schwach, was bei ihm ein belustigtes Lachen hervorrief.

„Ich werde es dich morgen früh wissen lassen.“

„Ich soll die ganze Nacht hier bleiben?“, fragte sie, obwohl sie die Antwort bereits kannte.

„Natürlich. Ich freue mich schon auf unser gemeinsames Frühstück auf dem Balkon, falls das Wetter es erlaubt. Wenn wir jetzt in Portugal wären, würde sich die Frage gar nicht stellen. Der Juni ist ein wunderbarer Monat. Die Luft ist warm, die Felder sind voller Blumen, und es herrscht eine Atmosphäre voller Frieden und Fülle.“

Sie warf einen verstohlenen Blick auf sein ausgeprägtes Profil und verharrte einen Moment auf seinem sinnlichen Mund, ehe sie ihre Aufmerksamkeit wieder auf das Glas in ihrer Hand richtete.

Sie hatte den Brandy nicht gewollt, doch jetzt trank sie ihn beinahe in einem Zug aus. Sofort breitete sich ein Feuer in ihrem Inneren aus.

„Brandy sollte man genießen und nicht wie Wasser die Kehle hinunterkippen“, tadelte er sie. „Oder versuchst du dir gerade Mut anzutrinken?“

Autor

Kay Thorpe
Als Kay Thorpe 1964 ein Baby bekam, hatte sie bereits in den verschiedensten Bereichen gearbeitet, u.a. bei der Women’s Royal Air Force und als Zahnarzthelferin. Nun stand sie vor der Frage: Was kam jetzt für sie beruflich in Frage, wo sie wegen des Kindes ans Haus gebunden war? Da sie...
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